Diabetes Typ I: Nasenspray zur Prävention

Diesen Monat habe ich mich intensiv mit Diabetes befasst – die Forschung sucht heute nach Ursachen, um so die Krankheit besser bekämpfen zu können, am besten noch vor deren Ausbruch. In meinem Drei-Minuten-Teaser, der oben zu sehen ist, gebe ich eine erste Einführung und einen kurzen Überblick über neue Forschungsansätze, die vor allem auf Prävention beziehungsweise Früherkennung der Krankheit zielen. Diabetes gibt es in unterschiedlichen Varianten, die bekanntesten sind Typ I und Typ II, die eigentlich nicht viel miteinander zu tun haben – einmal abgesehen davon, dass in beiden Fällen das Hormon Insulin im Zentrum steht. Typ I zählt zu den Autoimmun-Erkrankungen. Sie ist die seltenere der beiden Krankheitsarten. Das körpereigene Immunsystem entwickelt Antikörper, die die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse angreifen; sie sind für die Produktion des Hormons Insulin verantwortlich, das sie ins Blut ausschütten. Insulin ist der Botenstoff, mit dem die Zellen von Organen und Muskeln den Traubenzucker im Blut in Energie umwandeln können. Die Ursache für Diabetes vom Typ I könnten nach neuesten Forschungen neben nachgewiesener genetischer Prädisposition auch starke und häufige Virus-Erkrankungen in den ersten beiden Jahren nach der Geburt eines Kindes sein. Möglicherweise wird dadurch die normale Entwicklung des Immunsystems gestört.

Anette-Gabriele Ziegler hält den Lehrstuhl für Diabetes am Klinikum rechts der Isar der TU München und ist Direktorin des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München. Im Deutschen Zentrum für Diabetes-Forschung leitet sie auch den Forschungsbereich Autoimmunität und Typ-I-Diabetes. Die Medizinerin hat sich auch mit klinischen Studien seit vielen Jahrzehnten mit der Ursachenforschung von Diabetes Typ I befasst, die meist bei Kindern bis zum Alter von etwa zehn bis vierzehn Jahren ausbricht. Heute steigt die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen jedoch am stärksten im Kleinkindalter von bis zu vier Jahren an.

Zieglers Forschungen haben inzwischen die klinische Erprobung einer ganz neuen Behandlungsmethode erreicht. Sie testet mit erblich gefährdeten Kindern derzeit in großen, auch europaweiten Langzeitstudien eine Präventionstherapie, in der Insulin als eine Art Impfung eingesetzt wird. „Wir hoffen, dass wir durch die frühe Behandlung dieser Kinder mit Insulin das Autoimmun-System soweit desensibilisieren können, dass es das körpereigene Insulin nicht mehr für einen Fremdkörper hält und so der Ausbruch der Krankheit verhindert werden kann.“ Es wird allerdings noch Jahre dauern, ehe die Ergebnisse der Studien belegbar vorliegen. Sollte sich herausstellen, dass bei diesen Kleinkindern im späteren Alter ein signifikanter Rückgang an Diabetes-Erkrankungen feststellbar ist, könnte die neue Therapie großflächig zum Einsatz kommen. Noch werden übrigens Kinder für die Point-Langzeitstudie gesucht, bei der über tausend Kleinkinder präventiv behandelt werden sollen.

In meinem hier jetzt folgenden Talk habe ich mit Anette-Gabriele Ziegler über den mühsamen Weg solcher Forschungen in die Praxis gesprochen.

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Ich habe viele Jahre journalistisch im Bereich Wissenschaft und Technologie gearbeitet, später dann mit meiner kleinen Beratungsfirma als Medienexpertin. 2010 erfüllte ich mir meinen großen Traum und gründete den Spartensender HYPERRAUM.TV, für den ich eine medienrechtliche Rundfunklizenz erteilt bekam. Seither mache ich als One-Woman-Show mit meinem „alternativen TV-Sender“ gewollt nicht massentaugliches Fernseh-Programm. Als gelernte Wissenschaftshistorikern habe ich mich gänzlich der Zukunft verschrieben: Denn die Vergangenheit können wir nur erkennen, die Zukunft aber ist für uns gestaltbar. Wir sollten versuchen, nicht blind in sie hinein zu stolpern!

7 Kommentare

  1. Diese geplante Desensibilisierung von Diabetes-Typ I Gefährdeten entspricht in der Grundidee der jetzt empohlenen Behandlung von Kleinkindern mit hohem Risiko für Nahrungsmittelallergien (wie etwa Erdnussallergie). Auch da wird das Allergen sehr früh verabreicht um das Immunsystem an das (potenzielle) Allergen zu gewöhnen. Allerdings ist bei Diabetes vom Typ I das Problem wohl, dass viele der späteren Patienten keine familiäre Vorgeschichte haben und somit auch nicht desensibilisiert werden können – ausser man desensibilisiert die meisten Kinder, unabhängig davon ob sie genetisch prädisponiert sind.

  2. @ Martin Holzherr: Soweit ich das verstanden habe, gibt es inzwischen aber gerade bei Diabetes Typ I durchaus Möglichkeiten, eine hohe Wahrscheinlichkeit für den Ausbruch der Krankheit genetisch zu diagnostizieren. Frau Ziegler erwähnt dazu auch eigene Forschungsergebnisse. Aber richtig ist sicher, dass man damit nicht 100 % der Kinder abdecken kann. Aber wenn man schon die besonders stark gefährdeten Kinder schützen könnte (was erst noch bewiesen werden muss), wäre das ja auch schon ein Erfolg.

  3. @Susanne Päch: Ja, ein eineiger Zwillinge erkrankt mit 33% Wahrscheinlichkeit auch, das Kind eines Vaters mit Typ I erkrankt mit 8% Wahrscheinlichkeit und das Kind einer Mutter mit 3% Wahrscheinlichkeit. Das HLA-Gen scheint der wichtigste Erbfaktor zu sein, es gibt aber viele weitere Gene, die assoziiert sind mit Diabetes Typ 1. Nur: Diabetes Typ I ist gar nicht so selten, weltweit sind 20 Millionen Kinder/Jugendliche betroffen, nach Asthma kommt schon Diabetes Typ I als wichtigste chronische Krankheit im Kindesalter. Auffallend ist, dass in China weniger als 1 Fall unter 100’000 zu finden sind, in Finland aber 40 unter 100’000. Am häufigsten ist Diabetes Typ I in Finland zu finden, dann kommt Sardinien, Schweden, Norwegen, USA, Italien, Israel. In Japan und China ist es sehr selten.
    Zudem nimmt die Zahl der Diabetes Typ I Erkrankten momentan stark zu, nämlich jährlich um etwa 3%.
    Gemäss WHO-Dokument Genetics and Diabetes kann die heutige Zunahme von Diabetes Typ I nicht mit genetischen Faktoren erklärt werden. Zudem gibt es Hinweise, dass die Ernährung im Kindesalter und durchgemachte Viruserkrankungen eine Rolle spielen.
    Vielleicht könnte bei der richtigen Therapie aber hilfreich sein, dass sich Antikörper gegen Insulin oft schon Jahre vor Ausbruch der Krankheit nachweisen lassen.

    Ihre folgende Aussage trifft zweifellos zu (Zitat) Aber wenn man schon die besonders stark gefährdeten Kinder schützen könnte (was erst noch bewiesen werden muss), wäre das ja auch schon ein Erfolg.
    Die Chancen für eine erfolgreiche Desensibilisierung stehen gut, zumal es bereits nachgewiesene Erfolge mit ähnlichen Ansätzen gibt, wie man in Typ-1-DiabetesZukunftsvision: Nie wieder Insulinspritzen nachlesen kann. Allerdings wird dort behauptet, nicht Antikörper gegen Insulin, sondern gegen eine Vorstufe von Insulin seien das Problem. Doch ein Insulinnasenspray könnte wohl trotzdem desensibiliseren.

    Dort findet sich übrigens auch folgender für die Prävention wertvoller Hinweis: “Wir können Menschen mit besonders hohem Risiko für einen Typ-1-Diabetes über auffällige Antikörper entdecken. Bei ihnen hat der Krankheitsprozess schon begonnen, aber es gibt noch keine Symptome. Hier könnte diese Therapie noch effektiver sein.”

  4. Im Artikel Typ-1-Diabetes: Vorteile eines Screenings wird über die bayernweit durchgeführte FR1DA-Studie berichtet – ein Antikörper-Screening auf Insulin-Antikörper (Kleinkinder im Alter von 2 – 5 Jahren, bis jetzt 33’000 Kinder gescreent). Dort liest man: Hierbei wurde etwa bei 0,4 % aller Probanden ein Frühstadium des Typ-1-Diabetes diagnostiziert. 4/5 dieser Patienten zeigten keine Symptome und einen noch normalen oder gestörten Glukosetoleranztest, also Stadium 1 und 2. Bei weniger als 10 % lag schon ein manifester Diabetes vor, was für die Betroffenen ein eminent wichtiger Befund ist. 90 % der Kinder hatten keinen erstgradigen Verwandten mit Typ-1-Diabetes, so dass man davon ausgehen kann, dass insbesondere Kinder aus Familien ohne Typ-1-Diabetes von dem Screening besonders profitieren.

    Das entspricht genau meiner Vermutung: Die meisten Typ I Diabetiker haben keine familiäre Belastung. Doch über ein Antikörperscreening können sie dennoch sehr früh erkannt werden.

    Zur Studie gehört übrigens bereits eine “Impfung mit oralem Insulin” – also genau die gleiche Grundidee über die in diesem Artikel bereits berichtet wird.

  5. Hier noch eine Presserklärung zu Fr1da-Studie (bayernweites Untersuchung von Kindern auf Insel-Autoantikörper). Zusammengefasst wurden etwa 36’000 Kinder auf Insel-Antikörper untersucht und bei 100 wurde man fündig. Ein Teil dieser Kinder erhielt dann Insulinpulver zur Desensibilisierung. Zitat: Außerdem wird den Eltern die Teilnahme ihres Kindes an einer Behandlung mit Insulinpulver im Rahmen der Fr1da-Insulin-Interventions-Studie angeboten. Damit wird untersucht, ob das Fortschreiten der Stoffwechselerkrankung aufgehalten werden kann.

  6. Das Spektrum der Wissenschaft 9.18 beschäftigt sich unter dem Titel MEDIZIN: IMPFEN GEGEN DIABETES mit der Zunahme von Diabetes I um 3% weltweit und postuliert, dass dafür ähnlich wie bei Asthma und früher Polio die zunehmende Hygiene die Ursache sei, denn die zunehmende Hygiene führt zu späterer Erstinfektion mit Enteroviren und diese Enteroviren führen zu Entzündungen in den Langerhals-Inseln wo Insulin produziert wird. Bei PatientInnen mit bereits schwacher Autoimmunaktivität gegen diese insulinproduzierenden Inseln führt die Entzündung der Inseln dann zu einer massiven Verstärkung der Autoimmunreaktion, was die Inseln zerstört und in Diabetes Typ I resultiert. Dazu passt: (Maus-)Babys, die bereits ganz früh eine Coxsacki-B-Virus-Infektion durchgemacht haben, scheinen vor Diabetes-Typ I geschützt. Die sehr frühe Infektion schützt womöglich vor späteren Infektionen durch Aufbau einer Immunabwehr gegen Enteroviren, es könnten sich aber auch T-Regs bilden. T-Regs sind Zellen, die Autoimmunreaktionen generell dämpfen. Versuche der Forschungsgruppe, die im Artikel erwähnt wird, kommen aufgrund ihrer Versuche zum Urteil, dass die T-Regs-Bildung für den Schutz vor Autoaggression verantwortlich ist.
    Falls die gleichen Prozesse nicht nur bei (speziell Diabetes anfälligen) Mäusen, sondern auch beim Menschen wirken, könnte eine Impfung gegen Coxsacki-B-Virus vor Diabes I schützen.

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