Das wirkliche Leben

BLOG: Hochbegabung

Intelligenz, Sonntagskinder und Schulversager
Hochbegabung

Diskussionen über den Zusammenhang zwischen IQ und Lebenserfolg sind keineswegs neu und keineswegs unerforscht. Sie tauchen immer wieder auf und zeigen doch, dass oft subjektive Theorien – eben individuelle Lebensgeschichten – im Alltag vorherrschen und einen sachlichen Umgang mit Hochbegabten erschweren. Ist das wirkliche Leben wirklich anders?

Kenntnisse der Forschung beruhen selbstverständlich auf einer Vielzahl an Daten und geben daher auch nicht jeden Einzelfall wieder, doch bleibt unterm Strich immer noch eine Klarheit für alle. In der Praxis ist dieser Mangel an Aufklärung eigentlich nur ein Hindernis, denn die damit verbunden Einstellungen hemmen Förderung und Unterstützung. Spielt es denn eine Rolle, ob ein Kind in der 5.Klasse auf dem Gymnasium in Mathematik nun auf 4 steht? Ist denn nicht in Anbetracht der Kenntnisse über die Stabilität von Schulnoten versus der Prognose, die aufgrund einer hohen Intelligenz – insbesondere des g-Faktors – zu stellen ist, dies ein doch zu relativierender Zustand?

Bleiben wir in der Praxis: Stellt sich bei einem Kind ein hoher IQ in zwei Testverfahren (z.B. HAWIK-IV und SPM) heraus, so ist dies unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Kenntnisse eine extrem positive Grundlage für das wirkliche Leben. Oder umgekehrt: Liebe Eltern, liebe Lehrer, das sollte Sie beruhigen: Ganz gleich, wie sehr Sie sich anstrengen, dem Kind nichts beizubringen, es wird nicht zu verhindern sein, dass es doch was lernt! Gern verweise ich auf einen älteren Blogbeitrag Halbjahreszeugnis und Hochbegabte: Till ist immer noch im Spiel…

Wenn Wissenschaft uns doch seit Jahrzehnten replizieren kann, dass Lebenserfolg und IQ miteinander verbunden sind, ist es doch interessant, wieso dies in der Pädagogik häufig nicht angekommen ist. Woran kann das liegen?

Betrachten wir den beruflichen Bereich, in welchem unterschiedliche Anforderungen zu meistern sind. Hier ist offensichtlich, dass Wiederholungstätigkeiten, Tätigkeiten, die Automatismen oder schlichtweg nur einfache körperliche Anstrengung erfordern, weniger durch Intelligenz bedingt sind als komplexe Tätigkeiten. Gern verweise ich auf Gottfredson, die dies bereits 1997 recht klar aufzeigen kann (Gottfredson: Why g matters: The complexity of everyday life. Intelligence, 24). Dies deckt sich im Übrigen mit Befunden der Expertise-Forschung, die den Anteil der Übung für die Erbringung von Höchstleistungen betont. Doch auch hier ist auf Basis der grundlegenden Fähigkeiten – ergo der Intelligenz – immer nur ein bestimmtes Niveau der Leistung zu erwarten. Wir als Akademiker bewegen uns somit ebenfalls auf einer Ebene, in der wir durch Übung bestimmte Tätigkeiten perfektionieren, doch schützt uns dies nicht davor, dass insbesondere bei neuen, komplexen Anforderungen wir auf unsere variable Grundlage, die Intelligenz eben, zurückgreifen müssen.

Und das ist doch, was zählt. Ohne tief in die Diskussion über Generalisten und Spezialisten einsteigen zu wollen: Das wirkliche Leben ist doch mehr als die Ausführung von Routinetätigkeiten!

 

Diskussionen über den Zusammenhang zwischen IQ und Lebenserfolg sind keineswegs neu und keineswegs unerforscht. Sie tauchen immer wieder auf und zeigen doch, dass oft subjektive Theorien – eben individuelle Lebensgeschichten – im Alltag vorherrschen und einen sachlichen Umgang mit Hochbegabten erschweren. Ist das wirkliche Leben wirklich anders?

Kenntnisse der Forschung beruhen selbstverständlich auf einer Vielzahl an Daten und geben daher auch nicht jeden Einzelfall wieder, doch bleibt unterm Strich immer noch eine Klarheit für alle. In der Praxis ist dieser Mangel an Aufklärung eigentlich nur ein Hindernis, denn die damit verbunden Einstellungen hemmen Förderung und Unterstützung. Spielt es denn eine Rolle, ob ein Kind in der 5.Klasse auf dem Gymnasium in Mathematik nun auf 4 steht? Ist denn nicht in Anbetracht der Kenntnisse über die Stabilität von Schulnoten versus der Prognose, die aufgrund einer hohen Intelligenz – insbesondere des g-Faktors – zu stellen ist, dies ein doch zu relativierender Zustand?

Bleiben wir in der Praxis: Stellt sich bei einem Kind ein hoher IQ in zwei Testverfahren (z.B. HAWIK-IV und SPM) heraus, so ist dies unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Kenntnisse eine extrem positive Grundlage für das wirkliche Leben. Oder umgekehrt: Liebe Eltern, liebe Lehrer, das sollte Sie beruhigen: Ganz gleich, wie sehr Sie sich anstrengen, dem Kind nichts beizubringen, es wird nicht zu verhindern sein, dass es doch was lernt! Gern verweise ich auf einen älteren Blogbeitrag Halbjahreszeugnis und Hochbegabte: Till ist immer noch im Spiel…

Wenn Wissenschaft uns doch seit Jahrzehnten replizieren kann, dass Lebenserfolg und IQ miteinander verbunden sind, ist es doch interessant, wieso dies in der Pädagogik häufig nicht angekommen ist. Woran kann das liegen?

Betrachten wir den beruflichen Bereich, in welchem unterschiedliche Anforderungen zu meistern sind. Hier ist offensichtlich, dass Wiederholungstätigkeiten, Tätigkeiten, die Automatismen oder schlichtweg nur einfache körperliche Anstrengung erfordern, weniger durch Intelligenz bedingt sind als komplexe Tätigkeiten. Gern verweise ich auf Gottfredson, die dies bereits 1997 recht klar aufzeigen kann (Gottfredson: Why g matters: The complexity of everyday life. Intelligence, 24). Dies deckt sich im Übrigen mit Befunden der Expertise-Forschung, die den Anteil der Übung für die Erbringung von Höchstleistungen betont. Doch auch hier ist auf Basis der grundlegenden Fähigkeiten – ergo der Intelligenz – immer nur ein bestimmtes Niveau der Leistung zu erwarten. Wir als Akademiker bewegen uns somit ebenfalls auf einer Ebene, in der wir durch Übung bestimmte Tätigkeiten perfektionieren, doch schützt uns dies nicht davor, dass insbesondere bei neuen, komplexen Anforderungen wir auf unsere variable Grundlage, die Intelligenz eben, zurückgreifen müssen.

Und das ist doch, was zählt. Ohne tief in die Diskussion über Generalisten und Spezialisten einsteigen zu wollen: Das wirkliche Leben ist doch mehr als die Ausführung von Routinetätigkeiten.

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Veröffentlicht von

Götz Müller ist Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut und Leiter des Instituts für Kognitive Verhaltenstherapie (IKVT). Er arbeitet beratend und diagnostisch mit Familien hoch begabter Kinder und Jugendlicher. In der psychotherapeutischen Arbeit beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit dem Underachievement bei Hochbegabten, hier insbesondere bei Jugendlichen.

17 Kommentare

  1. eine Doku:

    Eine Doku zu einem Extrembeispiel. Ihre Aussage: “Akademiker bewegen uns somit ebenfalls auf einer Ebene, in der wir durch Übung bestimmte Tätigkeiten perfektionieren” skizziert aber ein sehr düsteres Bild, das wohl eher für die Berufstätigkeiten und den Lebensstil der Mittelschicht zutrifft, aber im Wissenschaftsbetrieb desaströs wäre. “neuen, komplexen Anforderungen”: Sind denen nicht Migranten, Asylanten, Flüchtlingen eher ausgesetzt als Bildungsbürger?

  2. Warum stand das nicht in der FAZ?

    “Liebe Eltern, liebe Lehrer, das sollte Sie beruhigen: Ganz gleich, wie sehr Sie sich anstrengen, dem Kind nichts beizubringen, es wird nicht zu verhindern sein, dass es doch was lernt!”

    Ein sehr, sehr schöner Satz. Ist er möglicherweise auch umgekehrt anwendbar für die linke Seite der Bell Curve: “Wie sehr Sie sich anstrengen, dem Kind etwas beizubrigen, es wird nicht zu verhindern sein, daß es doch nichts lernt” – ?

    Jedenfalls hätte ich ähnliches gerne auch mal bei Detlef Rost und Heiner Rindermann in der FAZ gelesen. Denn die behaupten doch letztlich das Gegenteil: Die Schule würde allerhand bewirken können. Da erscheint mir Ihr Satz sehr viel realistischer.

    Hat ein Mensch deshalb einen höheren IQ, weil er in Bayern Abitur gemacht hat? Das ist doch letztlich irgendwie der Eindruck, den Rost und Rindermann erwecken.

    Wenn man NICHT von einer größeren Erblichkeit des IQ ausgeht, DANN kommt man doch in Verkrampfungen, insbesondere in pädagogische Verkrampfungen.

  3. IQ und Hartz IV

    Man erzähle doch einmal einem durchschnittlichen Hartz IV-Bezieher, was für immense Möglichkeiten er auf dem Arbeitsmarkt hätte, wenn er seinen IQ erhöhen würde.

    Hallo?! Wie unrealistisch ist das denn???

    Und tatsächlich, es soll noch Menschen geben, die DENNOCH, die DENNOCH hochgradigen Respekt vor einem durchschnittlichen Hartz IV-Bezieher haben.

    Denn auch das sind Menschen. Manchmal sehr, sehr anständige, sehr, sehr ehrliche Menschen. Oft viel anständiger und ehrlicher als Politiker.

    Thema: “How to Help the Left Half of the Bell Curve”
    http://www.isteve.com/How_to_Help_the_Left_Half_of_the_Bell_Curve.htm

  4. Ein interessanter Text, wobei mir die Absicht bzw. die “message” nicht ganz klar wird. Es wird beispielsweise wenig bis gar nicht darauf eingegangen, wie sehr Hochbegabte sich in vielen Dingen des Alltags mit Problemen konfrontiert sehen. Den Lehrer sehe ich nicht zwingend in der Pflicht (wenngleich ich mich früher darüber gefreut hätte). Der ist froh, dass er die anderen 90% der Klasse übers Jahr bringt. Ein Kind mit Hochbegabung ist nach wie vor ein Luxusproblem.

    @comments:

    Der IQ ist auch weitestgehend unabhängig von der Lehranstalt, wo das Abitur abgelegt wird. Leider wird häufig die Intelligenz mit der Ansammlung von Wissen verwechselt.

  5. Ich persönlich würde den Lebenserfolg nicht nur auf Intelligenztests, also auf ein IQ zurückbeziehen. Jedoch stimme ich dem Autor sehr zu. Durch eine Art Bevorzugung und gleichzeitige Benachteiligung anderer, denen dann wirklich versucht wird nichts beizubringen, werden teilweise auch Hochbegabte benachteiligt.
    Die meisten Menschen sehen in der Routine, damit auswendig lernen durch Übung, Intelligenz. Merken ist zwar notwendig, um Intelligenz gut nutzen zu können, aber strikt auswendiglernen führt im Endeffekt zur Anpassung an jeweilige Autoritäten oder scheinbar abgeschlossenen Systemen, womit kein Fortschritt erzielt werden kann, sondern nur im System ohne neues zu finden oder zu erklären sich im Kreis gedreht wird.

    Natürlich kann Intelligenz zu mehr Lebenserfolg führen. Der IQ soll nicht steigerbar sein, aber jedoch stimmt es, dass systematisches Verstehen von IQ Aufgaben (was jedoch selbst systematisiert werden muss, weil ich keine anderen Systeme aus Büchern dazu kenne) führt automatisch dazu, dass der eigene IQ sehr steigt, weil es nur ein Test auf gewissen Regeln ist, die soweit komprimiert werden können, was vielleicht sogar die Autoren dieser Tests nicht im Hinterkopf hatten, dies möglich sei (was aber immer gehen müsste, weil es nur Tests nach verschiedenen Schemen sind.

    Erfolg hängt meiner Meinung nach von sozialer Intelligenz, damit Kommunikation ab. Das entweder durch eigene Intelligenz für sich entdeckt werden kann und weiterentwickelt werden kann, oder wiederum durch Anpassung an das Kommunikations-System durch Imitation der Umgebung. Die Frage zum Erfolg liegt meiner Meinung nach in der Frage der Korruption dank Intelligenz, oder dem Mut mit Widerstrebender Intelligenz. Zweites ist zu selten, womit Erfolg fast immer auf Korruption und Benachteiligung anderer aufbaut. Für beides ist gewiss Intelligenz notwendig.
    (Diese Antwort bezieht sich auf Wissen aus einem eigenen weiterreichenden Gesellschafts-System, und ist Urheberrechtlich geschützt.)

    Kubilay Bora Övün

  6. @ Langes Leben

    Seit Terman steht die Annahme im Raum, dass IQ und körperliche Gesundheit miteinander assoziiert sind. Die messtheoretischen Mängel, die aus heutiger Sicht zu den alten Daten Termans anzumerken sind, relativieren die damaligen Befunde. Ob Bienen hier zum gehaltvollen Vergleich gereichen, sei dahin gestellt…

  7. Artikel zu Elitesbildung:

    Aus dem “American Scholar”: “Solitude and Leadership – If you want others to follow, learn to be alone with your thoughts … So what I saw around me were great kids who had been trained to be world-class hoop jumpers. Any goal you set them, they could achieve. Any test you gave them, they could pass with flying colors. They were, as one of them put it herself, “excellent sheep. …” (link)

  8. Mit dem Bauch(inhalt) denken:

    Hier ist ein Artikel zum Einfluß von Bakterien im Verdauungssystem auf die Hirnentwicklung. Sicher interessant auch für Fragen der Entwicklung geistiger Fähigkeiten bei Kindern (im Artikel ist von einer kritischen Phase die Rede).

    Als kleinem Präventions-Tip sei hier auf das (nicht gerade sozialkompatible) Knoblauch-Smoothie-Rezept einer Bekannten verwiesen: Man pürriere ca. 10-15 Knoblauchzehen zusammen mit dem Saft von ca. 5 Zitronen, dem dieselbe Menge Wasser hinzugefügt wurde, und erhitze das bis kurz vor dem Aufkochen. Das Gebräu wird getrunken, unerwünschte Innenfauna ist dann kein Thema mehr.

  9. kognitive “Sense” in Pubertät

    Hier wird eine interessante Studie über das (bisher unvermutete) bis zum Erwachsenenalter reichende neurologische Aussieben “überflüssiger” Verbindungen im jugendlichen Gehirn beschrieben. Kann interessante Implikationen haben, finde ich.

  10. tödliche IQ Tests am anderen Ende:

    Hier gibt es einen Bericht über für die Testpersonen tödlichen Nebenwirkungen fehlerhafter IQ Tests. Hier weitere z.T. interessante Veröffentlichungen zum anderen Rand der Normalverteilung.

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