Tee vs Kaffee – was ist besser fürs Gehirn? (Teil 1: Tee)

Kaffee und Tee sind die beiden großen Konkurrenten, wenn es um gesunde und leistungsfördernde Getränke geht. Auch die Wissenschaft sortiert sich in Fans des einen oder anderen Zaubertrunks: verlangsamtes Altern, mentale Gesundheit, Gedächtnis, Konzentration oder Krebs – verschiedenste Forschungsfelder attestieren den beiden Getränken reale, positive Effekte. Zeit für einen Vergleich – wir starten mit Tee.
Das Wichtigste zuerst
Mit etwa 70 Litern pro Person pro Jahr ist Tee eines der meistkonsumierten Getränke der Deutschen (1). Ein Grund dafür könnte der Nimbus aus positiven Gesundheits- und Leistungseffekten sein, der sich um das Lifestyle-Getränk gebildet hat. Tee ist nämlich neben Kaffee das wissenschaftlich bestuntersuchte Getränk der Welt. Bevor wir uns die belegten Wirkungen von Tee anschauen, zuerst ein paar wichtige Anmerkungen, um Missverständnisse auszuräumen:
1. Je länger Tee beforscht wird, desto stabiler werden die positiven Gesundheitseffekte in den Studien. Dennoch sind diese Effekte nur sehr klein, eine Allzweckwaffe gegen neurodegenerative Erkrankungen ist Tee auf keinen Fall und er kann keine Medikamente ersetzen.
2. Außerdem beziehen sich nahezu alle wissenschaftlichen Studien auf den echten Tee. Das bedeutet, die gesicherten Effekte gelten bislang nur für Grünen Tee (unfermentiert), Oolong Tee (teilfermentiert) und Schwarzen Tee (vollständig fermentiert). Bei diesen drei Sorten handelt es sich um dasselbe Gewächs, nämlich die Teepflanze (camellia sinensis), die lediglich in verschiedenen Graden fermentiert wird. Kräutertee, Ingwertee und dergleichen spielen in der medizinischen Champions-League von Tee und Kaffee nicht mit. Gut, aber was kann Tee denn jetzt?
Tee kann altersbedingtem geistigen Abbau vorbeugen
Eine wissenschaftliche Review bescheinigt Tee neuroprotektive Effekte, welche insbesondere vor Alzheimer schützen sollen und welche in 8 von 9 beurteilten Studien gezeigt werden konnten (2). Sehr gute, longitudinale Daten, also langfristige Untersuchungen, liegen seit 2008 auch für mehr als tausend Chinesinnen und Chinesen vor, alle 55 Jahre oder älter (3). Sie wurden in nicht-Trinker, wenig-Trinker und viel-Trinker unterteilt und auf ihre mentale Fitness hin untersucht. Im Vergleich der Gruppen über zwei Jahre zeigte sich, dass mit höherem Teekonsum das Risiko sinkt, kognitiv abzubauen (gemessen wurde das mit dem gut etablierten Mini-Mental-State-Exam). Zum selben Ergebnis kommen zwei japanische Studien, eine prospektive Studie (4) mit knapp 500 und eine Beobachtungsstudie (5) mit ca. 1000 Probandinnen und Probanden. In den beiden vielzitierten Untersuchungen wiederholte sich das Muster der chinesischen Studie: je mehr Tassen pro Woche, umso besser die geistige Fitness im Alter.
Ein vorbeugender Effekt gegen Alzheimer ist tatsächlich schon lange Gegenstand von Untersuchungen, allerdings waren die frühen, aufsehenerregenden Befunde meist auf Mäuse bezogen (6). Das Beta-Amyloid („Plaque“), welches mutmaßlich Alzheimer (mit-) verursacht, konnte um bis zu 50% verringert werden, wenn Mäusen ein Wirkstoff aus Grüntee konzentriert verabreicht wurde (Epigallocatechingallat – das berühmte “EGCG”). Auch die Gedächtnisfähigkeit der Mäuse steigerte sich. Mehrere Jahre aktuellerer Forschung legen allerdings den Verdacht nahe, dass diese Ergebnisse sich leider nicht auf den Menschen übertragen lassen. Sprich, ein Anti-Alzheimer-Tee-Extrakt wird vorerst nicht kommen.
Tee verbessert Konzentration und Leistungsfähigkeit
Im Jahr 2014 wurden die kognitiven Effekte von Tee mittels fMRT (Kernspin) getestet (7). Dazu wurden je zwei Personengruppen im fMRT auf die Fähigkeit ihres Arbeitsgedächtnisses getestet (also jener Gedächtnistyp, der für die aktuelle Informationsverarbeitung und demnach für die kognitive Leistung essentiell ist). Die eine Gruppe bestand aus langjährigen Teetrinkern und erhielt vor dem Experiment ein Milchgetränk, dem Grüntee beigemischt wurde. Die andere Gruppe konsumierte generell keinen Tee und bekam im Experiment das reine Milchgetränk ohne Teezusatz.
Die Studienergebnisse zeigten, dass die Teetrinker besser im Erinnern und Abrufen von Informationen waren und besser bei den gestellten Aufgaben abschnitten. Spannend ist zudem, dass die Performance der Teilnehmer mit einer verbesserten Vernetzung wichtiger Hirnareale korrelierte (Abbildung 1). Auch wenn die Studie sehr klein war, macht dieser Zusammenhang die Ergebnisse spannend – der einzige Faktor, der sich änderte, war ja das Teetrinken. Außerdem konnten ähnliche Studien mittlerweile ähnliche Effekte zeigen. So bekamen 100 Probandinnen und Probanden einer neueren Studie mit gutem Design entweder Tee oder heißes Wasser zu trinken und mussten dann Wort-Assoziationsaufgaben lösen. Die Personen der Tee-Gruppe, die auch sonst Tee tranken, schnitten dabei besser ab als alle anderen (8).

Mögliche strukturelle Effekte im Gehirn
So verglich eine andere Arbeitsgruppe im Jahr 2019 die strukturelle Effizienz der Gehirne von 15 Teetrinkern und 21 Nicht-Trinkern im fMRT (9). Das default-mode-network (DMN) ist ein neuronales Netzwerk, das mutmaßlich am altersbedingten wie auch am Parkinson-bedingten kognitiven Verfall beteiligt ist. Asymmetrien in diesem Netzwerk zwischen den Hirnhälften deuten auf einen mentalen Abbau im Alter hin. Die 36 Probandinnen und Probanden waren im Durchschnitt etwa 70 Jahre alt und durchliefen eine Vielzahl kognitiver Tests. Ergebnis: bei den Teetrinkern waren weniger bzw keine Asymmetrien im DMN erkennbar, bei den Abstinenzlern sehr wohl.
Tee vs Tee-Extrakt: lieber beim Original bleiben
Eine Review von 2017, welche 21 hochwertige Studien verglich, bestätigte alle bisher genannten positiven Effekte von Tee auf das Gedächtnis und die kognitive Leistungsfähigkeit (10). Zusätzlich fand sie einen leicht angstlösenden, beruhigenden Effekt von Grünem Tee. Das interessanteste Ergebnis dieser Review war jedoch das folgende: extrahierte man Einzelstoffe aus Grüntee, z.B. Koffein oder Theanin, und verglich man deren Effekte jeweils separat mit normalem Tee, dann war das Ganze mehr als die Summe seiner Teile. Eine Tasse Grüntee zeigte stärkere kognitive Effekte als die Gabe seiner Bestandteile. Vermutlich basiert dieser Befund auf Wechselwirkungen der Einzelsubstanzen. Merkwürdig ist jedoch, dass Kaffee, bei ebenfalls belegten positiven Effekten, nur Koffein und beispielsweise kein Theanin enthält (Theanin ist nicht zu verwechseln mit Thein/Teein, aber dazu gleich mehr).
Wie dem auch sei: wer bisher im Supermarkt vor dem Teeregal stand und nicht wusste, was der Unterschied zwischen Teepulver und ganzen Blättern sein soll, dem kann die Wissenschaft hier eine vorläufige Empfehlung zum Original geben.
Ist es der Tee – oder das Koffein im Tee?
Die Forschungsgruppe der 2019er fMRT-Studie versuchte löblicherweise, eine Verzerrung durch Koffein zu vermeiden. Kaffee zeigt nämlich grundsätzlich ähnlich positive Effekte bezüglich des mentalen Alterns. Das Studienteam wählte deshalb die Probandinnen und Probanden so aus, dass beide Gruppen gleich viel Kaffee konsumierten. Dennoch lässt sich fragen: da Tee auch solide Mengen Koffein enthalten kann – das können bis zu 50mg Koffein sein, also so viel, wie ein Espresso enthält – könnte die Gruppe, die zusätzlich Tee trank, in ihrem Leben insgesamt mehr Koffein zu sich genommen haben. Das könnte die Asymmetrie-Hemmung begünstigt haben. Bei Koffein und Tein/Teein/Thein handelt es sich im Übrigen um ein und dieselbe Substanz, nur dass das Koffein im Tee tendenziell verzögert wirkt – sprich, es ‚kickt‘ nicht so.
Fazit
Im Laufe der Zeit hat sich die Evidenz verdichtet, dass Tee tatsächlich positiv auf die Gesundheit unseres Nervensystems wirkt und uns im Alter mental fit halten kann. Auch wenn die Effekte klein sind – einfacher kann man seinem Gehirn kaum etwas gutes tun. Um die spannende Frage zu klären, ob Tee einfach nur ein weiterer Koffeinlieferant ist und das Theanin vielleicht das Koffein nur zusätzlich boostet, müssten in Zukunft experimentelle Studien mit koffeeinreichen und koffeinarmen Teesorten durchgeführt und am besten mit Kaffee verglichen werden. Dessen Studienlage wird das Thema des nächsten Beitrags in vier Wochen.
Mehr Wissenschaftskommunikation von mir gibt’s hier: https://www.instagram.com/davidmwurzer/
Quellen
(1) Tee Report 2024 – teeverband.de Deutscher Tee & Kräutertee Verband
(2) Feng, L., Chong, M. S., Lim, W. S., Lee, T. S., Kua, E. H., & Ng, T. P. (2015). Tea for Alzheimer prevention. J Prev Alzheimers Dis, 2(2), 136-141.
(3) Ng, T. P., Feng, L., Niti, M., Kua, E. H., & Yap, K. B. (2008). Tea consumption and cognitive impairment and decline in older Chinese adults. The American journal of clinical nutrition, 88(1), 224-231.
(4) Noguchi-Shinohara M., Yuki S., Dohmoto C., Ikeda Y., Samuraki M., Iwasa K., Yokogawa M., Asai K., Komai K., Nakamura H., et al. Consumption of green tea, but not black tea or coffee, is associated with reduced risk of cognitive decline. PLoS ONE. 2014;9:E96013. doi: 10.1371/journal.pone.0096013.
(5) Kuriyama S., Hozawa A., Ohmori K., Shimazu T., Matsui T., Ebihara S., Awata S., Nagatomi R., Arai H., Tsuji I. Green tea consumption and cognitive function: A cross-sectional study from the Tsurugaya Project. Am. J. Clin. Nutr. 2006;83:355–361. doi: 10.1093/ajcn/83.2.355.
(6) Rezai-Zadeh, K., Shytle, D., Sun, N., Mori, T., Hou, H., Jeanniton, D., … & Tan, J. (2005). Green tea epigallocatechin-3-gallate (EGCG) modulates amyloid precursor protein cleavage and reduces cerebral amyloidosis in Alzheimer transgenic mice. Journal of Neuroscience, 25(38), 8807-8814.
(7) Schmidt, A., Hammann, F., Wölnerhanssen, B., Meyer-Gerspach, A. C., Drewe, J., Beglinger, C., & Borgwardt, S. (2014). Green tea extract enhances parieto-frontal connectivity during working memory processing. Psychopharmacology, 231(19), 3879-3888.
(8) Jiang, Y., Huang, Y., Wu, Y., & Wang, L. (2022). Drinking tea improves the convergent creativity performance. Food Quality and Preference, 95, 104360.
(9) Li, J., Romero-Garcia, R., Suckling, J., & Feng, L. (2019). Habitual tea drinking modulates brain efficiency: evidence from brain connectivity evaluation. Aging (Albany NY), 11(11), 3876.
Exzellente Review:
(10) Mancini, E., Beglinger, C., Drewe, J., Zanchi, D., Lang, U. E., & Borgwardt, S. (2017). Green tea effects on cognition, mood and human brain function: A systematic review. Phytomedicine, 34, 26-37.
Kaffe scheint fürs Hirn ähnlich positive Effekte zu haben. Doch Kaffe hat noch viele weitere positive Wirkungen wobei die Verblüffendste für mich der positive Effekt auf die Leber ist mit deutlich weniger Fettleber und Zirrhose bei Kaffetrinkern wobei es offenbar nicht das Koffein ist, welches den positiven Effekt auf die Leber hat, sondern etwas im Kaffee, das bis jetzt nicht eindeutig identifiziert wurde.
Vielleicht ist der positive Effekt sowohl von Tee als auch von Kaffee auf das Hirn auf das Koffein zurückzuführen, das ja in beiden Getränken enthalten ist. Dass man das bis jetzt nicht sagen kann, dass es noch keine eindeutigen Forschungsresultate diesbezüglich gibt, erstaunt mich schon etwas angesichts der vielen Ernährungsstudien.
Dann bin ich mal sehr auf den Kaffee-Teil gespannt. Und hoffe doch sehr, der geht auch auf diese kleine, aber an sich beunruhigende Studie ein, derzufolge Kaffee (nach meiner Erinnerung) die weiße Hirnsubstanz schrumpfen lässt, besonders im Gedächtnisbereich.
Was in mir die Frage aufwirft, ob die Demenz-Epidemie auch damit zu tun haben könnte, dass so viel mehr sich täglich Kaffee leisten können.
(Wenn(!) wir eine Regierung hätten(!), die so an der Volksgesundheit interessiert wäre(!), wie sie es in der C.19-Zeit immer behauptete, stünden für solche fast alle betreffenden Fragen längst erhebliche Forschungsgelder bereit … Womit dieser Beitrag vermutlich schon nicht mehr hier in Betracht kommt? Aber wichtig ist und bleibt nun mal wichtig.)
Die (vermutlich nützlichen) Polyphenole des Tees werden von
den Proteinen in der Milch (vermutlich irreversibel) blockiert.
Sehr spannend, was führt Sie zu dieser Annahme?
Die Mengenverhältnisse von Proteinen und Polyphenolen
haben bestimmt einen Einfluss auf die Wirkungen.
Teilweise kommt es auch zu einer Verstärkung
der Wirkung der Polyphenol-Protein-Komplexe.
Molecular Mechanisms and Applications of Polyphenol-Protein
Complexes with Antioxidant Properties: A Review
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10451665/
Effects of covalent binding of different polyphenols on structure,
rheology and functional properties of whey protein isolate
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0023643823005479