Schädel-Hirn-Trauma und Gehirnerschütterungen: Von Sportverletzung bis Lebensgefahr

Mit etwa 275.000 Fällen in Deutschland sind Gehirnerschütterungen eine der häufigsten Sportverletzungen. Und doch wird oft unterschätzt, wie ernst sie sein können. Ob beim Fußball, Basketball oder beim Radfahren – viele Athleten erleben sie, oft ohne es zu wissen. Aber nicht nur im Sport kann es zu Gehirnerschütterungen kommen, auch in anderen Aspekten des Alltags, wie dem Spielen von Kindern oder in Unfällen, ist das möglich.
Eine Gehirnerschütterung kann nicht nur kurzfristige Symptome wie Kopfschmerzen und Schwindel verursachen, sondern auch langfristige Folgen für die Gesundheit haben. In diesem Artikel werden wir uns genauer mit der Natur von Gehirnerschütterungen, ihren Symptomen und den besten Behandlungsmethoden beschäftigen.
Was ist eine Gehirnerschütterung?
Eine Gehirnerschütterung ist eine milde Form des Schädel-Hirn-Traumas (SHT), die durch eine Kopfverletzung, häufig infolge eines Sturzes oder einer äußeren Gewalteinwirkung wie beispielsweise einem aufprallenden Ball, verursacht wird. Man unterscheidet zwei Arten der Schädigung: die direkte und die indirekte. Bei einer direkten Schädigung entstehen Verletzungen unmittelbar durch die Krafteinwirkung, wie etwa ein Bruch des Schädelknochens oder eine Verletzung der harten Hirnhaut, ein offenes SHT. Indirekte Schädigungen treten hingegen als Folge des Traumas auf, etwa in Form von Hirnblutungen. Direkte Hirnschäden sind meist irreversibel, während indirekte Schäden behandelt oder abgemildert werden können.

Die Gehirnerschütterung oder commotio cerebri ist ein SHT 1. Grades. Ein Patient erreicht auf der Glasgow Coma Scale (GCS) zwischen 13 und 15 Punkte. Häufig – aber nicht immer – begleitet eine Bewusstlosigkeit von einigen Sekunden bis Minuten die Gehirnerschütterung. Ist das der Fall, dann bleiben Patienten meist stationär zur Beobachtung im Krankenhaus, um schlimmere Verletzungen, wie zum Beispiel eine Hirnblutung, ausschließen zu können.
Die SHT 2. bzw. 3. Grades haben die gleichen Symptome, aber in schlimmeren Varianten. Beispielsweise dauert die Bewusstlosigkeit bei einem SHT 2. Grades länger als eine Viertelstunde an. Auf der GCS erreichen Patienten 9 bis 12 Punkte. Aufgrund des gesteigerten Schweregrades heißt dieses SHT auch Gehirnprellung oder contusio cerebri. Das SHT 3. Grades, auch Gehirnquetschung genannt (compressio cerebri) kann Bewusstlosigkeiten von Tagen bis Wochen auslösen. Auf der GCS erreichen Patienten 3 bis 8 Punkte.
Patienten im Alter bis zu 5 Jahren oder ab 65 Jahren erleiden besonders häufig Schädel-Hirn-Traumata, aber auch im Teenageralter oder als junge Erwachsene kann es dazu kommen.
Was ist die Glasgow Coma Scale?
Die Glasgow Coma Scale (GCS) ist eine Skala, anhand derer man den Bewusstseinszustand eines Patienten nach einem Schädel-Hirn-Trauma einstufen kann. Auf dieser Skala können Patienten zwischen 3 und 15 Punkten erreichen, und die Ärzte stellen dementsprechend eine Diagnose. Es werden Punkte in den drei Kategorien „Augen öffnen“, „Verbale Antwort“ und „Motorische Antwort“ vergeben. Je mehr Fähigkeiten ein Patient hat, desto mehr Punkte kann er erreichen und desto leichter ist seine Verletzung. Umgekehrt heißt das: Je weniger Fähigkeiten ein Patient hat, desto weniger Punkte kann er erreichen und desto schwerer ist seine Verletzung. Volle Punktzahl erreicht ein Patient beispielsweise, wenn er die Augen spontan öffnet, orientiert konversieren und bei Aufforderung motorisch antworten kann. Im schlimmsten Fall bekommt ein Patient nur 3 Punkte, wenn die Augen nicht geöffnet werden können, keinerlei Konversation möglich ist und sogar die Schutzreflexe nicht mehr funktionieren. Aber natürlich gibt es zwischen dem Normalzustand und einem Koma noch sehr viele Abstufungen, wie zum Beispiel die Gehirnerschütterung.

Was passiert bei einem Schädel-Hirn-Trauma?

Unser Gehirn ist wohl eines der wichtigsten Organe im Körper, da es als neurochemische Schaltzentrale alle Körperfunktionen steuert. Durch die hohe Menge an Nervenzellen und ihren Vernetzungen kann es bewusste und unbewusste Handlungen kontrollieren. Da dieses Organ so wichtig ist, ist es vom Schädelknochen umgeben und schwimmt in einer Wasserschicht, dem Liquor. Dadurch ist es vor den meisten Einwirkungen geschützt. Bei einem Schädel-Hirn-Trauma wird der Kopf mit einiger Kraft getroffen, wodurch das Gehirn „geschüttelt“ wird und gegen den Schädelknochen stößt. So kann es zu Schäden am Gehirn kommen. Je größer dabei die Energie hinter dem Trauma, desto schwerwiegender können die Verletzungen sein. Häufig reißen dabei Verbindungen zwischen den Nervenzellen, und es kommt zu kleinen „Kurzschlüssen“, die zu den unten genannten Symptomen führen können. Glücklicherweise ist nur selten die Erschütterung des Schädels so heftig, dass die Blutgefäße des Gehirns reißen können und Hirnblutungen entstehen.
Was sind die Symptome einer Gehirnerschütterung?
Gehirnerschütterungen verursachen eine Vielzahl von Symptomen, die in akute, kurz- und langfristige Beschwerden unterteilt werden können.
Akute Symptome: Diese treten unmittelbar nach der Verletzung auf. Häufigstes Symptom ist eine kurze Bewusstlosigkeit, die wenige Sekunden bis Minuten dauern kann. Selbst wenn keine Bewusstlosigkeit eintritt, erleben Betroffene oft Benommenheit und eine vorübergehende Amnesie, die dazu führt, dass sie sich nicht an die Unfallereignisse erinnern können. Weitere akute Symptome umfassen Schwindel, Übelkeit, Sehstörungen und Kopfschmerzen. In seltenen Fällen kann es auch zu einem vorübergehenden Verlust des Geschmacks- oder Geruchssinns sowie zu einem Tinnitus (Ohrensausen) kommen.
Kurzfristige Symptome: In den ersten Tagen nach der Verletzung klingen die akuten Symptome oft ab, allerdings kann sich ein sogenanntes posttraumatisches Syndrom entwickeln. Dieses Syndrom umfasst Symptome wie anhaltende Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen und gelegentlich auch Gedächtnisprobleme, insbesondere im Kurzzeitgedächtnis. Diese Beschwerden klingen normalerweise innerhalb von zwei Wochen ab, können jedoch bei manchen Betroffenen auch länger anhalten.
Langfristige Symptome: Langfristige Beschwerden sind selten und treten meist nur bei schweren Verläufen oder wiederholten Gehirnerschütterungen auf. Dazu können kognitive Beeinträchtigungen wie Schwierigkeiten beim Lernen und Erinnern sowie dauerhafte Kopfschmerzen gehören. In seltenen Fällen entwickeln sich emotionale oder psychologische Veränderungen, wie erhöhte Reizbarkeit oder depressive Verstimmungen.
Was sind Symptome der Schädel-Hirn Traumata 2. und 3. Grades?
Die Symptome eines SHT 2. Grades sind oft schwerwiegender und können neben einer anhaltenden Bewusstlosigkeit von mehr als 15 Minuten auch intensive Verwirrtheit und Desorientierung nach dem Trauma umfassen. Patienten erleben oft starke, anhaltende Kopfschmerzen, ausgeprägte Übelkeit, sowie Schwindel, der länger andauert als bei einer leichten Gehirnerschütterung. Es treten häufig auch Sehstörungen, Gleichgewichtsstörungen und eine erhebliche Beeinträchtigung der Konzentration und Gedächtnisleistung auf. Bei vielen Betroffenen entwickeln sich zusätzlich Symptome eines posttraumatischen Syndroms, darunter Schlafprobleme, Reizbarkeit und emotionale Instabilität. In einigen Fällen können bei SHT 2. Grades auch Hirnschwellungen (Ödeme) auftreten, die den Hirndruck erhöhen und eine intensivmedizinische Überwachung notwendig machen. Solche Verletzungen bergen das Risiko bleibender neurologischer und kognitiver Schäden.
Bei einem SHT 3. Grades, der schwersten Form des Schädel-Hirn-Traumas, sind die Symptome noch gravierender und umfassen oft tiefe Bewusstlosigkeit oder Koma, das Tage bis Wochen andauern kann. Der Bewusstseinszustand wird auf der Glasgow Coma Scale mit nur 3 bis 8 Punkten bewertet, was auf massive neurologische Einschränkungen hinweist. Die Verletzung geht häufig mit einer erheblichen Hirnschwellung einher, die den Hirndruck gefährlich erhöht und zu einer Einschränkung der Sauerstoffversorgung lebenswichtiger Hirnareale führen kann. Langzeitschäden bei SHT 3. Grades sind weit verbreitet und können Gedächtnisverlust, schwere kognitive Einschränkungen, Sprachstörungen, motorische Beeinträchtigungen und epileptische Anfälle umfassen. Auch Persönlichkeitsveränderungen, wie gesteigerte Aggression, emotionale Instabilität oder depressive Symptome, treten häufig auf und können die Lebensqualität der Betroffenen sowie ihrer Angehörigen stark beeinträchtigen.
Wie wird eine Gehirnerschütterung behandelt?
Zunächst erfolgt die Diagnostik nach der GCS, um den Schweregrad der Verletzung zu erkennen. Außerdem ist es wichtig, die medizinische Vorgeschichte eines Patienten zu erfahren. Wenn beispielsweise Blutverdünnungsmedikamente genommen werden, steigt das Risiko einer Blutung drastisch. Auch frühere Schädel-Hirn-Traumata stellen risikosteigernde Faktoren dar und können zu einem schwereren Verlauf führen.

Nach abgeschlossener Diagnostik, verschreiben Ärzte bei Gehirnerschütterungen häufig Schmerztabletten und Physiotherapie. Das Ziel ist, dem Körper Ruhe zu geben, damit das Gehirn sich erholen und reparieren kann. Dabei werden die verlorenen Verbindungen zwischen den Nervenzellen erneuert. In den ersten zwei Wochen nach dem Unfall ist daher wichtig, den Körper zu schonen und kein Risiko für ein weiteres SHT einzugehen. Kinder sollten nicht am Sportunterricht teilnehmen, und Patienten sollten insgesamt vorsichtig sein. Wenn ein posttraumatisches Syndrom vorliegt, kann – je nach Symptomen – eine psychosoziale Betreuung und die Verordnung von Antidepressiva notwendig sein. Das Ziel aller Behandlungen bei einer Gehirnerschütterung ist die Symptomlinderung und ausreichende Ruhe für den Körper.
Wie werden Schädel-Hirn Traumata des 2. und 3. Grades behandelt?
Anders sieht es bei Patienten mit einem SHT 2. oder 3. Grades aus. Häufig überwachen die Ärzte sie auf der Intensivstation können sie künstlich beatmen. Sie kontrollieren auch Sauerstoffmangel und Blutdruckschwankungen, und je nach Schwere der Bewusstseinsstörung werden verschiedene bildgebende Verfahren angewandt, um die Verletzungen am Gehirn sichtbar zu machen. Bei 30 % der Patienten mit einem SHT 2. Grades ist ein auffälliges CT der Indikator für neurochirurgische Eingriffe.
Bei bewusstlosen Patienten muss der Hirndruck überwacht werden. Aufgrund des Traumas kann das Gehirn anschwellen, wodurch es Probleme mit Sauerstoffversorgung geben kann. In diesem Fall muss der Druck operativ gesenkt werden. Dafür können Teile der Schädeldecke abgenommen und die harte Hirnhaut vergrößert werden (Dekompressionskraniektomie). Auch ein Aufstau des Hirnwassers kann auftreten, wofür dann der Chirurg eine Hirnwasser-Außenableitung anlegt. Nach erfolgreicher Genesung können CAD-gefräste Schädelknochen-Ersatzplastiken aus Fiberglas oder Titan verwendet werden, um ein kosmetisch gutes Ergebnis zu erzielen und das Risiko von Infektionen zu verringern.
Je nach Schweregrad kann eine anschließende Rehabilitation sinnvoll sein, um alle Gehirnfunktionen möglichst vollständig wiederherzustellen.
Zusammenfassend:
Eine Gehirnerschütterung ist die leichteste Form eines Schädel-Hirn-Traumas (SHT), doch man sollte ihre Symptome und potenziellen Folgen nicht unterschätzen. Schädel-Hirn-Traumata können von leichten Gehirnerschütterungen bis zu schweren Gehirnquetschungen reichen und dementsprechend unterschiedliche Auswirkungen haben. Daher ist es wichtig, das Ausmaß der Verletzung durch eine schnelle und korrekte Diagnostik zu bestimmen. Eine einfache Gehirnerschütterung ist zwar selten lebensbedrohlich, jedoch kann ein SHT 3. Grades ernste, teils lebensgefährliche Folgen haben, die intensive medizinische Überwachung und Behandlung erfordern.
Ob leicht oder schwerwiegend, Schädel-Hirn-Traumata sollten stets medizinisch beurteilt werden, um den Heilungsverlauf optimal zu unterstützen und die Gesundheit des Gehirns zu schützen.
Bei Interesse
Quellen
DocCheck, M. B. (n.d.). Commotio cerebri – DocCheck Flexikon. DocCheck Flexikon. https://flexikon.doccheck.com/de/Commotio_cerebri
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Welt, C. (2024, May 27). Schädel-Hirn-Trauma: Symptome, Folgen und Behandlung. NDR.de – Ratgeber – Gesundheit. https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Schaedel-Hirn-Trauma-Symptome-Folgen-und-Behandlung,schaedelhirntrauma100.html