Neuroplastizität: Gedankenlesen und Menschen ohne Gehirne

BLOG: HIRN UND WEG

Der Neuroblog der Hertie-Stiftung
HIRN UND WEG

Südfrankreich im Jahr 2007. Ein 44-jähriger Mann besucht das Krankenhaus, weil ihn eine leichte Schwäche im linken Bein plagt. Als die Ärzte Bilder seiner Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) sehen, wird schnell klar, dass dieser Mann viel größere Probleme hat: ihm fehlen fast 90% seines Gehirns1. Wo normalerweise Gehirnzellen sein sollten, ist nur Liquor, also Nervenwasser. (Abbildung 1).

Abbildung 1: Links MRT Aufnahmen eines Gehirns, dem fast 90% der Hirnmasse fehlt (A: Blick von oben, C: seitlich). Im Vergleich rechts ein gesundes Gehirn mit normalem Volumen. (A und C von Feuillet et al. 2007, gesundes Gehirn von radiopaedia.org)

Das Erstaunliche: der verheiratete Vater von zwei Kindern ist ein gesunder Verwaltungsbeamter, der Beruf und Alltag seit jeher ohne Probleme bewältigt. In Intelligenztests schneidet er leicht unterdurchschnittlich ab, ist aber keineswegs auffällig. Die Ursache für seine fehlende Hirnmasse ist schnell gefunden: als er ein Baby war, bestand die Gefahr, dass er einen Wasserkopf entwickeln würde, weshalb Ärzte Hirnwasser ablaufen ließen. Dadurch haben sich allerdings seine Hirnkammern (Ventrikel) ausgeweitet, bis sie schließlich fast den ganzen Schädel einnahmen. Ein gesundes Gehirn hingegen besteht aus zahlreichen Bereichen und Gebilden, die verschiedene Aufgaben übernehmen. Zum Beispiel ist der Hippocampus für unser Gedächtnis verantwortlich, der Thalamus reguliert unter anderem den Hormonhaushalt und die Hypophyse schüttet die gerade benötigten Hormone aus. Die Frage, die sich aufdrängt: wie kann ein Mann, dem all diese Areale fehlen, der nur 10% eines normalen Gehirns besitzt, überleben?

Gedanken lesen mit der Neurowissenschaft

Wieder 2007, diesmal in Berlin. Hier beschäftigt sich John Haynes mit Gedankenlesen. Haynes ist Professor für Neurowissenschaften und forscht zu brain reading. Ja, Gedankenlesen ist jetzt ein Forschungsgebiet. Tatsächlich konnten Haynes und sein Team 2007 mit einer Erfolgsrate von 70% die Gedanken von Versuchsteilnehmern lesen2. Die Versuchspersonen konnten zuerst, ohne Kenntnis der Wissenschaftler, entscheiden, ob sie zwei präsentierte Zahlen addieren oder subtrahieren würden. Danach mussten sie die Rechnung tatsächlich durchführen. Die Gehirnaktivität verriet Haynes und seinem Team schon vor der tatsächlichen Rechnung, was die Versuchspersonen vorhatten. Die Methode, die die Forscher dabei benutzten, ist heute in aller Munde. Es handelte sich um maschinelles Lernen, also um statistische Algorithmen, die auf der Basis früherer Eingaben lernen, neue Eingaben richtig zu kategorisieren. Ein klassisches Einsatzgebiet für solche Algorithmen ist die Bilderkennung, wie sie Suchmaschinen benutzen. Dabei erkennt der Algorithmus verschiedene Eigenschaften eines Bildes, wie Reifen, und folgert daraus, dass auf einem Bild mit vier Reifen ein Auto sein muss, auf einem Bild mit zwei Reifen dagegen ein Fahrrad. Damit die statistische Verallgemeinerung gelingt, muss der Algorithmus an einer möglichst großen Menge von Fällen trainiert werden, aus denen er dann ein Muster ableitet. Es geht bei machine learning also schlicht um Mustererkennung.

Da nun im Gehirn verschiedene gedankliche Inhalte sehr spezifische Aktivitätsmuster aufweisen, konnte Haynes das maschinelle Lernen so gut auf das Gedankenlesen anwenden. Er musste lediglich anhand der MRT Bilder erkennen, welche Hirnregionen konsistent bei Addition und welche bei Subtraktion aktiv waren. Das heißt: beim brain reading muss man für jeden Gedanken, den man lesen können will, vorher mehrere hundert Male die zugehörige Gehirnaktivität bestätigen (s. Abbildung 2). Im besten Fall kann man dann aus altbekannten Aktivitäten schließen, was eine neue, unbekannte Aktivität bedeutet (Interpolation). Überlappen sich plötzlich die zwei aktiven Hirnregionen, die sonst jeweils nur Fahrräder und nur Autos repräsentieren, handelt es sich womöglich um ein Motorrad. Aber was hat das alles nun mit unserem gehirnlosen Mann zu tun?

Abbildung 2: Prinzip des neurowissenschaftlichen Gedankenlesens mit maschinellem Lernen. Zuerst wird ein Algorithmus mit Beispielgedanken trainiert, die jeweils ganz bestimmte Hirnaktivitäten auslösen. Nach vielen tausenden Gedanken kann der Algorithmus von der Hirnaktivität auf den Gedanken schließen. Üblicherweise wird das Aktivitätsmuster in einem MRT oder fMRT mit Voxeln (Auflösungseinheiten, ähnlich wie Pixel sichtbar gemacht. (Übernommen von Smith in Nature3)

Das Gehirn gibt es nicht

Es gibt ein aus neurobiologischen Gründen scheinbar unüberwindbares Problem für brain reading. Die oben beschriebenen Methoden können nur die Gedanken einer einzelnen Person lesen. Man muss die Hirnaktivität für den Gedanken ‚Fahrrad‘ für jede Versuchsperson erneut hunderte Male dem Algorithmus beibringen. Man kann einen Algorithmus nicht ‚recyclen‘, also zweimal für verschiedene Menschen verwenden, ihn nicht von einer Person auf die nächste übertragen. Warum? Die Antwort ist dieselbe, wie darauf, warum gehirnlose Menschen ihren Alltag problemlos meistern können: Neuroplastizität.

Neuroplastizität ist die Eigenschaft des Gehirns, sich selbst zu organisieren. Es baut sich selbst und kann deshalb auch aktiv kompensieren, wenn ein Teil verloren geht. Es gibt zwar eine evolutionäre Blaupause für unser Gehirn, die muss jedoch nicht notwendig eingehalten werden. Zumindest in den ersten wenigen Lebensjahren sind alternative Entwicklungsrouten möglich (einem Erwachsenen hingegen sollte man eher nicht 90% des Gehirns entnehmen). Wegen der Neuroplastizität könnte das individuelle menschliche Gehirn auch ganz anders aussehen und trotzdem einwandfrei funktionieren. Unser gehirnloser Mann, der gar kein so seltenes Phänomen ist4, ist im Prinzip nur ein Extremfall der normalen Individualität, die unsere Gehirne und uns als Personen prägt. Das Gehirn gibt es nicht, wir alle sind verschieden, weil wir individuelle Lerngeschichten und Erfahrungen haben, die in den neuroplastischen Verbindungen unserer Hirnzellen gespeichert sind: „Persönliche Erfahrungen spielen eine wichtige Rolle bei der Formung der neuronalen Architektur einer Person, individuelle Assoziationen und Bedeutungsfärbungen sind zentraler Bestandteil der meisten Gedanken“ schreibt Haynes5. Derselbe Gedanke kann für verschiedene Menschen höchst unterschiedliche Bedeutungen haben: die eine verbindet Hunde mit gewissen Emotionen, die der nächste wiederum mit Katzen verbindet – das Aktivitätsmuster für dasselbe Konzept variiert deshalb zwischen Individuen, von Kulturunterschieden ganz zu schweigen. Die Netzwerke des Gehirns sind flexibel und formbar – plastisch eben – und passen sich an ihre Herausforderungen an. Wir Menschen wachsen also, im wahrsten Sinne des Wortes, mit unseren Herausforderungen.

Quellen

  1. Feuillet, L., Dufour, H., & Pelletier, J. (2007). Brain of a white-collar worker. The Lancet370 (9583), 262. https://www.thelancet.com/journals/lancet
  2. Haynes, J. D., Sakai, K., Rees, G., Gilbert, S., Frith, C., & Passingham, R. E. (2007). Reading hidden intentions in the human brain. Current Biology17 (4), 323-328. https://reader.elsevier.com/reader
  3. Smith, K. (2013). Brain decoding: reading minds. Nature News502 (7472), 428. https://www.nature.com/news/brain-decoding-reading-minds
  4. Kliemann, D., Adolphs, R., Tyszka, J. M., Fischl, B., Yeo, B. T., Nair, R., … & Paul, L. K. (2019). Intrinsic functional connectivity of the brain in adults with a single cerebral hemisphere. Cell reports29 (8), 2398-2407. https://www.cell.com/cell-reports/fulltext
  5. Haynes, J. D. (2011). Brain reading: Decoding mental states from brain activity in humans. The Oxford Handbook of Neuroethics, 3-13.

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Mein Name ist David Wurzer. Ich bin Medizinstudent und Philosophiedoktorand an der LMU München, davor habe ich Philosophie, Psychologie und Neurowissenschaften studiert. Besonders interessieren mich die aktuellen Forschungsergebnisse aus der Neurotechnologie, die als Schnittstelle für die zunehmende Verschmelzung von Mensch und Technik fungiert. Dabei werden spannende klinische und ethische Fragen aufgeworfen, die ich zusammen mit der interessierten Öffentlichkeit durchdenken möchte.

47 Kommentare

  1. Die Individualität und Neuroplastizität des Hirns bedeutet für Brain-Computer-Interfaces, dass sie
    1) für jedes Individuum von Grund auf neu trainiert werden müssen und
    2) für jedes Individuum wöchentlich, teilweise sogar täglich neu kalibriert werden müssen

    Doch das muss gar nicht ein so grosses Hindernis sein für den breiten Einsatz von Hirn-Computer-Schnittstellen, denn wenn die Software das berücksichtigt, kann sie quasi kontinuierlich nachtrainiert werden. Jetzt etwa tippe ich gerade diesen Text ein. Hätte ich ein Brain-Computer-Interface, so könnt dieses die Korrelationen zwischen den (etwa mit einer Kamera) beobachteten Fingerbewegungen und der Hirnaktivität bestimmen und sich so auf mich einstellen. Wenn das BCI ständig einen Vergleich zwischen Hirnaktivität und meiner motorischen und sensorischen Aktivität hat, kann es sich mir optimal anpassen . Und das jeden Tag.

    Das grösste Hindernis für Hirn-Computer-Schnittstellen ist also nicht die Individualität und Plastizität des Hirns, sondern es ist die nötige Invasivität guter BCIs. Es genügt nicht, nur äusserlich die Hirnströme abzuleiten mit einem Elektroenzephalographen, denn die so gewonnene Information ist viel zu ungenau und zu verschwommen. Es braucht also Hirnimplantate. Und so etwas kommt wohl nur in speziellen Fällen in Frage. Also etwa bei Tetraplegikern oder sonst schwer Kranken.

    Fazit:Telepathie und Telekinese ist heute von der vorhandenen Technologie her möglich. Allerdings nur über sehr invasive Technologie und damit nicht für Jedermann.

    • Zwei spannende Punkte. Es stimmt einerseits, dass invasive BCIs viel mächtiger wären. Andererseits sind wireless EEGs i.d. Forschung schon regulär im Einsatz und es wäre denkbar, dass man diese auch im Alltag trägt (z.B. Studierende während des Lernens). Über lange Tragezeiten hinweg würde dann auch ein normales EEG aussagekräftige Daten generieren – die Selbstoptimierungsindustrie wäre sicher interessiert.

      • Geht es im Gehirn nicht schlussendlich nur mit “Schwingungen und Frequenzen” zu, d.h. alle Informationen werden in frequenzmodulierten Signalen festgehalten?

        Das würde auch das Kompensieren der fehlenden “Gehirnmasse” aus dem Beispiel erklären.

        Einfach mal ein wenig mehr bioelektrisch bzw. biophysikalisch denken und sich nach entsprechenden kristallinen Formen im Kopf umschauen, dann wären auch diese Rätsel gelöst?!

        • Sie haben ganz recht, die Oszillationen der Neurone spielen eine erhebliche Rolle für das Funktionieren des Gehirns. Aber darauf reduzieren lässt sich das Gehirn nicht. Langsame, nicht-elektrische Prozesse sind ebenso relevant (schon die meisten Synapsen sind chemisch, nicht elektrisch, lediglich die Reizweiterleitung über Axone ist elektrisch – letztere wiederum wachsen im frühen Kindesalter vor allem auch durch chemotaktische Signale)

          Beste Grüße!

    • Das stimmt grundsätzlich. Aber auch nur, wenn sich die Anzahl der zu trainierenden Kategorien in Grenzen hält.
      Wenn man wirklich sämtliche Gedanken lesen möchte, also alle gespeicherten und erlebten Kategorien interpretieren (also lesen) möchte, müsste man eine KI das ganze Leben lang mit sich schleppen und parallel mitlernen lassen.
      Oder man ruft das gesamte Leben ab und trainiert die KI so. Insofern bin ich sehr froh, dass Gehirne selbstorganisiert sind und sich nur sehr einfache Dinge interpretieren lassen.

    • Sie verwechseln da was. Telekinese ist ganz was anderes (mit reiner Gedankenkraft und sonst nichts Gegenstände bewegen).

      • Es gibt mittlerweile Brain-Computer-Interfaces, mit denen sich Rollstühle mit Gedanken steuern lassen. Ich denke, Herr Holzherr meinte eher diese nicht-übernatürliche Form von “Telekinese”

  2. Sehr geehrter Herr Wurzer,
    mir fehlt in Ihrem Artikel eine mögliche Erklärung, wie alle Funktionen, die in tiefer liegenden Hirnarealen ablaufen, bei einem Mann wie diesem in quantitativ so wenig “Material” “eingebaut” werden können, rein aus Platz-Gründen! Plastizität, schön und gut, aber es braucht ja auch Platz für Hirnzellen, die Aufgaben erledigen sollen. Übernehmen hier Regionen verschiedene Aufgaben? Was weiß man darüber? Auch eine Bemerkung, dass man es vielleicht gar nicht weiß, wäre hilfreich. das interessante Phänomen des Mannes macht neugieriger als das neurowissenschaftliche Gedankenlesen; vielleicht aber bin ich nur nicht fähig, in letzterem Artikel-Teil die Antwort auf meine Fragen zu finden.
    Mit freundlichen Grüßen
    EM.Huber

    • Danke für den Hinweis, tatsächlich ist es meines Wissens nach noch ein Rätsel, wie die verbliebenen Zellen die Kompensation leisten.

      • Hallöchen
        Meine inzwischen verstorbene Tochter hatte ein ähnliches MRT-Bild.
        Sie konnte nichts. Lag im Bett. War geistig und körperlich Behindert.
        Für mich Unverständlich das man mit so wenig Gehirnmasse überlebt.

    • Dass ein Beamter seinen Job unauffällig erledigen kann, selbst wenn ihm 90 Prozent Gehinmasse fehlen, wundert mich gar nicht. Und zum Kinder zeugen – mit verlaub – braucht es eigentlich auch nicht soviel davon 🙂

    • Sehr geehrte Frau Huber,
      ich glaube, es ist wichtig zu betonen, dass im Fall dieses Patienten Hirnareale nicht direkt zerstört wurden wie z. B. bei einem Schlaganfall, sondern lediglich komprimiert wurden. Nervengewebe weist enorme Unterschiede in der Zelldichte auf, und es ist möglich, dass das komprimierte Gewebe nun dichter gepackte Zellen auf kleinerem Raum enthält. Wenn ich mir das MRT anschaue, kann ich mir gut vorstellen, dass die meisten oder alle Areale noch vorhanden sind, aber einfach stark zusammengedrückt wurden. Gewisse Schäden mit Zellverlust hat es wahrscheinlich trotzdem gegeben.
      MIt freundlichen Grüssen
      A. Steiner

  3. Hervorragende Idee ! Für mich eine freudvolle Bereicherung und Fortführung meiner gedanklichen Impulse basierend auf Prof. Spitzer, Prof. Hüther, Prof. Roth, Prof Singer, u v .a.m.
    Im Kommunikationsfall werde ich mich gerne zum Anliegen und ihres Umsetzens in die gesellschaftlich konditionierte Praxis äussern .
    Mf G. C.Hentrich

  4. Das Phänomen, dass man mit „weitgehend fehlendem Gehirn“ auch nicht schlecht leben kann, ist interessant.

    Wie auch Tiere, z.B. Katzen, Papageien, Raben mit eher kleinem Gehirn eher intelligentere Leistungen erbringen, als z.B. Rinder, oder Pferde.

    Interessant wäre, ob. z.B. der betreffende Patient andere, kaum merkliche Einschränkungen Z.B. eine geringere „Reizauflösung“ der Haut, oder in der Feinsteuerung der Motorik hat als „Normalos“?

    Die „Auflösung“, also bei Bildern die Zahl der Pixel pro Quadratzentimeter, steigt „quadratisch“, demnach auch der Ressourcenverbrauch. Ähnliches gilt auch für die Motorik, letztlich der Muskelmasse.

    Der „Neuronale Ressourcenbedarf“ um mit den Lebensumständen (z.B. Nahrungssuche,…) zurecht zu kommen, ist für die Tierarten eher ähnlich.

    • “Interessant wäre, ob. z.B. der betreffende Patient andere, kaum merkliche Einschränkungen Z.B. eine geringere „Reizauflösung“ der Haut, oder in der Feinsteuerung der Motorik hat als „Normalos“?”

      Sehr spannende Frage. Intelligenz allerdings korreliert mit der Hirngröße nicht unbedingt, eher mit anderen Faktoren wie synaptischen Vernetzungsgraden. Klein ist also nicht gleich intelligenter – ein empirischer Beleg ist mein Hauskater.

      • Die Gehirne anderer intelligenter Spezies wie Menschenaffen, Papageien, Delphine, Kraken und andere leisten teilweise mehr (output) als das menschliche Hirn. Es kommt nicht auf die Gehirnmasse an. Sicherlich ist die “Software” auch bei nicht künstlicher Intelligenz entscheidend. Die Frage ist nur wer lizensiert in diesem Fall Hard- und Software?

  5. Zu D. Wurzer
    Betrifft Ihren Hauskater:
    Wenn ich meinen Hauskater betrachte basiert seine “Intelligenz” quasi auf der synaptischen Plastizität des Pawlows Reflexes denn wenn er meinem PKW hört-und er weis sehr wohl diesen unter hunderten vorbeifahrenden PKWs zu erkennen- dann kommt er automatisch zur Futterstelle und wartet auf die Belohnung. Will sagen: Ihr “Plastizität” ist nichts weiteres als die Verarbeitung von Reizen und der Mensch ist in dann im Vergleich zu dem Hauskater eher unplastisch da er die Motorgeräusche nicht unterscheiden kann. Wo beginnt also Intelligenz ? Und ihr “Gedanken lesen” funktioniert genau so bei Tieren die ,siehe Hunde, in den Augen ihres Besitzers die Gedanken-oder Gefühle- besser lesen als der emphatischste Mensch. Sind die Neurowissenschaftler also wieder auf einen falschen Pfad ? Auch scheint mir dieses Thema sehr brisant da das Gedanken lesen, sollte es einmal möglich sein, garantiert zur weiteren Manipulation der Masse genutzt werden kann bzw. zur Gehirnwäsche im Sinne von Machterhaltung ,bzw. Unterdrückung. Mein Hauskater wäre also mit seiner Art der Intelligenz von solchen Assoziationen frei da er diese menschliche Gier nicht kennt.Welche Reize zeichnen also Intelligenz aus ?

    • …sorry – aber man sollte nicht zu viel in tierisches Verhalten in Sachen Moral und menschlicher Empathie hineininterpretieren. Und wenn man hier einen Kommentar äußert – wäre es höflich auch vorher mal ein Textprogramm zur Korrektur zu benutzen…

      • “Und wenn man hier einen Kommentar äußert – wäre es höflich auch vorher mal ein Textprogramm zur Korrektur zu benutzen…”
        Hierein sollte man auch nicht zu viel hineininterpretieren, das mit Empathie zu tun hat. Zumal man den Text sehr gut lesen und verstehen kann, trotz der Fehler.
        Da hilft auch die vorangeschickte Entschuldigung nicht.

    • Hallo XY Golzower,
      zu Ihrem Gedanken bezüglich eines Hauskaters denke ich gleich an “Gegenangriff – ein Pamphlet” von Nadja Niemeyer, Verlag Diogenes, worin genau dieser Gedanke eine Rolle spielt, dass die Tiere menschliche Regungen wie Gier bei Ihnen oder Rache im Buch nicht kennen. Allerdings ist der Homo Sapiens auch “nur” ein Säugetier. Warum / woher kommen solche Regungen der Menschlichen Spezies wie Rache, Gier, Machtstreben? Wenn einer das weiß, wäre das schon interessant. … Und falls sich Forschung damit beschäftigen würde, wie wir Menschen diese so unsäglichen Regungen ausmerzen könnten… wäre das auch interessant. Dann kämen wir aber wieder zur Ethik und zu der Frage, ob “die Menschheit” und als erstes Wohl Vertreter unser Spezies, die an Entscheider-Positionen sind, das wollen. Okay, ich drifte arg ab hier. Wirklich interessanter Artikel. Sue, divers

  6. Der Mann hatte, wie beschrieben, bereits als Baby seine Hirnmasse eingebüßt, da übernimmt dann der Rest die Aufgaben der fehlenden Teile. So würde ich das interpretieren. Gab auch mal einen Fall, da wurde einem Jungen das halbe Hirn durch eine Schussverletzung zerstört, er erholte sich dennoch sehr gut.

  7. Was ist denn mit der Herangehensweise, dass das Gehirn letzten Endes nicht Ursache, sondern Wirkung ist? DH: Ursache ist der Verstand – da es bisher nicht eindeutig gelungen ist, den Verstand zu analyiseren, nimmt man die sicht- und messbare Masse – das Gehirn. Das Gehirn ist aber nicht Iniziator, sondern lediglich die Masse, die wir bisher tatsächlich fähig sind zu messen. Damit könnte auch erklärt werden, wieso Menschen mit so Hirndefekten wie im Beispiel fähig sind normal zu leben. Wir sind es einfach gewohnt mit dem Hirn zu denken – wenn das aber nicht da ist (und derjenige das auch nicht weiß) denkt man ohne Hirn, da man ja nur den Verstand braucht.

  8. EIn Bild mit 4 Rädern ist ein Auto. Auf wieviel Bildern sieht man die 4 Reifen eines Autos?

  9. Leider enthält der Beitrag – bei allem Interesse für den Laien – einen wesentlichen Fehler. Wenn Liquor = Hirnwasser abgeleitet wird, bleiben die Ventrikel KLEIN! Das hier vorliegende Bild kann nur entstehen, wenn der Abfluss des Liquors aus den beiden Seitenventrikeln (hier riesig) und dem 3. Ventrikel (hier riesig) nach außen verstopft ist. Das ist aber kein kindlicher Hydrocephalus (“Wasserkopf”). Ist zwar eine medizinische Randnotiz, aber es sollte schon korrekt sein, damit keine Eltern eines Kindes mit Hydrocephalus die notwendige, richtige Behandlung ablehnen.

  10. Die Neuroplastizität ist auch bei älteren Menschen und vorgeschädigten Gehirnen ein spannendes Phänomen. Bei Menschen mit Parkinson sehen wir, dass eine intensive, das Gehirn herausvordernde logopädische oder physio-/ergotherapeutische Therapie zu deutlicher Reduktion der stimmlichen und motorischen Einschränkungen der Parkinson Patienten führt. Der Zugewinn an Synapsen durch die intensive Stimulation ist über Bildgebung auch sichtbar zu machen. Erfreulicher Weise kommt das Thema der aktivierenden Therapie jetzt auch in der Medizin an.

  11. Das beweisst die alte These, das die meisten Menschen 90% ihres Gehirns gar nicht nutzen.

  12. “Die Ursache für seine fehlende Hirnmasse ist schnell gefunden: als er ein Baby war, bestand die Gefahr, dass er einen Wasserkopf entwickeln würde, weshalb Ärzte Hirnwasser ablaufen ließen. Dadurch haben sich allerdings seine Hirnkammern (Ventrikel) ausgeweitet, bis sie schließlich fast den ganzen Schädel einnahmen.”
    Ich vermute hier einen Fehler, durch Drainage eines Hydrocephalus entsteht nicht der Verlust an Hirnsubstanz. War es nicht so dass die Drainage nicht konsequent durchgeführt wurde und daher ein chonisch bestehender sog Hydrocephalus internus für den Verlust an Hirnsubstanz verantwortlich ist ?

    • Vielen Dank für den Hinweis, tatsächlich war es nicht die ursprüngliche Drainage, die die Ventrikel dilatiert hat, das ist erst nach der Drainage geschehen.

  13. Hallo,

    ich bin sehr überrascht von diesem Beitrag. Ich selber besitze eine arachnoidalzyste, die ca.40% meines Hirnvolumens ausmacht und lebe 25 Jahre schon damit. Sie wurde zufällig entdeckt, weil ich gestürzt bin.
    Ich habe studiert, denke und fühle normal und habe keinerelei Ausfallerscheinungen. Wahrscheinlich ist es auch bei Ihm so.
    Das ist Natur bei Ihrer unglaublichen Arbeit. Schön zu sehen. (klingt doof, ist für mich aber so.)

  14. Hallo werter Herr Wurzer, liebe geschätzte Fachleute
    In meiner Familie gibt es eine Person (F58), die an einer Hirnatrophie rechts leidet. Im Moment sind vor allem das Motorische, die Orientierung und das Sehen (auch das Lesen) eingeschränkt.
    Wenn ich nun Ihre Gedanken und Erfahrungen lese, so stellt sich die Frage, könnte man mit entsprechendem Training die noch intakten Hirnareale linksseitig so trainieren, dass sie die Aufgaben der rechten Seite übernehmen können? Meine Fragen an die Fachleute (Neurologen) wurden immer mit einem Nein beantwortet. Nun, da ich all Ihre Informationen gelesen habe, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass mit entsprechendem Training eine Aktivierung anderer Hirnareale möglichs ein sollte. Als Laie habe ich gelernt, dass wir nur 5% unserers Gehirns zum normalen Leben brauchen. Also wundert es mich eigentlich nicht, dass der eingangs genannte Herr sich so gut im Leben zurecht finden konnte. Also müsste es doch durchaus möglich sein, die riesige “Reserve” aktivieren zu können….. Schon jetzt vielen Dank, wenn Sie in irgend einer Form (z.B. Anlaufstelle in der CH oder D, Trainingsmöglichkeiten usw.) weiterhelfen könnten.

    • Lieber Herr Maag,
      da ich noch kein Arzt bin, kann ich leider nicht mit medizinischem Rat dienen. Mein Text stimmt allerdings mit der Antwort der Neurologen, mit denen Sie bereits gesprochen haben, überein. So massive Umstrukturierungen wie im Textbeispiel sind nur im frühen Kindesalter möglich, auch wenn das Hirn immer plastisch bleibt. Ich kann Ihnen nur empfehlen, weitere Fachärzte aufzusuchen und wünsche Ihrer Familie alles Gute.
      (Zusatz: dass wir nur 5% unseres Gehirns zum leben brauchen, ist im Übrigen ein Mythos, der auch hier im Blog schon behandelt wurde)

      • Geschätzter Herr Wurzer
        vielen Dank für Ihre Ausführungen und Ihre Zeit. Vielleicht gibt es irgendwann in naher Zukunft einmal eine Erkenntnis, die uns helfen könnte und Sie erinnern sich daran. Die Hirnatrophie schreitet bisher zum Glück nur langsam voran und so glauben wir noch immer an eine Chance den aktuellen Status stabilisieren oder gar verbessern zu können.
        Wünsche Ihnen alles Gute und viele positive Erfolge.
        Herzliche Grüsse
        Peter Maag

  15. Intelligenz ist aber auch Lernsache. Egal wie groß oder klein das Gehirn ist, wenn es stimuliert wird, entwickelt sich die Intelligenz weiter.
    Um mal bei Katzen zu bleiben, es heißt zwar “Curiosity killed the cat”, aber curiosity (Neugier) ist eben genau die Voraussetzung für Lernbereitschaft. Meine 4 Katzen könnten unterschiedlicher gar nicht sein. Die neugierigste, die immer ihre Nase überall hineinstecken muss und alles untersuchen will, was um sie herum passiert, ist so intelligent, dass keine Tür oder Schublade vor ihr sicher ist. Auch die Funktion des spiegels erkannte sie und betrachtete sich selbst sehr interessiert darin. Ihre eher faule Schwester hingegen interessiert sich nur für futter und Schmuseeinheiten, ist tollpatschig und recht dusselig. Die erste weiss IMMER was ich denke und fühle. Wenn ich nur daran denke, ihr eine Pille zu geben, macht sie sich unsichtbar. Wenn ich traurig bin, kommt sie nicht nur an, um mich zu trösten, sie versucht auch mich zum lachen zu bringen, weil sie wohl erkennt, daß Lachen das gegenteil von Weinen ist. Sie macht dann irgendetwas komisches und meistens gelingt ihr Vorhaben auch, worüber sie sich dann ganz offensichtlich freut.
    Studien haben gezeigt, daß sich die Intelligenz von Kindern, die den gleichen IQ haben, direkt proportional zu den erhaltenen Stimuli weiterentwickelt. Neugier ist eine gute Voraussetzung, denn je mehr Fragen sie stellen, desto mehr informationen kann das Gehirn speichern, um damit zu arbeiten.
    Man sollte so lange und so viel lernen, wie möglich, damit das Gehirn sich nicht nur weiterentwickelt, sondern auch lange “fit” bleibt. Auch die Fähigkeit zu lernen muss trainiert werden, denn die entwickelt sich zurück, wenn sie nicht genutzt wird.
    Ich gehe noch weiter und sage: Das schulische System Hauptschule / Realschule / Gymnasium sollte es nicht geben. Abitur sollte die einzige, für jeden zugängliche Möglichkeit sein. Jeder Mensch sollte lernen können, sein Gehirn zu benutzen und damit die wichtigsten Instrumente erwerben, um die Zukunft mitzugestalten.

  16. Sehr geehrter Herr Wurzer,

    meines Wissens nach reguliert nicht der Thalamus, sondern der Hypothalamus den Hormonhaushalt. Der Thalamus filtert und bewertet alle ankommenden sensorischen Informationen, bis auf den Geruch, und leitet die verarbeiteten Informationen dann weiter in die entsprechenden Cortexareale.

    Die Geschichte des Mannes, der fast nur Liquor im Gehirn hat und durch Neuroplastizität ein normales Leben führen kann, ist spannend. Die Kompensationsstrategien, die dieses Gehirn gefunden hat, sind enorm. Und diese Fahigkeit der Kompensation muss der Mensch haben, um überleben zu können.

    • Da haben Sie recht, ich vergaß das Hypo – vielen Dank für die Korrektur!

  17. Der Bergsteiger Reinhold Messner hat einmal erzählt, dass 10% seines Gehirns durch den fehlenden Sauerstoff beim Besteigen eines Achttausenders ohne Sauerstoffgerät verloren gehen kann ( welcher Wissenschaftler, diese Erkenntnis verkündet hat, weiß ich nicht). Aber Messner komentierte, dass er ja dann noch 90% seines Gehirns besitzt. Und 14 Achttausender haben ihm trotzdem nicht geschadet!

    • Hallo,
      Neuroplastizität in dem Ausmaß, das im Artikel beschrieben wird, ist nur im frühesten Kindesalter möglich. In Messners Alter können 10% tatsächlich Leben oder Tod entscheiden – kommt ganz darauf an, welche Areale betroffen sind. Schon kleinste Tumore, die etwas Raum fordern, können den Alltag von Erwachsenen beträchtlich beeinflussen.

  18. Lieber Herr Wurzer,

    vielen Dank für Ihren sehr spannenden Artikel „Neuroplastizität: Gedankenlesen und Menschen ohne Gehirne“, den ich mit großem Interesse gelesen habe. Wenn es gestattet ist, würde ich hierzu auch ein paar kurze Anmerkungen anbringen dürfen.

    Das Thema “brain-reading” wird derzeit nicht nur in den USA seit Elon Musks ehrgeizigem „Neuralink-Project“ in Form der „brain-computer interfaces“ (BCI), sondern auch hier in Deutschland seit den sehr vielversprechenden Studien von Prof. Dr. John-Dylan Haynes und seinem hiermit verbundenen, populärwissenschaftlichen Buch „Fenster ins Gehirn – Wie unsere Gedanken entstehen und wie man sie lesen kann“ (2021) sehr forciert.

    Prof. Dr. John-Dylan Haynes vom Center for Advanced Neuroimaging an der Charité in Berlin, den Sie auch in Ihrem Artikel erwähnt hatten, forscht sehr intensiv zu diesem Thema. Er ist angeblich inzwischen in der Lage, anhand der fMRT-Scans von Probanden zu erkennen, ob sie gerade an ihre Großmutter oder ihren Großvater denken. Wir haben in unserer Zoomposium-Reihe auf Youtube bereits Kontakt zu ihm aufgenommen, da wir ein mögliches Interview mit ihm zu diesem sehr spannenden Thema planen.

    Eine relativ gut dokumentierte Studie zum „brain-reading“ mit Hilfe von KI, ist übrigens der Artikel “AI re-creates what people see by reading their brain scans” vom 7. März 2023 auf https://www.science.org/content/article/ai-re-creates-what-people-see-reading-their-brain-scans, auf den ich an dieser Stelle gerne hinweisen möchte. Hier wurde allerdings nur eine Versuchsperson ein Jahr lang gescannt, und es wurde eine riesige Menge an Daten hierbei erzeugt. Okay, das Ergebnis im “Bildvergleich” ist nicht schlecht, aber immer noch weit entfernt von so etwas wie “echtem Gehirnlesen”, denn es wurde nur eine strukturelle Korrelation zwischen Wahrnehmungsinput und neuronalem Aktivitätsmuster hergestellt.

    Es ist also nach wie vor nicht möglich, die “Gedanken” bei einer beliebigen Person festzustellen. Sie verweisen daher vollkommen korrekt auf die individuelle Neuroplastizität des menschlichen Gehrins, was ein allgemeines „Übersetzen“ der neuronale Aktivitätsmuster in Form von “Gedanken” (momentan) unmöglich macht. Der „Gehirnscanner“ im Flughafen, der potentielle Attentäter aufgrund ihrer gefährlichen Gedanken schon im Vorfeld „herausfiltert“, liegt daher eher noch in weiter Zukunft. Vielleicht ist es aber auch besser so, da ja „die Gedanken sind frei“ immer noch gelten sollte ;-).

    Vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag und
    mit den besten Grüßen

    Dirk Boucsein

  19. Thema Gedankenlesen
    könnten die die Oszillationen der Neuronen nur eine eine Kommunikation innerhalb des eigenen Hirnareals herstellen oder ist dies möglich, dies bei anderen Menschen und ihren Hirnen zu verknüpfen und damit die Gedanken, Gefühle zu beeinflussen?

    Wenn ja, Wasser leitet Schwingungen. Wäre dies demnach an regnerischen Tagen intensiver?

  20. Danke für diesen tollen Beitrag und eine Formulierung, die auch Laien verstehen. Ich bin gespannt, was in Zukunft durch Machine Learning und KI noch alles möglich sein wird.