Zurück zur Basis

BLOG: Hochbegabung

Intelligenz, Sonntagskinder und Schulversager
Hochbegabung

Wie soll ich nur beginnen? Eigentlich wollte ich ja mal was Geschlechterverteilung in den Extrembereichen der Intelligenzverteilung schreiben oder zur Überrepräsentanz von höherer Intelligenz bei Leistungssportlern – selbstverständlich unter Berücksichtigung von Fußball-Bundesligaspielern – bloggen, doch hat mich eine geheime Sitzung des Netzwerks Hochbegabung in irgendeinem Schulamt der BRD davon abgehalten.

Ich bin geplättet. Das bin ich wirklich. Liebe Leser, wussten Sie eigentlich, dass – statistisch betrachtet – es etwa 2,2% Hochbegabte gibt? Und wussten Sie, dass dieser Prozentsatz für jedes Alter gilt, ergo für die gesamte Bevölkerung? Also so etwa 2-3 von 100 Menschen … Bei 80 Millionen Deutschen könnten das knapp 2 Millionen Menschen sein.

Ich war der Ansicht, dass dies eine Information ist, die kaum einer Erwähnung verdient. Zumindest in einer pädagogischen Fachgruppe für Hochbegabung. Doch weiß ich das nun besser. Bevor man über Überspringen, Individualisieren, Fördern durch Fordern oder gar so abgehobenen Kram wie Selbstwertdienlichkeit von Vokabellernen schreiben sollte, muss man erst einmal zurück zur Basis. Und das mache ich jetzt. Für alle. Für alle Experten und für alle, die auf dem Weg dahin sind.

Daher versuche ich es vorerst mit 10 einfachen Kernaussagen zur Hochbegabung:

  1. Hochbegabung ist zu verstehen als Disposition zu hohen Leistungen.

  2. Hochbegabung ist bitte nicht zu verwechseln mit Hochleistung.

  3. Und Hochbegabung ist keine Krankheit.

  4. Hochbegabt ist, wer einen Intelligenzquotienten (IQ) von mindestens 130 hat.

  5. Wussten Sie’s schon? Intelligenz ist normal verteilt. Daher gibt es genauso viele Minder- wie Hochbegabte.

  6. Hochbegabung ist ein seltenes Phänomen: Sie liegt bei etwa 2,2% der Bevölkerung vor.

  7. An einem Gymnasium können  t r o t z d e m  auch 3 hochbegabte SchülerInnen in einer Klasse von 25 SchülerInnen sein. Das wären dann 8,3% – aber in einer ausgelesenen Stichprobe.

  8. Es gibt sogar Mädchen, die hochbegabt sind, auch wenn in der Schule meist Jungen auffallen.

  9. Im Kindesalter kann Hochbegabung als intellektueller Entwicklungsvorsprung verstanden werden. Je jünger, desto mehr Entwicklungspotenzial – nach oben wie unten.

  10. Hochbegabung bzw. Intelligenz kann sogar vererbt werden. Vorsicht: Auch die Eltern können hochbegabt sein!

 

Leider habe ich keine Literaturhinweise oder Links finden können, die sich auf einfache Weise mit Hochbegabung beschäftigen. Woran das wohl liegen muss. Hat jemand Kopiervorlagen … ach, bin ich geplättet, wirklich.

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Veröffentlicht von

Götz Müller ist Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut und Leiter des Instituts für Kognitive Verhaltenstherapie (IKVT). Er arbeitet beratend und diagnostisch mit Familien hoch begabter Kinder und Jugendlicher. In der psychotherapeutischen Arbeit beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit dem Underachievement bei Hochbegabten, hier insbesondere bei Jugendlichen.

22 Kommentare

  1. Is as simple as possible too Simple?

    Man könnte bei den obigen 10 Kernaussagen die Worte hochbegabt durch grossgewachsen, Hochbegabung durch Grosswuchs und Intelligenz durch Koerpergroesse ersetzen und die Aussagen blieben korrekt. Das wollen die meisten aber nicht wahrhaben.

  2. Ich bin geplättet

    Sehr geehrter Herr Müller,

    da Sie sich doch schon sehr lange mit dem Thema beschäftigen, bin ich nun auf einiges geplättet, da es Ihnen neu zu sein scheint, dass Schulämter, Lehrer und Schulpsychologen die sind, die immer am besten zum Thema informiert sind und die ersten sind, die man ansprechen sollte, wenn man Rat sucht. Deshalb muss ich auch wirklich alles überdenken, was ich bisher hörte, da ich gerade vor ein paar Tagen belehrt wurde, dass T-Werte völliger Unsinn sein müssen, da der Lehrer davon noch nie gehört hatte. Sie stehen also wirklich nicht alleine.

    Herzliche Grüße;-)

    P.S. Vielleicht mögen Sie sich doch wieder den von Ihnen geplanten Themen widmen? Die Herrschaften von Schulamt & Co. lesen doch in einem solchen Forum hier eh nicht. Darüber sind sie doch hinaus:-)

  3. Normalität der Normalverteilung

    “Intelligenz ist normalverteilt.” Wären die Intelligenzforscher denn mit einem Intelligenzkonstrukt und seiner Operationalisierung zufrieden, wenn sich keine Normalverteilung ergäbe?

  4. Hochleistung

    “Hochbegabung ist bitte nicht zu verwechseln mit Hochleistung.” Ach, wär das schön einfach. Aber so gilt: Hochbegabung+Faulheit=Mittelmaß. Mittelbegabung+Fleiss=Hochleistung.

  5. @Michael Funken

    Aber so gilt: Hochbegabung + Faulheit = Mittelmaß.

    Das mag sein. Das wäre für mich aber nicht so schlimm. Es steht jedem frei, aus freien Stücken darauf zu verzichten, aus einer Hochbegabung etwas zu machen.

    Viel schlimmer finde ich die Gleichung:

    Hochbegabung minus Förderung

  6. Sags niemanden…

    Was habe ich über Intelligenz geleernt…?

    – Wenn du feststellst, dass dein IQ über 130 ist, dann sage es niemanden…
    … eben ganz nach der Devise… dummstellen ist dann möglich, .. andersrum nicht !!!

    Und noch aus anderen Gründen…

  7. Im richtigen Leben angekommen

    Lieber Herr Müller,

    danke für Ihre Zeilen.

    Schade dass Ihnen das widerfahren musste. Doch das ist das richtige Leben. Das Leben und die Begebenheiten mit denen die Eltern tagtäglich in Schulen und Kindergärten klar kommen müssen.

    Das Leben in denen ein stilles hochbegabtes Mädchen nicht in die Fördergruppe aufgenommen wird, weil sie eben introvertiert ist und nicht fremden Menschen sofort sprudelnd von ihren mannigfaltig vorhandenen Interessen erzählt. Das Leben indem man sich auch mit den Eltern des Kindes nicht über das Kind unterhalten muss.

    Das Leben in dem Eltern bei Behörden mitunter erzählt wird, Gutachten von niedergelassenen Psychologen (aus dem HB Expertenrat) seien gekauft.

    Das Leben in dem ein hochbegabtes Mädchen sich in der Schule brav einfügt und still leidet, seinen Ärger nur zu Hause raus lässt und man in der Schule, wenn man als Eltern das Thema wie immer vorsichtig bedacht den Lehrer darauf anspricht, dass das Kind Herausforderungen und etwas Anspruch braucht Dinge wie “in dem Fach kein Überflieger” zu hören bekommt, bei einem Kind das ohne nur einen Finger zu viel krumm zu machen in dem Fach auf 2+ steht.

    Vlt. sollten Sie mal eine Tournee durch deutsche Schulen und Schulämter und auch in die Unis planen.

    Das wäre mein Wunsch. 🙂

  8. @ Eine Mama

    Über das vorhandene Wissen in der Pädagogik gehen die Erfahrungen auseinander: Es gibt ja mittlerweile auch viele Programme und Institutionen, die darum bemüht sind, dass Kinder mit hoher Begabung angemessen gefördert werden. Ich “toure” ja auch gelegentlich. Leider – und da stimme ich Ihnen zu – ist das nicht der Regelfall.
    Und doch: In einer eigens dafür gebildeten Fachgruppe für Hochbegabung ein solch unglaubliches Niveau an Fachwissen …

  9. Fachgruppe ist nicht gleich Fachwissen

    Tja Herr Müller,
    der Boden der Tatsachen ist manchmal ganz schön hart – vor allem wenn man darauf zurückgeholt wird…

    Da ist nun schon seit einigen Jahren Bewegung in die pädagogischen Ansätze gekommen, da hört man immer mehr davon, dass man die Stärken der Kinder mehr fördern müsse und nicht immer an den (vermeintlichen) Schwächen ansetzen sollte und dass dies für alle Kinder gleich zu handhaben wäre – und wie sieht dann die Realität ganz oft aus? Da geben immer noch Erwachsene vor, was das einzelne Kind wann zu können hat – und es darf weder “Ausreißer” nach unten und noch viel weniger nach oben geben. Bei Sätzen wie: “Aber das muss der/die doch noch gar nicht können” geht mir regelmäßig der Hut hoch im Gespräch mit sogennannten pädagogischen Fachkräften.
    Bei einer der Veranstaltungen zur Begabtenpädagogin kam ich mit einem sehr netten Herrn ins Gespräch, der einen überaus wahren Satz sagte: “Wenn man sich mit dem Thema Hochbegabung bei Kindern beschäftigt, ist es sicher kein Schaden wenn man auch selbst ein wenig von dieser Disposition befallen ist”. Da dies allerdings leider nicht überall der Fall ist, bleibt wohl nichts anderes übrig, als immer wieder das Basiswissen unters Volk – und eben auch ganz besonders unter die sogenannten Fachgruppen zu bringen um irgendwann zu einer Bildungslandschaft zu kommen, die tatsächlich allen Kindern gerecht wird. – Aber Sie machen das schon – da bin ich mir sicher 🙂

  10. “Denkthermometer” möglich:

    Ich denke, IQ-Tests, schulische Prüfungen und dergleichen werden in Zukunft durch einfache Messverfahren ersetzt, die sich an neurologischen Messgrößen wie diesen orientieren.

  11. @ Christine Franz

    Ich stehe wieder! Fachgruppen in Ausbildung wäre ein Begriff, der weniger verwirren könnte – nicht wahr?
    Dieses Beispiel macht einfach unglaublich deutlich, dass Aufklärung nach wie vor der Bestandteil schlechthin sein muss. Das Rad eben immer wieder neu erfinden …

  12. Literaturempfehlung zum Thema

    “Leider habe ich keine Literaturhinweise oder Links finden können, die sich auf einfache Weise mit Hochbegabung beschäftigen. Woran das wohl liegen muss.”

    Empfehlenswert (besonders, wenn man sich über die viel seltener thematisierte Hochbegabung bei E r w a c h s e n e n interessiert):

    Brackmann Andrea
    Jenseits der Norm – hochbegabt und hoch sensibel?
    Klett Cotta – Leben Lernen 2007 4. Aufl. Stuttgart
    ISBN 9783608890143

    Brackmann Andrea:
    Ganz normal hochbegabt. Leben als hochbegabter Erwachsener
    (Klett-Cotta:Reihe Leben Lernen) 3. Aufl. Juni 2008
    ISBN-10: 3608860142
    ISBN-13: 978-3608860146

  13. @ Ahr

    Liebe(r) Ahr,
    Literatur gibt es zahlreich und auch qualitativ, doch “auf einfache Weise”? Literatur findet man ausreichend z.B. über den Link der Karg-Stiftung oder Portale der DGHK. Doch einfache Kost? Man muss sich eben intensiv damit auseinandersetzen, nicht aber im Sinne von Kopiervorlagen einfache Hilfe suchen. Dass Sie Frau Brackmanns Bücher in diesem Zusammenhang verwenden, halte ich für unangemessen.

  14. Explorationsgene:

    Hier wird von neuen Untersuchungen über Neugier- und Explorationsverhalten als durch vor ca. 50,000 Jahren entstandene und durch die Migrationsbewegungen der damaligen Menschen akkumulierte Mutationen berichtet. Interessant ist auch die Antizipation in einer hübschen Kurzgeschichte von Herbert W. Franke (“Mutation” hierdrin): In der dort beschriebenen stabilen “Endgesellschaft” (analog der in

  15. HB-Torkelkarieren:

    Hier ein Zeitartikel mit interessanten links. (Bin ja gespannt, ob diese Antwort im Gegenssatz zur letzten unverstümmelt durchkommt)

  16. Hochbegabung – Bericht eines Betroffenen

    Über intellektuelle Hochbegabung

    Was ist intellektuelle Hochbegabung? Ich dachte früher, es sei die Voraussetzung, um in Schule und Studium außergewöhnliche Leistungen zu erbringen. Naiv wie ich war, glaubte ich auch an einen Automatismus: Je begabter ein Schüler sei, desto bessere Leistungen werde er erbringen. Ich selbst war ein Musterschüler und hielt mich aus diesem Grund für hochbegabt. Außerdem brachte ich mir im Volksschulalter selbst das Programmieren bei und nahm während meiner Schullaufbahn an einem Mathematikwettbewerb teil, bei dem ich zwar leider nur den zweiten Platz (von 149 Teilnehmern) erreichte, aber immerhin. Bis zum Ende meines ersten Studienjahres gehörte ich zur Spitze. Das änderte sich dann aber schlagartig. Ich fragte mich, was los sei, und machte einen Intelligenztest im Internet, denn im Psychologieunterricht hatte ich gelernt, dass solche Tests zur Ermittlung von Hochbegabung verwendet würden. Das Ergebnis war ein Intelligenzquotient (IQ) von über 150 auf einer der üblichen Skalen (Standardabweichung 16). Mangelnde Intelligenz war an meinen Misserfolgen also nicht schuld.

    Heute bin ich der Meinung, dass Lernen mehr mit Interesse als mit Intelligenz zu tun habe. Intelligenz wird nur dann gebraucht, wenn es ums Verständnis geht. Die Noten im Studium geben an, wie gründlich man sich mit der Materie beschäftigt hat. Für Spitzennoten muss man den Stoff fast wortwörtlich auswendig beherrschen. Ich hatte eben den Fehler gemacht, ein Studium zu wählen, von dem mich viele Inhalte nur wenig interessierten.

    Was bedeutet es dann aber, hochintelligent bzw. intellektuell hochbegabt zu sein? Und warum hatte ich in der Schule so gute Noten gehabt?

    Meiner Ansicht ist Intelligenz die Fähigkeit, logisch zu denken. Dazu gehört einerseits, richtige Schlüsse zu ziehen, andererseits aber auch, Zusammenhänge zu erkennen. Es stimmt nicht, dass Hochintelligente automatisch Spitzenleistungen in der Schule erbringen – die meisten sind durchschnittlich, manche sogar schlechter als der Durchschnitt.

    Die Noten in der Schule haben viel mit der Einstellung des Schülers und seiner Eltern zu tun. Eventuell spielt auch das Verhältnis zwischen dem Schüler und seinen Lehrern (die Sympathie) eine Rolle, was natürlich unfair ist.

    Ich glaube nicht, dass eine hohe Intelligenz automatisch eine hohe Kreativität oder Begabungen auf künstlerischem Gebiet mit sich bringt. In diesem Zusammenhang möchte ich festhalten, dass ich ein Gegner der Theorie der “multiplen Intelligenzen” von Gardner bin, weil ich der Meinung bin, dass es sich bei den meisten dieser postulierten Intelligenzen um Fähigkeiten handelt, die es nicht verdienen, als Intelligenz bezeichnet zu werden. Zum Teil mag aber die allgemeine Intelligenz bei der Entwicklung dieser Fähigkeiten eine Rolle spielen.

    Auch Menschen mit sehr hohem IQ sind vor gelegentlichen Denkfehlern nicht gefeit, wie ich in persönlichen Gesprächen schon öfters feststellen musste.

    Schade finde ich, dass Psychologen meiner (zugegebenermaßen bescheidenen) Erfahrung nach nicht immer über gute Kenntnisse darüber verfügen, was Intelligenz ist und was Intelligenztests eigentlich messen. Das logische Denkvermögen wird bisweilen als “das Mathematische” abgetan, obwohl es in vielen Lebensbereichen eine Rolle spielen kann. Ich habe den Eindruck, dass für manche Psychologen der Intelligenztest tatsächlich nur ein Messinstrument ist, um Schulnoten vorauszusagen. Das gefällt mir deswegen nicht, weil die Schule doch nur ein kleiner Bereich im Leben eines modernen Menschen ist und es viele andere Lebenslagen gibt, in denen man logisches Denken einsetzen kann, beispielsweise bei ernsthaften Diskussionen über Themen jedweder Art.

    Damit wären eigentlich alle wichtigen Konklusionen zu diesem Thema mitgeteilt, zu denen ich im Laufe der Jahre gekommen bin.

    Quelle: http://www.hugi.scene.org/adok/articles/hochbegabung.htm

  17. IQ als Behinderung

    Hier gibts ein hübsches Interview der Kognitionsforscherin Sian Beilock (mit link zur sehr interessanten Projektgruppen-website) zu u.a. intellektuellen Leistungsminderungen durch zu viele IQ-Punkte.

  18. IQ und Immunsystembelastungen

    Ein interessatner Berich (link, auch angesichts dessen, dass ca. die Hälfte der Weltbev. in absoluter Armut lebt, ca. 1 Mrd. keinen Zugang zu als trinkbar klassifiziertem Wasser, ca. 2 Mrd. keinen Zugang zu sanitären Anlagen (a href=”http://www.eurekalert.org/pub_releases/2011-10/uocp-wdl102111.php”>link.

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