Wie sind die jungen Forscherinnen und Forscher zum HLF gekommen? (Forts.)
BLOG: Heidelberg Laureate Forum

Meine ersten Nachforschungen dazu, wie die hier anwesenden jungen Forscher zum diesjährigen HLF und, vorher, zur Mathematik bzw. zur Informatik gekommen sind, hatte ja bereits (nicht allzu überraschend) einige Gemeinsamkeiten offenbart – inspirierende Lehrer ebenso wie inspirierende Bücher. Meine zweite Runde von Gesprächen heute hat dem noch ein paar Facetten hinzugefügt.

Haniya Azam aus Pakistan beispielsweise hatte keinen Zugang zu einer hinreichend gut ausgestatteten Bibliothek, als sie begann, sich für Mathematik zu interessieren. Aber sie hatte Zugang zum Internet, und suchte sich ihr mathematisches Wissen auf einer Vielzahl von Webseiten zusammen. Eine hervorgehobene Rolle scheint allerdings keine der Webseiten gespielt zu haben; entscheidend war der Gesamteffekt. (Ich frage mich, ob das letztlich ein Hauptunterschied sein wird zwischen denen, die sich durch Bücher und denen, die sich online haben anregen lassen.)
Auch Lehrer haben in Haniyas Leben eine Rolle gespielt – aber nicht nur eine positive: die ersten Mathelehrer, mit denen sie Kontakt hatte, waren von jener Art, die Schüler vor der Mathematik die Flucht ergreifen lässt. Anders bei Mr. Rauf in der 11. Klasse. Bereits vorher war Haniya davon überzeugt gewesen, dass Mathematik cool ist – allerdings auch davon, dass Mathematik nichts für sie persönlich sei. (Mathematik sei nur etwas für besonders intelligente Köpfe, und schwierig; wie konnte es da etwas anders sein als cool, argumentiert sie?) Mr. Rauf überzeugte sie, ihre Meinung zu ändern. Rückblickend hatte er recht, wie Haniyas universitärer Werdegang in Lahore zeigt, inklusive Doktorarbeit, bis hin zu ihren jetzigen Arbeiten über Zustandsräume.
Jenseits der üblichen Lehrerpflichten

Einige Lehrer zeigen besonders großes Engagement, um vielversprechende Schülerinnen und Schüler zu fördern. Für Hammed Praise Adeyemo aus Nigeria war Mr. Olajire solch ein Lehrer. Der nämlich versammelte vor der regulären Unterrichtszeit besonders interessierte Schüler und gab ihnen mathematische Aufgaben zum Selbst-Lösen (ab 6:30 Uhr, Unterrichtsbeginn um 8:30). Für Hammed, der jetzt an der Universität Toronto auf dem Gebiet der algebraischen Geometrie arbeitet, hat sich der Aufwand auf alle Fälle gelohnt.
Das größte Vorbild beim HLF 2016?

Das hier ist alles andere als eine systematische Studie, aber nachdem Sir Andrew Wiles mir gleich von zwei Teilnehmern nacheinander genannt wurde, und gegeben seine quasi prototypische mathematische Forschungs-Lebensgeschichte, scheint mir Wiles heißer Anwärter auf den Titel des einflussreichsten Vorbilds beim diesjährigen HLF zu sein.
Die langjährige und letztlich erfolgreiche Suche nach dem Beweis für Fermats letzten Satz, beschrieben unter anderem in dem Bestseller von Simon Singh und einer zugehörigen BBC-Sendung, hat zum einen Dominic Mills-Howell aus Jamaika inspiriert. Der hatte eigentlich mit ganz praktischem Ziel begonnen, Versicherungsmathematik zu studieren. Was er in der BBC-Sendung über Wiles und seine Arbeit erfuhr, bewog ihn sofort dazu, auf ein reines Mathematikstudium umzusatteln. Heute arbeitet Dominic in der mathematischen Physik und hat gerade einen Aufenthalt am Teilchenforschungszentrum CERN hinter sich.

Während Dominic noch auf eine Chance hofft, Wiles direkt sagen zu können, welche Inspiration er für ihn bedeutet hat, hatte Jitendra Rathore aus Indien diese Gelegenheit bereits – wenn auch nur sehr kurz. Jitendra hatte vor allem der Kontrast zwischen der einfachen Formulierung des Fermatschen Satzes und der langen Zeit beeindruckt, die bis zu einem Beweis verging – sicherlich ein Eindruck, den die meisten derjenigen teilen, die die Geschichte der Forschung von Wiles verfolgt haben.
Ein Weg der Anwendungen

Bislang hat in meinen Schilderungen die Mathematik die Hauptrolle gespielt, aber ebenso ist das HLF natürlich ein Treffen für Informatiker. Das erweitert die Vielfalt der Wege noch einmal beträchtlich, wie der Fall von Britta Meixner aus Deutschland zeigt. Die war bereits in der Schule vor allem an den Anwendungen der Mathematik interessiert und daran, konkret Dinge auszurechnen und Lösungen zu finden. Nachdem eine Reihe berufsorientierender Praktika regelmäßig darauf hinausliefen, dass Britta am Computer des betreffenden Betriebes saß und diesen reparierte/optimierte, wurde ihr bald klar, dass ihr Weg sie in die Informatik führen würde. Auch dort blieb sie allerdings anwendungsnah und machte zuerst eine Ausbildung zur Fachinformatikerin. Stationen in der freien Wirtschaft, mit einer Spezialisierung auf Multimedia-Anwendungen, führten sie schließlich aber doch an die Universität, wo sie sowohl das Informatik-Diplom, das erste Staatsexamen als Lehrerin für Mathematik und Informatik und schließlich den Doktorgrad erwarb – und auf diese Weise diese Woche beim HLF landete.
Das ist zwar keine systematische Studie – aber unbedingt lesenswert! Danke für die Recherche!