Rosat, reloaded!

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Heute wieder zurück in die himmlische Welt: harte Fakten über die weiche Röntgenstrahlung.

Blick in die Vergangenheit: Rosat, ein Satellit, der 1990 gestartet ist und mit seinem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre 2011 verglühte. Schnee von gestern? Keineswegs! Rosat, in den achtziger Jahren konzipiert und ein echter Meilenstein der deutschen Raumfahrt, hat schon Generationen von Wissenschaftlern befasst – und kein Ende in Sicht.

In den neunziger Jahren machte Rosat wissenschaftliche Schlagzeilen, als er den Himmel erstmals vollständig auf Röntgenquellen durchsuchte und dabei rund 10.000 Röntgenquellen detektierte. Der aus den Beobachtungsdaten erstellte Himmelskatalog des universalen weichen Röntgenlichts ist nicht nur der erste, sondern bis heute der einzige vollständige Katalog himmlischer Strahlungsquellen im Röntgenbereich.

Die von ihm erhobenen Daten waren Grundlage etlicher neuer Erkenntnisse in der Astronomie und haben über zwei Jahrzehnte eine Flut wissenschaftlicher Veröffentlichungen ausgelöst. Zwar gibt es inzwischen andere Satelliten, die einzelne Himmelsregionen im Röntgenlicht mit größerer Präzision beobachten können, doch sowohl die so erfolgreiche europäische Mission XMM-Newton als auch der amerikanische Satellit Chandra sind nur in der Lage, sehr kleine Ausschnitte des Himmels genau zu untersuchen, also das, was Astrophysiker „Röntgen-Punktquellen“ bezeichnen.

Vor einigen Jahren kam im Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik die Idee auf, die alten, bis heute von Astrophysikern genutzten Daten des universalen Röntgenatlas mit neuen Methoden und besserer Rechnerleistung nochmals auszuwerten und dabei auch noch alle erst später entdeckten systematischen Fehler zu bereinigen. Die erneute Datenauswertung brachte jetzt nicht nur zu einer um zwei Bogensekunden genaueren Positionsbestimmung der bekannten Quellen im Röntgenlicht, sondern förderte weitere 20.000 neue Röntgenpunktquellen ans Licht. Ein Team um den Astrophysiker Thomas Boller, deren Mitglieder schon bei der ersten Auswertung der Rosat-Daten beteiligt waren, hat das „Facelifting“ der Daten durchgeführt und 2016 den zweiten Röntgenatlas von Rosat für die Wissenschafts-Community veröffentlicht.

Neuer Wein in alten Schläuchen also! Ich fand, das ist eine spannende Geschichte aus der Astronomie. Und ganz nebenbei auch eine, die allmählich Schule machen könnte. Denn das Recyceln alter Daten mit neuen Methoden ist durchaus ein probates Mittel, mit vergleichsweise geringem finanziellen Aufwand Neues finden zu können. Darüber wollte ich also mehr wissen, habe das Team in Garching besucht und so allerlei interessante facts & figures aus der sogenannten Hochenergie-Astrophysik erfahren.

Die Röntgen-Astrophysiker erläutern mir in der Sendung, welche Besonderheiten bei der Röntgenastronomie bestehen, wieso die Entfernungsmessung der mehr als 100.000 bekannten Strahlungsquellen nur ganz selten möglich ist und – damit ursächlich zusammenhängend – warum die heute nur für wenige Röntgen-Punktquellen mögliche Röntgenspektroskopie von Himmelsobjekten nicht nur für die Verortung der Strahlungsquellen, sondern auch für das kosmologische Verständnis wichtig ist.

Die Spektroskopie im Röntgenbereich steckt heute noch in den Kinderschuhen, selbst im wesentlich besser untersuchten optischen Bereich sind nur rund zehn Prozent aller Lichtquellen spektroskopisch untersucht. Mit der vollständigen Himmelsdurchmusterung durch eRosita, wichtigste Nutzlast an Bord des russischen Satelliten SRG – für Spektrum-Röntgen-Gamma –, soll die Röntenspektroskopie jedoch einen mächtigen Schub erhalten. Dessen Start ist für 2017 geplant. Mit dem vom Max-Planck-Institut gebauten Rosat-Nachfolge-Teleskop wird der ganze Röntgenhimmel dann ein zweites Mal vollständig durchmustert: dann zehnmal empfindlicher als es Rosat konnte und vor allem in noch höheren Energiebereichen. Strahlung bis zu acht Kilo-Elektronen-Volt wird er aufspüren können und so auch für Röntgenpunktquellen neue spektrale Erkenntnisse bringen. Vor 2020 ist damit jedoch nicht zu rechnen. Bis dahin wird der zweite Rosat-Atlas deshalb für die Astrophysiker gute Dienste leisten können.

Röntgenastronomie befasst sich vor allem mit den „Exoten“ des Himmels, da diese die stärksten Röntgenstrahler sind: Schwarze Löcher, Pulsare und Quasare, die bis zu den Grenzen des bekannten Universum nachweisbar sind. Sie zeigt den Himmel in spezifischem Licht, im Infrarot oder dem optischen Spektralbereich unterscheidet sich die Himmelsansicht ganz erheblich. Die Trenddisziplin der „Multiwavelength Astronomy“ versucht, die mit höchst unterschiedlichen Technologien gemessenen Lichtemissionen unterschiedlicher Spektralbereiche sozusagen “übereinander” zu bringen und bestimmten Himmelsobjekten im Raum eindeutig zuzuordnen. Denn will man die den beobachtbaren astronomischen Phänomenen zugrunde liegenden physikalischen Prozesse verstehen, reicht die Analyse des Lichts einer Wellenlänge allein nicht aus. Es müssen die Informationen des gesamten Spektrums herangezogen werden. Erst die Zusammenführung der Beobachtungen vom Infraroten über den optisch sichtbaren Bereich bis zu jenen der Röntgen- und Gammastrahlung ergibt das “ganze Bild”, das Astrophysiker wie Dr. Antonis Georgakakis finden wollen.

Und hier noch die Talks als ausführliches Bonus-Material.

Thomas Boller berichtet über die Hintergründe des neuen Röntgenatlas.

Mit Frank Haberl habe ich vor allem über die Thematik spektroskopischer Röntgenforschung gesprochen.

Michael Freyberg gibt ein paar Informationen über eRosita und berichtet dann über die berühmte Eisen-Linie im universalen Spektrum, die nun mit der zweiten Himmelsdurchmusterung durch eRosita bald ins Visier der Röntgenforschung geraten wird.

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Ich habe viele Jahre journalistisch im Bereich Wissenschaft und Technologie gearbeitet, später dann mit meiner kleinen Beratungsfirma als Medienexpertin. 2010 erfüllte ich mir meinen großen Traum und gründete den Spartensender HYPERRAUM.TV, für den ich eine medienrechtliche Rundfunklizenz erteilt bekam. Seither mache ich als One-Woman-Show mit meinem „alternativen TV-Sender“ gewollt nicht massentaugliches Fernseh-Programm. Als gelernte Wissenschaftshistorikern habe ich mich gänzlich der Zukunft verschrieben: Denn die Vergangenheit können wir nur erkennen, die Zukunft aber ist für uns gestaltbar. Wir sollten versuchen, nicht blind in sie hinein zu stolpern!

9 Kommentare

  1. Verglichen mit optischen Teleskopen und optischen Spektrographen sind Röntgenteleskope und – Spektrographen viel schwieriger zu bauen, denn Röntgenstrahlen können weder mit einer Linse noch mit einem klassischen Spiegel fokussiert werden. Statt dessen verwendet man die streifende Reflexion von Röntgenstrahlen an keramischen oder metallischen Folien in sich mehrfach wiederholenden identischen Baugruppen. Zudem kann man Röntgenteleskope nur im Weltraum einsetzen, womit es schwierig wird zu testen ob ein eben gebautes Röntgenteleskop die Abbildungsgüte erreicht, die man theoretisch erwartet. Trotz all dieser Schwierigkeiten wurden schon sehr viele Röntgenteleskope gebaut und eingesetzt. Und die Liste der geplanten Röntgenteleskopie ist auch nicht eben kurz wie uns die NASA-Website Concepts for Future High-Energy Astrophysics Missions verrät.
    Gerade weil Röntgenteleskope nur im Weltraum eingesetzt werden können, sind sie besonders interessant, öffnen ihre Bilder doch ein Fenster auf den Himmel, das uns vorher verschlossen war. Das Unsichtbare sichtbar zu machen hat an und für sich einen Reiz. Zudem werden Röntgenstrahlen von extrem heissen Objekten und von hochenergetischen Prozessen emittiert, von Materie also, die sich extrem aufgeheizt hat, weil sie gerade von einem schwarzen Loch verschluckt wird oder die an und für sich sehr heiss ist wie das zwar dünne, aber extrem heisse intergalaktischen Gas.
    Im Prinzip ist Röngenastronomie Astronomie für extraterrestrische Beobachter (die Röntgensatelliten sind extraterrestrisch). Die Welt die wir durch unsere Augen und durch Verstärker wie optische Telekope sehen ist nicht genug für die Erbauer solcher Teleskope.

      • Zu refraktiven (mit Brechung arbeitenden), gestapelten Röntgenlinsen: Sie absorbieren sehr viel Röntgenstrahlung und sind stark chromatisch. Für astronomische Abbildungen kommen sie daher kaum in Frage wohl aber für Abbildungen bei denen eine starke Röntgenquelle eingesetzt wird (wie dem freien Elektronenlaser der im Röntgenbereich arbeitet).

        Die Zukunft der Röntgenastronomie könnte dagegen bei Fresnel-Zonen-Platten liegen. Diese wirken über die Beugung des Lichts. Vorteile: Potenziell hohe Sensitivität und extrem hohe Winkelauflösung (im Mikrobogensekundenbereich); grosse Zonen-Platten sind im Weltraum denkbar. Nachtteil: Sehr grosse Fokuslänge, so dass ein Formationsflug von Zonen-Platte und Röntgendetektor nötig ist;
        Potenzielle Anwendungen: Mit Fresnel-Zonen-Platten könnten Röntgenteleskope den Ereignishorizont von schwarzen Löchern detailliert darstellen.

        • Ergänzung zu Fresnel-Zonen-Platten für die Röntgenastronomie. In der von mir verlinkten Quelle liest man dazu:

          The main problem is that for any reasonable diameter the focal length becomes very long indeed. The 5 m diameter 500 keV lens example (Tables 1, 2, Fig. 3) would have a focal length of just over 10^ 6km at 511 keV.

          Diese 5 m im Durchmesser grosse Zonenplatte wäre sehr dünn und absolut flach und müsste wohl im Weltall selbst hergestellt werden, da sie einen Raketenstart von der Erde aus wegen den Erschütterungen kaum überstehen würde.
          Ein solches Röntgenteleskop würde man am besten nahe dem Langrangepunkt L2 platzieren. Der Abstand zwischen dem Detektor (z.B. CCD) und der Zonenplatte wäre mit 1 Million Kilometern dreimal so gross wie der Abstand zwischen Erde und Mond. Dieser Abstand müsste auf Mikrometer genau konstant bleiben. Doch das ist heute möglich wie das geplante Gravitationswellenteleskop LISA zeigt.

          • Übrigens wird auch das Folge-Teleskop eRosita, wie in der Reportage berichtet, im L2-Punkt fliegen. In dieser so interessanten Position häufen sich inzwischen auch schon die Objekte. Für alle, die an mehr Infos über eRosita interessiert sind, dessen Start nach derzeitiger Planung im Frühjahr 2017 sein soll. der Link zum MPE:
            http://www.mpe.mpg.de/450415/eROSITA

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