Kunst und Wissenschaft als Integral

BLOG: HYPERRAUM.TV

Video-Blog über Wissenschaft und Innovation
HYPERRAUM.TV


Zur Weihnachtszeit noch ein Gedankenflug mit einem klugen Kopf, der bereit ist, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen. Roger Malina ist Professor für Astrophysik, hat aber das Erbe seines Vaters fortgesetzt als Herausgeber der bei MIT Press publizierten Zeitschrift „Leonardo“, des weltweit führenden Wissenschafts-Magazins für Kultur und Wissenschaft. Malina ist heute in beiden Welten der Wissenschaft zuhause. In unserer Tour d’Horizon geht es deshalb zwar zuerst einmal um Naturwissenschaft und deren Methoden, aber ebenso darum, dass auch Kunst und Geisteswissenschaft einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Malina räumt zudem gleich am Anfang unseres Gesprächs damit auf, dass C.P. Snow, selbst Mitgründer von „Leonardo“ und heute allseits als Vater der „zwei Kulturen“ gepriesen, mit diesem Erbe glücklich gewesen wäre. Für Malina ist es weder so, dass es eine harte Trennung der zwei Kulturen tatsächlich gibt, noch dass der Naturwissenschaft die Königsrolle in der Forschung und im Fortschritt der Gesellschaft zukommt, wie das viele Naturwissenschaftler jedenfalls selbst gern sehen. Roger Malina ist ehrlich genug zu zugeben, dass auch er früher so dachte. In der Conclusio sagt er: Nur mit allen Methoden des Denkens wird die Menschheit in der Lage sein, die Probleme zu lösen, vor denen sie schon heute steht. Eine eher düstere Einschätzung unserer Welt in einem anregenden Gespräch – mit Gedanken, die ich persönlich für weitsichtig und sehr beachtenswert halte.

Ich schließe meinen Blog für 2018 also mit dieser sehr kurz gehaltenen Empfehlung, sich das Video anzuschauen und offen zu sein, für Roger Malinas Aussagen – nicht aber ohne allen meinen Lesern ein besinnliches Fest, geruhsame Tage und dann natürlich auch einen perfekten Rutsch in das neue Jahr zu wünschen!

Den ganzen Text samt den Übersetzungen der Statements gibt’s bei HYPERRAUM.TV – hier.

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

Ich habe viele Jahre journalistisch im Bereich Wissenschaft und Technologie gearbeitet, später dann mit meiner kleinen Beratungsfirma als Medienexpertin. 2010 erfüllte ich mir meinen großen Traum und gründete den Spartensender HYPERRAUM.TV, für den ich eine medienrechtliche Rundfunklizenz erteilt bekam. Seither mache ich als One-Woman-Show mit meinem „alternativen TV-Sender“ gewollt nicht massentaugliches Fernseh-Programm. Als gelernte Wissenschaftshistorikern habe ich mich gänzlich der Zukunft verschrieben: Denn die Vergangenheit können wir nur erkennen, die Zukunft aber ist für uns gestaltbar. Wir sollten versuchen, nicht blind in sie hinein zu stolpern!

5 Kommentare

  1. “Nur mit allen Methoden des Denkens wird die Menschheit in der Lage sein ihre Probleme zu lösen…”
    Es sind nicht die Denkmethoden sondern die Ideen und Ideologien, die die Welt verändern.Gedanken /Denken ist nur eine Folgeerscheinung. Die Menschheit benötigt meiner Ansicht nach also keine neuen Denkmethoden sondern neue Ideen
    um alte Ansichten zu zerstören. Wenn heute der Papst feststellt, dass die Menschen voller grenzenloser Gier und Sucht nach Konsum sind, dann trift er mit damit den Nagel auf den Kopf.Solange solche WERTE das gesellschaftliche Bewusstsein,die Gesellschaft an sich, bestimmen, solange werden die Probleme dieser Welt nicht gelöst sondern eher noch verschärft.Es sollte eine andere Gesellschaftsform geben, die den Menschen alternative Werte anbietet,die auch kommenden Generationen überhaupt noch ein Überleben möglich macht….

  2. Für (echte) Künstler gibt es keine zwei Kulturen und für kreative Wissenschaftler ebenfalls nicht. Künstler und Wissenschaftler sind nämlich in ihrem Denken offen, sie sind bereit Grenzen zu überschreiten und etwas – oder gar alles – mit ganz anderen Augen anzuschauen. Im Verlaufe dieses Prozesses können ganz neue Zugänge zur Welt enstehen, ganz neue Verknüpfungen und Denkrichtungen.

    Bei einer wichtigen Gruppe von heutigen Geisteswissenschaflern, etwa gewissen Philosophen, gibt es aber diese zwei Kulturen und darunter die wissenschaftlich/technische Kultur als Feindbild, wobei die Philosophen/Geisteswissenschaftler ausdrücklich den sogenannten Szientismus (alle Wissenschaft ist Naturwissenschaft) ablehnen , dem sie vorwerfen
    1) die Deutungshoheit auch über das Humane und Geistig/Soziale zu beanspruchen
    2) den sie als wichtigen Treiber einer sich zunehmend verbreitenden materialistischen, neoliberalen Weltsicht sehen

    Zu 1) Neurobiologen und Kognitionsforscher beanspruchen inzwischen Aussagen über Dinge wie den vorhandenen oder nicht vorhandenen freien Willen des Menschen und sich daraus ergebende Konsequenzen für das Strafrecht machen zu können, ja sie beanspruchen gültige Aussagen über alles machen zu können, was sich im Kopf des Menschen (typischerweise reduziert auf sein Hirn) abspielt und abspielen kann. Damit werden sie in den Augen der erwähnten Geisteswissenschaftler/Philosophen übergriffig, denn diese Fragen waren bis vor kurzem Philosophen vorbehalten

    Auch hier auf scilogs gibt/gab es diese Auseinandersetzung etwa zwischen dem Besitzer des Blogs Wirklichkeit: Hirnforschung und Theologie , wo man etwa im Blogbeitrag Abschied und Dank liest: Die Naturwissenschaften sind weder an einer wie auch immer gearteten theologisch-religiösen, philosophischen oder künstlerischen “Interpretation” ihrer Resultate noch an der Kompatibilität derartiger Weltinterpretationen mit naturwissenschaftlicher Erkenntnis interessiert.
    Und das stimmt sogar weitgehend: Zwar können naturwissenschaftliche Erkenntnisse wie die Quantentheorie oder Ergebnisse der Hirnforschung Künstler und Philosophen inspierieren oder gar einer Philosophie eine quantentheoretische Grundlage geben, doch die Naturwissenschaft selbst wird dadurch wenig beeinflusst, denn sie wird durch Beobachtung von Phänomenen, durch Messungen und durch Interpretationsversuche dieser Phänomene und Messungen gesteuert, wobei es in der Naturwissenschaft immer um einen quantitativen Zusammenhang und eine mathematische Formulierung geht. Naturwissenschaft kann also Kunst und Philosophie inspirieren, aber umgekehrt – also von der Kunst oder Philosophie ausgehend – gibt es/kann es wenig Einflüsse auf die Naturwissenschaft geben. Allerdings sind Naturwissenschaftler genauso wie Künstler und Philosophen Menschen, die in der gleichen, von allen Menschen geteilten Welt leben. Menschen mit denselben Sinnesorganen, denselben kognitiven Möglichkeiten und letzlich ähnlichen Methoden um aus etwas Sinn zu machen. Ein Künstler macht zwar Kunst, aber es stehen ihm dafür alle Methoden bereit, die es überhaupt gibt, inklusive auch naturwissenschaftlicher Methoden.

    Naturwissenschaft arbeitet mit Messdaten und sucht in diesen Messdaten mathematische Zusammenhänge, die nicht nur die Messdaten, sondern unendlich viele weitere, vielleicht in Zukunft einmal erhobenen Messdaten erklären können.
    Das gleiche machen aber auch künstliche neuronale Netze, welche in einem Prozess des end-to-end Lernens direkt von den Rohdaten (beispielsweise einer Audiodatei) auf eine strukturierte, interpretierte Ausgabeform (beispielsweise das Transkript des Gesprochenen, die in der Audiodatei vorkommen) schliessen, wobei sie den ganzen Verarbeitungsprozess (z.B: Lautwellengruppen mit bestimmten Charakteristika – Phoneme – Worte – Transkript) selbstständig in Schichten zunehmender Abstraktion gliedern ohne dass ein menschlicher Programmierer diese Zwischenschritte organisiert. Künstliche neuronale Netze sind also in der Lage Deep Learning zu realisieren, wobei Deep Learning bedeutet allein aus einem Trainingsdatenset (allein aus Big Data) zu lernen einen äusserst komplexen Zusammenhang zwischen der wenig strukturierten Datenwelt (Audio) und einer abstrakten Interpretation (wörtliches Transkript) zu erschliessen. Deep Learning kann dabei nicht nur auf Aufgaben angewandt werden mit denen wir Menschen vertraut sind (wie zu hören und zu verstehen was jemand spricht), sondern es kann beispielsweise auch neue Partikel in den Daten des Large Hadron Colliders finden oder allein aufgrund des Einkaufsverhaltens herausfinden ob eine Kundin schwanger ist. Nicht selten werden mit Deep Learning sogar Zusammenhände entdeckt, auf die ein Mensch nie gekommen wäre. Damit wird Deep Learning für Künstler, Sozialwissenschaftler und Naturwissenschaftler gleichermassen interessant, denn so unterschiedlich ihre Interessen sind, sie suchen alle nach Zusammenhängen, Interpretationen und nach Mustern und wenn Deep Learning neue unerwartete Muster in grossen Datensammlungen erschliessen kann, dann kann Deep Learning für all diese Leute ein neues Arbeitsmittel werden. In der Tat landen wir damit in einer neuen Welt, in einem neuen Ökosystem – genauso wie wir dem Computer oder Smartphone in einem neuen Ökosystem angekommen sind.

    Denn die Welt in der wir leben entsteht durch das, was und wer miteinander wechselwirkt, durch das, was und wer miteinander in Kontakt tritt und durch die Fragen, die wir in dieser Welt beantworten können. Zu den Fragen, die es zu beantworten gilt gehört genauso die Frage, wo man etwas zu essen kriegt wie die Frage zu welchen Teilchen ein Higgs-Boson zerfallen kann. Die Welt der Fragen und Antworten wiederum ist in der Noosphäre beheimatet und diese Noosphäre ist zunehmend nicht nur von Menschen, sondern auch von Produkten des Menschen bevölkert.

  3. @Golzower(Zitat): Es sind nicht die Denkmethoden sondern die Ideen und Ideologien, die die Welt verändern.
    Ideen und Ideologien ohne Grundlage in dem was ist, sind gefährlich: Ohne Empirie landen wir bei purer Ideologie und bei Verschwörungstheorien. Das hatten wir alles im 20. Jahrhundert (dem Jahrhundert der Ideologien) zur Genüge.
    Sogar der Papst gehört in diese Welt von Ideen ohne genügende Grundlage. Was allerdings nicht heisst, dass alles, was er sagt, falsch ist. Gier und Sucht nach Konsum sind zudem nur ein Problem der Menschheit. Ebenso ernst ist die Tendenz Konflikte entweder zu ignorieren oder aber auzuheizen und aufzuwiegeln bis zur gewaltsamen Auseinandersetzung. Überhaupt hat die Zivilisation mit Multiplikationseffekten zu kämpfen, Multiplikationseffekte, die im Zeitalter der sozialen Medien aus einer Maus von Fehlverhalten oder „Falsch“aussage einen Shitstorms generieren oder die bei Trendwenden zu tiefen Depressionen (globale Finanzkrise 2008) oder gewaltig aufgeblähten Hypes führen. Die Kunst des richtigen Lebens, die gibt es heute allenfalls für einzelne „Künstler“, nicht aber für ganze Kulturen oder Zivilisationen – und ganz sicher nicht für die Menschheit als Ganzes.

  4. Roger Malina entwirft das Bild einer vom Menschen geschaffenen Welt, die den Menschen und sein Denken oder gar sein Gehirn ändert (wobei er als Beispiel ein Kind nimmt das mit einem Smartphone aufwächst) und äussert dann im Zusammenhang mit dem vom Menschen verursachten Klimawandel die Befürchtung, dass alles ausser Kontrolle geraten ist. Doch für mich zeigt schon das Beispiel mit dem plötzlich das Leben bestimmenden Smartphone, dass wir als Menschheit nie die Kontrolle hatten, denn fast alle wichtigen Erfindungen und Entwicklungen verdanken wir nicht einer weisen Vorausplanung, sondern den Launen des Zufalls, der Serendipizität, welche uns dann beispielsweise den Transistor beschert hat bei dessen Weiterentwicklung bald schon erkannt wird, dass nun eine exponentionelle Entwicklung einsetzt, welche uns zu immer mächtigeren Geräten mit immer vielfältigeren Anwendungen führt, zu Anwendungen und Einsatzgebieten, die schliesslich jeden Aspekt des menschlichen Lebens beeinflussen und gar das ganze Leben verändern und formen. Nicht nur der Klimawandel durch die immer mehr sich steigernde industrielle Tätigkeit, auch beispielsweise die Bevölkerungsexplosion, die im 18. Jahrhundert einsetzte, zeigen, dass Wissenschaft und Technologie Grenzen verschoben und ein Füllhorn von neuen Dingen und Möglichkeiten geöffnet haben als gäbe es unbegrenzte Ressourcen und kein Morgen. Grenzen gibt es aber immer noch – auch wenn sie anders aussehen als frühere Begrenzungen. Zu den neuen Grenzen, die die Menschheit nicht ohne schlimme Folgen überschreiten darf, gehört beispielsweise die Aufnahmefähigkeit der Umwelt für Abfall und Gifte und für Fremdstoffe wie Plastik. Ja der Mensch verändert seine eigene Lebensumwelt, aber auch die Umwelt sämtlicher Mitgeschöpfe und er verändert sogar den ganzen Planeten in einer Weise, die ihn selbst gefährden kann. Doch insgesamt hat sich das Leben der Menschen seit vielen Jahrzehnten immer nur verbessert, wenn man als Massstab Wohlstand, Lebensdauer, Bildung, Berufsmöglichkeiten, Gesundheit und vieles weitere nimmt. Natürlich schliesst dies nicht aus, dass am Schluss doch alles im Eimer landet. Andererseits hat der Mensch es immer wieder geschafft sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen und selbst der selbst geschaffene Klimawandel muss sich für die Menschheit nicht fatal auswirken, selbst wenn es alle Klimata der Erde deutlich ändert. Roger Malina muss also nicht recht haben mit seiner Prognose, hunderte von Millionen würden durch den Klimawandel dahingerafft. Es könnte auch einfach sein, dass in Städten wie Peking während zukünftigen Sommermonaten noch viel mehr Klimageräte auf Hochtouren laufen und dass Städte wie Miami, Bangkok, Jakarta und Shanghai entweder im Meer versinken oder von gewaltigen Dämmen geschützt, doch noch einige Jahrzehnte erhalten bleiben bis sie dann vom später einmal 25 Meter höheren Meer doch noch verschluckt werden. Solch eine Zukunft wird dann keinen mehr zweifeln lassen, dass wir im Anthropozön angekommen sind und womöglich immer im Anthropozön bleiben werden, also im Zeitalter wo der Mensch im Maschinenraum der Erde dafür sorgen muss, dass es irgendwie weitergeht.

  5. Zitat aus obigem Text: Nur mit allen Methoden des Denkens wird die Menschheit in der Lage sein, die Probleme zu lösen, vor denen sie schon heute steht.

    Ja, die Naturwissenschaft jedenfalls hat es bis jetzt nicht geschafft gerade die für den Menschen wichtigsten Fragen zu beantworten, Fragen etwa wie Menschen friedlich zusammenleben können, ob Demokratie, Expertokratie oder Autoritarismus dem Menschen am meisten entsprechen, ob föderale oder zentrale Verwaltung zu bevorziehen ist und wie man Wirtschaftskrisen verhindert.

    Für mich allerdings haben sich viele dieser Fragen tendenziell bereits beantwortet: Ich sehe den Menschen als ein Produkt von Genen/Biologie und kultureller/zivilisatorischer Geschichte und nichts davon kann ohne grossen Schaden wieder entfernt werden, denn es bildet einen immer stärker verästelten Baum, dessen wurzelnähere Teile noch biologischen Ursprungs und dessen höhere Teile kulturellen Ursprungs sind. Diese Vielfalt zu beschneiden würde bedeuten das wesentliche am Menschsein zu beschneiden.

    Letzlich sind Menschen Organismen, die nach grosser Autonomie streben, aber auch bereit sind sich den Gegenheiten anzupassen und gegebenfalls die Gegebenheiten auch zu ändern. Doch die heutigen technisch/wissenschaftlichen Mittel machen die Autonomie des Einzelmenschen auch zu etwas potenziell für alle anderen Gefährlichem, man denke nur an von wenig Regierenden gesteuerte biologisch/chemische oder atomare Waffensysteme, an Superviren, die von kleinen Teams von Wissenschaftlern auf die Welt losgelassen werden können oder an Systeme der künstlichen Intelligenz, die sich im Auftrag von Wenigen selbst reproduzieren um immer mehr von dem was passiert und entschieden wird, zu beeinflussen.

    Doch die Autonomie des Menschen einzuschränken um solche Dinge zu behindern, bedeutet auch den Menschen zu entmächtigen und zu kontrollieren. Trotzdem kommt man vielleicht auf der Erde nicht darum herum, Wissenschaftler und gewisse radikale Gruppen zu überwachen und zu kontrollieren um das Schlimmste zu verhindern.

    Absolute Freiheit kann es in dieser Zukunft nur noch im Weltraum, jedenfalls fern der Erde geben, denn was auf dem Mars geschieht hat keinen Einfluss darauf, was auf der Erde geschieht. Und ja, vielleicht muss der Mensch eine multiplanetare Spezies werden, um Mensch zu bleiben.

Schreibe einen Kommentar


E-Mail-Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren.
-- Auch möglich: Abo ohne Kommentar. +