Der Staubsaugervertreter und die Sintflut: kombinatorische Optimierung
BLOG: Heidelberg Laureate Forum

Manchmal bin ich richtig froh, dass die Mathematik so schön abstrakt ist. Deswegen kann ich nämlich – zum Beispiel – gänzlich ohne schlechtes Gewissen über das Problem des Handlungsreisenden (travelling salesman problem, TSP) reden.
Und das, obgleich das Problem seinen Ursprung in einer Sumpfblüte der kapitalistischen Wirtschaftsweise hat. Natürlich hat es keinen gesellschaftlichen Nutzen, wenn der „travelling salesman“ von Dorf zu Dorf zieht, um ahnungslosen Hausfrauen überteuerte Staubsauger anzudrehen. Und dass die Aufgabe neuerdings gendergerecht „travelling salesperson problem“ heißt, macht die Sache nicht besser.
Der arme Staubsaugerverkäufer soll eine vorgegebene Menge von Stationen abklappern; es geht darum, die Reihenfolge so zu wählen, dass die Gesamtzahl der zurückzulegenden Kilometer minimal wird. Dieses Bestreben nach Kostensparen ist zwar vor allem in großen Firmen verbreitet, aber nicht von Natur aus kapitalistisch. Ich überlege mir auch, in welcher Reihenfolge ich das Geschirr aus der Spülmaschine in die Küchenschränke einräume, um möglichst schnell fertig zu werden.
Und um noch eine Abstraktionsstufe draufzusetzen: Das TSP ist nur Stellvertreter für eine ganze Klasse von Problemen, bei denen es darum geht, endlich viele Dinge in eine geeignete Reihenfolge zu bringen, sie unter gewissen Bedingungen auf mehrere Teilmengen aufzuteilen oder Ähnliches: kombinatorische Optimierungsprobleme. Es stellt sich heraus, dass Lösungsverfahren sich gut von einem Problem auf ein anderes derselben Klasse übertragen lassen.
Wie findet nun unser Klinkenputzer den kürzesten Weg über die Dörfer? Gesucht ist das Minimum einer Funktion; aber die ist nicht, wie beim verallgemeinerten Bergwandern, auf irgendeinem Vektorraum mit reellen Koordinaten definiert, sondern auf der Menge aller denkbaren Reihenfolgen der Städte oder, was auf dasselbe hinausläuft, die Menge aller Permutationen der natürlichen Zahlen von 1 bis n, wo n die Anzahl der Dörfer ist. Das klingt erst einmal angenehm, denn diese Menge ist endlich. Also könnte man deren Elemente, sprich sämtliche Touren, durchprobieren, zu jeder Tour die Länge berechnen, und unter diesen die kürzeste zu finden ist ein Kinderspiel.
Die Freude verfliegt rasch, wenn man sich die Anzahl der Reihenfolgen anschaut. Die ist nämlich gleich n! (n-Fakultät), also das Produkt aller natürlichen Zahlen von 1 bis n, und diese Zahl gerät bereits für mittelgroße Werte von n in astronomische Größenordnungen. Erschöpfendes Durchprobieren ist keine Option.
Im Gegensatz dazu muss man bei den Bergwander-Problemen zwar im Prinzip über unendlich viele potenzielle Lösungen nachdenken; aber man hat wegen der Differenzierbarkeit unserer Zielfunktion eine gewisse Struktur. Das Gebirge ist „glatt“, und das heißt insbesondere: Wenn der Wanderer von seinem Standpunkt ein bisschen abweicht, passiert nicht allzu viel, und wenn er annähernd im Minimum sitzt, erst recht nicht. Deswegen genügt es, die Lösung auf ein paar Stellen hinterm Komma zu kennen.
Hat die Menge aller Touren denn so etwas wie eine Struktur? Irgendwie schon, aber sie ist nicht so leicht zu erfassen. Man kann zwei Touren als benachbart ansehen, wenn sie sich wenig unterscheiden; zum Beispiel wenn eine Tour die Dörfer A und B (unmittelbar hintereinander) in der Reihenfolge AB anfährt, die andere in der Reihenfolge BA und beide ansonsten denselben Weg nehmen.

Oder es gibt vier benachbarte Dörfer A, B, C und D. Wenn die eine Tour erst AB läuft und irgendwann später CD, und die andere läuft erst AD, dann CB und im Übrigen denselben Weg wie die erste, bloß zum Teil in Gegenrichtung, dann kann man diese Touren benachbart nennen, auch wenn die Nummernfolgen das nicht unbedingt nahelegen.
An dieser Stelle kommt unser gedachter Bergwanderer wieder ins Spiel. Jede Tour ist ein Punkt in einer abstrakten Landschaft. Dessen Höhe über dem Meeresspiegel ist die Länge der Tour. Der Wanderer steht auf einem solchen Punkt; dann sind ihm alle im obigen Sinne benachbarten Punkte mit einem Schritt zugänglich. Er probiert sie alle durch und geht dann zu dem, der ihn am weitesten abwärts bringt. (Mit weniger Wandererromantik ausgedrückt: Das Minimierungsprogramm hat eine bestimmte Tour im Speicher, es berechnet die Länge aller benachbarten Touren und ersetzt dann die aktuelle Tour durch diejenige benachbarte Tour, welche die kürzeste Länge aufweist.) Dann wiederholt er das Spiel: alle Nachbarn anschauen, zu dem gehen, der am weitesten abwärts führt, und so weiter, bis man in einem lokalen Minimum landet. An dieser Stelle macht jede kleine Änderung die aktuelle Tour nur schlechter.
So oder so ähnlich war unser Wanderer im differenzierbaren Gebirge auch zum Ziel gekommen. Nur: Die abstrakte Landschaft aller Rundtouren ist nicht so freundlich wie die Alpen, sondern viel zerklüfteter. Mit dem beschriebenen Verfahren landet man zwar bei einer Tour, die durch kleine Änderungen nicht mehr zu verbessern ist, aber gleichwohl beliebig schlecht sein kann. Auf dem Weg zu besseren Lösungen muss man wohl oder übel über den Berg.
Übrigens: So etwas kann einem auch in einem differenzierbaren Gebirge passieren – so etwas wie ein idyllischer Bergsee, der aber eben viel zu hoch liegt. Entsprechend muss man auch in diesem Fall darauf vorbereitet sein, vorübergehend bergauf zu wandern. Nur sind kombinatorische Optimierungsprobleme sozusagen von Natur aus reicher an lokalen Minima, schon weil die Nachbarschaftsbeziehungen komplizierter sind.
An dieser Stelle hat unser Wanderer ein ernsthaftes Problem. Er sitzt in einem lokalen Minimum, kann vielleicht aus dessen Höhe erschließen, dass da noch ziemlich viel Luft nach unten ist, muss also noch einmal den Berg hoch – aber welchen unter den zahlreichen Bergen, die zur Auswahl stehen? Und wann soll er es gut sein lassen mit dem Aufstieg, wieder talwärts wandern und hoffen, dass er diesmal ein besseres Tal erwischt hat?
Die Antwort ist ebenso einfach wie ernüchternd. Hast du keine weiteren Informationen über die Struktur der Landschaft, dann kannst du deinen nächsten Schritt auch auswürfeln. Und genau das passiert auch: Man lässt den Zufall entscheiden. Der Wanderer tobt also irgendwie wild in der Gegend herum; nur wie will er damit zum Ziel kommen?
An dieser Stelle lernen die Optimierer von den Stahlkochern. Die „tempern“ nämlich ihren Werkstoff, das heißt, sie unterziehen ihn einem Wechselbad aus Erhitzen und Abkühlenlassen. Die Eisenatome in der Schmelze tun sich beim Abkühlen zu kleinen Kristallen zusammen, aber sehr ungeordnet. Wenn man die so entstandene Mikrokristallstruktur durch Erhitzen wieder ein bisschen aufbricht, findet das nächste Erstarren etwas geordneter statt, und durch Wiederholen dieser Prozedur gewinnt man am Ende ein Material hoher Qualität.
Das auf das Optimieren übertragen heißt simuliertes Tempern („simulated annealing“) und geht so: In der heißen Phase, das heißt wenn sich die echten Moleküle heftig bewegen, genehmigt sich der Wanderer entsprechend hohe Sprünge nach oben. Dann kommt die Abkühlung, das heißt, die Höhe der Schritte in Aufwärtsrichtung wird immer stärker beschränkt, bis auf null, womit sich der Wanderer wieder im Standardmodus befindet.
Oder man folgt einem ganz anderen Prinzip: Nicht die Höhe der Aufwärtssprünge wird begrenzt, sondern die absolute Höhe des Sprungziels. Ein Sprung wird also nicht verboten, weil er 100 Meter in die Höhe geht, sondern weil die neue Position höher als, sagen wir, 4100 Meter wäre. Diese Maximalhöhe wird im Laufe des wilden Herumspringens allmählich abgesenkt, so dass am Ende dem Wanderer nichts anderes übrigbleibt, als abwärts zu gehen.
Die Erfinder Gunter Dueck, Tobias Scheuer und Hans-Martin Wallmeier haben ihr Verfahren „Sintflut-Algorithmus“ genannt. Die Idee hinter dem Namen ist: Man stellt die ganze Landschaft auf den Kopf (das ist ganz einfach: Minuszeichen vor die Zielfunktion) und sucht entsprechend nicht nach dem tiefsten Loch, sondern nach dem höchsten Gipfel. Während der Wanderer herumtobt, wird das Gebirge allmählich geflutet, und der Wanderer darf überallhin, nur nicht ins Wasser.
Wie kann das sein, dass diese merkwürdigen Rezepte überhaupt funktionieren? Mathematisch zu beweisen gibt es da nichts, im Gegenteil: Zu jedem dieser Verfahren kann man sich eine Zielfunktion ausdenken, an der es jämmerlich scheitert. Und eine Garantie, dass der Punkt, an dem der Wanderer schließlich stehenbleibt, das absolute Minimum (die kürzeste aller denkbaren Touren) ist, gibt es auch nicht. Nur die Erfahrung zeigt, dass das Verfahren bei den meisten Versuchen fast-optimale Lösungen findet.
Eine Erklärung unterhalb des Beweisniveaus geht ungefähr so: Die Zielfunktion des travelling salesman problem ist eben nicht irgendeine wilde Funktion, sondern hat eine gewisse Struktur. Die hat zur Folge, dass es rund um das absolute Optimum eine ganze Menge fast-optimaler Lösungen gibt. Das tiefste aller Täler ist also ziemlich breit, auch wenn einzelne Gipfel im Tal die Sache sehr unübersichtlich machen. Also besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Wanderer rein durch Zufall in den Einzugsbereich dieses Tals gerät, und wenn man es geschickt anstellt, springt er da nicht durch Zufall wieder heraus. Oder die fast-optimalen Punkte liegen zwar nicht zusammen, aber ihre Einzugsbereiche sind insgesamt so groß, dass man mit ziemlicher Sicherheit durch Zufall in einen von ihnen hineinfällt.
Was ist nun mit den praktischen Anwendungen dieser Lösungsverfahren? Die echten Handlungsreisenden sind ja aus der Mode gekommen; inzwischen werden die Leute mit viel raffinierteren Methoden über den Tisch gezogen. Immerhin kann an die Stelle der „travelling salesperson“ eine automatisch gesteuerte Bohrmaschine treten, die ganz viele Löcher in Leiterplatten für elektronische Geräte macht.

Unter den Leuten, die Verfahren für kombinatorische Optimierungsprobleme entwickeln, gibt es einen Wettbewerb um das beste Verfahren und dementsprechend immer wieder ein Problem, an dem die Optimierer ihre Messer wetzen können. Anfangs der 1990er Jahre war eine solche Aufgabe „Finde den kürzesten Weg durch alle Gemeinden der fünf neuen Bundesländer“. Dabei war jedes Dorf und jede Stadt durch einen geeignet bestimmten Mittelpunkt ersetzt worden, und alle Entfernungen wurden in Luftlinie berechnet. Einen besonderen Reiz erhielt diese Aufgabe dadurch, dass es in der DDR keine kommunale Neuordnung gegeben hatte; es gab also sehr viele sehr kleine Dörfer. Gunter Dueck und Kollegen haben damals eine gute Näherungslösung (rechts) gefunden; sie sieht recht eindrucksvoll aus.
Aber praktische Anwendung? Wir können sicher sein, dass kein Mensch diese Tour je gefahren ist.
Christoph Pöppe schrieb (02. Jul 2025):
> […] das Problem des Handlungsreisenden (travelling salesman problem, TSP)
Auch als eine spezielle Aufgabenstellung der (optimalen) [[Tourenplanung]] bekannt; wobei sich zeitgenössisch und einigermaßen unverfänglich an eine [[Tournee#Gastspielreise]] einer (mehr oder weniger bestimmten, nicht unbedingt auf Musikalisches beschränkten) Aufführung durch (wiederholt) persönlich auftretende Individuen (“the talent”, “the star(s)”) denken lässt.
> […] eine vorgegebene Menge von Stationen abklappern; es geht darum, die Reihenfolge so zu wählen, dass die Gesamtzahl der zurückzulegenden Kilometer
… die (Bogen-)Länge der Tour. Oder ggf. die Dauer (“on the road”) der (Auftretenden auf bzw. entlang ihrer) geplanten und gewählten Tour. Oder ggf. die gesamten Reisekosten (“für die ganze Show”). …
> minimal wird.
Die in Betracht gestellten Stationen (“gigs”) der Tournee sind dabei/dazu von vornherein mit konstanten Werten ihrer paarweisen Distanzen oder ggf. Abständen (insbesondere: Quasi-Distanzen) als geeignete Variante bzw. Verallgemeinerung des mathematischen Begriffes [[metrischer Raum]] gegeben.
(Wobei die betreffenden Distanzen nicht unbedingt die [[Dreiecksungleichung]] erfüllen, bzw. die betreffenden Reisedauern nicht unbedingt die [[Inverse Dreiecksungleichung#in.Lorentzschen.Räumen]].)
> kombinatorische Optimierungsprobleme […] Rezepte […] simuliertes Tempern („simulated annealing“) […] Mathematisch zu beweisen gibt es da nichts,
… Naja: Mathematiker neigen doch dazu, (sich) Probleme zu machen, die sie (anteilig) für “wohl-gestellt (nachvollziehbar)”, “interessant” und “(womöglich) lösbar” halten könnten …
Und immerhin ist es beruhigend, wenn Begriffe wie “Steilheit” oder “Differenzierbarkeit” mal nicht gebraucht und somit unterstellt werden; und “man doch zu Potte” käme, obwohl diesbezügliche Fragen auflaufen gelassen wurden.
Sumpfblüten-Phrasen wie “ein bisschen abweichen”, “lokal” oder “Struktur” ziehen wohl noch genug über den sprichwörtlichen, in den SciLogs offenbar nicht allzu peinlichen Tisch.
> Und eine Garantie, dass der Punkt, an dem der [ „Sintflut-Algorithmus“ ] schließlich stehenbleibt, das absolute Minimum (die kürzeste aller denkbaren Touren) ist, gibt es auch nicht. Nur die Erfahrung zeigt, dass das Verfahren bei den meisten Versuchen fast-optimale Lösungen findet.
Nur “die Erfahrung”, die an einer geeignet begrenzt gewählten Auswahl aller (vorstellbaren) metrischen Räume trainiert bzw. gezüchtet wurde …
> „Finde [die] kürzeste[ Tour ] durch alle Gemeinden der fünf neuen Bundesländer [Stand: 1990]“.
> Dabei war jedes Dorf und jede Stadt durch einen geeignet bestimmten Mittelpunkt ersetzt worden, und alle Entfernungen wurden in Luftlinie
… halbe Ping-Dauer jedes der (jeweils) beiden gegenüber einander starren “Enden” (?) (!) …
> berechnet.
Die betreffenden Werte waren somit gerade keine (i.A. veränderlichen und zwischen den jeweils beteiligten Enden nicht “synchron” zu vereinbarenden) Entfernungen (wie sie zur Beschreibung geometrischer Beziehungen u.a. zwischen Galaxien, oder zwischen Kontinentalplatten (der Erdoberfläche) Zweck-mäßig sind); sondern Abstände (einschl. ggf. Quasidistanzen), oder sogar (eigentliche) Distanzen.
> […] Eine ziemlich gute [also kurze] Tour durch alle 4461 Gemeinden der fünf neuen Bundesländer. [ https://scilogs.spektrum.de/hlf/files/FNL-scaled.png ]
Nein!, gezeigt ist ein Bild einer solchen Tour — und zwar ein (ziemlich) ebenes und dabei (doch sicherlich) ziemlich genau maßstäbliches (skaliertes) Bild des betreffenden metrischen Raumes, mit der betreffenden Tour.
> Die auffällige Lücke in der Mitte kommt dadurch zu Stande, dass Berlin nur durch einen Punkt vertreten ist.
Und zwar (ausgerechnet!) einen “geeignet bestimmten Mittel”-Punkt (der Stadt Berlin), dessen Minimum-Distanz bzgl. aller 4460 anderen Gemeinden (deutlich erkennbar; wenn ich mich nicht irre — und falls so gerne auf meinen Irrtum hingewiesen würde) größer ist, als die Minimum-Distanz jedes anderen “Gemeinde-Mittel-Punktes” bzgl. aller 4460 anderen Gemeinden (einschl. Berlin).
> Quelle: Gunter Dueck
Hat sich Gunter Dueck womöglich (in den SciLogs ggf. Barriere-frei kommentierbar) zur (Bogen-)Länge der “originalen” Entsprechung zur im Bild gezeigten (Optimal-)Tour geäußert ?
Wie groß ist das Verhältnis dieser (optimalen) “originalen Tour-Länge” zum Wert der (Doppel-)Summe
\[ \sum_{\text{Gemeinde-Index} j = 1}^{4461} \left[ \sum_{\text{Gemeinde-Index} k = 1 \neq j}^{4461} \left[ d[ ~ j, k ~ ] \right] \right] \]
aller “originalen” Distanz- (oder Abstands-) Werte ?
Ein wunderbar kluger und unterhaltsamer Beitrag – vielen Dank! Der Text verbindet mathematische Tiefe mit sprachlicher Leichtigkeit und liefert ganz nebenbei einen charmanten Blick auf die Absurditäten des Alltags und der Optimierung. Besonders schön: Die bildhafte Darstellung des Wanderers in einer abstrakten Landschaft. Ein herzliches Dankeschön für diesen inspirierenden Einblick
Regard Unissula
So sehr aus der Mode gekommen ist der Beruf noch nicht mal. Heutzutage ersetzt die Kurierfahrt die klassische Handlungsreise. Die Optimierung bezieht sich dann nicht auf die kürzesten Weglängen, sondern auf kürzeste Zeiten (neben der Wegstrecke beeinflusst durch Ampelphasen, Verkehrsaufkommen etc.). Am Ende landet man auf alle Fälle in der abstrakten Berglandschaft.
Interessanterweise liefert die Intuition für erfahrene Tourplaner recht brauchbare Annäherungen und etwas Nachhilfe mit neuronalen Netzen (manche sagen auch KI dazu), kann ebenfalls zu einigen überraschenden Abkürzungen führen. Das liegt vermutlich daran, dass menschliche Intuition und KI gar nicht erst versuchen, ein globales Minimum zu errechnen, sondern sich im Vornhinein mit guten Annäherungen zufrieden geben.
(Davon abgesehen tauchen in der Praxis Unwägbarkeiten auf, die sich einer mathematischen Betrachtung entziehen, z.B. ein Verkehrsunfall, der den Kurierfahrer auf magische Weise in einen Ersthelfer verwandelt.)
Livingston schrieb (03.07.2025, 12:57 o’clock):
> […] Heutzutage ersetzt die Kurierfahrt die klassische Handlungsreise.
Sofern ein Kurier i.d.R. jeweils nur ein einzelnes Transport-Gut hat und es von vornherein feststeht, zu genau welcher Ziel/Abgabe-Station dieses gebracht werden soll (und zwar: möglichst direkt, also schleunigst), unterscheidet sich die damit verbundene konkrete Optimierungsaufgabe doch von der klassischen Planung einer Handlungsreise bzw. Tournee (mit wählbarem Ende).
Insbesondere würde ein Kurier vermutlich nur solche Routen von vornherein in Betracht ziehen, bewerten und vergleichen, entlang derer er sich dem (jeweils feststehenden) Ziel monoton nähert (natürlich abgesehen von “Unwägbarkeiten”, die erst im Laufe der Fahrt konkret erkannt und in die aktualisierte Bewertung einfließen würden. Diesbezügliche Robustheit bzw. “Ziel-Strebigkeit” ist sicherlich auch ein besonderes Merkmal von Kurieren; neben ihrer von vornherein wirksamen “Vor(aus)sicht” bei der Routenwahl).
> Interessanterweise liefert die Intuition für erfahrene Tour [bzw. Routen -]planer recht brauchbare Annäherungen
Noch interessanter (oder bemerkenswerter, weil paradoxer) wäre doch eine gegenteilige Feststellung.
Kann es sein, dass wir diesen Lösungsweg auch im Alltag anwenden? Wenn Sie Beeren sammeln gehen, laufen Sie so lange in den Wald, bis Sie einen Beeren-Busch finden. Dann fangen Sie mit den leicht erreichbaren Beeren an in einer weitgehend zufälligen Reihenfolge. Der Verzicht auf längere Sprünge bewirkt, dass Sie bei dem Busch bleiben müssen und die Strecke nicht noch mal zurücklegen müssen.
Zuerst löschen sie die kürzesten Strecken aus der Gleichung, indem sie die nächstliegenden Beeren pflücken, danach bleiben längere kürzeste Strecke übrig, bis die kürzeste erreichbare Strecke die zum nächsten Busch ist.
Es wirkt also so, als würden Sie das Gebiet in Planquadrate aufteilen, die Sie systematisch abgrasen. Sie beginnen an einer Ecke des Schachbretts, daraufhin kommt ein anderes, das Sie noch nicht abgegrast haben. So einfach ist es aber nicht, da Sie die Quadrate ja spontan erzeugen, indem Sie sich einen Akademiker-Hut mit sehr breiter, rechteckiger Krempe aufgesetzt haben. Und Sie behalten immer das größere Planquadrat im Auge: Sie können sich am Rand bewegen und das Brett in Schlangenlinien abfahren, Sie können die vier Felder an der Ecke als Erstes abgrasen, aber wenn Sie die Wahl haben, springen Sie lieber eine längere Strecke zurück, als eine kürzere vorwärts zu springen: Sie laufen lieber zu einem Busch zurück, als zu riskieren, ihn samt der Ecke des Waldes zu vergessen.
Das trifft es nicht so ganz, geht aber in die richtige Richtung. Ist ja nicht so, dass erst die Mathe die Faulheit erfunden hätte.
Für das Salesm/w/d-Problem hat Aldi eine optimale Lösung gefunden – er ist schon überall. Amazon kann diese Lösung nicht anwenden, es muss sie immer noch mit dem Reisenden kombinieren, da es einfach nicht genug Ware und Platz gibt, überall ein Duplikat hinzustellen. Bei der optimalen Reiseroute spielt halt auch Masse eine Rolle: Wenn Sie 1 kg oder 10 kg einen Meter bewegen, haben im ersten Fall 1 kg einen Meter zurückgelegt, im zweiteren 10 Meter. Und das müssen Sie immer weiter auf Teilchengröße aufbrechen, sodass die Teilstrecken immer länger werden und Sie nicht um Teleportation herumkommen: Den Punkt, wo das Universum sagt: „OK, Kinderchen, jetzt reicht’s mit dem Unsinn, wir fassen uns alle an den Händchen und machen gemeinsam einen Schritt in dieselbe Richtung, sonst kommen wir ja nie voran.“
Wie das in der Praxis funktioniert? Na, wie kommen Sie von einem Busch zum nächsten? Die Beerenmenge 0 bewirkt den Zeitsprung. Die 0, das ist das Grab, vor dem wir alle weglaufen, wenn die uns in den Hintern beißt, hoppeln wir alle ziemlich weit.
Ein anderer Faktor, den den Raum verzehrt ist die Reisezeit: Eine fünf-Stunden-Reise mit dem Flugzeug besteht aus 1h/800km im Flugzeug und 2h/50km+2h/50km Anreisezeit zum und vom Flughafen – das heißt, die beiden Städte, in denen man landet, sind auf einer Landkarte, die Zeit als Raummaß benutzt, doppelt so groß, wie die Strecke dazwischen. Und natürlich gibt es auch hier sehr winzige Teilstrecken, die Sie der Reisezeit hinzuaddieren müssen – zum Beispiel die Zeit, die Sie ohne große Raumbewegung in der Schlange zum Schalter stehen, oder die Zeit, die die Impulse in Ihrem Hirn brauchen, und die optimale Lösung zu finden.
Anscheinend sind die Umwege im Hirn so lang, dass unzählige Leute sich lieber eine Stunde im Stau auf der Autobahn herumquälen, als sich einen Umweg über die Landstraßen zu suchen.
Und – Kapitalismus und das Stellen auf den Kopf passen wunderbar zusammen, denn Geld fällt ja bekanntlich nach oben. Wir sehen also Geld wohl, wie Sternenstaub die Erde sieht – unser Unten ist sein Oben, er beschleunigt nicht, weil er beim Fall Energie verliert, sondern im Gegenteil, weil er immer mehr davon tankt. Das heißt einfach, was sowieso schon jeder weiß, ohne es zu merken: Energie ist relativ, ob man sie „verliert“ oder „gewinnt“ hängt von dem Kontext ab, in dem man es beschreibt, denn es geschieht immer beides gleichzeitig, auf verschiedenen Größenebenen – für den Hasen ist „oben“ wo die Karotte ist, „unten“, wo der Fuchs ist, aber der Fuchs sieht das anders, und deswegen ist er dann doch „unten“, wenn er schneller Hasen frisst, als der Hase Karotten fressen kann. Und das Ganze wird echt kompliziert, wenn Sie die Karotte zwischen einen Fuchs und zwei Hasen legen, denn dann steigt die Vielzahl der Möglichkeiten (zum Beispiel je nach IQ der Hasen) so sehr, dass Sie als allgemeine, für all solche Systeme gültige Aussage nur sagen können, dass ihr Verhalten zufällig ist.
Ist halt alles nicht so einfach mit der Quantengravitation. Oder Zoologie, wenn Ihnen dieses Wort lieber ist.
Damit aus dem salesman kein lonesome traveller wird, stellen wir die Aufgabe um , so wie das schon vor 100 Jahren gemacht wurde.
Der Salesman soll jeden Abend zu seiner Niederlassung zurückkkehren aber wohin legen wir die Niederlassung, damit der Besuch aller Ortschaften möglichst kurz gerät.
Ohne Mathematik lässt sich die Aufgabe lösen. Wir legen den Plan von den Ortschaften auf ein Holzbrett. Wir kleben den Plan fest. Dann bohren wir bei jeder Ortschaft ein Loch durch das Brett.
angenommen , es sind nur 5 Ortschaften, die regelmäßig besucht werden sollen.
Wir nehmen 5 gleichlange Schnüre , fädeln jede Schnur jeweils durch das Loch an denen sich die Ortschaften befinden. Unterhalb des Brettes befestigen wir an jedem Faden eine Holzkugel. Oberhalb des Brettes veknüpfen wir die 5 Fäden zu einem einzigen Knoten. Und jetzt bringen wir das Brett zum Schwingen so dass die 5 Kugeln ebenfalls schwingen.
Und was geschieht ? Der Knoten oberhalb des Brettes beginnt sich zu bewegen.
Und schließlich kommt das Ganze zu Ruhe.
Und…….die Stelle, wo sich jetzt der Knoten befindet, das ist der Ort , wo wir unsere Niederlassung hinlegen. Von diesem Punkt aus ist die Summe der Entfernungen zu den einzelnen Ortschaften am kleinsten. Und das, ohne zu rechnen.