Schönheit und Wahrheit
BLOG: Heidelberg Laureate Forum


Einen bewußt provokativen Eröffnungsvortrag für das HLF hielt heute Sir Michael Atiyah unter dem harmlosen Titel “Beauty in Mathematics” und nach einigen harmlosen Einstiegszitaten bekannter Mathematiker kam er recht schnell zu folgendem Hermann Weyl-Zitat:
My work has always tried to unite the true with the beautiful and when I had to choose one or the other, I usually chose the beautiful.
(zitiert aus einem Nachruf von Freeman Dyson.)
Weyl hatte 1918 eine Theorie entwickelt, die Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie mit Maxwells Elektromagnetismus verbinden sollte. Einstein als Referee wollte die Arbeit zurückweisen, weil die Theorie physikalisch falsch sei, Weyl bestand auf einer Veröffentlichung ihrer mathematischen Schönheit wegen und sie wurde dann auch gedruckt, mit Einsteins ablehnendem Gutachten als Appendix. Die Theorie war dann zwar tatsächlich physikalisch falsch (man kann die Geschichte in diesem Artikel der englischsprachigen Wikipedia nachlesen), die von Weyl entwickelten Grundlagen der Eichinvarianz fanden aber später Eingang in die Entwicklung der Quantenfeldtheorie.
In der zweiten Geschichte, von Atiyah selbst erlebt, geht es um den Atiyah-Bott-Fixpunktsatz. Atiyah und Bott entdeckten diese Formel auf einer Konferenz 1964, waren überwältigt von ihrer Schönheit und gaben sie dann einigen Experten, die Spezialfälle berechnen und überprüfen sollten. Die Experten freilich meinten, dass die Formel falsch sein müsse, Atiyah und Bott aber waren wegen ihrer Schönheit von der Richtigkeit überzeugt und behielten am Ende auch recht.
Mehr Einzelheiten zur Geschichte dieses Satzes findet man wieder in der englischsprachigen Wikipedia, aus der ich mal den entsprechenden Abschnitt kopiere:
With Bott, Atiyah found an analogue of the Lefschetz fixed-point formula for elliptic operators, giving the Lefschetz number of an endomorphism of an elliptic complex in terms of a sum over the fixed points of the endomorphism. As special cases their formula included the Weyl character formula, and several new results about elliptic curves with complex multiplication, some of which were initially disbelieved by experts.
(Der Artikel findet sich online:Teil 1, Teil 2.)
Ich war sicher nicht der Einzige, der nach der Geschichte mit Weyl und Einstein gespannt darauf wartete, ob Atiyah jetzt auch noch was zur aktuellen Situation der Stringtheorie sagen würde. Es kam dann aber auch in den Zuschauerfragen nichts mehr dazu. Dafür wurde nach Hales computerformalisiertem Beweis der Kepler-Vermutung gefragt (Computerformalisiertes Apfelsinenstapeln). Atiyah hatte sich ja in den 80ern dezidiert kritisch zum Beweis der Klassifikation endlicher einfacher Gruppen geäußert und er hatte erwartungsgemäß eine ähnliche Meinung zur Kepler-Vermutung: er verwies auf G.H.Hardy, den er am Beginn des Vortrags bereits zitiert hatte mit dem Bonmot, es gäbe keinen dauerhaften Platz für häßliche Mathematik – zu schönen Theoremen würden sich früher oder später auch schöne Beweise finden, häßliche Beweise seien nur ein vorübergehender Entwicklungsschritt, man sei eben noch nicht zum wahren Wesen vorgedrungen.
In den letzten Minuten ging es dann noch um die Hirnforschung, ob man Emotionen von Mathematikern im Hirnscanner messen könne, positive beim Anblick schöner Formeln oder (wonach von einem Zuhörer gefragt wurde) auch negative.
Der Vortrag von Michael Atiyah beim HLF14 im Video.
Schönheit siegt. Wissen wir doch. (Man könnte fast meinen, der Schönheit zu folgen wäre “gottgefällig”)
Aber warum ist das so? Viel interessanter wäre, wenn man erkunden würde, woher die Empfindung der Schönheit kommt; wie sie entsteht. Dann würde man vielleicht auch besser einschätzen können, ob man ihr vertrauen kann.
Pingback:Schönheit in der Mathematik › Heidelberg Laureate Forum › SciLogs - Wissenschaftsblogs
Pingback:Klare und angewandte Mathematik › Heidelberg Laureate Forum › SciLogs - Wissenschaftsblogs
Pingback:Meine Beiträge im HLF-Blog – Mathlog
Leider werden wir von Geburt an mit dem Begriff Schönheit korrumpiert. Filme, Magazine, Spielzeug ect.
Es wird uns eingetrichtert was schön ist und was nicht… Wenn einer nicht mitschwimmt, na der hat einen eigenartigen Geschmack. So soll es ja normalerweise auch sein EIGEN/ARTIG, eben mein Geschmack!!!!
Auf innere Schönheit achtet Heute fast keiner mehr und da hilft auch keine Mathematik…..