Underachiever 2

BLOG: Hochbegabung

Intelligenz, Sonntagskinder und Schulversager
Hochbegabung

Meist war in der Grundschule noch alles in Ordnung. Na ja, das ein oder andere kleine Problem gab es vielleicht, doch eben nicht in dem Ausmaße, wie es sich dann auf dem Gymnasium zeigt. Das Leistungsniveau war jedenfalls kein Problem – so hört man es oft, wenn man die betroffenen Familien nach dem bisherigen Schulverlauf fragt.

Im Folgenden stelle ich – zugegeben sehr vereinfacht und somit nicht die Komplexität abdeckend – einige Überlegungen an, die anregen können, die subjektiven Theorien über den eigenen Schulverlauf und/oder den des Kindes zu reflektieren.

Betrachten wir zur Erläuterung die Faktoren, die zum guten Gelingen in der Grundschule beitragen. In der Regel werden Kinder, die mit guter sprachlicher Intelligenz und grundlegendem schulischen Vorwissen in die 1.Klasse aufgenommen werden, eine sehr günstige Prognose haben. Unter den hohen sprachlichen Fähigkeiten sind z.B. ein differenzierter Wortschatz, eine gute Grammatik und ein passives Wortverständnis zu verstehen. Das schulische Vorwissen besteht hierbei meist in Kenntnissen und Fertigkeiten im Schreiben und Lesen, in einfachen Rechenoperationen und im sachkundlichen Wissen. All diese Größen korrelieren zudem hoch mit dem Bildungsniveau der Eltern. In der Umkehrung ist davon auszugehen, dass nichtsprachliche Fähigkeiten wie z.B. das allgemeine logische Denken oder auch das räumliche Vorstellungsvermögen nur bedingt einen Einfluss auf die Schulleistung in der Grundschule ausüben. Über den Faktor Geschlecht wollen wir in diesem Blog gar nicht erst reden, hierfür verwirrt Ferdinand Knauß an anderer Stelle …

An die Grundschule schließt sich in der Laufbahn hochbegabter Kinder meist das Gymnasium. Wenn sich das Leistungsbild dort verschlechtert, ist denkbar, dass zum einen sich der Entwicklungsvorsprung in der Grundschule im Vergleich zu den Gleichaltrigen angeglichen hat und zum anderen sich die Rahmenbedingungen derart verändert haben, dass andere Faktoren einen Einfluss auf die Güte der Schulleistung ausüben. Insbesondere im späteren Verlauf der Mittelstufe erinnert sich der eine der Unannehmlichkeiten, die sich in Physik oder Chemie ergeben haben, oder des schmerzhaften Gewahrwerdens, dass Mathematik nun doch nicht im Leistungskurs bestritten werden sollte. „Höhere Mathematik“ ist eben nicht mehr rein sprachlich vermittelbar. Gleichermaßen mag der andere nachvollziehen können, dass man es bei Interpretationen Maria Stuarts einfach schwer mit den dualistischen Ansätzen Schillers hatte oder keineswegs den abgehobenen Ausführungen zum Manifest Marx’ folgen wollte. „Höhere Sprache“ besteht aus mehr als Grammatik und Rechtschreibung. Kurzum: Es scheint so, als verbreitere sich das Anforderungsprofil der Schule. Vorwissen ist bedingt relevant, der Anteil der Sprache wird geringer; räumliches Vorstellungsvermögen und allgemeine Logik treten nach vorne. Im Oberstufenalter entsteht im Übrigen aufgrund der eingeschränkten Varianz des Faktors Intelligenz eine Verschiebung der Prädiktoren. Hier bestechen Fleiß, Zeitaufwand und das besagte Geschlecht. Aber erst einmal dorthin kommen …

Im Geschriebenen habe ich „weiche“ Faktoren nicht berücksichtigt, ich bin auch nicht eingegangen auf Zusammenhänge möglicher Unterforderung und Lernmotivation, Lernverhalten und mehr. Der Blick hat sich nur auf die individuellen Faktoren des Kindes gerichtet, die im Zentrum jeglicher Bemühungen stehen sollten. An dieser Stelle – so finde ich – stehen alle Beteiligten in der Verantwortung, um eine tatsächlich passende Hilfe zu finden.

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

Götz Müller ist Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut und Leiter des Instituts für Kognitive Verhaltenstherapie (IKVT). Er arbeitet beratend und diagnostisch mit Familien hoch begabter Kinder und Jugendlicher. In der psychotherapeutischen Arbeit beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit dem Underachievement bei Hochbegabten, hier insbesondere bei Jugendlichen.

11 Kommentare

  1. Underachiever sind selber schuld

    Meine Großmutter sagte:“ Ihr müsst mit dem Jungen zum Arzt mit dem stimmt was nicht“ Altklug, Besserwisser und das mit 2-3 Jahren? In der Schule war ich anfänglich sehr gut und dann nur noch unteres Mittelmaß. Ich wurde von einem zum anderen Arzt geschleppt, heute weiß ich das ich gefördert werden sollte, wohlgemerkt Heute nach 40 Jahren. Es war sogar im Gespräch eine Klasse zu überspringen, meine Eltern stimmten dem nicht zu. Sie wollten mir eine mögliche Überforderung und die damit verbundenen negativen Erfahrungen ersparen. Leider bestätigte sich die Sicht meiner Eltern, der Überforderung.
    Es zerreißt ein wenn die Selbstwahrnehmung sagt das kannst du, Kleinigkeit aber nichts funkst.
    Deine Umwelt dir indirekt mitteilt hey der muss aber Intelligent sein, Kleinigkeit für den der kann ja alles, hat mehrere Gesellenbrief, Meistertitel und …. Dann aber, der ist ja komisch, ist der jetzt faul oder fleißig? Lange Zeit wunderte ich mich, wieso denn den Menschen auf Feiereien und wo auch immer sich nicht richtig mit mir unterhalten und das obwohl ich doch schon gar nicht mehr über die Relativitätstheorie rede und so.
    Ich bin nicht getestet und werde es auch nicht, wenn ein Indewideum erst mal gelernt hat ein Underachiever zu sein ist es schwer das zu negieren.
    Und für die Inkompetenten da Draußen spart euch eure witzigen Kommentare.
    Leider verspottet der Mensch alles was er nicht haben kann und das sogar wenn es was negatives ist.

  2. Der Faktor Ehrgeiz

    Eine wirklich kluge Zusammestellung der schulischen Entwicklung.
    Als selbst lange Zeit nicht leistungswillige Hochbegabte hatte ich mi vielen Vorurteilen zu kämpfen, u.a. mit demjenigen, dass sich eine hohe Leistung in Mittel- und Oberstufe ebenso mühelos fortsetzen ließen wie in Grundschule und Unterstufe. Ich kann nur bestätigen, dass der zeitliche Aufwand und der Aspekt der intrinsischen Motivation in den höheren Klassen an Einfluss auf die Noten zulegen.

  3. Der Faktor Verwunderung

    Ja, Willi, da hatte deine Großmutter wohl so eine Ahnung: Mit dem “Indewideum” stimmt was nicht… . Was soll eigentlich das Geschwafel über die Relativitätstheorie? Wenn das (d)ein Indikator für Intelligenz und Hochbegabung ist, dann gute Nacht! Ich gehe jetzt erstmal Schrödingers Katze füttern. Und nein: Ich bin nicht hochbegabt, kein Underachiever, sondern einfach nur ich. Nicht alle da “draußen” erblassen vor Neid, nur weil jemand mal etwas besser kann oder eine schnellere und bessere Auffassungsgabe hat. Es gibt auch noch – möglicherweise inkompetente – “Indewiduen”, die ganz glücklich und innerlich zufrieden vor sich hin dümpeln. Jawohl.

  4. Zu Willi

    Also ob du dann wirklich ein Underachiever bist, nur auf Grund dessen, wie du dich fühlst, dass es dir schwer fällt Kontakt auf Parties zu bekommen, … ist fraglich. Aber zumindest sind das oft Anzeichen eines Underachievers. Aber man muss nicht hochbegabt sein, wenn man anders ist.
    Hochbegabung ist in Deutschland rein durch den IQ bestimmt und ja, es ist richtig, dass dabei oft soziale Verhaltensprobleme mit auftreten. Und wenn Kinder das merken, verhalten sie sich oft extra anders: Einfach um dazu zu gehören. Ich hoffe, diese Probleme haben sich mittlerweile bei dir erledigt. Aber gerde viele dieser Underachiever haben dann doch im Studium – falls sie so weit kommen – recht großen Erfolg.

  5. Ehrgeiz

    Der Bildungsweg hat mit viel Ehrgeiz zu tun und viel hängt auch von den Eltern ab.

    Ich habe es selbst erfahren, ich bin früher nicht ganz fit gewesen, ich denke auch das meine Eltern etwas beigetragen haben.

    Ich wollte unbedingt etwas aus mir machen, der Ehrgeiz ist so groß gewesen das ich mein Realabschluss nachgemacht habe und mein Abitur über einen Fernkurs erfolgreich abgeschlossen habe.

    Man merkt es erst selber später um so älter man wird, ich würde sogar sagen, wäre ich wieder ein Kind (7 Jahre) ich würde nur lernen für die Schule & der Allgemeinbildung.

    Aber viele merken es leider zu spät, ich habe aber dazu gelernt.

  6. Jedem das Seine

    Obwohl ich mir in der Grundschule ständig fehl am Platz vorkam, da dauernd alles wiederholt wurde, verbachte ich diese 4 Jahre dennoch äußerlich recht unauffällig.
    Probleme mit den Noten habe ich dann in der Mittelstufe bekommen, ich habe im Unterricht abgeschaltet, von den vielen Fehlzeiten ganz zu schweigen. Ich habe auch das Lernen nie wirklich gelernt. Mein Abitur habe ich trotzdem gut bestanden, ebenso mein Studium.
    Inzwischen habe ich mit meiner äußerst durchwachsenen Schulzeit Frieden geschlossen.
    Jedoch sollte sich ein Mensch, egal ob “hochbegabt” oder nicht, keinesfalls darauf ausruhen, dass ihn angeblich keiner versteht, und sich davor hüten, dieses Anderssein als Universalentschuldigung für all seine Fehler zu gebrauchen.
    Andererseits müsste sich meiner Ansicht nach der Unterricht an den Schulen ändern, da es immer Schüler mit über- und unterdurchschnittlichen Fähigkeiten geben wird, die es ganz individuell zu fördern gilt. Auch wenn jeder seines Glückes Schmied sein sollte: Gibt es denn etwas Ungerechteres als Ungleiches völlig gleich zu behandeln?

  7. Richtig

    Der Artikel wurde sehr gut verfasst, der fall ist sehr gut beschrieben und ich bin dafür das alle die gleiche Chance auf Bildung haben, nur die einen nehmen es stärker in anspruch als die anderen, was ich eigentlich sehr schade finde.

  8. Intelligenzinflation

    [Anmerkung: Dieses Posting bezieht sich auf einen Kommentar, der auf Wunsch des Users gelöscht wurde, da er von einer anderen Person unter ihrem Namen geschrieben wurde. Ich habe den Namen daher gelöscht. Danke für Ihr Verständnis! Tanja Gabriele Baudson]
    Ich denke, dass es “the brain supreme” weniger um die orthografischen Schwächen ging als darum, dass sich mal wieder eine recht durchschnittlich begabte Person, die leider obendrein der deutschen Sprache nur begrenzt mächtig ist, wichtig machen möchte, indem
    sie allen Ernstes auch noch in den Raum stellt, man solle auf ihre vermeintliche Hochbegabung nicht neidisch sein. Ich kenne einige wirklich hochbegabte Leute, die würden sich schämen, so einen abgekupferten Quatsch zu publizieren.
    Nein, wenn ich den Post von Willi lese, da kommt auch bei mir beim besten Willen kein Neidgefühl auf – im Gegenteil. Da rollen sich mir eher die Zehennägel.
    Wenn ein Meistertitel u.ä. tatsächlich ein Indiz für eine Hochbegabung darstellt, dann sollte man den Begriff Hochbegabung dringend neu definieren. Demnach wimmelt es auf dieser Welt geradezu von Intelligenzbestien – und das ist, wie sich auch hier eindrucksvoll zeigt, definitiv falsch.
    Wer obendrein im Internet tatsächlich IQ-Punkte veröffentlicht, ist für mich ein ganz armes Menschlein. Wer dies für nötig hält, dem sollten – nebenbei bemerkt –
    schnell mindestens 30 IQ-Punkte abgezogen werden. So viel zum Thema Intelligenz und Reife, dass ich nicht lache.
    Da Sie gerade so nett von Schuhen sprechen:
    Ich hoffe, Sie haben sich Ihre Treter nicht zu klein gekauft ;-).
    In diesem Sinne: Nothing for ungood” und
    “I hold Ihr G’schwätz in the head not out” ;-).

  9. I was extremely pleased to find this web

    Der Artikel wurde sehr gut verfasst, der fall ist sehr gut beschrieben und ich bin dafür das alle die gleiche Chance auf Bildung haben, nur die einen nehmen es stärker in anspruch als die anderen, was ich eigentlich sehr schade finde.

  10. Faktor Show

    Hello, da draußen … lese mir seit geraumer Zeit einige dieser so wunderbaren Artikel durch. Es kommt mir nur allzuoft so vor als würde der Mensch von so überragender Besonderheit besessen sein und desswegen aus den meisten Dingen wie so schön die Maus zum Elefanten macht. Inteligenz hin Inteligenz her. Ich frage mich für was den das alles. Es gibt Menschen die können was gut und welche bei denen weis man nicht was sie gut können. Manche Dinge davon sind von allgemeinem Interesse, zwecks weil uns Langweilig ist wir brauchen was zutun und das passt halt ganz gut, ist zu vermarkten, und es verstehn gerade noch soviele das man drüber einen Artikel schreiben kann. Im Grunde ist das doch alles nur, warum bin ich kein König und die ganze Welt sieht mir zu syndrom. Allein der Gedanke, dass man das alles messen muss ist schon gengen das Leben ansich. Wie soll sich etwas weiter Entwickeln wenn man so viel Zeit damit verschwendet heraus zu finden was normal ist und was nicht. Meine persönliche Meinung. Am Boden bleiben, es gibt nichts abnormales od. gegenteiliges, dafür wissen wir alle viel zu wenig. Und ein gutes Gespür zählt in der Wissenschaft wo man ja auch nur durch Aufsehn und je größer die Anzahl der Publikationen sind desto besser noch lange nicht. Man sehe sich um wie die Welt so ist. Es gibt für alle genug zutun. Kein Grund für Besorgniss was man selber so ist und was nicht.

  11. Toller Bericht

    Sehr schöner und ausführlicher Artikel,

    jeder muss jedoch für sich selber entscheiden was und wie er etwas macht.

    Ich finde es jedoch schade, das manche Leute nur Party im Kopf haben und dadurch schlecht abschneiden…

    aber waren wir nicht alle einmal in einer solchen Phaße 😉

    liebe Grüße
    Michael

Schreibe einen Kommentar