Die Schnittmenge der Fields- und der Nobelberatung
BLOG: Heidelberg Laureate Forum

Ich habe dieses Jahr in zwei Vorträgen gesessen, in denen es um guten Rat für angehende Wissenschaftler ging: Eben gerade beim HLF bei Sir Michael Atiyah, unter dem Titel “Advice to a Young Mathematician”, und im Frühjahr im Haus der Astronomie bei einem von den Heidelberger Universitätsastronomen organisierten Vortrag des Physiknobelpreisträgers Brian Schmidt (siehe meinen Blogbeitrag hier).
Dass der gute Rat, der da jeweils gegeben wird, nur begrenzten Nutzen haben kann, das kam bei beiden Sprechern vor (“hören Sie sich an, was ich sage, aber hören Sie nicht auf mich”, so Atiyah).
Aber es gibt eine Klasse von Ratschlägen, bei der es einen großen Unterschied macht, derlei von jemandem zu hören, der es selbst ganz an die Spitze geschafft hat.
Wohl so ziemlich jeder angehende Wissenschaftler/jede angehende Wissenschaftlerin hat Phasen des Selbstzweifels. Mit die fieseste Manifestation bringt die Frage mit sich, ob nicht bereits diese Selbstzweifel bedeuten, dass man der Forscherkarriere eigentlich nicht gewachsen ist. Schliesslich sehen die erfolgreichen Forscher und Forscherinnen, die man trifft, nicht gerade so aus, als würden sie Zweifel dieser Art überhaupt kennen.
Da ist es natürlich gut, wenn jemand wie Atiyah sich hinstellt und erklärt, soweit er wisse, hätten alle guten Forscher solche Phasen. Ergänzt durch die Bemerkung, nur die Mittelmäßigen seien sich ihres Könnens vollkommen sicher.
Eine weitere Manifestation des Selbstzweifels ist die Frage, ob man denn genug Zeit im Institut bzw. im Labor verbringe. Nicht zuletzt, weil es ja erfahrungsgemäß immer einen oder mehrere Kollegen/Kolleginnen gibt, die länger arbeiten als man selbst.
Wenn man sich solche Gedanken macht, dann hilft es, wenn Menschen wie Atiyah und Schmidt der “quality time” das Wort reden, und betonen, Entspannung zwischendurch sei auch in der Wissenschaft für Produktivität und Kreativität unabdingbar. Atiyah sieht unter anderem darin den Nutzen der Zwischendurch-Gespräche mit Institutskollegen, die sich ja bei weitem nicht immer um konkrete wissenschaftliche Fragestellungen drehen. Schmidt erzählte, seine besten Ideen habe er typischerweise unter der Dusche oder bei der Arbeit auf seinem Weingut. (Ein herkömmlicher Garten dürfte aber ebenso gut funktionieren.) Bei Kollegen, die andauernd im Institut hockten, zweifle er, ob sie sonderlich produktiv seien.
Alles in allem dürften das nicht die schlechtesten Lehren aus der kombinierten Nobel-Fieldsmedaillenberatung sein: Selbstzweifel sind ganz natürlich und nicht bereits vom Prinzip her ein schlechtes Zeichen für die wissenschaftliche Karriere. Und eine ausgewogenere Lebensführung, in der auch die Freizeit ihren Platz hat, verspricht bessere Ergebnisse in punkto wissenschaftliche Produktivität und Kreativität als der erste Platz im Instituts-Anwesenheitsmarathon.