Geschichte in Schichten

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Sedimente faszinieren die Geologen, aber auch die Paläontologen. Denn die Vergangenheit der belebten Natur ist nur in Erdablagerungen zu erkunden: versteinerte Schwämme, Dinosaurier-Knochen, Mikrofossilien aus der Steinzeit oder frühmenschliche Zähne … alles findet sich wohl geschichtet im Boden unter uns. Paläontologen datieren das Alter der in den Gesteinsschichten entdeckten Relikte aus alter Zeit mit Hilfe unterschiedlicher Messmethoden. Über diese Signatur lassen sich diese Funde einem weltweit einheitlich geregelten Erdzeitalter zuweisen. Die „Hüter“ dieser Geochronologie sind die Geologen, genauer gesagt, die Stratigraphen. Diese Sedimentforscher definieren die Schichten und ordnen sie in einer eindeutigen Nomenklatur aufeinander aufbauender Erdzeitalter, die rund 4,6 Milliarden Jahre in die Vergangenheit reichen. Die jüngste dieser Epochen heißt Holozän, den Beginn haben die Geologen vor 11.700 Jahren festgesetzt. Es ist jenes Jahrhundert, in dem die letzte große Eiszeit ihr Ende nahm und die großen Gletscher, durch das Sonnenlicht erwärmt, allmählich zurück zu weichen begannen. Diese globale Klimaveränderung lässt sich in allen Proben rund um den Globus eindeutig nachweisen.

Stratigraphen denken normalerweise in Jahrtausenden, ja Jahrmillionen. Doch jetzt haben sich einige dem Heute zugewandt. In einer Arbeitsgruppe haben sie versucht, exakte Grundlagen für ein Anthropozän zu finden – für ein erdgeschichtliches Zeitalter, das vom Menschen bestimmt wird. Inzwischen wird unter Geologen und Paläontologen eine weltweite Debatte geführt, ob ein derartiges Anthropozän als neue erdgeschichtliche Epoche eingeführt werden sollte oder nicht. Wann und wie ist der Mensch als wesentlicher Faktor des komplexen Systems Erde überhaupt nachweisbar? Schon da scheiden sich die Geister. Es gibt verschiedene Nachweismethoden, die zu unterschiedlichen Startzeitpunkten führen. Von der Arbeitsgruppe wurde nun vorgeschlagen, den in Gesteinsproben eindeutig nachweisbaren starken Anstieg der Radionukleide seit dem Beginn des Atomzeitalters und dem Abwurf der ersten Atombombe als Start des Anthropozäns zu definieren. Doch es gäbe auch andere Möglichkeiten einer Festlegung für das neue Zeitalter nach dem Holozän. Die Frage wird aber noch viel grundsätzlicher diskutiert: Brauchen wir das Anthropozän als erdgeschichtliche Epoche heute schon? Für manche Wissenschaftler kommt die Diskussion viel zu früh. Der Paläontologe und Geobiologe Gert Wörheide beispielsweise plädiert dafür, auf eine fest definierte erdgeschichtliche Epoche eines Anthropozäns zu verzichten und die Bewertung dieser Frage den künftigen Schichtenkundlern in der Rückschau zu überlassen.

Zu meiner Reportage über das Anthropozän geht hier: Störfall Mensch im Raumschiff Erde

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Ich habe viele Jahre journalistisch im Bereich Wissenschaft und Technologie gearbeitet, später dann mit meiner kleinen Beratungsfirma als Medienexpertin. 2010 erfüllte ich mir meinen großen Traum und gründete den Spartensender HYPERRAUM.TV, für den ich eine medienrechtliche Rundfunklizenz erteilt bekam. Seither mache ich als One-Woman-Show mit meinem „alternativen TV-Sender“ gewollt nicht massentaugliches Fernseh-Programm. Als gelernte Wissenschaftshistorikern habe ich mich gänzlich der Zukunft verschrieben: Denn die Vergangenheit können wir nur erkennen, die Zukunft aber ist für uns gestaltbar. Wir sollten versuchen, nicht blind in sie hinein zu stolpern!

2 Kommentare

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