Anziehend! – Magnetfelder von Sonne und Sternen
Die Sonne produziert nicht nur Licht, sondern auch starke Magnetfelder, die im gesamten Planetensystem nachweisbar sind. Während diese Magnetfelder heute mit Raumsonden bis an die Grenzen des Sonnensystems direkt erfasst werden können, ist die Astrophysik bei der Analyse von Sternen in der Milchstraße auf indirekte Messmethoden angewiesen. Trotzdem lernen wir immer mehr über die unsichtbaren Felder leuchtender Objekte in unserer Milchstraße.
Direkt unter der Oberfläche unseres Zentralgestirns brodelt es in turbulenten Vorgängen. In der obersten Schicht, die eine Dicke von ca. 200.000 km hat, transportieren aufsteigende heiße Gase die im Kern erzeugte Energie hinauf. Durch die Rotation der Sonne entstehen laufend konvektive Ströme, mächtige Wirbel, die Durchmesser bis zu einigen zehntausend Kilometern haben können. In diesen Zonen entstehen mächtige Sonneneruptionen, mit denen Materie zehntausende Kilometer in den Weltraum hinaufgeschleudert wird und durch die Anziehung ein Teil davon auch wieder zurück auf die Oberfläche kommt. Die Corioliskraft dreht die Turbulenzen in der nördlichen Hemisphäre gegen und in der südlichen im Uhrzeigersinn. Der dabei entstehende Dynamo-Effekt erzeugt ein mächtiges Magnetfeld. Es entsteht ein chaotisches Gewirr von sich dynamisch verändernden Feldlinien. Dabei können großskalige Strukturen des Magnetfeldes von der Sonne „abreißen“. Damit werden auch die in ihnen eingeschlossenen Gase in den Weltraum geworfen. Verantwortlich dafür: die Rekonnexion, ein Kurzschluss im All – und die wichtigste Energiequelle der Heliosphäre unserer Sonne.
Die Erforschung des solaren Magnetfeldes ist eine junge astronomische Disziplin. Erst seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts sind Astrophysiker in der Lage, sich intensiv damit zu befassen. Die Entwicklung der Raumfahrt war dafür ein wichtiges Hilfsmittel. Überall dort, wohin wir Raumsonden schicken können, lassen sich diese Felder mit Magnetometern direkt messen.
Sonden haben das solare Magnetfeld auch mehrfach aus der Nähe untersucht. Über viele Jahrzehnte hielten allerdings die beiden deutsch-amerikanischen Helios-Sonden den Rekord der größten Annäherung. 2019 wurde dieser Rekord nun von der Parker Solar Probe gebrochen, die jetzt bis zu 25 Mio. km an die Sonnenoberfläche heran gekommen ist. In den nächsten Jahren soll sich das weltraum-gestützte Sonnenlabor der Sonne noch weiter nähern. 2025 wird sie die Sonne in nur 88 Tagen umrunden und sich der Oberfläche dabei bis auf sechs Millionen Kilometer nähern. Ziel ist die Vermessung kleinskaliger Strukturen des Sonnenwindes. In wenigen Tagen nun soll ihr der europäische Solar Orbiter folgen. Seine Aufgabe ist komplementär zu Parker Solar zu sehen, denn Solar Orbiter wird sich den großskaligen Phänomenen widmen und auch Bilder in unterschiedlichen Spektralbereichen von der Oberfläche aufnehmen, die dann auch mit kleinskaligen Beobachtungen von Parker Solar in Bezug gesetzt werden können. Solar Orbiter wird sich zwar nicht so nahe an die Sonne heranwagen wie Parker Solar, dafür gibt es ein anderes „first“. Erstmals wird der 22 Jahre dauernde Sonnenzyklus aus den Polgegenden genau vermessen werden, denn in der zweiten Hälfte der Mission wird Solar Orbiter die Bahn der Ekliptik verlassen und in eine polare Bahn einschwenken. Dr. Joachim Woch, Astrophysiker am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, meint, dass mit den dabei erzielten Beobachtungen „die Theoretiker die Theorie der Sonnenmagnetfelder zumindest im Detail werden umschreiben müssen“.
Mit dem vorwiegend aus Protonen und Elektronen bestehenden Sonnenwind breitet sich die Heliosphäre durch das gesamte Planetensystem aus. Die äußerste Grenzregion, in der sie auf die intergalaktischen Magnetfelder trifft, ist 2011 erstmals von der Sonde Voyager-I durchquert und vermessen worden. Die dabei entdeckten kleinskaligen Strukturen waren selbst für Experten überraschend.
Die Sonne können wir nur im Jetzt beobachten. Wie verändert sich das Magnetfeld im Lauf des Lebenszyklus eines Sterns? Wir wissen, dass sich dieser Sterntyp zuerst zu einem roten Riesen aufbläht und dann zu einem weißen Zwerg kollabiert. Wird der Reststern unserer Sonne in einigen Milliarden Jahren auch noch ein Magnetfeld zeigen? Draußen in der Milchstraße haben wir schon zahllose solcher Sternleichen entdeckt. Doch erst vor kurzem konnte erstmals auch bei einem solchen weißen Zwerg eine Magnetosphäre werden. Erstaunlicherweise können die kollabierten Weißen Zwerge starke Magnetfelder zeigen, die ein Vielfaches der Sonne sind. Warum das so ist, erklärt Stefan Jordan in meiner Reportage genauer.
Die Theoretiker haben das Feld schon weiter erkundet. Sie sagen uns heute, dass alle Sterne ein mehr oder weniger ausgeprägtes Magnetfeld besitzen. Allerdings gibt es Unterschiede: Bei heißen Sternen wie etwa Sirius, der auf der Oberfläche keine sichtbaren äußeren Konvektionsströme zeigen, könnten diese turbulenten Vorgänge nicht, wie bei der Sonne, nahe an der Oberfläche, sondern tief im Kern liegen. Doch neueste Beobachtungen zeigen, dass dies kein generell geltendes Phänomen dieses Sterntyps ist, denn inzwischen sind zahlreichen Objekte dieser Art entdeckt worden, die durchaus ein Magnetfeld haben, das deutlich stärker ist als das der Sonne.
Die größten jemals beobachteten Magnetfelder von Sternen stammen von den massereichsten Objekten: von Neutronensternen und Schwarzen Löchern, also jenen Exoten des Hochenergie-Universums mit den größten und am schnellsten rotierenden Massen. Wissenschaftler nehmen heute an, dass ungefähr zehn Prozent aller Neutronensterne ein besonders starkes Magnetfeld (Einblendung: ca. 1000 mal stärker als bei „normalen“ Neutronensternen) haben. Diese schnell rotierenden Pulsare werden heute „Magnetare“ genannt. Hier eine neueste Simulation der Magnetfelder diesen Sterntyps. Sie sind der Überrest einer Kollision von zwei Neutronensternen, die zu einer Supernova-Explosion führte. Der Reststern mit einem Durchmesser von fünf bis zehn Kilometern, in denen einige Sonnenmassen gepackt sind, rotiert etwa hundertmal in der Sekunde. Die Magnetfelder haben Feldstärken von 1011 – 1020 Tesla. Direkt beobachten können wir diese allerdings auch nicht. Messen können wir vor allem die an den Polen in den Weltraum geschleuderten mächtigen Materiejets, deren Teilchen sich spiralförmig um die Feldlinien bewegen und dabei nicht nur im hochenergetischen Gammafrequenzbereich stark leuchten, sondern auch Synchrotronstrahlung, die im polarisierten Radiolicht zu beobachten sind. Auch im Nahbereich von Schwarzen Löchern werden – wie bei den Magnetaren – an den Polen mächtige, wirbelnde Materiejets in den Weltraum geschleudert. In den sich bildenden Wolken aus heißem Plasma entstehen Magnetfelder, die sogar die Stärke der Gravitation annehmen können.
Die Forschung an Magnetfeldern: Noch gibt es viele Fragen, die dabei offen sind. Eine der grundsätzlichen Aspekte ist, ob tatsächlich alle Sterne ein Magnetfeld haben? Die Beantwortung dieser Frage dürfte jedoch auf längere Sicht schwierig bleiben, denn bisher können wir nur Magnetfelder indirekt beobachten, die mindestens ein Vielfaches des Sonnen-Magnetfeldes haben.
Die ältesten messbaren Magnetfelder stammen übrigens schon aus der Anfangszeit des Universums. Sie lassen sich in polarisiertem Radiolicht bereits in der schwachen Hintergrundstrahlung nachweisen, 300.000 Jahre nach dem Urknall entstanden. Immer mehr zeichnet sich ab: Die unsichtbaren Magnetfelder, die das All durchziehen, sind für die viele Milliarden Jahre währende Entwicklungsgeschichte der Himmelsstrukturen von großer Bedeutung. Auch wenn wir immer mehr Strukturen im Universum beobachten, so bleiben für Astrophysiker die Forschungen im Sonnensystem und nahe der Sonne doch ein Solitär, denn nur hier können wir magnetische Messungen vor Ort Messungen machen.
Bei diesem Text handelt es sich um eine bearbeitete Fassung des Sprechertextes zum oben präsentierten Video mit Statements von Dr. Joachim Woch vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung sowie Prof. Dr. Stefan Jordan vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg.
Noch ein Schlusswort in persönlicher Angelegenheit: Die letzten Wochen war es sehr still hier. Nach längerer, gesundheitsbedingter Pause bin ich jetzt wieder am Produzieren von Sendungen. Auch wenn es fast schon zu spät ist, möchte ich heute doch allen noch die besten Wünsche für das neue Jahrzehnt zukommen lassen. Hoffen wir, dass es für die Wissenschaft Roaring Twenties werden! Das neue Jahrzehnt hat zumindest für mich schon einmal sensationell begonnen, denn meine persönliche “Entdeckung der Magnetfelder im All” war und ist für mich ein unglaublich mitreißendes Thema. Ich hoffe, ich kann davon etwas weiter geben! In jedem Fall teile ich allen, die es auch interessiert, schon mit: more to come – soon!
Danke für die Information zu etwas worüber ich praktisch nichts weiss.
Doch selbst in der Astronomie scheinen stellare Magnetfelder bis vor kurzem ein stiefmütterliches Dasein gehabt zu haben. Sie wurden nicht systematisch erhoben. Der Sloan Digital Survey beispielsweise liefert nicht zu jedem beobachteten Stern sein magnetisches Feld. Das liegt daran, dass man bis vor kurzem eine hochaulösende Spektroskopie benötigte. Darin liess sich dann bei genügend starken magnetischen Feldern der Zeeman-Effekt nachweisen. Bei systematischen Sterndurchsuchungen stehen heute wenn schon, dann nur gering auflösende Spektroskopien zur Verfügung. Doch mit einer 2015 vorgestellten Methode kann man nun auch aus niedrig auflösenden Spektroskopien das magnetische Feld von Sternen bestimmen. Der Artikel MEASUREMENTS OF STELLAR MAGNETIC FIELDS USING AUTOCORRELATION OF SPECTRA beschreibt eine Methode, die ein gutes Signal/Rauschverhältnis besitzt und welche auch dann noch das magnetische Feld eines Sterns nachweisen kann, wenn kein Zeeman-Effekt zu beobachten ist, weil der Zeeman-Effekt zu klein ist und die Aufspaltung der Spektrallinie kleiner ist als die Breite der Spektrallinie. Bei dieser Methode wird die Verbreiterung des Spektrums über alle Spektrallinien bestimmt und daraus dann auf das magnetische Feld geschlossen. Neben der Aufspaltung der Spektrallinien gibt es in Anwesenheit eines magnetischen Feldes nämlich auch eine Verbreiterung der Spektrallinien und wenn man diese über sehr viele Spektrallinien bestimmt erhält man bessere und genauere Aussagen über das damit verbundene magnetische Feld als über den Zeemann-Effekt.
@MH: Ja, Sie haben recht – Magnetfelder gehören nicht gerade zum Fokus. Für mich war es eine unglaubliche Entdeckungsreise gleich zu Beginn des neuen Jahrzehnts! In Kürze noch mehr dazu!