Galileo im Nano-Sekundentakt
BLOG: HYPERRAUM.TV

In wenigen Tagen nun sollen vier weitere Galileo-Satelliten starten und das System so weit komplettieren, dass öffentliche Dienste beginnen können. Das Satellitensystem Galileo war eine zähe Zangengeburt – und man kann sagen, dass das rund zwanzig Jahre entwickelte und zweimal kurz vor dem Aus stehende Projekt nicht gerade eine Sternstunde für die europäische Raumfahrtszene damit war. Das große Plus von Galileo gegenüber den beiden anderen Systemen – GPS von den Amerikanern und Glonass aus Russland: Es ist kein militärisches, sondern ein ausschließlich ziviles, also kommerzielles Projekt. Aber meiner Meinung nach ist der Massenmarkt der Handys dennoch verloren, weil Galileo für diese Nutzung um mindestens ein Jahrzehnt zu spät kommt. GPS-Receiver für den Consumermarkt sind inzwischen extrem billig und technologische “commodity”. All das muss für Galileo erst entwickelt und auf ein derartiges Preisniveau gebracht werden. Das soll jedoch nicht heißen, es gäbe keinen Markt für Galileo – auch heute noch. Aber den sehe ich zuerst einmal in High-End-Anwendungen professioneller Dienste, beispielsweise in der Luftfahrt, in der Flugsicherung oder auch im Bereich der Schiffahrt oder der Frachtverfolgung bis hin zu Services im Kontext der Smart Factory und von Industrie 4.0. Es geht nicht nur darum, dass die Ortungsgenauigkeit mit Galileo technologisch deutlich verbessert wird. Dafür wurden die Satelliten mit einem komplett neu entwickelten System für die Zeitsynchronisation ausgerüstet, auf das deutsche Ingenieure besonders stolz sind. In meiner Reportage, die aus dem Archiv von HYPERRAUM.TV stammt, gebe ich zu dieser Technologie nähere Informationen. Aber wie erwähnt: Für die Wirtschaft geht es nicht nur um Technologie; für sie ist es vorteilhaft, dass es sich bei Galileo um ein rein kommerzielles und kein militärisches Projekt handelt.
Das ursprünglich aus dreißig Satelliten bestehende Gesamtsystem ist inzwischen auf 24 Satelliten abgespeckt worden; das hat auch Kosten gesenkt. Sofern die nächsten vier Satelliten jetzt am Donnerstag erfolgreich gestartet werden, sind dann bereits 18 Trabanten im Orbit, mit denen nach Aussage der ESA auch die kommerziellen Dienste starten werden. Dann könnte es für das technologisch anspruchsvolle Programm heißen: Was lange währt, wird endlich gut!
Und Sie fliegen doch!
Wer sich für die turbulente Geschichte des Projektes interessiert, der kann die Highlights dieser Entwicklung mit mir in einer fünf Minuten dauernden Studiosendung noch einmal Revue passieren lassen – eine Posse Shakespeare’scher Dimension: Fliegen Sie oder fliegen sie doch nicht? – das war hier die Frage!
Mir scheint, Galileo kann teils von existierenden GNSS-Geräten nach einfacher Softwareanpassung verwendet werden und den Hauptvorteil von Galileo sehe ich in der bis zu 10 Mal höheren Genaugkeit (1 statt 10 m Auflösung) im Vergleich zum US-GPS-System. Dass Galileo ein rein kommerzielles Projekt ist, scheint mir dagegen für den Nutzer nicht entscheidend, denn jeder kann die Signale nutzen – unabhängig davon wer sie zur Verfügung stellt.
In der Wikipedia liest man zur Nutzbarkeit von Galileo durch bestehende Geräte:
Abgesehen davon, dass unsere öffentlich benutzten GPS-Empfänger ja eigentlich nur den geringsten Teil des gesamten GPS-Signals nutzen (quasi nur das Abfall-Produkt von GPS darstellen), was bei Galileo grundsätzlich anders herum ist (ja, da gibt es doch noch eine hoheitlich genutzte und auch militärische Komponente). Aber sind es nicht gerade die in Galileo integrierten Attribute über Signalgüte die den eigentlichen Vorteil ausmachen? Ich meine, Galileo’s Signale sind von vorn herein nochmals etwas robuster gebaut als die von GPS (mehrere Frequenzen, ausgefeilteres Protokoll, …), Galileo ist leichter in weitere (lokale) Dienste integrierbar/kann mit terrestrischen Signalen leichter erweitert werden usw. Aber am Wichtigsten finde ich schon die Güte-Aussage, die mit Galileo kommt. Erst das macht den eigentlichen Unterschied und Attraktivität zu GPS, oder?
Ich denke, die Meinungen sind nicht weit auseinander. Die Qualität des Dienstes steht sicherlich außer Frage. Allerdings schient mir auch korrekt, dass ein Service wie GPS für professionelle Anwender nicht so attraktiv sein kann – wenn sich das amerikanische Militär doch vorbehält, ihn jederzeit auch “abzustellen” oder zumindest die Genauigkeit herunter setzen zu können, wenn es die großpolitische Lage erfordert (hoffen wir mal, dass es dazu niemals kommt).
Hinsichtlich der Technologie für den Massenmarkt: Warten wir’s ab, ob Galileo schnell auf breiter Front den Weg ins Smartphone findet. Ich bleibe da vorläufig erst mal skeptisch, lasse mich aber von der Geschichte gern eines Besseren belehren.
Susanne Päch schrieb:
“Sofern die nächsten vier Satelliten jetzt am Donnerstag erfolgreich gestartet werden, sind dann bereits 18 Trabanten im Orbit, mit denen nach Aussage der ESA auch die kommerziellen Dienste starten werden.”
Laut https://www.gsc-europa.eu/system-status/Constellation-Information sind von den derzeit 14 Sats im Orbit nur 9 einsatzbereit. Dass “nach Aussage der ESA auch die kommerziellen Dienste starten werden” dürfte daher ehr Wunschdenken der ESA sein.
Susanne Päch schrieb:
“Warten wir’s ab, ob Galileo schnell auf breiter Front den Weg ins Smartphone findet.”
Wird sicher noch dauern und ist auch nicht tragisch, weil die Genauigkeit der Positionsbestimmung für das massenmarkttaugliche Signal ohnehin nicht größer als bei GPS/GLONASS/BeiDou sein wird.
bw
SPON meldet Europas Navigationssystem startet. Und zwar ab diesem Donnerstag, den 15.12.2016:
Danke fürs Update – und hier noch die offizielle Erklärung der DLR.
http://www.dlr.de/dlr/presse/desktopdefault.aspx/tabid-10172/213_read-20454/#/gallery/15677