Warum Ratten über LSD nur den Kopf schütteln – Ein Interview mit Dr. Tobias Buchborn
Dr. Tobias Buchborn ist ein deutscher Neurowissenschaftler und Psychologe, der sich auf die Wirkung psychedelischer Substanzen, wie etwa LSD, spezialisiert hat. Am 15. Juli 2024 hat er sich die Zeit genommen, um mit mir über seine Forschung und Psychedelika im Allgemeinen zu sprechen. Ich wünsche euch viel Spaß mit dem Interview!
Florian Walter: Hallo Tobias, schön, dass du dir die Zeit genommen hast!
Tobias Buchborn: Sehr gerne, lieber Florian, ich freue mich.
F: Einmal kurz zu deiner Person. Du bist ja momentan Postdoc am Institut für Psychopharmakologie am ZI in Mannheim. Aber du hast vorher ja schon eine ganze Menge andere Forschung gemacht. Kannst du für die Leserinnen und Leser vielleicht einmal kurz beschreiben, wie deine bisherige Laufbahn so aussah und wer du so bist?
T: Ja, das mache ich sehr gerne. Ich heiße Tobias Buchborn, ich bin Diplom-Psychologe und habe im Fach Neurobiologie promoviert; Das habe ich beides an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg gemacht. Ich habe mich dann in der finalen Phase meiner Promotionsarbeit um eine Marie-Curie-Fellowship Horizon 2020 beworben, mit der ich meine Forschung im Ausland – am Imperial College in London – fortsetzen konnte. Dort habe ich Einblicke in Methoden bekommen, die ich auch heute noch verwende. Auch die Forschungsgrundsteine, die ich in London gelegt habe, kann Ich hier am ZI in Mannheim nun weiterausarbeiten. Allgemein war London the place to be für psychedelische Forschung in dieser Zeit, um 2016 herum. Es war also ideal für mich, dort hinzukommen.
Der rote Faden, der sich durch meine Forschung zieht, waren immer psychedelische Substanzen. Schon in meiner Diplomarbeit, also als ich zum Psychologen wurde, habe ich in einem Tiermodell der Depression untersucht, ob LSD antidepressive Eigenschaften hat. Das war 2005, also ewig lange her, weit vor diesem ganzen Hype, der im Moment herrscht. Das hat damals übrigens auch funktioniert. Also wir hatten damals schon Hinweise darauf, dass Psychedelika antidepressive Effekte auslösen können.
Während meiner Doktorarbeit habe ich mich dann mit pharmakologischer Toleranz gegenüber Psychedelika auseinandergesetzt. Ich bin also der Frage nachgegangen, warum die wiederholte Einnahme dieser Substanzen recht schnell nahezu mit einem kompletten Wirkverlust einhergeht. Dies habe ich zellbiologisch sowie behavioral, zum Beispiel im Zusammenhang mit psychedelischen Wet-Dog-Shakes, untersucht. Wet-Dog-Shakes halten mich schon länger auf Trapp. Sowohl in London als auch gegenwärtig am Institut für Psychopharmakologie, ZI Mannheim, beschäftigen wir uns mit den neurophysiologischen Korrelaten dieses durch Psychedelika bei Tieren ausgelösten Schüttelverhaltens.
F: Okay, also man hört schon; du hast da schon eine ganze Menge mitgenommen und auch schon an einigen sehr prestigeträchtigen Stellen geforscht. Das Imperial College dürfte einigen Leserinnen und Lesern auch bekannt sein. Z.B. aus Blogbeiträgen, die hier Studien aus dem dortigen „Center for Psychedelic Research“ schon behandelt haben.
Aber lass uns noch einmal kurz einen Schritt zurückgehen. Woher kommt denn überhaupt dieses gesonderte Interesse an psychedelischen Substanzen?
T: Ja. Ich würde sagen, das ist meinem Interesse an der Psyche allgemein geschuldet. Die Psyche ist sozusagen meine erste Liebe. Um zu erklären, warum das so ist, muss man, glaube ich, ein bisschen philosophisch ausholen. Alles Menschengemachte – so denke ich – alles, was Menschen bewirken, ob es zu Freud‘ oder Leid führt, zu Krieg oder Frieden, alles in der Welt der Menschen fußt in Verhalten. Und Verhalten fußt in der Psyche. Die Psyche ist also allgegenwärtig. Und trotzdem, obwohl sie uns Haus und Heim ist, wissen wir so wenig über die Psyche. Ganz viele Bereiche der Psyche sind uns nicht zugängig. Das ist die Paradoxie: Etwas, was immer um uns herum ist, ist doch so unvertraut.
Psychedelika erlauben temporär Einblicke in jene psychischen Bereiche, die normalerweise verborgen sind. Diese Einblicke sind so gewaltig, dass es gar nicht sinnvoll wäre, wenn sie uns immer zugängig wären. Aber hier liegt der Nutzen der Psychedelika: Hier können wir etwas über die Psyche lernen. Hier können wir affektiven Verkapselungen und charakterlichen Verhärtungen mit neuem Wissen über die Wirkweisen des eigenen Innenlebens sowie der eigenen Biografie begegnen. Ich glaube, dass der psychedelische Weg ein sehr einzigartiger, recht benigner Weg ist, um die Psyche kennenzulernen und die Kommunikation mit ihr zu begünstigen; vorausgesetzt, dass der Prozess ordentlich contained, so zum Beispiel in einem therapeutischen Rahmen begleitet ist.
F: Das ist interessant und bringt mich auch gleich dazu, ein bisschen von meinen geplanten Fragen abzuweichen:
Du hast ja die psychedelische Revolution und auch die Psychotherapie jetzt schon erwähnt. Die Behandlung psychischer Erkrankungen ist ja auf jeden Fall der Stern, unter dem die Forschung in den letzten 15 Jahren auch ganz eindeutig steht. Wenn man aber durch die Literatur schaut, dann taucht da aber noch ein anderer Begriff immer häufiger auf. Und zwar das Konzept Betterment of Well People. Also Hilfestellungen für psychisch gesunde Menschen.
Nun beschreibst du Psychedelika als ein Mittel zur Selbsterkenntnis. Deshalb meine Frage: Glaubst du, dass der Anwendungsbereich dieser Substanzen rein klinisch sein sollte, oder haben sie auch darüber hinaus eine Daseinsberechtigung?
T: Ich glaube, dass der gesellschaftliche Weg auf jeden Fall zunächst klinisch gehen wird, einfach aufgrund des rechtlichen Problems und auch, weil Psychedelika eben sehr mächtige Werkzeuge sind. Wenn Psychedelika allgegenwärtig und jedem jederzeit zur Verfügung stünden, würde damit früher oder später wohl auch Schindluder getrieben werden. Deshalb glaube ich, dass der Weg über die klinische Anwendung gehen wird.
Ich persönlich glaube aber auch, dass die Psychopathologie nicht die einzige mögliche Indikation von psychedelischer Behandlung ist. Stephanie Stahl, Diplom-Psychologin und Best-Seller-Autorin, spricht in ihrem Podcast von uns Normalgestörten. Das gefällt mir. Selbst die, die nach gesellschaftlichen Maßstäben gesund und funktional sind, haben auch ihr Päckchen zu tragen; sie haben mitunter neurotische Anteile und daraus resultierende Verhaltensunfreiheiten. Da geht es dann ganz viel um die Vergangenheit und Bereiche dieser, die noch nicht integriert sind: Affektives, das noch nicht in Worte gefasst wurde, oder andersherum in Worte Gefasstes, das affektiv abgespalten geblieben ist.
Hier glaube ich, dass auch Normalgestörte Nutzen aus einer psychedelischen Erfahrung schöpfen könnten. Wir alle sitzen in dem Haus Psyche und wir alle kennen uns nur zu bestimmten Graden in diesem aus. Und es ist gut, das Haus, das man bewohnt, soweit dies möglich ist, auszuleuchten. Allerdings vermute ich, dass, falls Psychedelika überhaupt gesellschaftlich verfügbar sein werden, dies dann erst einmal in medizinisch psychologischen Institutionen der Fall sein wird.
F: Ja, also quasi ein klinisches Setting, das jetzt nicht zwangsläufig an eine klinische Diagnose gebunden ist, wenn ich dich da richtig verstehe?
T: Wer hat schon die gesunde Psyche? Der Körper ist ja auch immer mal wieder angeschlagen. Wir alle haben mal eine Erkältung, ein gebrochenes Bein oder Ähnliches. Und das passiert der Psyche ja auch alle naselang. Das Aufrechterhalten einer gesunden Psyche ist ein lebenslanger Kampf. Viel maladaptives Verhalten resultiert aus Altlast. Ziel ist es, diese Altlast abzubauen, damit die Psyche sich darauf konzentrieren kann, dem Hier-und-Jetzt entsprechend den Vorgaben des Hier-und-Jetzt zu begegnen, nicht der Vergangenheit. Hier sehe ich also durchaus Anwendungsmöglichkeiten außerhalb des Bereichs des Grenzpsychologischen. Theoretisch zumindest, wenn ein gesellschaftlicher Rahmen dafür geschaffen würde. Zudem gibt es natürlich auch diverse andere, substanzungebundene Wege, die Kommunikation mit der eigenen Psyche zu bahnen. Nicht jeder Mensch ist für eine psychedelische Erfahrung geschaffen und sollte sich dann auch nicht dazu zwingen oder genötigt fühlen. Dies wäre auf jeden Fall kontraindiziert.
F: Verstehe. Dann lass uns doch noch einmal ein bisschen auf die grundlegenderen wissenschaftlichen Themen zurückkommen.
Könntest du einmal kurz definieren, was genau eigentlich eine psychedelische Substanz ausmacht, was diese Klasse umfasst und was vielleicht auch nicht mit reinfällt?
T: Psychedelische Drogen sind psychotrope, psychoaktive Substanzen, die in die Klasse der Halluzinogene gehören. Halluzinogen ist der Oberbegriff für eine ganze Reihe von Substanzen. So gibt es zum Beispiel serotonerge Halluzinogene, antiglutamaterge Halluzinogene und GABAerge Halluzinogene. Serotonerge Halluzinogene umfassen Substanzen wie LSD, Psilocybin, DMT, Meskalin sowie deren Derivate. Diese Gruppe ist es, die ich als synonym mit Psychedelika verstehe. Da gibt es bis dato aber keine allgemeingültige Nomenklatur. Es gibt viele Autoren da draußen, die Substanzen wie MDMA oder Ketamin auch unter dem Namen Psychedelikum beschreiben. Das finde ich aber nicht sinnvoll, weil diese phänomenologisch und pharmakodynamisch komplett unterschiedlich von serotonergen Halluzinogenen sind. Das heißt, die würde ich abgrenzen: MDMA als Entaktogen/Empathogen und Ketamin als Dissoziativum oder antiglutamaterges Halluzinogen.
Das definierende Charakteristikum für ein serotonerges Halluzinogen ist die Aktivierung des Serotonin-2a-Rezeptors. Jedes serotonerge Halluzinogen aktiviert den Serotonin-2a-Rezeptor und vermittelt darüber seine psychedelische Wirkung. Man muss an dieser Stelle noch ein bisschen was im Detail sagen. Es gibt auch Serotonin-2a aktivierende Komponenten, die nicht psychedelisch wirken. Es scheint also auch noch zusätzliche Kofaktoren zu geben, die notwendig sind, damit eine psychedelische Wirkung zustande kommt. Die kennen wir aber noch nicht so gut. Das heißt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist Serotonin-2A-Agonismus das definierende Charakteristikum eines Psychedelikums.
Auf psychologischer Ebene, würde ich sagen, kann man Psychedelika so definieren, wie Stanislav Grof das getan hat: Als unspezifische Katalysatoren psychischer Prozesse. Ergänzend würde ich hinzufügen, dass Psychedelika das Wachbewusstsein, das normalerweise durch Kognitionen aufgespannt ist, in Richtung der Affektivität einschließlich der Emotionen auslenken. Der psychedelische Rausch spricht im Grunde die Sprache „Affekt“. Im psychedelischen Rausch ist nicht Deutsch, nicht Englisch, nicht das Wort das dominierende Prinzip. Nicht, dass wir da nicht mehr sprechen können, aber es ist nicht die Sprache, die das Geschehen dominiert. Stattdessen sprechen Affekte.
Darin unterscheiden sich Psychedelika auch von allen anderen Substanzen. Amphetamin, Kokain oder Morphin sprechen natürlich auch Affektivität an. Sie zwingen aber immer in eine mehr oder weniger vorgegebene Richtung. Psychedelika sind unspezifische Katalysatoren. Das heißt, jede Emotion, jedes affektive Gefüge, jeder Affektkomplex kann zum Zentrum des Rausches werden. Deshalb kann ein Rausch auch wunderschön, maniform und erhellend sein, aber auch zu Tode betrüben, angstvoll erregen und niederschmettern. Jeder Affekt kann ein bewusstseinsbestimmendes Prinzip werden.
F: Okay, wir fassen also zusammen: Psychedelika sind emotionale Katalysatoren, die ihre Wirkung primär über den Serotonin-2a-Rezeptor entfalten und sich dadurch sowie durch die mögliche Affektvielfalt zum Beispiel von MDMA oder Ketamin unterscheiden.
T: Ja, genau. Denn Kokain, Amphetamin oder auch MDMA zwingen affektiv in eine relativ vorgegebene Richtung. Da gibt es keine große Wahl. Das machen Psychedelika nicht. Du weißt nie wirklich, welches affektive Gefüge sich dir öffnen wird. Oft sind es auch mehrere, die mitunter sehr abrupt variieren können.
F: Es ist ja so, dass der Großteil der öffentlich besprochenen psychedelischen Forschung an Menschen durchgeführt wurde. Deine Forschungsergebnisse stammen aber meistens aus Tiermodellen, spezifischer aus Forschung an Nagern.
Mir ist aufgefallen, dass psychedelische Tierforschung manchmal auf Verwirrung stößt, weil Psychedelika ja zu sehr emotionalen Erfahrungen führen und man Tiere schlecht nach ihren Emotionen fragen kann. Kannst du uns erklären, warum du dich gerade für diese Art der Forschung entschieden hast?
T: Das hatte zunächst ganz pragmatische Gründe. Mir schien es nämlich schon als Student recht plausibel, dass psychedelische Substanzen therapeutisches Potenzial haben. Das war so ungefähr im Jahr 2004. Mir war klar, dass ich gerne eine Studie dazu in die Wege leiten würde. Das war aber in einer Zeit, in der Psychedelika überhaupt nicht en vogue waren, als man bei diesem Thema eher die Nase gerümpft hat. Die zweite Welle der psychedelisch-therapeutischen Forschung, die wir gegenwärtig erfahren, ist ja richtig erst in den 2010er Jahren losgetreten worden.
Das heißt, als Psychologiestudent Anfang der 2000er Jahre eine Studie über den therapeutischen Nutzen von Psychedelika auf den Weg zu bringen, war eigentlich grenzillusorisch. Ich habe dann Allgemeine Pharmakologie als nichtpsychologisches Wahlpflichtfach an der Medizinischen Fakultät Magdeburg absolviert, eine Hausarbeit über die Pharmakologie von Psilocin geschrieben und konnte infolgedessen dann mein Forschungsanliegen zur antidepressiven Wirkung von LSD bei den Professoren des pharmakologisch-toxikologischen Instituts vorbringen. Zu meinem Glück hatte man dort nicht nur Methodik und BtM-Umgangserlaubnis für LSD, sondern auch die Weitsicht, ein solches Projekt tierexperimentell umzusetzen. Die Idee hat sich dann auch bewährt und wir konnten die Ergebnisse mit etwas Verzögerung in einem internationalen Wissenschaftsjournal veröffentlichen.
Für mich gibt es aber auch andere Gründe, warum ich die Tier- oder genauer gesagt die präklinische Forschung für sehr wichtig erachte. Denn in der präklinischen Forschung geht es ja nicht nur um Tiere, sondern auch um Zellen, Gewebe, Organoide und andere Ersatzsysteme. Ich mag an der präklinischen Forschung die Vielfalt der Methoden. In der psychologisch-neurobiologischen Humanforschung kannst du natürlich deine Fragebögen austeilen und du kannst dein EEG, MEG, fMRT und PET durchführen. Das sind großartige Methoden, die in ihrer Untersuchungstiefe jedoch begrenzt sind. Wenn man beispielsweise an das EEG denkt, das ja zeitlich sehr, sehr hochauflösend ist. Das EEG ist leider auf die Großhirnrinde beschränkt und kann uns nur sehr indirekt etwas über subkortikale Vorgänge sagen, geschweige denn über einzelne Zelltypen, Transmittersysteme oder 2nd Messenger.
Ich bin ein sehr kausalorientierter Mensch und ich denke, dass man in der präklinischen Forschung viel, viel tiefer und viel dezidierter an den Kern von gehirnphysiologischen Prozessen herankommen kann. Auch im Zusammenhang mit Psychedelika kommen viele wichtige Befunde aus der Tierforschung. Zum Beispiel die Tatsache, dass der Serotonin-2a-Rezeptor das „psychedelische Prinzip“ ist; das hat man zwar irgendwann dann auch beim Menschen nachgewiesen, das Augenmerk auf diesen Rezeptor zu richten, ist jedoch durch präklinische und Tierforschung angeregt worden. Man hat sich nämlich zum Beispiel die bereits erwähnten, durch Psychedelika hervorgerufenen Wet-Dog-Shakes angeguckt. Dabei zeigte sich, dass vor allem jene Antagonisten Wet-Dog-Shakes blockieren, die eine hohe Bindungsstärke am Serotonin-2A-Rezeptor haben, nicht jedoch an anderen Rezeptoren.
Da könnte ich hier ganz viele Beispiele nennen. Auch die Idee, dass die Pyramidenzellen der Schicht 5 der Großhirnrinde besonders wirkungsrelevant sind. Von diesen glaubt man nämlich, dass sie das Substrat der psychedelischen Wirkung darstellen. Ein Modell, das in-vitro vor allem durch Elektrophysiologie an Rattengehirnen etabliert wurde. An so etwas kommt die Humanforschung nur schwer ran. Genau das finde ich so faszinierend. Also die Vielfalt und die Tiefe, in die man da neurobiologisch schürfen kann.
F: Verstehe. Das Thema ist jetzt schon ein paar Mal aufgekommen. Wie du am Anfang schon erwähnt hast, ist der wichtigste Gegenstand deiner momentanen Forschung der Wet-Dog-Shake. Manchmal auch Head-Twitch genannt. Ist dieses Verhalten ein Mittel, um die Wirkung von serotonergen Psychedelika an Tieren festzustellen? Magst du mal ein bisschen erklären, was es genau damit auf sich hat und warum es für dich jetzt gerade so spannend ist, sich genau dieses Verhalten anzusehen?
T: Alle Psychedelika, wenn man sie der Maus, der Ratte oder anderen felltragenden Tieren gibt, veranlassen die Tiere dazu, kurze Perioden des Ganzkörperschüttelns an den Tag zu legen. Diese Schüttelperioden dauern 200 Millisekunden, das ist also sehr, sehr rapide. Die Tiere machen das ungefähr 10- bis 20-mal in einer halben Stunde, abhängig vom jeweiligen Psychedelikum. Und dieses Verhalten haben wir auch alle schon mal beobachtet, nämlich wenn ein nasser Hund aus dem Wasser oder Regen kommt – deshalb auch Wet-Dog-Shake. Die Tiere wollen das Wasser loswerden und fangen deshalb an, sich entlang der Körperlängsachse zu schütteln. So werden die Fliehkräfte generiert, um das Fell zu trocknen. Genau das ist es, was Psychedelika bei Mäusen, Ratten, aber auch bei ganz vielen anderen Säugetieren in Abwesenheit von Wasser im Fell auslösen.
Das Interessante daran ist, dass diese Wet-Dog-Shakes über denselben Rezeptor vermittelt werden wie die psychedelische Wirkung, nämlich über den 5-HT2a-Rezeptor. Das ist etwas Ganz Besonderes. Denn dass man am Verhalten eines Organismus sehen kann, dass gerade ein bestimmtes Protein rekrutiert wurde, ist ein seltenes Gut. In der Regel gibt es keine so direkten Rezeptor-Verhaltenszusammenhänge. Zur Quantifikation muss man das Tier nur beobachten und die Anzahl der gezeigten Shakes zählen; Man muss das Tier nicht trainieren oder irgendein Equipment anbringen. Auch ist das Verhalten benigne und wird in geringer Frequenz auch spontan ohne Psychedelika-Gabe von den Tieren gezeigt.
So, nun mag man natürlich die Frage stellen, was dieses Verhalten mit der psychedelischen Wirkung zu tun hat. Darauf zielte deine Frage ab, nicht wahr?
F: Ja, genau.
T: Paradoxerweise, obwohl 5-HT2a-bedingte Wet-Dog-Shakes tatsächlich das am meisten untersuchte Tiermodell zur zentralnervösen Serotoninaktivität darstellen, gibt es keine wirklichen Ideen dazu, was dieses Verhalten genau ist bzw. warum es verschwistert mit psychedelischer Aktivität in Erscheinung tritt. Das interessiert die Forschung oft auch nicht. Da geht es dann eher darum, Wet-Dog-Shakes zum Screening neuer Antidepressiva oder Neuroleptika zu nutzen.
Ein Gedanke, den wir derzeit verfolgen, basiert auf der psychedelischen Humanforschung. Dort geht man davon aus, dass Psychedelika den thalamischen Filter stören. Der Thalamus ist eine Struktur in der Mitte des Gehirns, die dafür verantwortlich ist, sensorischen Input vor Eintritt ins Bewusstsein zu filtern. Wird der Thalamus durch Psychedelika in seiner Funktion gestört, so könnte die Großhirnrinde mit ungefiltertem Input überflutet werden. Die Großhirnrinde weiß dann gar nicht, was sie mit diesen ganzen Informationen machen soll. Das ist erstmal nur Stimulation, die völlig uncontained bzw. unverdaut ist und daher schnellstmöglich „evakuiert“ werden muss. Evakuation erfolgt dann via Projektion in Form externer Pseudohalluzinationen oder durch Abführung über den Körper, so ähnlich wie bei der Psychose, Somatisierungen oder eben psychose-assoziierten Motorstereotypien. Wet-Dog-Shakes, als ein Beispiel von solchen Motorstereotypien, sind hier also als etwas sehr, sehr Analoges zu den Pseudohalluzinationen zu verstehen. Nicht dasselbe, aber vor demselben Hintergrund entstehend.
Am Institut für Psychopharmakologie des ZI nutzen wir gegenwärtig eine elegante, neue Methode der Neurobiologie, um diesem Modell zur Entstehung der psychedelischen Wet-Dog-Shakes nachzugehen: die sogenannte Faser-Photometrie. Die Faser-Photometrie erlaubt es uns, an sich frei bewegenden Tieren zu messen, wie Psychedelika die Aktivität des Thalamus beeinflussen. Parallel können wir uns hoch synchronisiert die Glutamat-Freisetzung in der Großhirnrinde anschauen, die uns Aufschluss darüber gibt, wie viele Informationen der Thalamus an den Kortex weiterleitet.
F: Um das vielleicht noch mal ein bisschen klarzustellen. Letztendlich schaut ihr euch genau den Moment des Schüttelns an und messt dann, wie diese zwei distinkten Hirnstrukturen, die Hirnrinde und dieser Kern in der Mitte des Hirns, der Thalamus, unter dem Einfluss von Psychedelika miteinander kommunizieren.
T: Genau. So kann man dann schauen, wie sich Thalamus und die in der Großhirnrinde ankommende glutamaterge Information verhalten, wenn ein Tier durch ein Psychedelikum zum Wet-Dog-Shake angeregt wird.
F: Sehr spannend (lacht). Wir freuen uns auf zukünftige Publikationen zu dem Thema.
T: Ja, sehr nett (lacht). Danke.
F: Ich würde jetzt zum Abschluss noch mal zu ein paar Big-Picture-Fragen kommen.
Du hast ja mittlerweile schon zu einer ganzen Reihe verschiedener Themen im Feld der psychedelischen Drogen geforscht. Meine Frage wäre: Wenn Geld keine Rolle spielen würde und dir alle Grants der Welt offenstehen würden, wie würden deine nächsten 20 Jahre Forschung aussehen?
T: Also ich bin sehr systemisch interessiert. Ich habe mal in einem anderen Interview gesagt, dass der Fluch der Forschung „das Puzzle“ ist. Was ich damit meinte, ist, dass man hier ein Methödchen hat, da ein Methödchen verwendet. Die Molekularbiologen messen mRNA, die Elektrophysiologen Ladungsverschiebungen, die Ethologen Verhaltensweisen. Aber das ist alles oft sehr disjunkt. Es gibt also kaum Brücken zwischen den Methoden und Zusammenhänge können nur interpretatorisch erschlossen werden.
Die bereits erwähnte Faser-Photometrie gefällt mir hier sehr gut. Hier können wir im gesamten Gehirn beliebige Zellpopulationen bezüglich ihrer Aktivität, 2nd Messenger-Produktion, Neurotransmitter-Freisetzung und sogar bezüglich umgebener Hämodynamik hin untersuchen. Parallel setzen wir noninvasiv Methoden wie Puls-Oximetrie oder Ganzkörperthermographie ein, um die ein bestimmtes Verhalten begleitenden physiologischen Prozesse auf möglichst vielen Ebenen synchron messen zu können. Multitrait-Multimethod, das ist wirklich faszinierend.
Wir wollen die psychedelische Wirkung also möglichst gesamtkörperphysiologisch erfassen. Ich bin der Auffassung, dass der psychedelische Rausch nicht „der Insel“ Großhirnrinde oder „der Insel“ Pyramidenzelle entspringt, sondern ein Gesamtkörperphänomen ist, in dem Ressourcen auch aus der Peripherie herangezogen werden. Das heißt interdisziplinäre Forschung. Ich würde im Grunde auch Forscher, die nichts mit dem Gehirn zu tun haben, einladen wollen, Psychedelika zu erforschen. Forscher, die sich mit dem Magen-Darmtrakt auseinandersetzen; Forscher, die sich mit dem kardiovaskulären System auseinandersetzen; Forscher, die sich mit der Leber auseinandersetzen. Das muss alles untersucht werden, denn die Rezeptoren, an denen Psychedelika wirken, findet man im gesamten Körper, nicht nur im Gehirn.
Auch Multi-Omics-Approaches finde ich total spannend, vielleicht auch in Kombination mit KI-gestützten Auswertungsmethoden. Das klassische Experiment, die klassische Hypothese in der Forschung, ist auf Einfachheit bedacht. Das heißt, du hast immer ein Target-Gen, ein Target-Protein, ein Target-Lipid. Hinsichtlich der angestrebten Konstanthaltungsmaxime ist das natürlich gut und schön, aber der Realitätsausschnitt bleibt recht überschaubar. Multi-Omics-Approaches erlauben einem, das gesamte Genom, das ganze Proteom, das ganze Libidom zu erfassen, sodass viel holistischere Einblicke in das Geschehen um Psychedelika möglich werden. Also holistisch arbeiten, das ist etwas, was mich sehr reizt und wo ich gerne vertiefter hinarbeiten möchte. Aber das ist natürlich auch alles sehr kostspielig. Deine Frage war also sehr treffend formuliert.
F: Aber im Kern geht es dir darum, mit so vielen Methoden wie möglich unser Verständnis vom Ursprung der psychedelischen Erfahrung zu vertiefen, statt auf die direkte Anwendung, zum Beispiel im klinischen Bereich, zu schauen?
T: Gut, dass du das ansprichst. Ich glaube, dass das total Hand in Hand geht. Ich glaube, dass wir diese Substanzen therapeutisch nicht vernünftig einsetzen können, wenn wir nicht genau wissen, was sie psychophysiologisch tun. In unserer Forschung am ZI gibt es zwei Arme: Auf der einen Seite setzen wir uns mit den therapeutischen Anwendbarkeiten von Psychedelika auseinander. Die Kliniker fokussieren im Moment im Rahmen der EPIsoDE-Studie auf die Psychedelika-gestützte Therapie der Depression; die Präkliniker auf den Einsatz von Psychedelika im Zusammenhang mit Alkoholabhängigkeit. Auf der anderen Seite gibt es auch Forschung zu den physiobehavioralen Fundamenten der psychedelischen Wirkung, beispielweise im Kontext der oben genannten Wet-Dog-Shakes.
Klinisch würde ich mir für die Zukunft wünschen, dass dem Rechnung getragen wird, dass Psychedelika-bedingte Neuroplastizität per se wohl nicht das therapeutische Prinzip sein wird, aber sehr wohl therapeutisch genutzt werden kann. Ich würde mir wünschen, dass, auch wenn es ökonomisch aufwendiger ist, die unterschiedlichen psychotherapeutischen Schulen theoretisch, aber auch praktisch mehr Gehör im Studiendesign finden. Psychotherapie dauert normalerweise nicht ein Wochenende oder wenige Wochen, sondern viele Monate. Manchmal auch ein paar Jahre. Psychedelika, so unsere Hoffnung, können dies beschleunigen. Aber man sollte auch realistisch sein. In der Psyche gibt es keine Knopfdruck-Lösungen.
F: Okay. Das heißt, du siehst vielleicht auch eine Falle darin, sich zu sehr auf die Neuroplastizität zu versteifen. Weil man dadurch andere wichtige Aspekte der psychedelischen Erfahrung und des Wirkmechanismus übersehen könnte?
T: Ja und nein. Der Mehrwert der psychedelischen Drogen liegt darin, dass sie im Grunde die erste Klasse von therapeutisch eingesetzten Substanzen sind, die eine Brücke schlagen zwischen Pharmako- und Psychodynamik. Substanzen wie Ritalin und Amphetamin nutzt man natürlich auch schon eine Weile in der Therapie von ADHS zum Beispiel, und die sind klar psychoaktiv. Aber ihr Einsatz erfolgt als sogenannte maintenance drugs, also Medikamente, die wieder und wieder eingenommen werden müssen; Eine begleitende Psychotherapie zu bahnen, ist hier nicht primäres Ziel. Was die Psychotherapie aber braucht, sind Substanzen, die das akute Arbeiten mit der eigenen Psyche erleichtern, weil sie die Rigidität der Psyche ein Stück weit aushebeln. Hier sehe ich den Nutzen der Psychedelika und denke, dass man da um das aktive Arbeiten mit der Psyche nicht drum rumkommen wird.
F: Also hoffst du, dass Psychedelika eine Integration von Pharmakotherapie und Psychotherapie bringen werden?
T: Absolut. Also im Grunde wollen wir uns ja wegbewegen von den in der Psychiatrie nicht unüblichen Maintenance-Drugs. In einer laufenden Psychotherapie mit etablierter Klient-Therapeut-Allianz – und hier sind diverse Schulen denkbar, Psychoanalyse, CBT oder systemische Therapie – könnte man Psychedelika vereinzelt an wichtigen Schwellenpunkten der Therapie einsetzen, um Emotionen zu lockern und darüber Einsichten und Lernprozesse in Gang zu setzen. Das scheint mir ein gangbares Szenario. Aber step-by-step, da liegt noch ein bisschen was an Weg und viel Forschung vor uns.
F: Super! Ich finde, das ist eigentlich schon ein gutes Schlusswort. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast.
T: Ja, sehr gerne, lieber Florian. Danke schön!
“Nun beschreibst du Psychedelika als ein Mittel zur Selbsterkenntnis.”
“Hier glaube ich, dass auch Normalgestörte Nutzen aus einer psychedelischen Erfahrung schöpfen könnten.”
Meiner Erfahrung nach, ist diese Selbsterkenntnis in dieser “individualbewusst”-bewusstseinsschwachen und wettbewerbsbedingt-konfuser Bewusstseinsbetäubung gebräuchlichen Realität sehr problematisch – Wer sich dessen nicht bewusst, spielt leichtfertig mit dem Feuer, wo Möglichkeiten von/zu geistig-heilendes Selbst- und Massenbewusstsein ein Gemeinschaftseigentum OHNE wettbewerbsbedingte Symptomatik verlangt!!!
“Also hoffst du, dass Psychedelika eine Integration von Pharmakotherapie und Psychotherapie bringen werden?
Ohah, ich sehe die Zombies der “erweiterten” Bewusstseinsbetäubung schon vor mir, wenn Selbsterkenntnis im Rahmen der stumpf-, blöd- und wahnsinnigen / multischizophrenen Realität gehalten werden kann.
“Nicht jeder Mensch ist für eine psychedelische Erfahrung geschaffen.”
Doch, jeder Mensch, aber die KI Mensch, die für den zeitgeistlich-reformistischen Kreislauf des nun “freiheitlichen” Wettbewerbs zu wettbewerbsbedingter Suppenkaspermentalität gebildet ist, bei denen ist es problematisch-abhängig vom Grad und Stand in der Hierarchie dieser Realität.
“Wenn Psychedelika allgegenwärtig und jedem jederzeit zur Verfügung stünden, würde damit früher oder später wohl auch Schindluder getrieben werden.”
👋😉 An dieser Stelle hätte ich meinen Bohrer zur Erkundung der Psyche des Herrn T. angesetzt!!!
Ratten…
Es ist vorgekommen dass Menschen nach einem Börsencrash aus dem Fenster gesprungen sind. Eine Ratte würde das niemals tun. Damit wären sie der Lösung schon näher denn Ratten haben Nullbock auf Geld oder Gewinnspannen . Die “krankhaften” Muster der Menschen ,gesteuert von anderen krankhaften Artgenossen , benötigen den Rausch den eine Ratte vielleicht bei einem Stück Käse empfindet. Dann wird die Ratte zum MENSCH denn das Dopamin in ihrem Gehirn macht sie Käse geil und sie verteidigt den Käse gegen andere Artgenossen, sei es auch mit kriegerischer Grundstimmung. Im Gegensatz zum Menschen ist ihr Verhalten allerdings angeboren und nicht anerzogen, also ihr Thalamus wurde nicht krankhaft gestört
@GoTrabiGo: “… allerdings angeboren und nicht anerzogen, also ihr Thalamus wurde nicht krankhaft gestört”
Seit Mensch erstem und bisher einzigen GEISTIGEN Evolutionssprung (“Vertreibung aus dem Paradies”), wird Mensch, wie die Ratte, mit Bewusstseinsschwäche in Angst, Gewalt und “Individualbewusstsein” geboren.
Allerdings wird das “Individualbewusstsein” von Mensch, was bei Ratte auf Ratte gepolt ist, mit Erziehung und Bildung auf “gesundes” Konkurrenzdenken der wettbewerbsbedingten Symptomatik egozentriert-konfusioniert / systemrational gepflegt.
Somit ist Mensch PRINZIPIELL der gleiche aber nicht GRUNDSÄTZLICH der selbe Mensch, obwohl wir alle im SELBEN Maße “durchströmt” vom Geist / dem Zentralbewusstsein der Schöpfung sind, womit NICHTS dem “einzelnen/individualbewussten” Menschen GRUNDSÄTZLICH allein gehört, besonders unsere Gedanken nicht, weil diese immer abhängig von Geist und Gemeinschaft geprägt wachsen, bzw. wachsen können (wenn Mensch gemeinsam den geistigen Stillstand überwindet).
Wir brauchen also ein menschenwürdiges Prinzip des Gemeinschaftseigentums OHNE den irrationale Druck wettbewerbsbedingter Symptomatik (also OHNE Bewusstseinsbetäubung dieser “freiheitlich”-konfusen Welt- und “Werteordnung”), auf der Basis eines UNKORRUMPIERBAREN Menschenrechts zu KOSTENLOSER Nahrung, MIETFFREIES Wohnen und ebenso KASSENLOSER Gesundheit, dann klappt’s auch zweifelsfrei-eindeutig mit wirklich-wahrhaftiger Psychotherapie, von Freiheit OHNE Druck zu einer Karriere von Kindesbeinen, bis leistungsgerechter und geradezu unendlicher Teilhabe OHNE “Ökonomie” in unternehmerischen Abwägungen zu “Wer soll das bezahlen?”.
Das Kursive sind Zitate.
Alles Menschengemachte – so denke ich – alles, was Menschen bewirken, ob es zu Freud‘ oder Leid führt, zu Krieg oder Frieden, alles in der Welt der Menschen fußt in Verhalten. Und Verhalten fußt in der Psyche.
Die Psyche reagiert auf äußere Einflüsse. Psychische Reaktion = praktisches Verhalten. Ob wir psychisch richtig reagieren/denken scheint (lt. Blog) vom Thalamus abzuhängen. Einer Struktur in der Mitte des Gehirns, die dafür verantwortlich ist, sensorischen Input vor Eintritt ins Bewusstsein zu filtern. Nach welchen Maßstäben filtert der Thalamus? Wikipedia: Zuführende (afferente) Nervenzellen leiten Informationen aus dem Körper und den Sinnesorganen in den Thalamus, wo sie in den „spezifischen Thalamuskernen“ jeweils auf eine nachfolgende Nervenzelle umgeschaltet werden, die zur Großhirnrinde führt. Diese Umschaltung (Synapse) ermöglicht eine primitive Informationsverarbeitung, indem der Thalamus als Filter fungiert und entscheidet, welche Informationen für den Organismus im Moment so wichtig sind, dass sie an die Großhirnrinde weitergeleitet und bewusst werden sollen. Nicht immer/häufig ist das was im Moment als wichtig beurteilt wird auch langfristig “wirklich“ wichtig/richtig.
Selbst die, die nach gesellschaftlichen Maßstäben gesund und funktional sind, haben auch ihr Päckchen zu tragen; sie haben mitunter neurotische Anteile und daraus resultierende Verhaltensunfreiheiten. Das gilt also auch für die Autoren dieses Blogs (und mich). Wer hat schon die gesunde Psyche? […] Das Aufrechterhalten einer gesunden Psyche ist ein lebenslanger Kampf. Viel maladaptives Verhalten resultiert aus Altlast. Ziel ist es, diese Altlast abzubauen, damit die Psyche sich darauf konzentrieren kann, dem Hier-und-Jetzt entsprechend den Vorgaben des Hier-und-Jetzt zu begegnen, nicht der Vergangenheit. Wie die Psyche im Hier-und-Jetzt reagiert ist aber abhängig von Einflüssen aus der Vergangenheit (dem ehemaligen Hier-und-Jetzt). Was ja OK ist/wäre – wenn der Mensch die Einflüsse richtig erkennt.
@Axel Krüger
“Ziel ist es, diese Altlast abzubauen, damit die Psyche sich darauf konzentrieren kann, dem Hier-und-Jetzt entsprechend den Vorgaben des Hier-und-Jetzt zu begegnen, nicht der Vergangenheit.”
Ja, dieser Satz ist gruselig, denn er impliziert nur die 30% “Heilungsquote” soll systemrational übertroffen werden, entsprechend der “Evolution” der Psyche von Mensch seit dem ersten und bisher einzigen GEISTIGEN Evolutionssprung.
@hto
Wenn Sie sich weniger sprachlich verkünsteln und herumtheoretisieren, sondern auch Ihren Grad an persönlicher Erfahrung mit Psychedelika transparent machen würden, wäre dem Thema mehr gedient. So reihen Sie sich genau da ein wo es sinngemäß immer heisst: ‘die Leute, die am meisten Probleme mit Psychedelika haben – sind die, die nie welche genommen haben’.
Nach meiner ganz persönlichen Einsicht (beschäftige mich seit über 30 Jahren mit den Thema) gibt es kaum ein anderes Thema, wo ‘Meinung’ und persönliche Erfahrungen in einem so eklatanten Missverhältnis stehen. Die Online Diskussionsforen sind VOLL mit Leuten, die raunen und warnen und mahnen – und gleichzeitig nicht mal den Ar*** in der Hose haben, je selbst mal einen milden Trip mit ‘Magic Mushrooms’ zu machen. Davon braucht das wichtige Thema wirklich nicht noch mehr Vertreter…
Und zum Interviewten: Herr Buchhorn ist sicher ein Experte auf seinem Gebiet – allerdings halte ich es auch hier für grundlegend problematisch, dass Forscher beim Thema Psychedelika nach wie vor möglichst den Eindruck machen müssen, es wäre von Vorteil, oder geradezu eine Notwendigkeit, dass man selbst keinerlei persönliche Trip-Erfahrung hat, um neutral und seriös forschen zu können.
Allerdings bin ich der Überzeugung, dass die Frage, wie P. von ihren physiologischen Mechanismen her wirken, nicht annähernd so wichtig ist, wie die viel grundlegendere Fragestellung, was die Erfahrungen für unser Menschen und Weltbild BEDEUTEN. Und genau dieser Aspekt wird beim Fokus auf ihren primär therapeutischen Einsatz weitgehend unterschlagen – weil wir dann auf philosophisches und vor allem wirtschaftliches und politisches Terrain kommen, und da gibt es nach wie vor dieselben starken Kräfte, die da was dagegen haben, die seinerzeit auch in den 60ern und 70ern mit Lügen und Hysterisierung die breite Bevölkerung gegen das Thema aufgehetzt haben. Hier mal was grundlegendes zu ändern und zu korrigieren wird aber ganz sicher nicht über den zwar sehr respektablen, aber gleichzeitig auch sehr eingeschränkten Weg der klinischen Forschung möglich sein. Da wirken die Bremsklötze aus wirtschaftlichen Interessen und politischer Taktiererei doch deutlich zu nachhaltig.
@Orgon
Bei LSD kann ich mich auch nur schütteln, diese Droge würde ich aus eigener Erfahrung nicht in die Reihe der wirklichkeitstauglich-bewusstseinserweiternden Psychedelika stellen.
Meskalin und Psilocybin hingegen schon, denn über die Halluzinationen hinaus, hatte ich eine sehr prägende Ausserkörpererfahrung, die allerdings aus mehreren Gründen nicht wirklichkeitstauglich und deshalb auch NOCH nicht empfehlenswert ist.
Ihr Vergleich mit Ratten ist ein schlechtes Beispiel denn Ratten sind soziale Wesen und wenn eine Ratte von einem Futter gefressen hat was sie tötet gehen andere Ratten nicht mehr an dieses Futter. (Siehe Wirkungsweise von Rattengift) Wenn also eine Ratte LSD verabreicht bekommen hat, sich danach also “unnormal” verhält, würden andere dieses Zeug meiden, was bei Menschen als Reaktionsmuster garantiert nicht der Fall ist .Ratten hätten dann also einen gesunden Bezug zu ihrer “psychischen ” Gesundheit bzw. auf ein Leben in einer wahren Realität ohne die Illusion von Drogen, was man dann als wirklich gesunde Psyche bezeichnen kann . Psychedelika als ihr Mittel zur Selbsterkenntnis wäre für die Ratten-wie wohl für Menschen- auch tödlich da drogenbesetzte Ratten in ihren Halluzinationen und Wahnvorstellungen sich ihren Fressfeinden freiwillig ausliefern würden. So gesehen scheint die Intelligenz dieser Tiere ein evolutionärer Vorteil zu sein da sie in der Realität ,der wirkliche Realität, leben.
@Orgon: “Da wirken die Bremsklötze aus wirtschaftlichen Interessen und politischer Taktiererei doch deutlich zu nachhaltig.”
Diese “Bremsklötze”, sind die Spitzen der systemrational-gebildeten Suppenkaspermentalität in konfusionierender Bewusstseinsbetäubung, die wissen am wenigsten was sie der Realität des Menschseins antun, weil bei denen die gleichermaßen unverarbeitet-gepflegte INSTINKTIVE Bewusstseinsschwäche in Angst, Gewalt und egozentriertem “Individualbewusstsein” entsprechend am stärksten wirkt – Die herkömmlich-gewohnte Schuld- und Sündenbocksuche ist deshalb bei denen am wenigsten angebracht, vielmehr sollten wir nach Wege suchen deren ignorant-arrogantes Verhalten fusionierend zu umgehen, um sie dann auch mitzunehmen!?
Psychedelika…
Die “Psychologen gehen ja da in ihrer angelesenen Theorie vor wie beim Metzger: Man nehme 200 Gramm Gehacktes, 150 Gramm Leberwurst…Wie bitte wollen “ausgebildete” Psychologen wissen wie Psychedelika wirklich wirken ? Im Mittelalter hat man Hysteriker mit Kaltwasser behandelt. Was ist der Unterschied zu heute wo man wegen mangelnder Sachkenntnis über die Funktionsweise des Gehirns etwas einsetzt über dessen Konsequenzen man keine Übersicht /oder Ahnung hat ? Temporäre Einblicke in was ? Das Unterbewusstsein können sie damit nicht knacken, dass funktioniert völlig anders. Emotionen als Bestandteil des Rausches mit Drogen zu machen bedeutet das man die Ursachen von Emotionen nicht kennt und vielleicht damit Öl ins Feuer gießt .Es wird mal wieder die Erscheinung behandelt und nicht die Ursache.
@GoTrabiGo: “Es wird mal wieder die Erscheinung behandelt und nicht die Ursache.”
Die URSACHE muss erkannt werden, damit die Psyche befreit den Zusammenhang und somit die Wirkung zur vollen Kraft des Geistes erreichen kann. Deshalb ja, die Drogenerfahrung, oder die wesentlich schwierigere Erfahrung durch meditative Methoden bis zur Ausserkörpererfahrung, wäre als Voraussetzung sinnvoll, aber auch der unkorrumpierbare Glaube an Mensch in Gemeinschaft und Gemeinschaftseigentum OHNE wettbewerbsbedingte Symptomatik könnte die Ursache und “Individualbewusstsein” zu geistig-heilendes Selbst- und Massenbewusstsein wandeln.
@GoTrabiGo
Damit man Tierexperimente durchführen darf, muss man sich an Tierschutzregeln halten.
Ich habe den Eindruck, dass bei Menschen wesentlich geringere ethische Standards gelten:
Es ist gut bekannt, dass nach Gabe/Einnahme psychedelischer Drogen ähnliche Effekte beobachtet werden, wie sie auch im Zusammenhang mit ´Nahtod-Erfahrungen´(NTEs) berichtet werden:
DOI: 10.3389/fpsyg.2028.01424 DTM models the near-death experience
DOI: 10.1371/journal.pone.0214377 Survey of subjective ´God encounter experiences´. Comparison among naturally occurring experiences and those occasioned by the classic psychedelics Psilocybin, LSD, Ayahuasca and DMT
DOI: 10.1093/nc/nix016 Self unbound: ego dissolution in psychedelic experience
Statt diese belegten Zusammenhänge und die Gründe dafür zu untersuchen – ignoriert man das Thema NTE im Zusammenhang mit Forschungen zur Wirkung von Psychedelica:
Wenn man aus einer Gruppe von bekannten Daten/Informationen selektiv diejenigen Daten weglässt, die einem nicht gefallen und nur diejenigen Daten für Forschung benutzt, welche den eigenen Wünschen entsprechen – dann ist diese Vorgehensweise im wissenschaftlichen Sinne als Datenfälschung zu betrachten.
Wenn man also bei ´Forschung´, welcher man unsaubere Vorgehensweise nachweisen kann, Psychedelica an Menschen verreicht – dann sind dies Menschenversuche.
(Info: Als Wirkung von Psychedelica werden Erlebnisse berichtet, welche man auch im Rahmen von NTEs erleben kann – und die eindeutig als reaktivierte Erfahrungen aus der frühen Kindheit identifiziert werden können. D.h. Psychedelica reaktivieren sehr SELEKTIV speziell Gedächtnisinhalte eines begrenzten Erlebniszeitraumes. Dass Psychedelica so SELEKTIV wirken wäre eine wichtige Erkenntnis für die Gehirnforschung – wenn man diese Hinweise zur Kenntnis nehmen würde.)
Etwas Kontext zu diesem Kommentar:
Tatsächlich sind die ethischen Standards in der Humanforschung deutlich strenger als in der Tierforschung. In jeder Studie zum Thema wird man in der Methodik eine Erwähnung der zuständigen Ethikkommission finden. Diese Zulassungprozesse sind langwierig. Die EPIsoDE Studie in Mannheim hat Jahre gebraucht um mit der Rekrutierung beginnen zu dürfen!
Belege für eine gezielte Auslassung von Daten in der modernen psychedelischen Humanforschung gibt es ebenfalls nicht. Im Gegenteil werden in manchen Studien evtl. sogar zu viele Outcome variablen erhoben, weil man annimmt, dass psychedelische Drogen auf so vielen Fronten helfen sollen. Das und die hohe Gefahr von Placebo-Effekten (weil psychedelische Behandlungen kaum blind zu halten sind) könnten zu falsch positiven Annahmen führen. Daten die absichtlich in der Schublade gelassen werden sind aber nicht das Problem.
Überschneidungen in Frägebögen, die die subjektive Erfahrung in veränderten Bewusstseinszuständen erheben sollen gibt es zwischen diversen Ausnahmezuständen und nicht nur Nahtoderfahrungen. Der Fragebogen, der am häufigsten zur Evaluation psychedelischer Erfahrungen genutzt wird ist beispielsweise der MEQ (mystical experience questionnaire; dieser wurde erstmals von Walther Pankhe im Good Friday Experiment verwendet) und er stammt ursprünglich aus der Religionsforschung.
Diese Überschneidungen werden aber in der Forschung nicht ignoriert (im obigen Kommentar findet sich ja sogar ein Paper, welches diesen Umstand anspricht) sondern sind einfach sehr schwer zu erforschen. Menschen haben zum Glück so gut wie nie Nahtoderfahrungen im Hirnscanner, deswegen kennen wir die neuronalen Korrelate nicht besonders gut.
Zudem sind psychologische Fragebögen oft nicht besonders gut darin diese Zustände abzubilden. Diese Tools werden schnell ungenau und übersehen wichtige Aspekte. Mehr zu dem Thema findet sich bei Langlitz (2017) “Opaque models: Using drugs and dreams to explore the neurobiological basis of mental phenomena.”
Viele Gruppen widmen sich deshalb mittlerweile auch der qualitativen Forschung und führen beispielsweise strukturierte Interviews, um ein genaueres Bild zu erhalten. Wenn das jemanden interessiert, könnte ich hierzu potentiell auch einen spannenden Interviewpartner finden 🙂
Ein kritisches Auge ist immer gut. Aber auch die Forschung, die spannende neue und intuitive Erklärungsansätze bietet muss kritisch gelesen werden.
Liebe Grüße
PS: die Problematiken, die ich oben anspreche finden sich nicht in der Forschung von Dr. Buchborn, welcher ein sehr kritisches Auge wahrt. Dies geht mmn. auch aus dem Interview hervor.
Besonders interessant finde ich die Diskussion über die Möglichkeiten von Psychedelika, nicht nur klinisch in der Therapie psychischer Erkrankungen genutzt zu werden, sondern auch als Mittel zur Erweiterung des psychischen Wohlbefindens gesunder Menschen. Dies eröffnet eine spannende Debatte über die Rollen, die diese Substanzen in zukünftigen therapeutischen und vielleicht auch alltäglichen Kontexten spielen könnten. Oder befinden wir uns – Stichwort Microdosing – vielleicht sogar schon mittendrin?