Alles offen

Vor kurzem war ich auf einem Fachsymposium des Munich Network auf dem Bölkow-Campus. Logistik- und Mobilitätstrends standen im Zentrum des Geschehens – und etliche Experten aus der Forschung, von Industrieunternehmen und Jungunternehmer branchenspezifischer Startups versuchten sich darin, für die Teilnehmer dem Bild der Zukunft irgendwie Gestalt zu geben. Doch das Hauptsignal bestand zuerst einmal in der Vermittlung großer Unklarheit. Die Experten sagen uns, dass der Boom des deutschen Elektroautos jetzt tatsächlich kommen wird, betonen aber gleichzeitig, dass es gar nicht so viele Rohstoffe auf diesem Globus gibt, um alle Fahrzeuge elektrisch fahren zu lassen – ganz abgesehen davon, dass die Industrie – angeblich auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft! –  bis heute keinen Schimmer für das Recycling der Batterien hat. Und außerdem geben sie zum Besten: Die Wasserstofftechnologie sei sowieso viel sauberer. Auch das ein erstaunliches Outing des Tages: Der Autobauer von heute fährt sowieso am liebsten mit dem Fahrrad!

Und dann war da auch noch die Sache mit den selbst fahrenden Autos. Ein Hype ums vorläufige Nichts? Jedenfalls ist das wirklich autonom fahrende Auto – immer und überall – bis auf weiteres in sehr weiter Ferne. Starkregen, gar Eis oder Unwetter – alles Faktoren, bei denen die Algorithmen schmählich versagen. Alles recht kompliziert, den Fahrer braucht es da als wichtiges fall-back noch lange. Immerhin hat die Vertreterin aus dem Verkehrsministerium auf der Veranstaltung mit einer interessanten Info  aufgewartet: Hätten wir  tatsächlich autonom fahrende Fahrzeuge – will meinen: Fahrzeuge im Level 5, bei denen der Fahrer nicht mehr Herr seines Automobil ist, sondern die Algorithmen gänzlich übernommen haben  -, dann dürften diese Fahrzeuge  jetzt schon  – immerhin! – auf deutschen Straßen fahren. Die Juristen, mal schneller als die Ingenieure – erstaunlich! Das Problem dabei: die Wiener Konvention. Sie legt nämlich international  im Völkerrecht bindend fest, dass ein Automobil von einem Fahrer, also gemeint: von einem „echten“ Menschen, geführt werden muss, der auch die Verantwortung über sein Fahrzeug hat – mit allen juristischen Konsequenzen. Wer die Verantwortung  beim selbst fahrenden Auto hat, das ist heute, hart juristisch betrachtet, gänzlich unklar. Ein Algorithmus als Chauffeur ist – jedenfalls rechtlich sauber interpretiert – bisher einfach nicht vorgesehen. In Kalifornien oder  Israel könnte man sich über dieses international gezeichnete Rechtswerk schlicht hinweg setzen, in Deutschland aber ist das ein echtes Problem, das derzeit selbst für teil-autonome Fahrzeuge nur mit Sondererlaubnis für Einzelfahrzeuge zu umgehen ist. Doch die deutschen Verkehrshüter haben sich jetzt im internationalen Dialog offenbar auf eine Interpretation der Wiener Konvention verständigt, die selbst fahrende Automobile in Level 5 selbst auf deutschen Autobahnen ohne Geschwindigkeitslimit erlauben könnte. Die Bedingung: Das automatische System kann jederzeit  „übersteuert“ werden. Nicht mehr ein Fahrer im Auto, aber doch eine von Menschen kontrollierte Instanz kann jederzeit verantwortlich eingreifen – und so auch die Haftung übernehmen.  Wie aber soll künftig die geforderte „Übersteuerungszentrale“ bei personenbeförderndem Massenverkehr eigentlich aussehen? Das bleibt vorläufig gänzlich vage. Fremdsteuerung von einem unabhängigen Betreiber? – Google freut sich schon! Oder lieber von Hersteller-eigenen Überwachungszentralen? – das künftige Auto als Service also! Oder gar von staatlicher Stelle mit Add-On-Bewertungssystem kontrolliert? – China lässt grüßen!

A  propos – der Chinese auf dem Podium glaubt gar zu wissen, warum das Land des Lächelns auf dem Weg zur Weltherrschaft die besseren Karten hat: alles eine Frage des extensiven Grundbesitzes der westlichen Welt! Er wird, so seine Prognose, den Europäern und vor allem den deutschen E-Mobil-Autobauern das Genick brechen. Warum – mehr dazu in meiner Sendung!

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Ich habe viele Jahre journalistisch im Bereich Wissenschaft und Technologie gearbeitet, später dann mit meiner kleinen Beratungsfirma als Medienexpertin. 2010 erfüllte ich mir meinen großen Traum und gründete den Spartensender HYPERRAUM.TV, für den ich eine medienrechtliche Rundfunklizenz erteilt bekam. Seither mache ich als One-Woman-Show mit meinem „alternativen TV-Sender“ gewollt nicht massentaugliches Fernseh-Programm. Als gelernte Wissenschaftshistorikern habe ich mich gänzlich der Zukunft verschrieben: Denn die Vergangenheit können wir nur erkennen, die Zukunft aber ist für uns gestaltbar. Wir sollten versuchen, nicht blind in sie hinein zu stolpern!

38 Kommentare

  1. Professor Harald Lesch, einer der prominenten deutschen Vertreter populärwissenschaftlicher Wissensvermittlung erklärt in dem youtube-Video Brennstoffzelle im Auto: Besser als Lithiumakkus? die technische Unmöglichkeit elektrobetriebene Fahrzeuge in größeren Stückzahlen zu bauen und diese mit Energie zu versorgen. [Für Ungeduldige wird es ab Minute sechs richtig “spannend”]

    Vergleicht man Lesch‘s physikbasierende, „unaufgeregte“ Bestandsaufnahme mit dem täglichen Diskussionsirrsinn (von den Grünen initiiert), „man könne absehbar auf Elektromobilität umsteigen”, dann wird unmissverständlich klar, wie hoffnungslos die geplante „Energiewende“ im Bereich der Elektromobilität ist. Das der Mainstream-Journalismus dieses infantile Theater der Elektromobilitätsgläubigen meist unkritisch und sachfern zulässt hat katastrophale volkswirtschaftliche und letztendlich auch katastrophale ökologische Folgen, denn nicht Thematisieren bedeutet im Journalismus im Ergebnis meinungsmachende „Zustimmung zur Idee“ und ist ein journalistischer sowie gesellschaftlicher Supergau. Statt also Unmöglichkeiten als solche zu identifizieren und schonungslos zu benennen, damit nach wirklich machbaren Alternativen gesucht werden kann, werden die Ressourcen der deutschen Volkswirtschaft für nachweisliche ideologische Hirngespinste vergeudet.

  2. Wem Herr Lesch – warum auch immer – unsympathisch ist, Gefühle spielen ja bei der Wahrnehmung eine große Rolle, auch wenn es primär um Sachfragen geht, dem empfehle ich alternativ den Artikel Die Leiden eines Hausplaners: Hilfe, E-Auto-Ladestation! von Paul Lech. Der Autor beschreibt als Beschäftigter eines Ingenieursbüros für Haustechnik realitätsnah die Situation des Stromnetzes und die Vorstellungen der E-Mobilität-wünschenden Kundschaft. Auch die mehr als 180 Kommentare sind lesenswert, teils sehr informativ und unterhaltsam.

  3. @ Dirk Freyling: Danke für die Ergänzung. Allerdings glaube ich, es geht zuletzt gar nicht um die Frage, welchen Motor das Gefährt für die Umweltfreundlichkeit am besten hat. Das ist alles nur eine Umgehungsdebatte, die vom eigentlichen Problem ablenkt, nämlich da, wo’s halt weh tut: Es geht darum, die Mobilität als ganzes besser und vor allem anders zu organisieren und so die Anzahl der Fahrzeuge runter zu kriegen. Aber wie bei der Plastik-Debatte führen wir auch bei der Mobilität mit großer Inbrunst Stellvertreter-Diskussionen, um uns vor den tiefer liegenden Ursachen zu drücken. Die globalen Prognosen für den Anstieg von Fahrzeugen sind besorgniserregend und belegen meiner Meinung nach, dass die Menschheit weder mit E-Mobilität, noch mit Wasserstoff-Autos oder sonst einer Antriebs-Technologie das Umweltproblem in den Griff kriegen kann. Und das ist, bitte sehr, nicht nur ein Problem der Journalisten …

  4. “…. ein erstaunliches Outing des Tages: Der Autobauer von heute fährt sowieso am liebsten mit dem Fahrrad!”

    Ja, solche begeisterten Sätze höre ich seit etlichen Jahren durchaus oft, keineswegs nur von “jungen Leuten” oder “Autobauern” oder “Klimaforschern” oder anderen… Jeder, der heute im öffentlichen Gespräch zwischen Fremden eine gewisse “Hipheit” demonstrieren möchte, vermittelt solche und ähnliche Sätze (andere Inhalte wären: “ich habe selbstverständlich Solarzellen installiert”, “mein Haus wird durch Wärmetauscher grundbeheizt”, “ich zahle bei JEDEM Flug / JEDER Kreuzfahrt Kompensationsabgaben (obwohl es mir und wohl auch jedem anderen völlig unklar ist, was mit dem Geld passiert)”, “mein ökologischer Fussabdruck liegt bei der Hälfte des durchschnittlichen Fußabdrucks in Dtschl. [Anm.: nachgemessen durch ungeprüfte Eigenangaben]. Nur durch VERZICHT, der alles ohnehin Unnötige beseitigt” usw. usf.)

    Schon seltsam, wie wenig “junge Leute”, “Autobauer” oder “Klimaforscher” oder sonstwen mit solchen Sätzen es in Deutschland zu geben scheint, obwohl diese Sätze (und angebliche Konsumverzichte aller Art) so allgegenwärtig sind. Denn wären es “viele”, müsste man ja irgendwelche Dellen oder gar Trendwenden bei Konsum und Verbrauch feststellen können. Und zwar in deutlichem Umfang, dem Gerede nach.

    Wenn mir jemand Fremdes mal wieder begeistert vom “Fahrradfahren” spricht, dann frage ich als erstes, wie viele Kraftfahrzeuge/Motorräder… in seinem Haushalt angemeldet sind und zweitens nach der Kilometerleistung im Jahr, möglichst einer belegbaren (also keine Fantasiezahl, wie bei der komischen Eigenbelügung beim Spritverbrauch der eigenen Karre). In einem Fall kam dann z.B. heraus, dass sehr wohl eine Person (von vieren) im Haushalt “oft” mit dem Fahrrad fuhr (übers Jahr gesehen), aber eben natürlich nur dann, wenn es “ging”, wenn es “zumutbar” war etc. Ansonsten hatte ein PKw die üblichen 23K, der andere 13K und selbst das Motorrad immerhin noch 3K für das Jahr des Gesprächs auf dem Buckel. Nach Flugkilometern oder Kreuzfahrtkilometern habe ich dann erst mal gar nicht gefragt. 😉

  5. Guten Tag Frau Päch,

    letztendlich stellt sich die Frage, wie werden Informationen erlangt und verbreitet? Egal zu welchem Thema. Viele Diskussionen beginnen bereits mit einem Informationsdefizit. Bewusst werden auf beiden Seiten wesentliche Erkenntnisse „totgeschwiegen“, wenn diese nicht der eigenen Ideologie entsprechen. Des Weiteren: Bei vielen Fernsehdiskussionen ist die Moderation in der Sache zu uninformiert und zu schwach.

    Wie Sie ja äußerten sind es meist Stellvertreter-Diskussionen. Ich befürchte, daß wir noch weit entfernt sind von sachorientierten Grundsatzdiskussionen. Politische Lagerbildung ist Tagesgeschäft.

    Milliarden von Menschen leben weltweit in perspektivenloser Armut. Sadistische Massentierhaltung bildet (trotz Jahrzehnte alten Tierschutzes) die „fleischliche“ Grundlage (in Deutschland). Globalisierung bedeutet Warentransport. Die Idee von wirtschaftlichem Wachstum ist nach wie vor ein weltbestimmender Aspekt. Aber: Logisch gesehen, sofern natürliche, basisnahe Kriterien wichtig sind gilt: Weniger ist mehr. Meiner Meinung nach, ist der kleinste gemeinsame Nenner für eine humanere und „umweltschonendere“ Zukunft, eine deutliche Verkleinerung der Weltbevölkerungszahl sprich eine deutliche Verringerung der Reproduktion. Dieses zentrale Thema wird gemieden, da allen voran die meinungsbestimmmenden Weltreligionen, Christentum und Islam, ihre Gläubigen mittels „Überbrütung nach vorne bringen wollen“.

  6. Ich stimme dem ganz zu: Vor allem auch der Aussage, dass am Ende, ganz unten, die Bevölkerungsexplosion des Erfolgsmodells Mensch das grundlegendste aller Probleme ist. Aber das wird wahrscheinlich nur mit aktiver Hilfe der Evolution in den Griff zu bekommen sein …

  7. Nein, nicht die Bevölkerungsexplosion ist das Hauptproblem – zumal die Bevölkerung in Europa, Japan und bald schon China zurückgeht und die Weltbevölkerung Ende des Jahrhunderts stagnieren wird.
    Hier liegen sowohl Dirk Freyling als auch Susanne Päch falsch. Weil beide sich zuwenig bewusst sind wie unsere Welt funktioniert.

    Eine andere Explosion ist das Hauptproblem der Menschheit – obwohl die meisten das nicht wahrhaben wollen. Es ist die Explosion des Wohlstands (3% Weltwirtschaftswachstum seit Jahrzehnten und für weitere Jahrzehnte). Wohlstand ist tatsächlich das, was alle anstreben und steigender Wohlstand hat allein seit 1985 700 Millionen Chinesen aus absoluter Armut befreit. Unzählige Menschen geht es wegen steigendem Wohlstand immer besser. Aber steigender Wohlstand bedeutet eben bei der heutigen Wirtschaftsweise auch enorm viel Abfälle, riesige Agrarflächen und grosse Tierherden (erst Reiche essen Fleisch, Arme können es sich nicht leisten).
    Es bedeutet Treibhausgasemissionen von mehreren Tonnen CO2 pro Kopf (Deutschland 10 Tonnen Pro Kopf und Jahr, Bangladesh 0.4 Tonnen pro Kopf und Jahr). Mehr Wohlstand bedeutet automatisch mehr Fernreisen (der Flugverkehr wächst global 5% pro Jahr).
    Steigender Wohlstand bedeutet auch immer mehr persönliche Fahrzeuge, mehr Autos. 1995 wurden weltweit 40 Millionen Autos verkauft, 2019 sind es 78 Millionen.
    Und ja, wenn Autos kein CO2 mehr ausstossen sollen, dann müssen bald viele Millionen Fahrzeuge entweder mit Batterien oder aber mit Wasserstoff betrieben werden. Aus Klimaschutzgründen wären Batterien besser. Aber es stimmt, schon Kindermädchenrechnungen zeigen, dass ab 2025 diverse Rohstoffe für die Batterieherstellung (vorübergehend) knapp werden. Was ist die Lösung? Man muss eben beides parallel angehen: Sowohl Batterieautos als auch Wasserstoffautos. Und in den Städten überhaupt keine Autos mehr, sondern nur noch Gruppentaxis. Das wäre das Ideal. Aber gerade zunehmender Wohlstand verhindert solche Lösungen wie Minibusse für alle oder Gruppentaxis. Denn wer viel Geld hat, will nicht in der Masse eingeklemmt reisen, sondern in seinem eigenen von einem Butler oder Roboter geführten Gefährt.

  8. @ Martin Holzherr: Aus meiner Sicht ist das überhaupt kein Widerspruch. natürlich wollen wir alle immer mehr Wohlstand – aber das für immer mehr Menschen lässt sich halt nicht unter einen Hut bringen. Die Reduzierung der Kopfzahl auf eine Milliarde würde da doch helfen.

  9. @Susanne Päch: da stimme ich Ihnen zu. Die meisten Menschen – zumindest hier – bevorzugen mehr Wohlstand vor mehr Kindern. Umgekehrt bewirkt ein deutlicher Anstieg des Wohlstands, dass die Leute weniger Kinder wollen.
    Doch wenn selbst nur 1 Milliarde Menschen die Erde bevölkern und alle sind Jetsetter, kann sich das immer noch fatal auswirken.

  10. @ Martin Holzherr

    Gibt es ein Beispiel für ein Land, bei dem der kontinuierliche Rückgang der Bevölkerung mit einem stetigen Anstieg des Wohlstands verbunden war?

  11. Der gute Denkansatz von der offenen Zukunft wird gleich wieder relativiert, indem man alle Probleme in einen Topf wirft.
    ajki , in Amsterdam gibt es mehr Fahrräder als Autos und die meisten fahren tatsächlich Fahrrad.
    In Oslo kann man auf jedem Parkplatz sein E-Auto nachladen.
    In Milano Malpensa (Flughafen) ist jedes dritte Taxi ein Hybrid.
    Also, es geht doch !

    Das Hauptproblem in Deutschland liegt auf der politisch/wirtschaftlichen Seite.
    In Stuttgart verhindern Porsche und Daimler das Verbot von älteren Dieselfahrzeugen.
    Die Stromtrasse von Norddeutschland nach Süddeutschland ist immer noch nicht gebaut !

    Wann werden die Kohlekraftwerke stillgelegt ? Usw. usw. …….

  12. @Balanus (zitat): Gibt es ein Beispiel für ein Land, bei dem der kontinuierliche Rückgang der Bevölkerung mit einem stetigen Anstieg des Wohlstands verbunden war?

    Es ist umgekehrt: Ein stetiger Anstieg des Wohlstand lässt die Kinderzahl sinken. Warum? Weil es erst ab einem gewissen Wohlstand so etwas wie eine Lebensplanung gibt. Lebensplanung bedeutet, dass man das Leben in Phasen aufteilt: einer Phase der Schule und Ausbildung folgt (nach einer optionalen Phase höherer Schulung) die Berufsausübung. Mit der Berufsausübung erhält man die Sicherheit und das Geld, welches viele ermutigt eine Familie zu gründen. Da Kinder in einer wohlhabenden Gesellschaft auch etwas kosten (ja sogar sehr viel kosten), planen wohlhabende Menschen auch die angestrebte Kinderzahl. Heute wünscht sich kaum noch eine Familie mehr als 3 Kinder. Wer das Leben plant (bewusst oder unbewusst), der plant (im allgemeinen) ein Leben in Wohlstand für sich und seine Kinder. Damit wird indirekt auch die Kinderzahl begrenzt.

    Für in Armut lebende Menschen aber gibt es nichts zu planen. Alles kommt wie es kommt. Dazu passt eine Malthussianische Ökonomie. Das ist eine Ökonomie in der eine erhöhte Produktivität in mehr Kindern resultiert, nicht in mehr Wohlstand. Nur noch in der Subsahara gibt es einige solche Ökonomien. Tatsächlich erwartet man in der 3 Millionen Quadratkilomter grossen Sahelzone (diese Zone trennt die Sahara von der weiter südlich liegenden Savanne) einen Bevölkerungszuwachs von heute 80 Millionen Menschen auf 300 Millionen im Jahre 2060 (im High-Szenario der UNO). Damit wäre die Bevölkerungsdichte in der Sahelzone (einer Halbwüste) im Jahre 2060 grösser als in der EU. Allerdings werden wohl viele Sahelbewohner auswandern – in andere Länder Afrikas oder nach Europa. Solche eine Entwicklung wäre mit einer Sahelbevölkerung, die die Mentalität der US- oder EU-Bewohner hat, völlig ausgeschlossen.

  13. @ Martin Holzherr

    » Es ist umgekehrt: Ein stetiger Anstieg des Wohlstand lässt die Kinderzahl sinken. «

    Mit anderen Worten, Sie kennen auch kein Land, bei dem der kontinuierliche Rückgang der Bevölkerung zu immer mehr Wohlstand geführt hat.

    Sinkende Kinderzahlen gehen nicht zwangsläufig mit einem Bevölkerungsrückgang einher (wegen Einwanderungen). Derzeit ist es hierzulande doch so, dass die Ökonomen Wohlstandsverluste befürchten, wenn die Bevölkerung schrumpft. Oder irre ich mich da?

  14. @Balanus (Zitat): Derzeit ist es hierzulande doch so, dass die Ökonomen Wohlstandsverluste befürchten, wenn die Bevölkerung schrumpft.
    Nein, eine Schrumpfung per se bewirkt kaum Wohlstandsverluste. Ökonomen und Laien diskutieren eher über die Überalterung oder über den Brain-Drain, der beispielsweise einige osteuropäische und afrikanische Staaten betrifft (es gibt mehr senegalische Ärzte in Grossbritannien als britische Ärzte in Senegal). Eine Rolle spielt natürlich auch das Verhältnis von Arbeitenden zu Nicht-Arbeitenden. Positiv wirken sich viele junge Beschäftigte aus, wenn gleichzeitig die Kinderzahl sinkt und es erst wenig Alte gibt, denn dann stehen viele motivierte Arbeitskräfte zur Verfügung. Indien könnte schon bald in diese Lage kommen, während China schon anfängt zu überaltern.

    Eine schrumpelnde Bevölkerung bedeutet sicherlich nicht ein schrumpfendes Pro-Kopf-BIP, aber sie bedeutet einen Macht-/Einflussverlust des Staates, der davon betroffen ist. Überholt irgendwann die Bevölkerungszahl Frankreichs diejenige Deutschlands gewinnt Frankreich an europäischem Einfluss.

  15. Martin Holzherr // 2. Juli 2019 @ 20:19

    »Nein, eine Schrumpfung per se bewirkt kaum Wohlstandsverluste. «

    Kommt wohl auf das Ausmaß an. Susanne Päch etwa meinte, eine globale „Reduzierung der Kopfzahl auf eine Milliarde“ würde sich positiv auswirken.

    Übertragen wir das auf die USA, entspräche das grob einer Reduzierung auf 80 Millionen Köpfe. Das ließe sich innerhalb von zwei Generationen allein durch Auswanderung bewerkstelligen, ohne dass die Gesellschaft überaltern würde. Würde die US-amerikanische Wirtschaft davon profitieren?

    Oder anders: Wie sähe der bundesdeutsche Wohlstand aus, wenn er allein von den Deutschen erhalten werden müsste, also ohne die Hilfe der vielen Millionen, die im Ausland für die Deutschen produzieren.

  16. “ajki , in Amsterdam gibt es mehr Fahrräder als Autos und die meisten fahren tatsächlich Fahrrad.”

    Da ich angesprochen wurde, werde ich auch reagieren – obwohl ich nicht recht weiß, worauf eigentlich. Denn mit dem zugegeben sarkastischen Unterton meines obigen Kommentars hat die Erwiderung nichts zu tun.

    Ich möchte vorausschicken, dass ich gebürtiger Münsteraner bin (auch wenn ich seit etlichen Jahrzehnten nicht mehr dort lebe). Insofern kann man mich hier nicht katholisch machen 😉 – denn, für diejenigen, die das nicht wissen, in Münster gab es seit “immer” wesentlich mehr Fahrräder als Einwohner, geschweige denn Kraftfahrzeuge. Und: selbstverständlich wurden/werden im Münsterland (und natürlich auch sonstwo) die Fahrräder benutzt. Warum auch nicht???

    Aber hinsichtlich des allgemeinen Konsumniveaus ist das doch alles kein Widerspruch (übrigens auch nicht für “Amsterdam” – selbst jemand, der in Amsterdam innerhalb der Grachtenzone wohnt, hat *zusätzlich* zu seinem Fiets oftmals sehr wohl ein Auto mit dem riesengroßen Zusatzproblem, es überhaupt irgendwo parken zu können …). Selbstverständlich findet man in einem typischen Haushalt neben den Kraftfahrzeugen auch Fahrräder, Tretroller, Kinderwagen und sonstiges fahrendes Gerät. Und von Jahr zu Jahr auch noch immer mehr davon. Und genau da wurde die ironische Wendung oben im Blogbeitrag vom “Autobauer”, der “lieber Fahrrad fährt”, so offenkunding widersinnig (deshalb ja auch die ironische Ansprache) – denn die Kfz-Anzahl und die gefahrenen Kilometer pro Jahr steigt/steigen nach wie vor an. Obwohl schon rein rechnerisch mittlerweile auf einen Haushalt sehr deutlich mehr als ein Pkw kommt (je nach Rechenweise der Zahl der Haushalte sind es bis zu knapp mehr als 2 [z.B., wenn man HH mit sehr alten Mitbürgern oder langfristige Transferleistungsbezieher-Haushalte herausrechnet]). UND man ja bekanntlich seit Jahrzehnten sowieso nirgends mehr mit dem Auto hinkommt, weil man überall im Stau feststeckt (Achtung, Ironie, wenn auch mit schalem Beigeschmack).

    Und so ist das überall in den Wohlstandsstaaten dieser Erde. “Autobauer”, die vom “Eigenverzicht” schwafeln und real selbstverständlich völlig normale Konsumgewohnheiten an den Tag legen.

  17. ajki,
    um sarkastisch zu sein, sind deine Beiträge zu lang , das sei mal freundlich angemerkt.
    Inhaltlich stimme ich zu.

  18. MH,
    einen wesentlichen Anteil an der geringen Geburtenrate hat die Ausbildung der Menschen.
    Je länger man studieren muss, je länger man keine eigene wohnung hat, desto geringer ist die Chance dass geheiratet wird, dass Kinder kommen.
    Ein anderer grund ist die Überbewertung von materiellen Dingen, z.B. das Auto, da wird abgewogen ob man sich ein Kind zulegt oder einen Mercedes.

  19. @Balanus (Zitat): »Nein, eine Schrumpfung per se bewirkt kaum Wohlstandsverluste. « Übertragen wir das auf die USA, entspräche das grob einer Reduzierung auf 80 Millionen Köpfe. Würde die US-amerikanische Wirtschaft davon profitieren?
    Die US-amerikanische Wirtschaft wäre dann auch geschrumpft. Sie wäre ein Winzling etwa im Vergleich zu einer ungeschrumpften chinesischen Wirtschaft. Das Pro-Kopf-Einkommen müsste dabei aber nicht schrumpfen. Kleine Länder mit Hochtechnologie haben sogar einen Vorteil: Sie können in lukrative Nischen investieren (Technologie+Kapital). Allerdings hätte eine im Vergleich zum Umfeld geschrumpfte US-Wirtschaft den Nachteil, dass sie nun in verschiedenen Technologiesparten den Ton nicht mehr angeben könnte. Andere würden durch ihre Martkmacht vorgeben wohin es geht und das Land mit der kleinen Wirtschaft hat dann zu folgen.

    Vorteile einer 1 Milliarden Menschheit
    – 1 Milliarde Wohlstandsbürger können noch knapp ohne Kreislaufwirtschaft leben und damit viel Abfall erzeugen ohne allzustark negative Konsequenzen
    – 1 Milliarde Wohlstandsbürger können noch (knapp) unreguliert in die Natur eingreifen (beispielsweise als Jäger, Erbauer von Staumauern, Tierherdenhalter) ohne allzu schlimme Folgen für die Umwelt
    – Rohstoffe werden weniger schnell knapp bei 1 Milliarde Menschen
    – Eine 1-Milliarden-Menschheit könnte vielleicht noch 200 Jahre so weitermachen wie bisher ohne das das allzuschlimme Konsequenzen hätte wie es bei 7 oder 10 Milliarden der Fall ist

    Nachteile einer 1 Milliarden Menschheit
    – Grosse Vorhaben wie die Besiedelung zum Mars oder milliardenteuere Teilchenbeschleuniger scheitern eventuell an den Finanzen
    – Ein Weltmarkt mit nur 1 Milliarde Menschen bedeutet weniger Skalierungsvorteile. Smartphones für 7 Milliarden Menschen erlauben billigere und diversifiziertere Geräte als wenn es nur 1 Milliarde Konsumenten gibt.

  20. @Martin Holzherr // 3. Juli 2019 @ 09:31

    » Das Pro-Kopf-Einkommen müsste dabei aber nicht schrumpfen. «

    Die Pro-Kopf-Verschuldung würde um das siebenfach steigen. Wie sähe es mit dem BIP aus, wenn nur noch ein Siebtel der Bevölkerung vorhanden wäre? Und wie, wenn sich bei Volkswagen die Belegschaft auf ein Siebtel verringern würde? Sechssiebtel der Wohnungen stünden leer… Und so weiter und so fort.

    »Vorteile einer 1 Milliarden Menschheit
    – 1 Milliarde Wohlstandsbürger…
    «

    Wenn die Volkswirtschaften in Nord- und Südamerika, Europa und Asien auf ein Siebtel schrumpfen, dann ist es sehr fraglich, dass dieses Siebtel noch über den gleichen Wohlstand verfügt wie heutzutage.

  21. @Balanus: Eine Schrumpfung auf 1 Milliarde Menschen wäre in jedem Fall ein Langzeitprojekt. Das würde sich über 100 Jahre hinziehen. In diesen 100 Jahren würde sich auch sonst noch viel ändern und weiterentwickeln. In Europa sind wir doch bereits auf dem Pfad zu einer solchen Verminderung auf die Hälfte vielleicht in 200 Jahren. Aussser die Menschen würden schon bald gar nicht mehr sterben.

  22. Zu den Populationskommentaren von Susanne Päch, Balanus und Dirk Freyling (andernorts):

    (Zitat Susanne Päch): Vor allem auch der Aussage, dass am Ende, ganz unten, die Bevölkerungsexplosion des Erfolgsmodells Mensch das grundlegendste aller Probleme ist. Aber das wird wahrscheinlich nur mit aktiver Hilfe der Evolution in den Griff zu bekommen sein …

    In meine Augen purer Zynismus, denn “mit aktiver Hilfe der Evolution” meint Susanne Päch nichts anderes als eine menscheneliminierende Katastrophe und sie sieht dem gelassen entgegen.
    Auch in Medienberichten über dias von Klimawissenschaftlern ausgearbetete Szenario “Heisszeit” wurde von einer solchen möglichen bevölkerungsreduzierenden Katastrophe berichtet (“Erde vielleicht nur noch für 1 Milliarde bewohnbar”).
    Für mich ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass die Bevölkerung sich trotz Klimawandel ähnlich entwickelt wie von den UNO-Prognosen prognostiziert. Allerdings wird es in Zukunft wohl ein neues Menschenrecht geben müssen: Das Menschenrecht auf eine Klimaanlage.

  23. @ Dirk Freyling und zu:
    “….Wem Herr Lesch – warum auch immer – unsympathisch ist, Gefühle spielen ja bei der Wahrnehmung eine große Rolle, auch wenn es primär um Sachfragen geht,…..” ( Zitatende)

    Um mal ganz im diplomatisch-Unverbindlichen zu bleiben, nur kurz das Folgende:

    Nun sollten Sie aber trotz gefühlter Sympathie für Herrn Lesch die Möglichkeit nicht völlig ausschließen, dass man auch ganz unemotionalisiert und aus rein sachlichen Erwägungen davon Abstand nimmt, in Lobeshymnen für Herr Lesch auszubrechen.
    Oder ist das auch schon wieder zu emotional? (-:

  24. @ Martin Holzherr

    » Eine Schrumpfung auf 1 Milliarde Menschen wäre in jedem Fall ein Langzeitprojekt. Das würde sich über 100 Jahre hinziehen. «

    Das würde dann wohl auf eine überalterte Gesellschaft hinauslaufen—mit den entsprechenden Problemen. Eine Schrumpfung in diesem Umfang wäre schon ziemlich dramatisch, fürchte ich. Dabei könnte auch passieren, das wiss.-techn. Know-how verloren geht—mit unabsehbaren Folgen.

    »In meine Augen purer Zynismus, denn “mit aktiver Hilfe der Evolution” meint Susanne Päch nichts anderes als eine menscheneliminierende Katastrophe und sie sieht dem gelassen entgegen.«

    Über diese „aktive Hilfe der Evolution“ bin ich auch gestolpert, aber ich denke, damit ist vor allem gemeint, dass es auf einem natürlichen Weg geschehen muss–irgendwann. Was bei einer Katastrophe natürlich auch der Fall wäre. Wenn zum Beispiel der Yellowstone Park in die Luft fliegt, dürfte es in den Folgejahren sehr eng auf dem Planeten werden. Den Überlebenden dürfte es dann auch erheblich an Wohlstand mangeln. Mit Zynismus hat das m.E. nichts zu tun.

  25. das Szenario, dass sich die Menscheit durch einen globalen Krieg selbst dezimiert, dürfte am wahrscheinlichsten sein. Danach folgen Pandemien, Hungersnöte , eine globale Vergiftung durch Pflanzenschutzmittel oder nur die Unbewohnbarkeit weiter Landstriche wegen radioaktiver Verseuchung.
    Dabei dürfen wir den Begriff Menscheit nicht zu eng sehen. Während in Europa die Folgen eines Krieges dramatisch sein werden, werden die Bewohner von Aukland davon nicht viel mitbekommen.

  26. @fliegenklatsche (Zitat): das Szenario, dass sich die Menscheit durch einen globalen Krieg selbst dezimiert, dürfte am wahrscheinlichsten sein
    Nein, das warscheinlichste Szenario ist vielmehr, dass ein einzelner Forscher oder eine kleine Terrorgruppe eine tödliche Gefahr auf die ganze Menschheit loslässt, beispielsweise einen selber mittels Gentechnik konstruierten Killervirus.
    Warum ist das das Wahrscheinlichste? Weil ein Krieg von Regierungen beschlossen wird und Regierungen gibt es weltweit nur etwas mehr als 100. Potenzielle Terroristen und verrückte Forscher gibt es aber hunderttausende (allein deutlich mehr als 1000 als gefährlich eingeschätzte Rechtsradikale in D) und je mächtiger die technologischen Mittel werden die einem einzelnen Forscher oder einer Terrorgruppe zur Verfügung stehen, desto grösser der angerichtete Schaden. Die CRISPR/Cas-Forscherin Jennifer Dowdna (oder ähnlicher Name) sagte im Interview das ich las, sie könnte ein CRISPR-System in ihrer Küche aufbauen.

    fliegenklatsche leibt offensichtlich die Gefahren der Vergangenheit wie die “radioaktive Verseuchung ganzer Landstriche”. Damit kann die schnelle Verbreitung eines Killervirus natürlich nicht mithalten. Wenn ein Killervirus 8/10 der Menschheit umgebracht hat, ist die Welt anschliessend wieder so schön und friedlich wie vorher – nur dass dann der Wunsch von Susanne Päch in Erfüllung gegangen ist, dass die Bevölkerung auf 1 Milliarde reduziert wurde.

  27. @Balanus (Zitat: Über diese „aktive Hilfe der Evolution“ bin ich auch gestolpert,”)
    Darüber müssen sie nicht stolpern. Jeder der die Diskussionen um Bücher wie Limit to Growths, The Population Bomb und so weiter gelesen hat, weiss genau was damit gemeint ist.
    Es ist die Auffassung, dass die Menschheit sich wie eine Bakterienkultur in der Petrischale verhält: Sie wächst exponentiell bis das Futter ausgeht und stirbt dann wieder ab. In Bezug auf den Menschen und die Menschheit gibt es noch sehr viel mehr Möglichkeiten einer Endzeitkatastrophe – nicht nur dass das Futter ausgeht.

  28. an alle Beteiligten: Noch ein paar Worte zur Exegese meiner “Hilfe der Evolution”. Es war schon sehr weit gefasst mit allen schillernden Ursachen, von Naturkatastrophen bis zu Mensch gemachten Katastrophen einschließlich Killerviren, aber auch durch evolutionäre Selbstreinigungseffekte zur Erhaltung des labilen Gleichgewichts in der Natur. Es sind bekanntlich in der Entwicklungsgeschichte schon viele Arten ausgestorben, nicht alle aufgrund von “Katastrophen” im Sinn eines Asteroiden-Einschlags oder eines Vulkanausbruchs, sondern durch das langsame Ende aufgrund dieser Selbstregulierung. Sollte beispielsweise das Wetter kippen oder aber das Ökosystem Meer, dann werden wir die Konsequenzen nicht so schlagartig spüren wie bei einem Asteroideneinschlag. Aber Effekt hätte es schon auf die Menschheit, wenn die Nahrungskette gestört würde. Dass ich in diesem Kontext etwas “will”, möchte ich übrigens nicht sagen. Es ist eine Feststellung, dass ich heute nicht mehr glaube, dass die Menschheit ihre zunehmenden Probleme in der Ökologie unseres Planeten noch selbst in den Griff bekommt. Jetzt machen alle groß in Lithium-Batterie – und glauben damit sei das Problem Klima gelöst – oder zumindest einer Lösung näher. Ja, wir leisten damit einen Beitrag zur CO2-Reduzierung, aber gleichzeitig zu einem hohen Preis, denn wir erzeugen ein gigantisches Müllproblem: hunderttausende Batterien, deren Recycling bis heute völlig unmöglich ist (einmal abgesehen davon ,dass wir gar nicht so viel Rohstoffe wie Kobalt haben, um mehr als 30 % der Fahrzeuge elektrisch fahren zu lassen. Das ökologische Gesamtsystem funktioniert leider nicht so linear wie wir denken, und es ist so komplex, das es meiner Meinung nach für uns Menschen nicht beherrschbar ist. Der Mensch greift aber aufgrund seiner großen großen Kopfzahl – aha! – massiv darin ein. Daher ist meine Meinung, dass es eigentlich am wahrscheinlichsten wäre, die Probleme in den Griff zu kriegen, wenn genau diese Kopfzahl reduziert würde. Und übrigens: Natürlich habe ich “Die Grenzen des Wachstums” in den Siebzigern gelesen. Das war damals ein Bestseller mit dreißig Millionen verkauften Exemplaren, bewirkt hat er wohl kaum etwas – heute, rund fünfzig Jahre später, kennen viele das Werk gar nicht mehr. Das steht alles, na, fast alles drin …

  29. @Susanne Päch (Zitat): Daher ist meine Meinung, dass es eigentlich am wahrscheinlichsten wäre, die Probleme in den Griff zu kriegen, wenn genau diese Kopfzahl reduziert würde.

    Damit die Reduktion der Kopfzahl die Menschheitsprobleme verkleinert, müsste sie in wenigen Jahrzehnten stattfinden. Die Lebenserwartung müsste von heute 67 Jahren weltweit auf vielleicht 40 Jahre sinken. Für alle, die plötzlich vorzeitig sterben wäre das eine Katastrophe, denn sie würden nicht friedlich im Bett einschlafen sondern irgend einen fürchterlichen Tod erleiden.

    Dabei gibt es einige Gründe dafür, dass der Wohlstand weltweit weiter steigen wird – und für viele wird das immer noch zuwenig sein, denn sie wünschen sich so zu leben wie die Oberschicht lebt.

    Gerade steigender Wohlstand erlaubt es die Klimakrise zu überleben und relativ gut damit klarzukommen. Zumindest für die reicheren Nationen. Denn die Menschen dort können sich auch teurere Nahrungsmittel kaufen, falls der Klimawandel zum Einbruch der Nahrungsmittelproduktion führt. Mit anderen Worten: Falls der Klimawandel oder ein anderes Umweltproblem die Ressourcensituation verschlechtert, dann sterben tatsächlich zuerst die Armen. Wir aber bleiben übrig.

    Wir könnten in einer Welt mit sehr viel mehr Wohsltand landen. Einer Welt aber in der Natur und Umwelt ziemlich anders und nicht besser aussehen als heute. Ich fürchte sogar: Genau so wird es herauskommen. Doch völlig neu ist dieses Phänome nicht. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Environmental Kuznets Curve und meint damit, dass wachsender Wohlstand zuerst die Umwelt “zerstört”, dass aber anschliessend die Umwelt von den nun wohlhabenderen Menschen repariert wird, denn sie haben nun auch grössere Ansprüche an eine intakte Umwelt.
    Ich glauben an diesen Kuznet-Effekt. Das bedeutet, dass irgendwann sehr viel unternommen wird um etwa die Erwärmung zu stoppen oder auch um zu verhindern, dass weiterhin so viel Plastik im Weltmeer landet. Weil es sich aber heute um ein weltweites Problem handelt, kann es ziemlich lange dauern bis das, was repariert werden kann, wirklich repariert ist.

  30. @ Martin Holzherr: na, dann hoffen wir mal auf die Zukunft und vor allem auf die Environmental Kuznets Curve. Ich habe wirklich nichts dagegen, wenn das Problem kleiner ist als ich befürchte … von der Kurve hatte ich zuvor noch nichts gehört. Danke. Und übrigens sorry für meine falsche Dimension bei den Lithium-Batterien von Autos. Die Zahl oben ist natürlich um Dimensionen zu klein gegriffen … zu viel Hektik hier.

  31. @Susanne Päch (Zitat): “Ich habe wirklich nichts dagegen, wenn das Problem kleiner ist als ich befürchte “

    Das Problem ist gross – vor allem für die Natur, für die Artenvielfalt und für die Konstanz der Lebensbedingungen. Aber: Eine Menschheitskatastrophe (als Folge des Klimawandels, des Artensterbens und der Vermüllung) mit Millionen bis Milliarden von Toten ist zwar nicht ganz auszuschliessen, aber unwahrscheinlich. Vor allem auch deshalb unwahrscheinlich, weil mit zunehmenden Wohlstand der Mensch ja nicht wehrlos den Mächten der Natur gegenübersteht.

    Nun zur anderen Seite, zum Verlust an Arten, an Natur usw.: Professor Stefan Rahmstorf hat auf eine Interview-Frage, was denn an Verlusten bei einer Erwärmung um mehr als 1.5 Grad Celsius zu erwarten sei, geantwortet: Dann überlebe wohl kein Korallenriff mehr.
    Korallenriffe aber machen einen Grossteil der Vielfalt des küstennahen Ozeans aus und sind teilweise riesengross (das Barrierriff beispielsweise). Die schnelle Klimaerwärmung führt also zu massiven Verlusten an Arten und löscht ganze Lebensgemeinschaften aus – und das sehr schnell. Und Korallenriffe sind wohl nur ein Beispiel für viele ähnliche Fälle.
    Doch viele Menschen kümmert das nicht besonders. Ein früherer Blogger (ein Landschaftsökologe) hier meinte beispielsweise, 1/3 aller Arten würden wohl durch menschlichen Einfluss verschwinden, doch das müsse weder für Ökosysteme noch für den Menschen eine Katstrophe bedeuten.

    Es ist schon so: Uns erwartet in Zukunft eine noch stärker durch menschliche Einflüsse geprägte und verarmte Umwelt. Der Klimawandel wird zudem nicht nur die Natur schnell verändern sondern auch tief in die menschlichen Gesellschaften eingreifen, weil er etwa ganze Regionen klimatisch so weit verschlechtert, dass Massenemigrationen zu erwarten sind. Klimaflüchtlinge werden aber vom heutigen Europa ganz und gar nicht willkommen geheissen. Sie sterben in Zukunft vielleicht nicht mehr im Mittelmeer, dafür aber vielleicht in einem von der EU bezahlten Auffangstaaten.

  32. … ja, es werden die schleichenden Katastrophen sein, die die Menschheit dezimieren, die sind nur schwer oder vielleicht gar nicht für uns umkehrbar. Und ja, die Klimaflüchtlinge werden kommen, und außerdem viele Menschen unwürdig sterben. Aber vielleicht werden wir trotzdem nicht schnell genug auf die eine Milliarde runter kommen … und das ist nicht zynisch gemeint, sondern faktisch.

  33. @Susanne Pächter (Zitat): „Aber vielleicht werden wir trotzdem nicht schnell genug auf die eine Milliarde runter kommen … “
    Auf eine Milliarde runterkommen ist für mich keine wünschenswerte Lösung. Es zeichnet sich schon eine Lösung ab. Immer mehr Menschen leben in Städten. Nachhaltige Städte mit Kreislaufwirtschaft, also Städte die keine Abfälle produzieren (auch kein überschüssiges CO2) und die keine Rohstoffe benötigen, weil sie alles rezyklieren, die sind nicht nur emissionsfrei, sondern komplett umweltneutral. Natürlich sind wir noch weit davon entfernt, aber unmöglich ist es nicht.

  34. @Susanne Päch (Zitat): “ja, es werden die schleichenden Katastrophen sein, die die Menschheit dezimieren ..”

    Auf schleichende Katastrophen kann eine wissenschaftlich/technisch und finanziell potente Menschheit reagieren – wenn sie überhaupt reagieren will und eine Reaktion für nötig hält. Die schleichende Katastrophe der Vermüllung der Meere ist gerade ein Beispiel dafür. Es müssten lediglich etwa 10 Länder ihr Abfallmanagement an das Deutschlands anpassen und der Zufluss von Plastik in den Ozean würde auf einen Fünftel bis Zehntel des heutigen Niveaus fallen. Doch es wird nichts effektives (nur symbolisches) unternommen, weil die Menschheit in ihrer Gesamtheit das Problem für nicht bedeutend genug hält. Klar: Es leben ja auch keine Menschen im Meer und Fischen kann man ja immer noch – also kein Problem.

    Und man muss sich im Klaren sein: Die Vermüllung des Ozeans bringt die Menschheit nicht um. Es bringt vielleicht viele Wassertiere und Ökosphären dort unten an den Rand der Existenzfähigkeit. Aber Menschen bekommen nicht viel ab.
    Was wir den Meerlebwesen antun, würden wir unseren Haustieren nie antun, denn Haustiere betrachten wir als Mitgeschöpfe, Meerestiere aber schaffen es nur in die Kategorie Nahrungsmittel.

    Diese Betrachtung will noch einmal den Punkt herausstellen, den ich schon in Vorgängerkommentaren vorbrachte: Menschen kümmern sich um Mitmenschen, Mitgeschöpfe (den Hund Fido) und darum dass es ihnen und ihren Kindern und Verwandten in Zukunft noch besser geht. Alles andere kommt erst später. Erst wer alles hat will auch noch eine intakte Umwelt (Environmental Kiznet Curve). Auch beim Klimawandel bedeutet es wohl, dass wir erst reagieren, wenn wir meinen es uns leisten zu können und wenn wir glauben, wir müssten ihn stoppen, weil es unseren Kindern sonst schlecht ginge.
    In einer Katastrophe für den Menschen kann dieses Verhalten münden – muss es aber nicht. Es muss schon deshalb nicht, weil die Natur insgesamt sehr widerstandsfähig ist und die Evolution dafür sorgt, dass auch unter widrigen Umstädnen einige überleben.

    Wirklich gefährlich sind für die Menschheit plötzliche Katastrophen – Katastrophen, die keine Reaktion mehr zulassen, weil es schon zu spät ist. Dazu gehören Asteroideneinschläge, Grossvulkanausbrüche, Atomkriege und Pandemien beispielsweise mit einem Killervirus. Die wachsende wissenschaftlich/technische Potenz des Menschen macht selbstgemachte plötzliche Katastrophen immer wahrscheinlicher. Der königliche britische Astronom Sir Martin Rees glaubt sogar, dass die Menschheit wegen der wachsenden wissenschaftlich/technischen Potenz selbst Einzelner dieses Jarhhundert nicht überstehen wird. Denn wenn ein Mensch genügt, alles zu zerstören, dann ist es definitiv vorbei.

  35. Das traffix und logistix -Symposium über das im Video berichtet wird, zeigt dass smarte lösungsorientierte unternehmerische Individuen und tief, weit und breit denkende Theoretiker im Umfeld von „heissen“ Themen wie der Mobilität unserer nahen Zukunft aufblühen und ihre ganze Intelligenz, Kreativität, ihr Wissen und ihre Weisheit einbringen. Damit das funktioniert und die Leute sich engagieren braucht es -ach wie trivial – auch die Aussicht darauf, mit dem Engagement, mit dem sich Einbringen, Geld zu verdienen.

    Gäbe es ähnliche Verhältnisse bei Themen wie Klimaschutz oder dem Plastikmüllproblem dann wären die Aussichten auf Lösungen in diesem Bereich sehr viel grösser als sie es heute sind, denn mit der Aussicht darauf einen Markt aufzubauen und mit Klimaschutzlösungen die Welt zu erobern würden sich sehr viel mehr smarte Leute in diesem Bereich engagieren.

    Nun kann man sagen, E-Mobilität ist ja bereits eine (Teil-)lösung für das Klimaproblem. Das stimmt zwar, aber wie auch Susanne Päch und das Video herausstellt hat E-Mobilität ihre eigenen Probleme und stösst schnell an Grenzen.

    Es bräuchte eine ähnliche inspirierendes und auch Einnahmen und einen Markt versprechendes Umfeld im Klimaschutzbereich, damit wir sehr viel schneller weiterkämen.

    Nehmen wir etwa ein kürzliches Forschungsergebnis der ETH Zürich das unter dem Titel Wie Bäume das Klima retten könnten die begründete Hoffnung weckt, dass allein durch Anpflanzen einer weiteren Trillion von Bäumen (0.9 Millionen Hektar Land) zwei Drittel der vom Menschen seit Beginn der Industrialisierung ausgestossenen CO2 kompensiert werden könnte. Mit anderen Worten: allein durch Anpflanzen von genügend Bäumen auf einer Fläche die der der heutigen USA entspricht, könnte man den Klimawandel zum grossen Zeil rückgängig machen.
    Leider hilft dieses Wissen heute wenig, denn die weltweite Waldfläche geht zurück: in Brasilien wird seit Bolsonara wieder mehr Urwald gerohdet, im Kongo wird der Urwald gerade mit Strassen erschlossen und Indonesien verwandelt immer mehr Urwald in Palmölplantagen.
    Ändern würde sich die Situation, wenn man mit Bäumen anpflanzen Geld verdienen könnte anstatt – wie es heute ist – dass man mit Bäumen fällen, Geld verdient. Sehr viele Bäume anpflanzen wäre tatsächlich die kostengünstigte Art und Weise wie man den Klimawandel sogar rückgängig machen könnte. Doch leider zahlt niemand dafür, niemand kann Geld mit dem Anpflanzen von Bäumen verdienen.
    Das zeigt exemplarisch, dass es auch für schwierige vom Menschen verursachte Probleme gangbare Lösungen gäbe – wenn nur das Gesamtinteresse vorhanden wäre und es globale Anreize gäbe, die die Lösung lukrativ machen würden

  36. “Eine Schrumpfung der Bevölkerung auf eine Milliarde Menschen…”
    Sie haben es hier mit Menschen zu tun, die weniger vom Bewusstsein als von ihren Trieben gesteuert werden. In demokratischen Systemen halte ich solche Gedanken für eine Illusion. Steuerbar wäre so etwas in Diktaturen bzw. diktaturähnlichen totalitären Systemen, wo bei Nichteinhaltung dieser Auflagen, regide Strafen (Gefängnis etc.) die Folge wären. Es könnte also durchaus sein, dass sich solche totalitären Gesellschaftssysteme in Zukunft als “Antwort” auf die Weltprobleme durchsetzen werden .

  37. Eine Schrumpfung der Bevölkerung auf eine Milliarde„ und das wird (Zitat) nur „mit aktiver Hilfe der Evolution in den Griff zu bekommen sein …“ (Andere formulieren es als natürliche Selektion („die natürliche Selektion (das Überleben der „Besten“) wird uns zu besseren Menschen machen, stärker und intelligenter“ )
    sind Gedanken, die heute sowohl in linken Bewegungen wie der Extinction Rebellion als auch in ökofaschistischen Gruppen, grün nationalistischen Gruppen oder in Essays wie „Dark Ecology“ auftauchen. Im KlimaLounge-Blog von Stephan Rahmstorf wird von einem Kommentator auch das eng mit der Gruppe Extinction Rebellion verbundene Thesenpapier „Deep Adaption“ zitiert, welches unserer Zivilisation einen unabwendbaren Kollaps voraussagt, der in einen Überlebenskampf der Menschheit münde.

    Man muss sich bewusst sein, dass solch letztlich apokalyptische Gedankengebäude und Visionen immer wieder auf der Bildfläche erscheinen und Leute in ihren Bann ziehen. Weil es im Kern um alles oder nichts geht, rechtfertigen solche Ideen auch fast jede Form der Gewalt.

    Ich sehe das etwas anders: für die Menschheit als Ganzes in ihrem physischen Bestand sehe ich keine unmittelbare Gefahr – gerade weil wir heute über sehr viel mehr Mittel verfügen mindestens lokal einzugreifen. Doch andererseits stehen wir unter anderem mit dem fortschreitenden Klimawandel wirklich vor einer Art Extinction, nämlich der Auslöschung weiten Teilen unseres natürlichen Erbes. Der stetig fortschreitende Klimawandel bedeutet dabei einen Epochenbruch, der uns in eine Zukunft katapultiert aus der es kein einfaches zurück mehr gibt. Es ist eine Zukunft des extremen Anthropozäns, in der der Mensch in einer von ihm geschaffenen Umwelt lebt, die er sich nicht einmal bewusst gewünscht hat, sondern die er erleiden muss.

  38. @Martin Holzherr: Zu den Sympathisanten ökofaschistischer oder auch extrem-linker Communities würde ich mich nun gar nicht zählen. Und dass wir durch eine Dezimierung bessere Menschen werden, glaube ich auch nicht, allerdings sehr wohl, dass die Menschheit sicherlich nicht komplett ausgerottet wird, wenn nicht gerade mal ein großer Asteroid auf uns drauf fällt (ich sollte physikalisch korrekt natürlich sagen: mit uns kollidiert).

    Es ist eine Zukunft des extremen Anthropozäns, in der der Mensch in einer von ihm geschaffenen Umwelt lebt, die er sich nicht einmal bewusst gewünscht hat, sondern die er erleiden muss.

    … genau so – und ich finde halt, dass das für eine Art mit vorausschauender Intelligenz schon ein Armutszeugnis ist.

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