Fische in Atemnot

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Nach der doch schon etwas abgehobenen, dennoch angeregten und teilweise auch anregenden Diskussionsrunde über Emergenz und einige sich daraus ergebende Fragestellungen erkenntnistheoretischer Tragweite möchte ich nun wieder etwas mehr auf den Boden der „leichteren“, wenn auch leider nicht angenehmen Tatsachen zurück kommen. Es geht wieder einmal um die so unersprießliche Klimadebatte – und eine neue, doch recht drastische Facette einer Folgeerscheinung der menschgemachten Erwärmung der Atmosphäre.

Im Oktober fand in Kiel eine internationale Konferenz von Klimaexperten und Ozeanographen statt, die zusammen nun die Kieler Erklärung veröffentlicht haben. Mit-Initiatoren sind Professor Andreas Oschlies, Leiter der Forschungseinheit Biogeochemische Modellierung am Geomar in Kiel und Sprecher des Sonderforschungsbereichs „Klima – Biogeochemische Wechselwirkungen im Tropischen Ozean“, sowie Professor Martin Visbeck, Sprecher des Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“. Mit beiden habe ich ausführlich über den in seinem erschreckenden Ausmaß erst jetzt voll erfassten Sauerstoff-Verlust der Meere gesprochen, der durch die Auswertung zahlreicher historischer Daten aufgedeckt wurde. Ergebnis sind zwei Sendungen, die ich hier zeige. Weitere Infos finden sich auch im Beitrag von Spektrum der Wissenschaft.

Entstanden ist die Erkenntnis durch die erst jetzt vorgenommene Erfassung und Auswertung aller bisher gemessenen Daten des Sauerstoffgehaltes in den Meeren, die seit Anfang des letzten Jahrtausends in steigender Zahl auf unterschiedlichen Expeditionen gesammelt worden waren. Das fand ich zuerst einmal recht erstaunlich. Denn die Daten sind ja offenbar schon lange vorhanden gewesen und – noch dazu – erfasst mit einer Messmethode, die seit Beginn der ersten Messungen vor hundert Jahren bis heute prinzipiell die gleiche geblieben ist. Dennoch hat man sich erst jetzt an deren Digitalisierung gemacht, da es für Klimamodellierer eines großen manuellen Aufwandes bedarf, die historischen Fakten von Auszeichnungsfehlern zu bereinigen und sie in ein für die Programmierung brauchbares Format zu bekommen.

Im Zuge dieser Arbeiten haben Klimamodellierer nun erkannt, dass der Sauerstoffgehalt in ihren Modellen bisher gänzlich falsch abgebildet ist. Eine Lösung für das Problem haben Sie derzeit nicht. Aber mit großer Wahrscheinlichkeit spielt dabei auch eine wichtige Rolle, dass bisher aufgrund fehlender Forschungsdaten Rückkoppelungen des sinkenden Sauerstoffs auf die Ökosysteme in nicht genügendem Maß berücksichtigt wurden. Also die Frage: Wie beeinflussen Veränderungen des Klimas die Lebenswelt im Wasser. So öffnen die neuen Erkenntnisse ein neues Fenster, mit dem Klimaforscher künftig die immer noch bestehende Lücke der Modellierung auf langen Zeitskalen etwas mehr schließen können.

Die Klimamodelle werden bei der Rückwärts-Rechnung an der Vergangenheit validiert: Und da können Klimamodellierer bis heute die Eiszeit mit einer um vier Grad abgekühlten Erde nicht richtig ableiten. „Warum also“, so Oschlies in erfrischend ehrlicher Bekenntnis eines Klimaforschers, „sollten wir vier Grad plus in die Zukunft dann richtig berechnen können.“ Wie sagte mir einst ein Manager aus dem Mobilfunk: „Die Richtung stimmt, aber die Amplitude ist noch falsch.“ Das gilt wohl heute auch für die Klimamodelle.

Den Sprechertext der Studiosendung gibt’s wie immer hier.

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Ich habe viele Jahre journalistisch im Bereich Wissenschaft und Technologie gearbeitet, später dann mit meiner kleinen Beratungsfirma als Medienexpertin. 2010 erfüllte ich mir meinen großen Traum und gründete den Spartensender HYPERRAUM.TV, für den ich eine medienrechtliche Rundfunklizenz erteilt bekam. Seither mache ich als One-Woman-Show mit meinem „alternativen TV-Sender“ gewollt nicht massentaugliches Fernseh-Programm. Als gelernte Wissenschaftshistorikern habe ich mich gänzlich der Zukunft verschrieben: Denn die Vergangenheit können wir nur erkennen, die Zukunft aber ist für uns gestaltbar. Wir sollten versuchen, nicht blind in sie hinein zu stolpern!

1 Kommentar

  1. Ja, die Menschheit ändert heute nicht nur die Atmosphäre und die Erdoberfläche (wo er ja lebt), sondern immer mehr auch den riesigen Weltozean, den er nur teilweise kennt und den er noch weniger in seiner Gesamtheit versteht. Auch für die Klimamodelle ist der Ozean weitgehend Terra incognita – oder vielleicht passender ausgedrückt, aber bezeichnenderweise nicht in den Sprachgebrauch eingegangen: Mare incognita.. Änderungen in den Weltozeanen könnten aber indirekt Klima, Ernährung und die Atmosphäre stark beeinflussen beispielsweise über Änderungen von Meeresströmungen (Abschwächung des Golfstroms, Schmelze der Teile der polaren Eisschildanteile, die unter dem Meeresspiegel liegen, etc) oder eben auch über die Ausbildung grosser anoxischer Zonen bis hin zur Ausgasung von Lachgas oder gar Schwefelwasserstoff wie das bei den in früheren Erdperioden stattgefundenrnOzeanischen anoxischen Ereignissen passierte.
    Im Interview wird unbemerkt die Erdsystemerwärmung und die Zunahme der Treibhausgase verantwortlich gemacht für die Zunahme der anoxischen Zonen in den Weltmeeren, doch ich habe den Verdacht, dass das heutige Wissen nicht ausreicht um die Ursachen im Detail festzumachen. Bekannt ist ja, dass Düngung von Meereszonen mit sonst knappen Stoffen wie Phosphor, das Algenwachstum und damit indirekt die Ausbildung von anoxischen Zonen begünstigt. Auch für diese Düngung des Meeres ist heute weitgehend der Mensch verantwortlich – über den Zustrom von Nährstoffen nämlich, die sich in den Flüssen befinden, welche ins Meer münden. Die Erwärmung des Wassers wirkt sich aber ebenfalls ungünstig auf den Sauerstoffgehalt aus, weil in wärmerem Wasser weniger Gase lösbar sind.

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