Leuchtende und dunkle Strukturen im Kosmos


In diesem Monat stand wieder einmal das Weltall auf dem Programm. Im Zentrum die Strukturbildung des Universums, eine eine Trenddisziplin der Astrophysik. Über den heutigen Stand der Forschung habe ich in dieser Reportage mit dem Kosmologen Hans Böhringer, Professor für Astrophysik, vom Max-Planck-Institut für extratrerrestrische Physik gesprochen. Mit Modellen wie Illustris versuchen Kosmologen, dessen Entstehungsgeschichte seit den Dichteschwankungen im Quark-Gluon-Plasma nachzubilden. Durch Gravitation und Expansion bildete sich daraus das kosmische Web, als massereichste Objekte Galaxienhaufen und Superhaufen enthält, die wiederum über Materiebrücken, sogenannte Filamente, materiell verbunden sind. In Simulationen können wir uns eine Vorstellung Entwicklung dieser großräumigen Strukturen über die Jahrmillionen machen – und zwar sowohl für die leuchtenden Strukturen als auch die Verteilung der Dunkle Materie, die nach heutiger Auffassung der Kosmologen mit rund 80 Prozent den größten Teil der gesamten Masse des Universums ausmacht.

Die Materie des Universums bildete sich nach dem Urknall aus einem Plasma, einer Art Ursuppe aus Quarks und Gluonen. Quantenfluktuationen erzeugten darin Dichteschwankungen. Sie sind zu gravitativen Instabilitäten angewachsen; aus den beiden entgegengesetzten kolossalen Kräften Gravitation und Expansion entstanden die heute beobachteten vielfältigen Strukturen im Universum. Die intergalaktische Materie in den Filamenten wird von den Gravitationszentren angezogen. Aus diesen Gasen entstehen in den Randbereichen von Galaxien laufend neue Sterne. Ebenso entstehen in den Filamenten durch gewaltige Massekonzentrationen trotz steigender Expansion immer noch neue Galaxien.

Unsere Milchstraße ist Teil der sogenannten Lokalen Gruppe, wie der kosmische Nahbereich des Universums von Astronomen heute genannt wird. Dazu gehören die beiden seit alters her bekannten Magellanschen Wolken, zwei irreguläre Galaxien, die am Himmel als diffuse Lichtflecken zu erkennen sind und etwa 700.000 Lichtjahre von uns entfernt sind. Der Andromedanebel in 2,5 Millionen Lichtjahren ist die uns nächst gelegene Spiralgalaxie. Neben solchen großen Himmelsobjekten in unserem Nahbereich kennen wir inzwischen auch weit über fünfzig Zwerggalaxien, die unsere Lokale Gruppe besiedeln und vergleichsweise nur sehr wenige Sterne haben. Nach heutiger Auffassung speisen solche Zwerggalaxien die zentralen großen Galaxien wie auch unsere Milchstraße.

Die Lokale Gruppe wiederum gehört zu einer größeren Himmelsstruktur, zu einem Superhaufen, von einem Forschungsteam vor einiger Zeit Laniakea getauft. Er erstreckt sich etwa fünfhundert Millionen Lichtjahre im Raum. In ihm befinden sich in einer dicht gepackten, aber nicht gleichmäßig verteilten Struktur von rund hunderttausend Galaxien, jede mindestens so groß wie unsere eigene Milchstraße. Ein internationales Forscherteam hat diese nähere Umgebung von uns im Universum genau kartografiert und für tausende der zu unserem lokalen Superhaufen gehörenden Galaxien eine dreidimensionale Karte des lokalen Universums und den darin waltenden Gravitationskräften erstellt. Im Zentrum davon: der sogenannte Große Attraktor, nach heutigem Wissen das gewaltige Gravitationszentrum, das das auf die Lokale Gruppe wirkt, für uns aber nur schwer beobachtbar ist, da es auf der anderen Seite der Milchstraße und in deren materiereich gefüllter Ebene liegt. So können wir diese mächtige Materieansammlung bisher nicht direkt beobachten.
Aufbauend auf den Erkenntnissen des Laniakea-Teams hat das internationale Forschungsprojekt Clues verschiedene kosmische Modelle in höchster räumlicher und zeitlicher Auflösung gerechnet und damit verglichen. Dabei ging es auch um die Erklärung einer offensichtlichen Diskrepanz heutiger Modelle: Simulationen führen zur Entstehung von wesentlich mehr Zwerggalaxien als wir heute tatsächlich beobachten. Selbst in unserer Nachbarschaft müssten zahlreiche Objekte mit einem Bruchteil von Masse und Ausdehnung unserer Milchstraße existieren. Zwerggalaxien bewegen sich nach neuester Annahme mit hoher Geschwindigkeit durch den Raum. Durchqueren sie Materiekonzentrationen – beispielsweise am Rande einer Galaxis – verlieren sie Materie. Die großen Galaxien erweisen sich als kannibalische Himmelsstukturen, die stetig heranwachsen, weil sie sich die Materie der unscheinbaren Zwerggalaxien einverleiben. Die ihrer Materie weitgehend beraubten Relikte der großen Zahl von entstandenen Zwerggalaxien sind daher so lichtschwach, dass sie durch das Beobachtungsraster irdischer Sensoren fallen.

Es gibt aber auch eine zweite, ganz anders gelagerte Erklärung für die missing satellites. Astrophysiker des Clues-Projektes haben sie in einem alternativen Berechnungsmodell gefunden. Heute gehen die meisten Astrophysiker davon aus, dass Dunkle Materie „kalt“ ist. Als jedoch die Clues-Kosmologen ihre Simulationen mit „warmer“ dunkler Materie rechneten, gab es ein interessantes Ergebnis: Es bilden sich unter dieser Annahme im kosmischen Netz deutlich weniger Zwerggalaxien heraus. Auch der Vergleich der daraus entstandenen Struktur zeigte befriedigende Übereinstimmung mit der heute bekannten Materieverteilung in der Lokalen Gruppe. Schon wird darüber diskutiert, ob es im Kosmos möglicherweise unterschiedliche Arten Dunkler Materie geben könnte, aber ein wirklich überzeugendes Modell fehlt bisher noch.

Den Sprechertext zur Sendung gibt es – wie immer – bei HYPERRAUM.TV.

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Ich habe viele Jahre journalistisch im Bereich Wissenschaft und Technologie gearbeitet, später dann mit meiner kleinen Beratungsfirma als Medienexpertin. 2010 erfüllte ich mir meinen großen Traum und gründete den Spartensender HYPERRAUM.TV, für den ich eine medienrechtliche Rundfunklizenz erteilt bekam. Seither mache ich als One-Woman-Show mit meinem „alternativen TV-Sender“ gewollt nicht massentaugliches Fernseh-Programm. Als gelernte Wissenschaftshistorikern habe ich mich gänzlich der Zukunft verschrieben: Denn die Vergangenheit können wir nur erkennen, die Zukunft aber ist für uns gestaltbar. Wir sollten versuchen, nicht blind in sie hinein zu stolpern!

13 Kommentare

  1. Zitat: Heute gehen die meisten Astrophysiker davon aus, dass Dunkle Materie „kalt“ ist. Als jedoch die Clues-Kosmologen ihre Simulationen mit „warmer“ dunkler Materie rechneten, gab es ein interessantes Ergebnis: Es bilden sich unter dieser Annahme im kosmischen Netz deutlich weniger Zwerggalaxien heraus.
    Was aber wenn die dunkle Materie genau so differenziert wäre wie unsere eigene Materie, nur dass sie nicht mit unserer Materie wechselwirkt? Dann könnte es passieren, dass es in dieser Gegenwelt Gegenmenschen gibt, die sich darüber wundern, dass es neben der normalen Materie noch 20% dunkle Materie gibt (unsere Materie nämlich). Vielleicht fände dann eine weit fortgeschrittene Gegenzivlisation auf die Idee diese 20% dunkle (und unnütze) Materie als Brennstoff für Dunkle-Materie-Kraftwerke zu benutzen und sie würden uns unbemerkt in ihren Kraftwerken verheizen.

  2. Wenn die dunkle Materie auf ein Gravitationszentrum zustürzt, dann fliegt sie auf der anderen Seite mit der selben Summe aus potentieller und kinetischer Energie wieder hinaus.
    Ohne die Abstrahlung von Energie stellt sich eine Zusammenballung von dunkler Materie als ziemlich unwahrscheinlich dar.
    So kalt kann die dunkle Materie gar nicht sein, denn sie hat immer, weit weg vom Gravitationszentrum, eine Menge potentieller Energie.

    • Wenn ein langsames Wasserstoffatom aus dem intergalaktischen Raum in unsere Galaxis stürzt, dann erreicht es eine Geschwindigkeit von mehr als 320 Kilometern pro Sekunde.
      Das entspricht einer Temperatur von mehr als 4 Millionen Kelvin.
      Die erreichte Geschwindigkeit ist von der Masse der Teilchen unabhängig.
      Die errechnete Temperatur ist zu der Masse der Teilchen direkt proportional.
      Bei dem Wasserstoffmolekül H2 wären es dann mehr als 8 Millionen Kelvin.
      Bei einem Tausendstel der Masse eines Wasserstoffatoms wären es 4000 Kelvin.

      • Eine Geschwindigkeit von 300 Kilometern pro Sekunde ist 1/1000 der Lichtgeschwindigkeit.
        Unsere Galaxis ist ungefähr 100000 Lichtjahre groß.
        Das Teilchen benötigt also ungefähr 100 Millionen Jahre, um hindurch zu fliegen.

    • @Karl Bednarik (Da liegen sie falsch, Zitat): Wenn die dunkle Materie auf ein Gravitationszentrum zustürzt, dann fliegt sie auf der anderen Seite mit der selben Summe aus potentieller und kinetischer Energie wieder hinaus.Ohne die Abstrahlung von Energie stellt sich eine Zusammenballung von dunkler Materie als ziemlich unwahrscheinlich dar.
      Es ist eher umgekehrt: Wenn schon fliegt die gewöhnliche Materie (also unsere Materie) auf die Graviationszentren der dunklen Materie zu. Denn:
      1) Es gibt sehr viel mehr dunkle Materie als gewöhnliche (80% versus 20%)
      2) Die Entstehung von Galaxien und von Strukturen, also von Ansammlungen gewöhnlicher Materie (wie Gaswolken etc) wäre nach heutigem Wissen gar nie oder nicht so schnell passiert ohne grosse Haufen an dunkler Materie die anziehend wirken auf gewöhnliche Materie.
      3) Universumssimulationen wie Illustris rechnen in Bezug auf die Galaxienentstehung fast nur mit der dunklen Matterie als gravitationellem Attraktor und das NASA-Bild Dark Matter in a Simulated Universe zeigt die Dominanz von dunkler Materie und es zeigt auch, dass man sich das Universum als gigantisches Netz dunkler Materie vorstellen muss, als Netz, in dessen Knoten/Überschneidungen besonders viel gewöhnliche Materie hockt, denn dorthin wird die gewöhnliche Materie gezogen – von der dunklen Materie hingezogen/hingesaugt.

        • @Karl Bednarik (Zitat): Wenn die kinetische Energie nicht abgegeben werden kann, dann kann die dunkle Materie auch nicht in der Nähe eines Gravitationszentrums bleiben. Klar, aber – und nun das grosse aber – wenn die dunkle Materie mit nichts interagiert, nicht einmal mit sich selbst (ausser über die Gravitation), dann kann sie auch keine kinetische Energie gewinnen – ausser durch die Anziehung durch ein Gravitationszentrum. Solche dunkle Materieteilchen würden wie ein perfektes, reibungsloses Pendel immer wieder durch das Gravitationszentrum durchschiessen, dann langsamer werden, die Bewegungsrichtung umkräehren und wieder durch das Gravitstionszentrum hindurchschiessen. Allerdings würden dadurch wohl keine Bänder und Netzeerke von dunkler Materie entstehen, sondern nur grosse Haufen. Schwache Interaktionen zwischen dunkle Materieteilchrn wird es wohl geben. Man hat auch schon vermutet, dunkle Materiezeilchen seien ihre eigenen Antiteilchen und löschten sich bei Kollission aus.

          • Vermutlich können die Teilchen der dunklen Materie bei nahen Begegnungen durch ihre Gravitation kinetische Energie austauschen.
            Bei einem solchen Swing-by-Effekt könnten zwei mittel-schnelle Teilchen zu einem langsameren und einem schnelleren Teilchen werden.
            Die schnelleren Teilchen verlassen die Galaxis, und die langsameren bleiben drinnen.
            Die Kugelsternhaufen schrumpfen auch durch das Hinauswerfen der schnellsten Sterne.

    • @Karl Bednarik (Zitat): Vermutlich können die Teilchen der dunklen Materie bei nahen Begegnungen durch ihre Gravitation kinetische Energie austauschen. Sicher können sie das, doch damit das ins Gewicht fällt (einen messbaren Einfluss hat) müsste jedes einzelne dieser Teilchen dann doch eine recht grosse Masse haben. Im Vergleich: 2 Protonen haben zwar auch eine Masse und ziehen sich gravitativ an. Doch der Effekt ist so klein, dass man ihn im Standardmodell völlig ignoriert und auch ignorieren kann.

  3. Sterile Neutrinos in Sicht (+Kandidaten für dunkle Materie?)
    Natalie Wolchover’s Artikel Evidence Found for a New Fundamental Particle berichtet über Hinweise auf ein bisher unbekanntes, “dunkles” Teilchen, auf ein sogenannt steriles Neutrino. Grundlage für die Vermutung, es gebe ein solches bisher unentdecktes, dunkles und relativ schweres Teilchen in Form eines sterilen Neutrinos ist ein Neutrino-Anomalie, die bereits 1990 entdeckt wurde und die nun mit dem Fermi-Lab-Experiment MiniBooNE spektakulär bestätigt wurde. Bei diesen Experimenten geht es darum, die unterschiedlichen Neutrinosorten, die es gibt, in einem Neutrinostrahl abzuzählen, denn man weiss inzwischen, dass sich die verschiedenen Neutrinosorten ineinander umwandeln können. Dabei wurde jedoch nicht die erwartete Verteilung gefunden, sondern eine Neutrinosortenverteilung, die sich am ehesten mit der Existenz einer vierten Neutrinosorte (es gibt 3 bekannte Sorten) erklären lässt. Diese vierte Neutrinosorte könnte zugleich einen Teil oder gar die ganze dunkle Materie ausmachen. Allerdings passt das sterile Neutrino nicht so richtig ins Gesamtbild und andere kosmologische Beobachtungen und es wurde auch der Verdacht laut, das Experiment habe gewisse Teilchen, die neben den Neutrinos auch entstehen falsch interpretiert und falsch mitgezählt. Jedenfalls sind jetzt weitere Neutrino-Experimente geplant, die unter anderem die Neutrinos auf frischer Tat ertappen wollen, die also die Umwandlung einer Sorte in eine andere finden wollen.

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