Wenn das Gehirn zur Waffe wird: Die Biologie hinter Aggression
Im letzten Jahr, 2023, wurden etwa 214.000 Gewaltstraftaten in Deutschland verübt, darunter etwas mehr als 2.000 Morde, 12.000 Vergewaltigungen und andere sexuelle Straftaten sowie 155.000 Körperverletzungen. Das ist zwar nur ein Ausschnitt der insgesamt sechs Millionen Straftaten, die begangen wurden, aber dennoch eine sehr hohe Zahl für diese Art von Übeltaten. Morde, Körperverletzungen und sexuelle Vergehen zählen zu den am schlimmsten angesehenen Taten – und das zu Recht. Denn in solchen Situationen fügt ein Täter einem anderen Menschen direkt Schaden zu. Ich habe mich schon immer gefragt, was eine solche Tat rechtfertigt. Wie können Menschen so handeln? Ist ihr innerer moralischer Kompass kaputt, oder sind es unkontrollierte Impulshandlungen, über die der Täter nur geringe Kontrolle hat?
Viele Krimiserien und Filme versuchen, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, ebenso wie viele True-Crime-Podcasts und Bücher. Die Herangehensweisen an das Thema variieren von unterhaltungsorientiert zu biografisch. Häufig wird ein Hauch von Psychologie hineingestreut. Selten jedoch wird die biologische Seite betrachtet. Alles, was man in solchen Unterhaltungsmedien hört, ist, dass es Unterschiede zwischen einem Täter-Gehirn und einem nicht straffällig gewordenen Gehirn gibt. Aber ist da wirklich etwas dran und was genau? Gibt es tatsächlich messbare Unterschiede? Kann das allein einen Menschen zum Gewalttäter machen? Spoiler-Alarm: Wie bei vielen anderen Situationen sind die biologischen Faktoren sicher nicht die einzigen Einflüsse auf die Taten – so einfach kann man komplexes menschliches Verhalten nicht erklären. Oder doch? Die Frage ist, wie signifikant ist ihr Einfluss?
Um die Gewalttaten und ihre Täter besser zu verstehen, sollten wir uns mit Aggression auseinandersetzen. Denn Emotionen kann man neurobiologisch untersuchen.
Was ist Aggression?
Eine gängige Definition dieses Gefühls ist:
Tatsächlich muss man aber Aggression als Emotion und Aggression als Verhalten unterscheiden. Denn aggressives Verhalten basiert nicht immer auf dem Aggressionsgefühl, sondern kann auch mit Habgier oder Angst zu tun haben. Und aggressive Gedanken und Gefühle müssen nicht zwangsläufig zu aggressivem Verhalten führen. Das ist eine komplexe Unterscheidung und wovon in dem jeweiligen Moment gesprochen wird, ist von Artikel zu Artikel unterschiedlich.
Und was ist Gewalt?
Ganz interessant wird es mit den Definitionen, wenn man die Gewalt noch miteinbezieht. Bei Gewalt ist es eindeutig, dass es sich um eine Handlung handelt und nicht um ein Gefühl. Gewalt wird immer zu den aggressiven Verhaltensweisen gezählt. Aber dieser Begriff wird nur verwendet, um schwerwiegende Taten zu beschreiben. Leider gibt es hier keine klare Abgrenzung zu Taten, die als weniger schwerwiegend gelten. Deswegen werde ich in diesem Artikel von Gewalt sprechen, um alle aggressiven Taten zu beschreiben, und von Aggression, um das Gefühl zu benennen. So wird es hoffentlich niemanden verwirren.
Obwohl Aggression so eng mit Gewalttaten verknüpft ist, hat sich die neurobiologische Forschung erst in den letzten 20 bis 30 Jahren wirklich mit diesem Thema befasst. Das liegt daran, dass viele neue Methoden entwickelt wurden, die eine hochauflösende Bildgebung des Gehirns ermöglichen, genauso wie komplexe genetische Analysen. Dadurch kann man diese Emotion besser untersuchen und sich die anatomischen und funktionalen Bereiche und Abläufe im Gehirn anschauen.
Wo im Gehirn entsteht Aggression?
Um herauszufinden, welche Strukturen im Gehirn an der Entstehung von Aggression beteiligt sind, wurden Versuchspersonen Bilder mit aggressivem Motiv gezeigt, während man ihr Gehirn mit dem MRT „beobachtete“. Dadurch wurden unter anderem der präfrontale Cortex (PFC) sowie die Amygdala identifiziert.
Amygdala
Die Amygdala ist Teil des limbischen Systems. Ihre Hauptaufgabe ist das Verknüpfen von Sinneseindrücken mit Gefühlen. Hier können Liebe und Glück entstehen, aber auch Wut, Neid, Habgier und Ärger. Die wichtigste Emotion, die die Amygdala steuert, ist wohl die Angst. Denn durch sie werden Gefahren richtig beurteilt. Die Gefühle leitet die Amygdala dann (unter anderem) weiter an den PFC. Außerdem ist sie mit dem Hypothalamus verbunden, um entsprechende hormonelle Reaktionen einzuleiten. Neben der direkten Reaktion auf Gefühle werden diese auch gespeichert. So können gefährliche Situationen schneller und eindeutiger erkannt werden. Wenn die Amygdala ausfällt, beispielsweise durch Verkalkung, dann können die Menschen Gesichtsausdrücke nur noch schwer lesen und es treten Gedächtnisprobleme auf.
Präfrontaler Cortex (PFC)
Im PFC werden dann Handlungen geplant, um auf die Emotionen zu reagieren. Denn der PFC ist zuständig für die Impulskontrolle, Entscheidungsfindung und Handlungsplanung, deswegen nennt man ihn auch oft „das Arbeitsgedächtnis“. Dabei bewertet er Dringlichkeit und Konsequenzen. Der PFC ist reich an dopaminergen Neuronen, die sensibel auf Dopaminmangel reagieren. Eine Hypo-(Unter-)Funktion dieses Bereichs wird auch häufig bei schizophrenen Menschen beobachtet. Die Amygdala wiederum bekommt die Handlungsideen des PFC „vorgeschlagen“ und bewertet auch diese emotional.
Hirnstamm und Hypothalamus
Im Hirnstamm und Hypothalamus sitzen motivierende und aktivierende Systeme, die durch Dopamin-, Noradrenalin- und Serotoninausschüttung den PFC stimulieren, sodass es tatsächlich zu Handlungen kommt. Das ist der normale Kreislauf. Durch einen reibungslosen Ablauf dieser Schritte wird verhindert, dass es zu impulsivem, der Situation unangemessenem Verhalten kommt.
Probleme
Einfach beschrieben gibt es in diesem System zwei Stellen, an denen durch Fehlfunktionen Aggression entstehen kann. Zum einen kann es passieren – zum Beispiel durch Läsionen oder ineffiziente Verarbeitung –, dass die Amygdala einen Reiz oder Sinneseindruck aus der Umwelt falsch oder deutlich stärker einstuft, als er eigentlich verdient. Dadurch kann ein Gefühl von Angst entstehen. Und das kann zu einem aggressiven Verteidigungsverhalten führen.
Die zweite Stelle, an der Aggression entstehen kann, ist der PFC. Hier werden Impulse kontrolliert und Handlungen geplant. Fehlfunktionen am PFC sind häufig auf Irregularitäten an den Transmittern zurückzuführen, wie zum Beispiel bei der Herstellung, der Wiederaufnahme oder dem Stoffwechsel der Neurotransmitter. Je nach Neurotransmitter und Stelle im System, an der der Fehler auftritt, kann es zu einem fehlgeleiteten Belohnungssystem kommen, das Aggression belohnt. Oder es kann zu einem Verlust der kognitiven Kontrolle kommen, und das führt ebenfalls zu Gewalt.
Wie kann es zu diesen Fehlfunktionen kommen?
Verschiedene Ursachen können den oben beschriebenen Fehlfunktionen zugrunde liegen. Vor allem lassen sich Umweltfaktoren wie Mangelernährung, Medikamente, Unfälle und dergleichen sowie genetische Faktoren unterscheiden. Genetische Faktoren können die Neurotransmitter, ihre Rezeptoren und andere Enzyme beeinflussen. Das kann die Funktion des Serotonin-Systems oder des Dopamin-Systems beeinflussen. Beides sind wichtige Neurotransmitter, die an der emotionalen und rationalen Verarbeitung beteiligt sind. Aber auch Drogen wie Alkohol und Nikotin können die Neurotransmitter stören. Auf der anderen Seite kann es durch Unfälle zur Zerstörung bestimmter Bereiche im Gehirn kommen, wie durch den berühmten Fall des Phineas Gage gezeigt wird.
Der berühmte Fall des Phineas Gage
Phineas Gage war ein Bauarbeiter, der 1848 bei einer Eisenbahngesellschaft in Amerika arbeitete. Er wurde durch seinen schweren Unfall bekannt, bei dem ihm bei einer Sprengung eine 1 Meter lange Stange von unten nach oben durch den Schädel schoss. Dabei trat die Stange unterhalb des linken Wangenknochens ein und oben am Kopf wieder aus. Er überlebte die schwere Kopfverletzung, sein Verhalten aber änderte sich drastisch. Er wurde sehr impulsiv, unzuverlässig, sozial ungehemmt und zeigte auch ein eingeschränktes Verständnis von Empathie. Außerdem war seine Handlungsentscheidung eingeschränkt. Nach seinem Tod, zwölf Jahre später, wurde sein Körper exhumiert und sein Schädel gescannt. Dadurch konnten Neurologen ein Gehirn modellieren, das in seinen Kopf gepasst hätte. Daher weiß man heutzutage, dass durch seine Verletzung der PFC großen Schaden erlitten hat und dadurch diese Verhaltensänderung zustande kam. Generell wurde in den Jahren seitdem ein großer Zusammenhang von Verletzungen am PFC mit Aggression hergestellt.
Genetische Faktoren: Was ist MAO-A?
MAO-A ist ein sehr interessantes Enzym, das am Neurotransmitter-Abbau beteiligt ist, vor allem bei Serotonin, Noradrenalin und Dopamin. Es desaminiert Aminosäuren und baut dadurch Neurotransmitter ab. Ist zu wenig von diesem Enzym vorhanden, werden die Neurotransmitter nicht abgebaut und sammeln sich im synaptischen Spalt, sodass es zur Übererregung kommen kann. Mutationen an diesem Gen wurden in vielen Studien in Verbindung mit aggressivem Verhalten gebracht. Es gibt Mutationen, bei denen zu viel des Enzyms exprimiert wird (MAOA-H), und es gibt Varianten, bei denen weniger exprimiert wird (MAOA-L). MAOA-L wurde hierbei mit gesteigerter Aggressivität in Verbindung gebracht. Die Gene für das Enzym liegen auf dem X-Chromosom, wodurch Männer ein höheres Risiko haben, die MAOA-L-Mutation zu tragen. Seit 1995 bis 2016 wurde diese Mutation bei elf Straftätern festgestellt, die mitten in ihren Gerichtsverhandlungen steckten. Bei vier dieser Straftäter hat die Diagnose zu einem verkürzten Urteil geführt.
Wie stark ist der Einfluss dieser genetischen Faktoren?
Das ist nur eine der möglichen Mutationen, die zu gesteigerter Aggressivität führen können. Es gibt sehr viele mehr. Aber wichtig zu bedenken ist, dass unsere Gene nicht allein dafür verantwortlich sind, wie wir handeln. Es gibt seit Jahrzehnten die Debatte des „Nature vs. Nurture“ – also Natur vs. Erziehung. Unsere Gene geben uns nur Prädispositionen in eine Richtung. Erziehung, Erleben und Erfahrungen spielen auch eine große Rolle in unserer Entscheidungsfindung. Nicht jeder Mensch mit einer solchen Mutation wird tatsächlich aggressiv, genauso wie nicht jeder Mensch mit einer Prädisposition zu Krebs auch tatsächlich daran erkrankt. Die Debatte ist aber noch nicht abschließend entschieden, es gibt keinen klaren Gewinner. Jeder kann sich an dieser Stelle selbst seine Gedanken machen und zu einem eigenen Schluss kommen.
Wie kann die Sozialisation zu Gewalt führen?
An dieser Stelle in meinem Artikel bitte ich den Leser zu bedenken, dass ich mich beim Thema Sozialisation außerhalb meines Wissensbereichs bewege. Dieser Teil mag deswegen auf Profis unvollständig und knapp wirken. Ich hoffe jedoch, dass ich den wichtigsten Aspekt erklärt habe.
Dadurch wird klar definiert, dass Sozialisation ein Prozess ist, der von vielen sozialen und umweltlichen Faktoren beeinflusst wird. Und das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Entwicklung eines Menschen selten einen geraden Weg geht. Ein großer Faktor, der die Sozialisation bestimmt, ist die Erziehung. Denn Kinder lernen durch Beobachten und Nachahmen. Wenn sie also in ihrer Kindheit Gewalt erfahren oder beobachten, kann das dazu führen, dass sie dieses Verhalten fälschlicherweise als gut einstufen und nachahmen. Durch Erziehung lässt sich also ein moralischer Kompass etablieren. Ob dieser den gewaltfreien Normen entspricht oder nicht, hängt von den Eltern ab.
Diese kurze Erklärung schneidet das Thema nur knapp an. Hinter dem Wort Sozialisationseinfluss stecken nicht nur ganze Studien, sondern ganze Wissenschaftsbereiche. Psychologen, Soziologen, Pädagogen und Philosophen beschäftigen sich mit dem Einfluss, den die Umwelt auf Individuen hat. Es ist also völlig klar, dass die Umwelt, Erfahrungen und Erlerntes auch auf die Neigung zu Aggression als Problemlöser einwirken können. Diese Faktoren darf man bei der Debatte um „Nature vs. Nurture“ nicht vergessen!
Was macht Menschen also zu Gewalttätern?
Diese Frage lässt sich nicht einheitlich für jeden Kriminellen beantworten, denn Menschen sind so individuell wie ihre Beweggründe. Aber es gibt Faktoren, die eine Rolle spielen können.
Durch Drogen, Unfälle, Medikamente und andere Auslöser können der PFC oder die Amygdala gestört werden, wodurch es zu einer fehlerhaften Verarbeitung von Reizen, impulsiven Reaktionen oder generell nicht an die Situation angepassten Handlungen kommen kann.
Neben diesen Fehlfunktionen gibt es aber auch Gen-Mutationen, die eine Prädisposition zu Aggression begünstigen können. Manche Auswirkungen der Mutationen sind so drastisch, dass Straftäter vor Gericht sogar eine leichtere Strafe bekamen.
Aber Gene sind nicht die einzigen Faktoren und nehmen einem Menschen nicht seinen freien Willen, beziehungsweise läuft die Diskussion darum, ob sie das tun, noch. Denn die Sozialisation eines Menschen bestimmt auch zu einem nicht kleinen Teil die Verhaltensweisen. Ergo muss man diese Faktoren also für jeden Menschen individuell betrachten.
Bei weiterem Interesse zu dem Thema
Quellen
Amygdala: Images are generated by Life Science Databases(LSDB). – from Anatomography, website maintained by Life Science Databases(LSDB).You can get this image through: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7894854
PFC: By Polygon, data were generated by Database Center for Life Science(DBCLS)[2]. – BodyParts3D[1], CC BY-SA 2.1 jp, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=32490636
Phineas Gage: By Polygon data is generated by Database Center for Life Science(DBCLS)[3]. – Ratiu P, Talos IF, Haker S, Lieberman D, Everett P. The tale of Phineas Gage, digitally remastered. J Neurotrauma. 2004 May;21(5):637-43. PMID: 15165371 [1]Polygon data is from BodyParts3D[2]., CC BY-SA 2.1 jp, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=44466338
MAOA: By Fvasconcellos 17:43, 12 May 2007 (UTC) – From the University of Michigan’s Orientations of Proteins in Membranes database entry 2BXS.More information: De Colibus L, Li M, Binda C, Lustig A, Edmondson DE, Mattevi A (2005). “Three-dimensional structure of human monoamine oxidase A (MAO A): relation to the structures of rat MAO A and human MAO B”. Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 102 (36): 12684–9. PMID 16129825. doi:10.1073/pnas.0505975102., Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2097695
Cupaioli, F. A., Zucca, F. A., Caporale, C., Lesch, K., Passamonti, L., & Zecca, L. (2021). The neurobiology of human aggressive behavior: Neuroimaging, genetic, and neurochemical aspects. Progress in Neuro-psychopharmacology & Biological Psychiatry, 106, 110059. https://doi.org/10.1016/j.pnpbp.2020.110059
Bundesministerium des Innern und für Heimat & Innenministerkonferenz – Brandenburg 2024 (Eds.). (2024). Polizeiliche Kriminalstatistik 2023-Ausgewählte Zahlen im Überblick. Retrieved July 12, 2024, from https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/sicherheit/pks-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=3
Wettbewerbsbedingt-konfus-gepflegte Bewusstseinsschwäche in Angst, Gewalt und egozentriertem “Individualbewusstsein”, so lässt sich der Zustand von Mensch in seiner Vorstellung von SCHEINBAR größtmöglicher Vernunft und Verantwortungsbewusstsein beschreiben, doch dagegen gibt es uralte Argumente, die inzwischen auch wie Reizüberflutung gegen die etablierte Bewusstseinsbetäubung wirken und somit auch wieder nur die gleichermaßene Bewusstseinsschwäche triggern.
Ein Chirurg ist ein neurotischer Serienmörder, und ich würde sehr aufpassen, wie ich ihn heile.
Es fängt mit dem Raubtier an, das zum Überleben den Genuss braucht, lebendes Fleisch zu schneiden, zu zerfetzen. Wenn das Fleisch lebt, schreit, zuckt, ist es frisch, und so wird Leid zum Gewürz.
Irgendwann lernt das Tier, dass es in der Gruppe dieses Gefühl, zu töten, zu siegen, zu fressen, öfter genießen kann, und wird sozial. Der Jäger tötet für den Stamm, für die Gemeinschaft, für den Status. Seine Kunst, seine Präzision, sein Können, bereiten ihm Genuss, wenn er sie mit Trophäen zur Schau stellt, wird er bewundert, bekommt Weibchen und Privilegien. Doch mit Macht kommt Verantwortung, noch reicht das Personal der Gruppe nicht aus, dass sich Rollen ausdifferenzieren: Noch ist der Stärkste König, Richter, Henker, Polizist, Vater, Späher, General, Priester, Gott. Er muss das Fleisch auch verteilen. Er muss gerecht sein, belohnen können. Er muss nicht nur Tiere jagen und verstehen können, sondern auch seine Stammesgenossen – die gleichen Fähigkeiten für eine andere Art von Jagd und Beute. Seine Macht bekommt er als Lohn dafür, der Nützlichste aller Diener zu sein.
Die Kunst des Folterknechts, die Kunst des Killers, erfordert Fähigkeiten, die man auch bei der Jagd und Zubereitung von Holz und Stein nützen kann – er frisst und verdaut noch mehr Umwelt, um sich daraus Prothesen zu bauen, künstliche Körperteile – Klauen und Zähne und Drohnen, die autonom töten, wenn er sie wirft oder mit dem Bogen abschießt. Er tut immer noch das, was ein Tier tut, Fressen, Verdauen, sich Körpermasse, Organe, Gliedmaßen daraus formen. Nur sind große Teile des Prozesses nach außerhalb des Körpers verlegt, und werden in der Gemeinschaft verteilt.
Irgendwann lernt er, dass die Grausamkeit, die Präzision, die Kunst des Zerfetzens, auch bei der Behandlung von Wunden nützlich sind. Amputationen, Entfernen von Dornen oder Pfeilspitzen, das Planschen in Blut und Eiter, das er schon kannte und liebte, bevor er geboren war. Er wird zum Schamanen, Heiler.
Irgendwann unterwegs entdeckt das Raubtier, dass etwas ihm so Fremdes wie Mitgefühl unglaublich nützlich ist, wenn es darum geht, seine Neigungen mit dem Wohl der Gruppe zu vereinbaren. Er ist immer noch der Soziopath, der als Raubfisch den Urozean unsicher machte. Aber das Mitgefühl, das Spiegeln der Gefühle der Anderen, der „Beute“, hilft ihm, es zu moderieren.
Und so muss er ein Hirn entwickeln, das beides unter einen Hut bringt – den Wunsch, zu foltern und zu töten und den Wunsch, der Gemeinschaft zu dienen, damit er nicht selbst getötet und gefoltert wird. Mitgefühl ist wohl gestörtes Körpergefühl – das Fleisch der Anderen wird wie eigenes wahrgenommen. Und so wächst die Gemeinschaft zu einem großen Ich zusammen. Mal wieder. Schließlich sind wir alle nur Bakterienkolonien, ein Haufen siamesische Einzeller-Zwillinge, die von der Natur verkrüppelt wurden, um voneinander abhängig zu sein, und so ein gemeinsames Ich entwickeln mussten. Im Grunde sind wir Tumore, die rausgekriegt haben, wie das mit dem Sozialismus geht.
Die Chirurgie – erlaubt ihm ein fein getuntes Zusammenspiel all seiner widersprüchlichen Wünsche, Neigungen, Fähigkeiten. Sadismus und Empathie, die von einer leistungsfähigen CPU koordiniert werden, machen einen gesunden Menschen aus.
Doch was ihn im Innersten antreibt, ist immer noch das Raubtier. Das fressen will und panische Angst hat, gefressen zu werden.
Gewalt entsteht aus gescheiterter Sublimierung. Die Aggression – treibt uns an, ohne sie wären wir tot. Ohne das Raubtier und seine Instinkte wären wir tot, denn es funktioniert wie eine Matrioschka – auf jedem Hirn ist ein neues gewachsen, und die Triebe, Instinkte, Programme, die von dem Vorgänger stammten, können nie vollständig gelöscht werden. Sie werden genutzt, kanalisiert, um neue Triebe, Instinkte, Programme anzutreiben, die eine neue Kreatur mit einer neuen Lebensweise, einem neuen Körper, neuem Hirn, neuen Fähigkeiten braucht.
Und so leben die Zombies vergangener Epochen als wirres Knäuel von Träumen und Erwartungen in uns fort, das Unterbewusstsein, das wir brauchen, um das Bewusstsein am Laufen zu halten, unser Leben, unsere Gedanken, Emotionen, Handlungen. Und heute sehen Sie wunderbar, was passiert, wenn Ihre neueste Hirnschicht, programmiert für eine Welt, die zu Staub zerfällt, keine Antworten mehr weiß – die Zombies kriechen aus ihrem Grab ans Tageslicht und übernehmen.
Die CPU, die uns Selbstkontrolle ermöglichte, ist nutzlos, sie weiß nicht, was sie tun soll. In guten Zeiten passiert das durch Hirnschäden oder Fehlfunktionen oder gezielte Sozialisierung, es bleibt eine Krankheit, ein Ausnahmefall. Wenn es aber keine Gegenwart gibt, wenn die Vernunft selbst zum Wahnsinn wird, weil sich die Welt von ihr genauso entfernt, wie sich der Wahnsinnige von der Welt entfernt – werden wir alle zu Soziopathen und fallen in atavistische, traumartige Geisteszustände zurück.
Es ist nur Verwesung – reine Aggression ist wie Feuer, sie zerstört etwas, das sowieso schon klinisch tot ist, um Platz für etwas Neues zu machen. Sie schneidet uns in mundgerechte, kleine Häppchen, an denen sich die wenigen Überlebenden mästen können, statt uns als funktionierende Zombies zu belassen, die für ihren sinnlosen Kampf ums Überleben Ressourcen rauben, welche für Experimente und Neuanfang nötig sind. Theoretisch hätten wir genug Verstand, um das als Chirurgen zu erledigen – die alte Welt geordnet abzureißen und für eine neue zu recyceln. In der Praxis reicht unser Verstand anscheinend noch nicht aus, also muss die olle Zombie-Apokalypse noch mal ran.
@Hauptartikel
Naja, die aktuelle soziale Situation spielt sicher auch noch eine Rolle. Als Polizist darf und muss ich in bestimmten Situationen gut dosierte Gewalt anwenden. Als Soldat im Krieg dann noch viel heftiger und so ziemlich ohne wirkliche Regeln. Wenn mal ein Soldat wirklich Ärger bekommt, dann fast immer nur von der Partei der Kriegsverlierer.
Auch wenn uns Bücher, Film und Fernsehen oder Computerspiele ständig Gewalt vorführen, beeinflusst das eher nicht unsere Neigung zu tatsächlicher Gewalt. Offenbar wissen wir die Fiktion und die Realität sehr genau zu unterscheiden.
Spezielle soziale Situationen gibt es jetzt auch noch. Wenn z.B. Drogenhändler Konflikte haben, dann können die damit nicht zum Anwalt gehen. Die müssen das unter sich regeln, und öfter geht das dann nicht ohne Gewalt. Wobei sie der Situation angemessen durchaus öfter nur mäßige Körperverletzungen anwenden, soweit das dann reicht, sich wieder einig zu werden.
Extreme soziale Benachteiligung schon im späten Jugendalter kann dann auch die Neigung zu Kriminalität erheblich erhöhen. Nicht nur weil es an Geld und guter Beschäftigung fehlt, aber auch deswegen.
Da Gehirn ist keine Waffe. Es wird zur Waffe wenn ich es manipuliere, ihm mit Programmen und Werten füttere die Hass oder Wut in ihm auslösen. Sie erreichen die Gehirne am besten über die Medien. Menschen konsumieren Informationen wie das tägliche Essen. Informationen sind nicht gleich Informationen. Propaganda zum Beispiel emotionalisiert Informationen so dass sie im Interesse der Macht /des Systems/der Parteien automatisch Wut oder Hass oder Ängste auslösen. Denn mit Gefühlen können sie Menschen am besten steuern, manipulieren, lenken. Geben sie ihnen das Gefühl dass ihre Werte verletzt werden-nachdem sie ihnen suggeriert haben, was ihre Werte sein sollen- und schon fühlen sie sich verletzt und werden aggressiv da Aggressivität aus Verletzung entsteht. Wenn, wie sie schreiben, die Sozialisation zur Gewalt führt, dann ist nicht der Mensch(das Gehirn) schuld sondern vielleicht das System was die Werte für die Sozialisation stellt und somit die Gehirne (das Verhalten) prägt.
Leah Wildenmann schrieb (18. Jul 2024):
> […] -Stangl, 2018
“Der” Stangl war mir bisher kein Begriff (also außerhalb meiner fachlichen Sozialisation) …
Deshalb danke für diese (womöglich nicht ganz unabsichtliche) Demonstration einer Methode, Neugier zu wecken.
p.s.
Wie man (heutzutage) leicht ausfindig macht, verdankt Prof. Werner Stangl den von ihm prominent genutzten » […] öffentlichen Raum […] dem von der Stadt Linz durchgeführten Projekt “Public Space Server”, bei dem die Stadt Linz allen interessierten LinzerInnen ab 14 Jahren einen Platz im Internet kostenlos zur Verfügung stellt. «
Da werden manche von denjenigen neugierig, deren Wohn-, Geburts- oder Aufenthaltsort bzw. -Landkreis, -Bundesland, -Staat oder -Gebühreneinzugsgebiet keine solchen Projekte anbietet; und die sich somit angewöhnt und (bis auf Weiteres) damit abgefunden haben, ihr ehrenamtliches Wirken jeweils vermittels Kommentaren in den SciLogs bzw. “im anderen Laden” (bestenfalls) zu betreiben. (Oder, je nach Ansicht: störend und Zeit-raubend aufzudrängen.)
In US-Sicherheitsgefängnissen wurden Untersuchungen bei Serientätern gemacht.
Man fand heraus, dass das gemeinsame Merkmal bei ihnen die fehlende Empathie gegenüber Mitmenschen war.
Wie die Empathie biologisch zu erklären ist, das weiß ich nicht.
hto
fehlende Empathie ist eine Bewusstseinsschwäche.
Und das Pikante dabei, die betroffenen Personen waren intelligent und erschienen den Mitmenschen als vernünftig.
Goethe meinte sogar, dass das Böse, das Krankhafte sei.
“Aber Gene sind nicht die einzigen Faktoren und nehmen einem Menschen nicht seinen freien Willen, beziehungsweise läuft die Diskussion darum, ob sie das tun, noch. Denn die Sozialisation eines Menschen bestimmt auch zu einem nicht kleinen Teil die Verhaltensweisen. Ergo muss man diese Faktoren also für jeden Menschen individuell betrachten.”
Die Gene “tun das”, in der Grenze der “individuellen Verhaltensweisen”, bzw. in der gleichermaßen unverarbeitet-instinktiven Bewusstseinsschwäche seit Mensch erstem und bisher einzigen GEISTIGEN Evolutionssprung, deshalb ist eine “individuelle Betrachtung” eine Stigmatisierende, die auch wieder nur in mehr und/oder weniger systemrationale Bewusstseinsbetäubung münden muss!
Mensch bedeutet Vernunftbegabung für ALLE / für das ganzheitlich-ebenbildliche Wesen, im DANN Freien Willen / im zweifelsfrei-eindeutigen Verstand von wirklich-wahrhaftiger Vernunft und Verantwortungsbewusstsein, sozusagen geistig-heilendes Selbst- und Massenbewusstsein, ANSTATT “Sozialisation” von wettbewerbsbedingt-egozentriert-konfuses “Individualbewusstsein”, wo nichts Wunder oder Phänomen ist, sondern nur Grad und Stand von Bewusstseinsschwäche zur Hierarchie in Kapitulation vor der Bewusstseinsbetäubung bestimmt.
Überhaupt:
Das Wort Sozialisation macht mich ziemlich “wuschig” 😠 weil es in dieser zeitgeistlich-reformistischen Welt- und “Werteordnung” sehr viel mehr Korrumpierung lauten sollte.
@hto 20.07. 17:41
„Das Wort Sozialisation macht mich ziemlich “wuschig” weil es in dieser zeitgeistlich-reformistischen Welt- und “Werteordnung” sehr viel mehr Korrumpierung lauten sollte.“
Da ist wohl sogar was dran. Man muss es aber nicht negativ sehen. Wer in der Schule fleißig lernt, gute Abschlüsse macht, eine Ausbildung absolviert und dann einen guten Arbeitsplatz ergattern kann, der wird dann auch mit Geld und Anerkennung belohnt.
Wem das alles zu kompliziert wird, und nach der abgebrochenen Schule sich gleich als Einbrecher versucht, bei dem wäre Sozialisation eben gescheitert. Der wird dann keinesfalls belohnt, verbringt sein halbes Leben im Knast und trifft auch sonst überwiegend auf allseitige Ablehnung.
Die Korrumpierung funktioniert im ersten Fall, im zweiten dann eben nicht.
Nebenbei führt dieses dann aber zu fleißigen kompetenten Arbeitern, ohne die eine moderne Gesellschaft nicht so florieren würde wie unsere.
Jetzt trifft es aber in Ländern mit weniger florierenden Verhältnissen auch sehr viele, die außen vor bleiben, ohne es selbst verursacht zu haben. Wir hier kümmern uns sogar um Behinderte, wo man auch irgendwie versucht, die wenigstens halbwegs zu integrieren. Mit durchaus mittelmäßigem Erfolg.
@N.: “Goethe meinte sogar, dass das Böse, das Krankhafte sei.”
Für Dich als Kirchenmensch: Die “Vertreibung aus dem Paradies”, also Mensch geistiger Evolutionssprung, ist der Hinweis / die Metapher / das Symbol für das “Böse” – Es geht hier nicht vorrangig um “Sozialisation” in ein hierarchiesch-kontrolliertes “Recht des Stärkeren” von Ausbeutung und Unterdrückung, sondern um die gemeinsame zweifelsfrei-eindeutige wirklich-wahrhaftige Überwindung unserer instinktiven Emotionalität – Vernunftbegabung zu “gottgleicher” Vernunft, um DANN im wirklich-wahrhaftig Freien Willen …
In einem entsprechenden Rahmen der Aug-in-Aug-Kommunikation, könnte ich Dir sicher jede “zivilisiert-kultivierte Friedfertigkeit” sozusagen unangenehm-erhellend austreiben.
👋😉 👋😇
@Jeckenburger: “Wir hier kümmern uns sogar um Behinderte, wo man auch irgendwie versucht, die wenigstens halbwegs zu integrieren. Mit durchaus mittelmäßigem Erfolg.”
Tja, in einem möglichst globalen Gemeinschaftseigentum OHNE wettbewerbsbedingte Symptomatik, wäre diese Integration absolut kein Problem, weil die “Ökonomie” der unternehmerischen Abwägungen von/zu “Wer soll das bezahlen?” dann keine Macht mehr hat.
“Die Korrumpierung funktioniert im ersten Fall, im zweiten dann eben nicht.”
Ehrlich, das ist für mich leichtfertiger Zynismus im Verhältnis 1:5 der Weltbevölkerung (Wohlstand : Tittytainment).
“Nebenbei führt dieses dann aber zu fleißigen kompetenten Arbeitern, ohne die eine moderne Gesellschaft nicht so florieren würde wie unsere.”
Das ist im zeitgeistlich-reformistischen Kreislauf eine uralte intrigante Methode, also entsprechend modernd.
@Jeckenburger
Nocheinmal zu: “Nebenbei führt dieses dann aber zu fleißigen kompetenten Arbeitern, ohne die eine moderne Gesellschaft nicht so florieren würde wie unsere.”
Wenn die “Ökonomie” von unternehmerischen Abwägungen in “Wer soll das bezahlen?” keine Macht mehr hat, wenn es also eine wirklich-wahrhaftige Leistungsgerechtigkeit OHNE irrationalen Zeit-/Leistungsdruck zu einer Karriere von Kindesbeinen gibt, wenn Arbeit sozusagen unendlich teilbar ist, dann können sogar behinderte Menschen ohne Abwägung ihrer Lebensläufe entsprechend freiheitlich teilhaben.
hto,
“eindeutige wirklich-wahrhaftige Überwindung unserer instinktiven Emotionalität ”
Das geht nicht auf Knopfdruck. Die Päpste des Mittelalters haben das versucht, und als sie erfolglos blieben , haben sie die Betroffenen verbrannt.
Die Kommunisten haben nach dem 2. Weltkrieg die Unbelehrbaren in Umerziehungslager gesteckt, das hat auch nicht funktioniert.
Man kann die instinktive Emotionalität nicht aberziehen.
Die Fortpflanzung beruht auf instinktiver Emotionalität.
Aber…….es gibt Hoffnung. Bei der künstlichen Intelligenz gibt es keine instinktive Emotionalität. Frag mal bei Chat GPT nach, ob sie Instinkte hat .
“… aber dennoch eine sehr hohe Zahl für diese Art von Übeltaten.”
Die Biologie hinter Egoismus …
Die Biologie hinter Intrigen …
Die Biologie hinter dem “gesunden” Konkurrenzdenken …
Die Biologie hinter der stets konfusen und heuchlerisch-verlogenen Schuld- und Sündenbocksuche …
Die Biologie hinter dem “Tanz um den heißen Brei” …
hto
die Biologie hinter Moral ?
Sie steht vor der Moral. Zuerst kommt das Fressen dann kommt die Moral.
Zum Glück stimmt das nicht immer. Selbstlosigkeit hat es immer gegeben und wird es immer geben.
@N
Wenn das Gehirn zur Waffe wird, dann geht’s der Realität an den Kragen.