Die widerspenstige Navier-Stokes-Gleichung
BLOG: Heidelberg Laureate Forum
Sie ist eines der Standard-Arbeitstiere der mathematischen Physik, sie beschreibt ein Allerweltsphänomen – die Bewegung der Flüssigkeiten und Gase –, sie ist seit fast 200 Jahren bekannt, und dennoch sind grundsätzliche Fragen zu ihrer Lösbarkeit noch nicht beantwortet. Und neuerdings stellt sich heraus, dass das Problem noch um etliches schwieriger ist, als es bislang aussah.
Wer ein Preisausschreiben veranstaltet, tut gut daran, die zu lösende Aufgabe möglichst präzise zu formulieren, damit es hinterher bei der Auszahlung keinen Ärger gibt. An dieses Prinzip hat sich auch das Clay Mathematics Institute gehalten, als es aus Anlass der Jahrtausendwende je eine Million Dollar auf die Lösung von sieben harten mathematischen Problemen aussetzte. Formulierungen wie „Beweise die Vermutung von Riemann“ oder „… von Poincaré“ lassen an Klarheit nichts zu wünschen übrig.
Demnach wäre die Aufgabe für eines der brennendsten Probleme der angewandten Mathematik etwa so zu stellen: „Beweise, dass das Anfangswertproblem der Navier-Stokes-Gleichung für alle Zeiten eine eindeutige Lösung hat.“ Immerhin kommt die Gleichung aus der Physik. Wenn man ein flüssiges oder gasförmiges Medium zum Zeitpunkt t = 0 in einen definierten Zustand versetzt und dann der Natur ihren Lauf lässt, dann erwartet man erstens, dass das Zeug sich nicht nach einer Weile in ein Schwarzes Loch oder so etwas verwandelt (Existenz der Lösung), und zweitens, dass jedesmal, wenn man denselben Anfangszustand präpariert, auch dasselbe passiert (Eindeutigkeit).
Leider haben sich an der Lösung dieser Aufgabe schon sehr viele Leute vergeblich versucht. Es war zu erwarten, dass das Clay Institute bei dieser so gestellten Aufgabe auf seiner Million sitzen bleiben würde. Deswegen wurde die Fragestellung aufgeweicht; es genügt, eine aus einem Sortiment von vier Aufgaben zu beweisen.
Warum ist das so schwierig? Die Gleichung selbst sieht auf den ersten Blick nicht besonders beängstigend aus: \[\eqalign {\partial_t u &= \Delta u\, – \, u \cdot\! \nabla u \,- \nabla p +f \, ,\cr {\rm div }\, u &=0}\] Na gut, da sind schon einige Vereinfachungen eingegangen: Diese Form beschreibt den Spezialfall eines inkompressiblen Mediums, und die Einheiten sind so gewählt worden, dass alle physikalischen Konstanten gleich 1 sind, so dass wir sie nicht mitschleppen müssen. Aber die wesentlichen Schwierigkeiten bleiben bei dieser Vereinfachung erhalten.
Diese merkwürdigen Dreiecke stehen für Ableitungen nach dem Ort, das stehende \(\nabla\) für die erste Ableitung, das liegende \(\Delta\) für die Summe der zweiten Ableitungen. Die Variable u (x, t ) beschreibt die Geschwindigkeit des Mediums am Ort x zur Zeit t, was ein Vektor mit drei Komponenten ist. Die Geschwindigkeit verändert sich mit der Zeit \( (\partial_t u)\) durch die Einflüsse, die auf der rechten Seite der Gleichung stehen:
• erstens durch die innere Reibung des Mediums \((\Delta u)\), die dafür sorgt, dass sich Geschwindigkeitsunterschiede zwischen nahe benachbarten Stellen ausgleichen;
• zweitens durch die Massenträgheit des Mediums \((u \cdot\! \nabla u)\). Wenn der Stoff, sagen wir, von links nach rechts fließt, dann herrscht demnächst am Punkt x die Geschwindigkeit u, die gerade eben noch ein Stückchen links von x geherrscht hat, und das ändert sich mit der Strömungsgeschwindigkeit u. Deswegen taucht u in diesem Term zweimal auf, und das wiederum ist der Grund dafür, dass die Gleichung nichtlinear ist. Wenn man alle Geschwindigkeiten verdoppelt, dann wird der Trägheitsterm nicht verdoppelt, sondern vervierfacht, und alles ist ganz anders. Eine Lösung aus einer Summe von Elementarlösungen zusammensetzen funktioniert nicht, und ein paar andere probate Lösungstechniken ebenso wenig.
Es kommt noch schlimmer: Stellen Sie sich vor, die nach rechts gerichtete Geschwindigkeit nimmt von rechts nach links zu. Je weiter links, desto schneller fließt das Medium, mit dem Effekt, dass die Welle sich sozusagen aufsteilt. Kinetische Energie konzentriert sich in der Mitte. Dasselbe Szenario verschärft: Diese Wellenfront läuft aus allen Raumrichtungen konzentrisch auf den Nullpunkt zu, dort nimmt die kinetische Energie ein Maximum an, und zwar schneller, als die Reibungseffekte dieses Maximum einebnen können. Und wenn sich Energie in einem einzigen Punkt konzentriert, dann ist das eine Singularität, also fast schon so etwas wie ein Schwarzes Loch.
• Die weiteren Effekte durch den Druck p und eine äußere Kraft f sind dagegen vergleichsweise harmlos. Sie machen keine Singularität und verhindern auch keine. Man muss allerdings aufpassen: Wenn man durch eine äußere Kraft dem System Energie in unbegrenzter Menge hinzufügt, darf man sich nicht wundern, wenn es irgendwann knallt. Unter diesen Umständen die Existenz einer Lösung für alle Zeiten zu vermuten wäre abwegig. Also fügt man die Voraussetzung hinzu, dass die Gesamtmenge an Energie begrenzt bleibt.
Interessanterweise gibt es im Rahmen des mathematischen Modells eine Formel für die Gesamtenergie des Systems: \[\int |u|^2 dx \] Aber das ist nur die kinetische Energie! Was davon durch Reibungseffekte in Wärme umgewandelt wird, fällt aus dem Modell heraus. Also kann, solange keine äußere Kraft wirkt, die kinetische Energie höchstens weniger werden. Und wenn sie gleich null ist und keine äußere Kraft wirkt: Dann ruht der See bis in alle Ewigkeit, und wir haben unseren Existenz- und Eindeutigkeitssatz.
Einen Existenzsatz gibt es sogar – wenn man sich darauf einlässt, den Begriff der Lösung aufzuweichen. Eigentlich muss die Lösung u ja eine Funktion sein, die einmal nach der Zeit und zweimal nach dem Ort differenzierbar ist – sonst könnte man sie noch nicht einmal in die Gleichung einsetzen, geschweige denn feststellen, ob die Gleichung erfüllt ist. Aber das ist zu viel verlangt, wenn man, wie üblich, nur eine angenäherte Lösung hat und die nachbessern will mit dem Ziel, dass die Folge der Nachbesserungen einen Grenzwert hat und der die Gleichung löst.
Stattdessen verlegt man sich auf „schwache Lösungen“ in Form „verallgemeinerter Funktionen“. Diese Objekte sind schwer zu fassen. Man kann nicht unbedingt sagen, welchen Wert eine verallgemeinerte Funktion in einem bestimmten Punkt hat. Man kann sie sich allerdings durch gewisse Brillen („Testfunktionen“) anschauen. Alle Brillen sind irgendwie unscharf; aber es gibt solche, die sich auf einen bestimmten Punkt fokussieren. Mit ihnen sieht man, was diese wolkig definierte Funktion in der Nähe dieses speziellen Punktes anstellt, und zwar beliebig scharf, aber nicht unendlich scharf. (Es gibt ein unendliches Sortiment von immer schärferen Brillen, die aber jede nur endlich scharf sind.) Insbesondere kann man nicht sehen, ob die Funktion an dieser Stelle differenzierbar ist. Denn dafür kommt es ja auf einen Grenzwert an, also das Verhalten in einer Umgebung des Punktes, die beliebig klein werden darf – so klein, dass es die Schärfe jeder Brille überfordert, die man gerade auf der Nase hat. (Ja, das ist alles sehr spitzfindig…)
Das Schöne ist: Die wolkige Funktion muss auch gar nicht differenzierbar sein. Wir verlangen nicht mehr, dass die Gleichung erfüllt ist, sondern nur noch, dass es mit jeder Brille betrachtet so aussieht. Die Brillen sind nämlich so raffiniert gebaut, dass sie einem auch für eine undifferenzierbare Funktion anzeigen, wie genau sie die Gleichung erfüllt. Also bastelt man sich eine Folge wolkiger Funktionen zurecht, die die Gleichung immer genauer erfüllen, weist nach, dass eine Teilfolge dieser Folge einen Grenzwert hat, und hat seinen Existenzsatz. (Ich habe eine Menge schwieriger Einzelheiten weggelassen; aber das ist die Grundidee.)
Diese Methode hat Jean Leray (1906–1998) entwickelt und 1934 veröffentlicht. Mittlerweile hat man sie noch verfeinert und vor allem diverse Sortimente von Brillen entwickelt. Aber zum letzten Schritt: zu beweisen, dass die so nachgewiesene wolkige Lösung sogar eine echte ist („Regularität“), hat es bisher nicht gereicht.
Schlimmer noch: In letzter Zeit häufen sich die Indizien, dass die Qualität der Brillen immer noch nicht ausreicht. Wenn es nämlich zu ein und derselben Anfangssituation zwei verschiedene wolkige Funktionen gibt, die beide unter jeder Brille wie Lösungen aussehen, muss ja mindestens eine von ihnen falsch sein. So denkt jedenfalls der Normalmensch, der immer noch an die eindeutige Lösbarkeit glaubt.
Nun haben allerdings Tristan Buckmaster und Vlad Vicol ein ganzes Sortiment von schwachen Lösungen gefunden, mit dem man sogar eine Art Spiel treiben kann: Schreibe vor, auf welche Weise die anfängliche kinetische Gesamtenergie des Systems abnehmen soll, und ich finde eine schwache Lösung, die genau dieser Vorschrift folgt. Neuerdings haben Dallas Albritton, Elia Brué und Maria Colombo ein noch etwas konkreteres Ergebnis erzielt. Sie bastelten, allerdings unter Einsatz einer äußeren Kraft, eine ziemlich konkrete schwache Lösung zurecht, die sich in die eine oder die andere Richtung entwickeln kann.
Ist es wirklich die mangelhafte Qualität der Brillen? Oder ist die Navier-Stokes-Gleichung auf irgendeine verborgene Weise unvollständig? Immerhin lebt sie, schon weil sie eine Differenzialgleichung ist, von der Vorstellung, das Medium sei ein Kontinuum, es gebe an jedem Punkt des dreidimensionalen Raums eine Geschwindigkeit und man könne sinnvoll von Änderungen der Geschwindigkeit über beliebig kleine Abstände reden – nichts anderes sind Ableitungen. Die Herren Claude Navier (1785–1836) und George Gabriel Stokes (1819–1903) mussten sich darüber noch keine ernsthaften Gedanken machen, als sie ihre Gleichung herleiteten. Aber wir Heutigen wissen, dass das (flüssige oder gasförmige) Medium aus einzelnen Molekülen besteht. Jedes von ihnen hat zwar eine Geschwindigkeit; aber daraus eine Funktion zu machen, die in jedem Punkt des Raums definiert ist, erfordert gewisse Kunstgriffe. Vielleicht sind dabei Bedingungen untergegangen, die man über die Differenzialgleichung hinaus an eine Lösung stellen muss?
Und ganz praktisch: Man braucht für technische Zwecke Informationen über das Verhalten einer Flüssigkeit und berechnet dafür mit dem Computer die entsprechende Lösung der Navier-Stokes-Gleichung. Das ist immer nur eine angenäherte Lösung – etwas Besseres kann man jedenfalls im Moment nicht rechnen –, und sie ist eindeutig! So sind die Computerverfahren gebaut: Steckt man dieselben Anfangsbedingungen hinein, kommt jedesmal dasselbe Ergebnis heraus.
Hm. Eigentlich glauben ja alle, dass es die eine richtige Lösung gibt. Aber woher wissen wir, dass unser Computerprogramm sie findet (wenigstens näherungsweise) und nicht eine von den vielen, die wir mit unseren Brillen noch akzeptieren? Na gut, man gleicht das Errechnete mit dem Experiment in der Natur ab, und bisher kommt das hin. Aber es bleiben Zweifel.
Das ∇ ist mir als Nabla-Operator aus der Physikalischen Chemie in Erinnerung, zusammen mit dem Gefühl “Hier fällst Du über den Rand deines Mathematik-Verständnisses”.
Ja, der Nabla-Operator! Er ist so ein Paradebeispiel dafür, dass man mit einem einzigen Symbol sehr viel sagen kann. Deswegen sind die Mathematiker*innen – und mehr noch die Physiker*innen – nicht bereit, auf ihn zu verzichten. Und aus demselben Grund fühlen alle anderen sich von der Vielzahl der möglichen Interpretationen überwältigt.
Was tun?
Nicht verzagen.
Für die Zwecke meines Beitrags braucht man die Fülle nicht unbedingt. Stellen Sie sich vorübergehend vor, die Welt wäre eindimensional. Dann wird aus dem Nabla-Operator die räumliche Ableitung, die man aus der Schule kennt: Steigung der Tangente an die Kurve und das ganze Zeug. Wenn jetzt u positiv ist und die Ableitung u’ auch, dann ist das Produkt uu’ „noch positiver“, sozusagen, und wenn die anderen Terme in der Differenzialgleichung nichts dagegen tun, dann wächst u im Verlauf der Zeit noch weiter an. Das kann man für die anderen Kombinationen der Vorzeichen noch durchdenken. Im Endeffekt kommt heraus: Durch den Term uu’ werden bestehende Unterschiede tendenziell verschärft. Das gilt auch für das originale \(u \cdot \nabla u\). Und damit hat man den wesentlichen Punkt getroffen, der die Navier-Stokes-Gleichung so schwierig macht.
Hallo, Herr Pöppe,
zum Verständnis der Stokes-Gleichung brauche ich etwas Unterstützung.
Man kann eine Formel nicht formal verstehen, wenn die Begrifflichkeiten fehlen.
Also, bei einer Ableitung einer Weg-Funktion nach der Zeit erhalte ich die Geschwindigkeit.
Wenn ich die Geschwindigkeit wieder nach der Zeit ableite, bekomme ich die Beschleunigung.
Das lernt man noch in der Schule.
Bei der Stokes-Funktion wird nach dem Weg abgeleitet. Wie nennt man den Quotient aus dt/ds ?
Und wie nennt man den Quotient aus dt/ds² ?
Ja, die zeitliche Ableitung der Geschwindigkeit \( \partial_t u\), die auf der linken Seite der Gleichung steht, ist die Beschleunigung. Nach Newton II „Kraft ist Masse mal Beschleunigung“ müsste auf der rechten Seite der Gleichung die wirkende Kraft stehen. (Wo ist die Masse abgeblieben? Beim Herleiten der Gleichung teilen wir durch ein kleines Volumen und lassen dann dieses Volumen auf einen Punkt schrumpfen. Aus der Masse wird auf diese Weise eine Massendichte; die im Beitrag beschriebene Form der Gleichung handelt von einem Medium mit konstanter Massendichte („inkompressibel“); also ist die Dichte eine Konstante, und die haben wir wie alle anderen Konstanten durch geeignete Wahl der Maßeinheiten aus der Gleichung rausgeschmissen.)
Das mit der Kraft leuchtet ohne weiteres ein für die externe Kraft \(f\) und für die räumliche Ableitung des Drucks \(\nabla p\). Bevor das kleine Volumen auf null schrumpfte, war das die Druckdifferenz zwischen gegenüberliegenden Seitenflächen des Volumchens.
Den Diffusionsterm \(\Delta u\) kann man auch noch als (Reibungs-)Kraft auffassen; sie wirkt so, dass sie lokale Geschwindigkeitsunterschiede ausgleicht.
Aber der nichtlineare Term\( u \cdot \nabla u\)! Das ist keine „richtige“ Kraft. Eigentlich müsste das Koordinatensystem mit dem bewegten Medium „mitschwimmen“. Dann gäbe es den Term nicht. Aber mit einem solchen Koordinatensystem ist schlecht arbeiten; man stelle sich nur vor, das Medium gerät in einen Wirbel … Also veranstaltet man eine Koordinatentransformation auf ein ortsfestes System. Dabei entsteht dieser Term. Es handelt sich um eine „Scheinkraft“ wie beim Karussell. Die Kraft, die Sie nach außen drückt, gibt es im ortsfesten System gar nicht. Sie entsteht erst durch Transformation in ein bewegtes Koordinatensystem, in dem der Karussellpassagier ruht. „In Wirklichkeit“ ist es ein Trägheitseffekt.
Hilft das ein bisschen?
Die Zeit nach dem Ort ableiten tut man bei der Navier-Stokes-Gleichung nicht. Schon gar nicht zweimal. Ist das vielleicht etwas anderes, das bei der Stokes-Funktion (was immer das ist) nach dem Weg abgeleitet wird?
Vielen Dank Herr Pöppe. Das war viel Wissen auf einmal, das muss ich erst mal verdauen. Vor allem fehlt ein praktisches Beispiel.
Geht es nur um die Zeit, in der sich z.B. Sand in einer Wasserleitung absetzt oder geht es mehr um den Druck der in den verschiedenen Stellen eines Gartenschlauches bei laufendem Wasser herrscht und an welcher Stelle der Gartenschlauch zuerst platzen würde.
Das mit dem praktischen Beispiel wird ganz schwierig. Sowie Gartenschläuche und Ähnliches ins Spiel kommen, geht es um so genannte Randbedingungen. Das strömende Medium ist von irgendwelchen Wänden oder so begrenzt. Die Arbeiten, die ich referiert habe, beziehen sich ebenso wie das Millennium-Preisausschreiben auf das Problem ohne Randbedingungen: Das Medium füllt den ganzen unendlichen Raum. (Hat aber nur endlich viel Bewegungsenergie, das heißt, ganz weit draußen tut sich nur noch verschwindend wenig.)
Warum? Es gibt gute Gründe zu vermuten, dass die Theoretiker erstmal das einfachere Problem lösen wollen, nämlich das ohne Randbedingungen (was schon schwer genug ist). Wenn man die Lösung erstmal hätte, wäre wahrscheinlich die Erweiterung auf Probleme mit Randbedingungen nicht mehr dramatisch.
Darauf kann der Klempner natürlich nicht warten, wenn er den richtigen Rohrdurchmesser für die Wasserleitung wissen will. Dem helfen dann vereinfachte Versionen der Gleichung. Die sagen einem, wie die Geschwindigkeit des Wassers vom Abstand zur Rohrwand abhängt und wie viel Liter pro Sekunde bei welchem Druck durchgehen. Bei laminarer Strömung. Turbulente Strömung ist wieder schwieriger, und da gibt es auch theoretisch noch Lücken.
Fliegen ist unter normalen Umständen die einfachste Sache der Welt, würden sich nicht die Randbedingungen manchmal in unvorhersehbarer Weise ändern. Dann ist der Flieger gefordert. Nicht alle Lösungen sind gleich:
https://www.youtube.com/watch?v=JbMkAnm3VCY
Ihrem Kommentar nach zu schließen geht es um ein theoretisches , eher mathematisches Problem .
Den Techniker interessiert eher die praktische Seite, was kann ich mit dem Wissen anfangen.
Da ich mich zum ersten Mal mit so einem Problem befasse, dem Modellieren eines Modells, ich denke darum geht es, sollte man nach allen Seiten offen sein.
Wenn also die Randbedingung eine Außenwand wäre, dann verzichten wir auf die und nehmen anstelle einen dünnflüssigen Kuchenteig. Der braucht keine Außenwand wenn er fließt, senkrecht z.B. und hält von allein zusammen. Jetzt kommt also ein Hindernis, wie umrundet der Kuchenteig das Hindernis. Könnte man doch beobachten, wenn man den Teig mit verschiedenfarbigen Streifen versieht. Das ganze per Video aufnehmen. Geht es um so etwas ?
Nicht wirklich. Das Hindernis, das der Kuchenteig umfließt, wäre eine Randbedingung. Aber wenn das Zeug einfach so durch die Luft absackt, zusammengehalten durch die innere Reibung (Viskosität), dann gehört die Grenze zwischen Teig und Luft zu den Unbekannten des Problems. Und diese „Probleme mit freiem Rand“ sind nochmal eine Nummer schwerer.
Christoph Pöppe,
immer noch nicht klar, sucht man eine mathematische Gleichung oder sucht man eine physikalische Erklärung wie sich Materie im freien Raum verhält.
Das Universum liefert doch die Lösung. Ein mathematischer Punkt ist etwas anderes als ein Atom.
Und ob sich Atome zusammenfügen oder abstoßen, hängt von der Elektronenhülle ab. Und dann kommt die Gravitation ins Spiel, die die Moleküle zusammenrücken lässt, bis hin zum Schwarzen Loch.
Wenn wir das Universum mit Wasser füllen, was wird geschehen ? Es wird gefrieren, Das Universum wird sich um 1/10 ausdehnen. Es wird sich durch die abgestrahlte Wärmeenergie noch weiter ausdehnen, die Grenzlinie des Universums ist die Wellenfront der Wärmestrahlung.
Der Hauptgrund, warum ich nicht verstehe ist das Anfangswertproblem . Warum ist das wichtig ?
Das ganze Universum voll Wasser – ja, die Idee liegt irgendwie nahe. Aber das Anfangswertproblem der Navier-Stokes-Gleichung auf dem ganzen Raum ist das gerade nicht. Gravitation ist in der NS-Gleichung nicht drin. Allenfalls als äußere Kraft, aber im Universum voll Wasser wäre das ja eine interne Kraft. Von Temperatur ist in der NS-Gleichung auch nicht die Rede.
Hat die ganze Übung also mit der Natur nichts zu tun, ist sie am Ende vollkommen absurd? Eben nicht. Das Problem (und das Verhalten seiner Lösungen) ist für endlich ausgedehnte Medien einerseits und für unendlich ausgedehnte andererseits so ähnlich, dass es lohnt, zunächst über das (physikalisch absurde) unendlich ausgedehnte nachzudenken, einfach weil man sich dabei ein paar zusätzliche Komplikationen vom Halse schafft.
In diesem Beitrag wird die vom Clay-Institut gestellte Frage an Lösungen der Navier-Stokes Gleichungen so formuliert (Zitat):
„Beweise, dass das Anfangswertproblem der Navier-Stokes-Gleichung für alle Zeiten eine eindeutige Lösung hat.“
Im Internet findet man dagegen häufiger Formulierungen der folgenden Art:
Mathematiker möchten wissen, ob Gleichungen über den Flüssigkeitsfluss in bestimmten Situationen zusammenbrechen oder sich “aufblasen” können.,
wobei sich aufblasen die Übersetzung des englischen Ausdrucks ‚blow up‘ ist, ein Ausdruck, der sich auch mit explodieren übersetzen lässt. Klar ist dann, wenn das Ganze explodiert, die Lösung ebenfalls nicht eindeutig, doch sie ist dann auf spektakuläre Weise nicht eindeutig. Man könnte sogar von einer Singularität sprechen, womit man in der Physik etwas meint, was es nur in der Mathematik, nicht aber in der Physik geben kann. Ein schwarzes Loch etwa lässt sich nicht mit der allgemeinen Relativitätstheorie erklären, weil gemäss Wikipedia gilt (Zitat):
Und wir wissen doch, dass die Raumzeit in unserem Universum nirgends zusammenbricht. Also muss die allgemeine Relativitätstheorie, angewendet auf ein schwarzes Loch, falsch sein, was bedeutet, dass schwarze Löcher nur mit „Neuer Physik“ korrekt beschrieben werden können.
Auch die Navier-Stokes Gleichung wäre unphysikalisch, wenn es Situationen gäbe, wo die Lösungen sich beliebig stark aufblasen.
In diesem Beitrag werden allerdings bereits starke Hinweise darauf gegeben, dass es ein solches Aublasen/Explodieren bei der Navier-Stokes Gleichung gerade nicht gibt – auch wenn das bis jetzt mathematisch (noch) nicht bewiesen wurde. Dazu liest man hier, dass man aus der Navier-Stokes Gleichung die Gesamtenergie berechnen kann und da diese beschränkt ist, sind auch keine „Explosionen“ möglich (Zitat):
Es gibt aber neben der Navier-Stokes Gleichung für Fluide/Flüssigkeiten noch die Gleichung von Leonhard Euler für inkompressible Flüssigkeiten mit Viskosität 0. Im Artikel Deep Learning Poised to ‘Blow Up’ Famed Fluid Equations liest man dazu:
Es gibt Hinweise, dass diese Euler-Gleichung für idealisierte Flüssigkeiten tatsächlich ein ‚blow up‘ in gewissen Situationen möglich macht. Das wäre – anders als bei der Navier-Stokes Gleichung – nicht tragisch, denn in der Natur gibt es keine solchen idealisierten Flüssigkeiten.
Mein persönlicher Take-Home-Point: Erstaunlich was in einer Gleichung alles stecken kann. Nämlich auch viel (heute noch) Unbekanntes!
Es ist ein bisschen anders. Ja, die Gesamtenergie ist endlich. Aber wenn Sie endlich viel Energie in einem Punkt konzentrieren, dann knallt’s trotzdem. Das ist der Fall, den auszuschließen bisher nicht gelingt.
Was dem Knall entgegenwirkt, ist der Viskositätsterm \(\Delta u\). Es gibt Situationen, in denen der Trägheitsterm \(u \cdot\nabla u\) so viel stärker ist, dass der Knall droht. Eine solche Situation haben Albritton et al. konstruiert.
Wenn die Viskosität null ist, haben wir in der Tat anstelle der Navier-Stokes- die Euler-Gleichung. Und in der Tat knallt es dabei bereits unter vergleichsweise normalen Umständen. Also muss man als Lösungen der Euler-Gleichung auch Funktionen mit Unstetigkeiten zulassen, und schon ist eine völlig neue Theorie angesagt.
Die Natur kennt so etwas übrigens durchaus. Gewöhnliche Luft kommt einer Viskosität von null so nahe, dass es lohnt, für die Luftströmung entlang einem Flugkörper mit der Euler-Gleichung zu rechnen. Unter gewissen Umständen kann man die Unstetigkeit sogar hören: als Überschallknall. (Jawohl, diese Gleichungen gelten sowohl für Flüssigkeiten als auch für Gase. Die physikalischen Konstanten sind halt deutlich verschieden.)
Das scheint ein Problem für die Mathematiker zu sein. Als Physiker lehne ich mich zurück und warte bis es passiert.
“The test of science is its ability to predict. Had you never visited the earth, could you predict the thunderstorms, the volcanos, the ocean waves, the auroras, and the colorful sunset?” sagt Richard Feynman.
Trockenes Wasser: https://www.feynmanlectures.caltech.edu/II_40.html
The subject of the flow of fluids, and particularly of water, fascinates everybody. We can all remember, as children, playing in the bathtub or in mud puddles with the strange stuff. As we get older, we watch streams, waterfalls, and whirlpools, and we are fascinated by this substance which seems almost alive relative to solids. The behavior of fluids is in many ways very unexpected and interesting—it is the subject of this chapter and the next.
Nasses Wasser: https://www.feynmanlectures.caltech.edu/II_41.html
This is, in a sense, a “cultural” chapter which will give you some idea of the way the world is. There is only one item which is worth learning, and that is the simple definition of viscosity which we will come to in a moment. The rest is only for your entertainment.
Martin Holzherr,
Danke, schon einen Schritt weiter.
Gerade habe ich gegoogelt was ein Anfangswertproblem ist.
Sind denn im Falle von Wasser alle Anfangsbedingungen bekannt ?
Als Gerätetaucher weiß ich, dass sich Wasser auf zwei Arten bewegen kann, erstens durch eine lineare Strömung, zweitens durch eine Dünung, die den gesamten Wasserpegel auf und abwärts bewegt. Und dann gibt es noch zusätzlich Strudel im Wasser, die sich auch fortbewegen Dann haben wir durch Temperaturunterschiede innerhalb des Wassers eine Aufwärtsbewegung auf der einen Seite und eine Abwärtsbewegung auf der anderen Seite.
Warum ist das so schwierig? Die Gleichung selbst sieht auf den ersten Blick nicht besonders beängstigend aus: