Neuro-Mythos: Die Zahl der Hirnzellen
Wie viele Zellen gibt es in unseren Hirnen? Welche Zellen sind es? Und was sagt all das darüber aus, wie unsere Hirne funktionieren? In diesem Beitrag wird es um das Zählen von Hirnzellen und die wissenschaftlichen Mythen gehen, die in diesem Bereich lange verbreitet waren.
Zahl der Zellen
Wer schon einmal einen meiner Blogbeiträge gelesen hat, der könnte wissen, wie spannend ich wissenschaftliche Mythen finde. Manchmal kommen neue Daten ans Licht oder neue Messmethoden auf den Markt, die uns dazu zwingen, grundlegende Annahmen, die wir lange auf einem Gebiet als gegeben betrachtet haben, noch einmal anzupassen. Dies ist nicht nur faszinierend, weil neue Methoden und Daten generiert werden, sondern weil es uns auch zwingt, über die Wissenschaftskommunikation nachzudenken. Denn neue Ergebnisse, die nicht angemessen kommuniziert werden, können alte Fehlannahmen nicht ersetzen. Die Neurowissenschaft ist im Vergleich zu vielen anderen Disziplinen sehr jung und ihr Forschungsgegenstand, das Gehirn, ist über alle Maße komplex. Deshalb kommen solche wissenschaftlichen Mythen gar nicht mal so selten vor.
Eine der grundlegendsten Fragen, die bis nach der Jahrtausendwende immer wieder, selbst in einschlägigen Lehrbüchern, falsch beantwortet wurde, ist die Frage danach, aus wie vielen Zellen das menschliche Gehirn im Durchschnitt besteht.
Zelltypen
In Säugetiergehirnen gibt es SEHR grob gesagt zwei Arten von Zellen. Einmal wären da die Nervenzellen oder Neurone. Das ist der Zelltyp, der meistens gemeint ist, wenn umgangssprachlich von Hirnzellen gesprochen wird. Diese Zellen leiten elektrische Signale weiter und kommunizieren miteinander an Stellen der elektrischen oder chemischen Signaltransduktion, die man Synapsen nennt.
Aber es gibt im Hirn noch einen anderen Zelltyp: Die Gliazellen. Der Name Gliazelle kommt vom griechischen Wort für Kleber, und das hat einen guten Grund, denn diese Zellen halten buchstäblich unser Hirn beisammen. Dies tun Sie auf viele verschiedene Arten und Weisen:
Die Astrozyten formen weitreichende strahlenartige Fortsätze, woher auch ihr Name stammt. Ihre Aufgabe ist es, die chemische Umgebung der Nervenzellen zu stabilisieren. So nehmen sie etwa überschüssige Neurotransmitter aus dem synaptischen Spalt auf und formen diese um, damit sie wiederverwendet werden können. Außerdem haben sie Stoffwechselfunktionen inne und versorgen die Nervenzellen mit wichtigen Nährstoffen. Zudem regulieren sie die Zellen des Endothels, welche die Integrität unserer Blut-Hirn-Schranke wahren und unser Hirn vor schädlichen Substanzen im Blutstrom schützen.
Die Oligodendrozyten sind dafür zuständig, die Axone von Nervenzellen mit einer isolierenden Fettschicht aus Myelin zu umhüllen. Dies beschleunigt die Weiterleitung von elektrischen Signalen innerhalb der Zelle und ist somit essentiell für die Funktion unserer Hirne. Die Krankheitsbilder, die aus einer Beschädigung des Myelins resultieren, haben schwerwiegende Folgen für die Betroffenen, vor allem in Form von kognitiven und motorischen Einschränkungen. Die bekannteste demyelinisierende Erkrankung ist die Multiple Sklerose.
In den Ventrikeln, also den mit Cerebro-Spinal-Flüssigkeit (CSF) gefüllten Hohlräumen im Inneren des Hirns, finden sich zudem die Ependymzellen, die den Fluss und die Produktion der CSF regulieren.
Zuletzt gibt es noch die Microglia. Dieser Zelltyp ist, wie der Name schon sagt, der Kleinste unter den Gliazellen. Microglia sind ein essentieller Bestandteil des Immunsystems in unserem zentralen Nervensystem. Mircoglia sind Makrophagen, also Fresszellen, die Abfallprodukte entfernen und auf Hirnverletzungen stark reagieren.
Wie viele Zellen gibt es?
Wir sehen also schon, dass Gliazellen eine ganze Reihe extrem wichtiger Funktionen innehaben, ohne die unsere Nervenzellen nicht bestehen könnten. Es sollte also niemanden verwundern, dass es eine ganze Menge dieser Zellen in unseren Hirnen geben muss. Wie viele es aber genau gibt, ist der Gegenstand einer kleinen Kontroverse. Der Ursprung und Ablauf dieser Kontroverse wurden in einer hoch detaillierten narrativen Review von Christopher S. von Bartheld, Jami Bahney und Suzana Herculano-Houzel aufgeführt [1]. Auf diese Aufführung werde ich mich hier beziehen.
Erst einmal vorweg: Die derzeit genausten Schätzungen, basierend auf den modernsten Methoden des Zellenzählens, sind, dass es etwa 67–86 Milliarden Neuronen und weniger als 85 Milliarden Gliazellen im gesamten menschlichen Gehirn gibt. Von den 85 Milliarden nicht-neuronalen Zellen, die gezählt wurden, gehören nämlich noch ungefähr 20–25 Milliarden zu den Blutgefäßen. Diese Zahlen variieren natürlich von Person zu Person, stellen also nur grobe Durchschnittswerte dar.
Selbstverständlich hat es eine Weile gebraucht, bis wir bei dieser Schätzung angekommen sind. Im Laufe der letzten 150 Jahre sind viele verschiedene Studien zu diesem Thema erschienen. Nun könnte man meinen, dass man in den frühen Jahren der Neurowissenschaft eben noch keine besonders genauen Messmethoden zur Verfügung hatte und unsere Schätzungen deshalb besser und besser wurden.
Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit, denn im letzten Jahrhundert kam eine Mengenangabe hinzu, die das Bild, welches viele Forschenden von unseren Hirnen hatten, für lange Zeit verzerrte. Denn über viele Jahre hinweg ließ sich in den Lehrbüchern nachlesen, dass die Zahl der Gliazellen die der Neurone um ein Vielfaches übersteige. Bis hin zu zehnmal so viele Gliazellen soll es in unseren Köpfen geben. Also fast eine Billion Gliazellen.
Mittlerweile wissen wir, dass dies nicht der Wahrheit entspricht. Doch der Mythos hielt sich lange, selbst in sonst sehr vertrauenswürdigen Quellen. Wie konnte es dazu kommen?
Der Ursprung des Mythos
Laut Bartheld und Co. stammt diese Fehldarstellung aus den späten 50er Jahren, als einige Gliazell-Forschende damit begannen, in ihren Publikationen darüber zu schreiben, dass es mehr Gliazellen als Nervenzellen gäbe. Zunächst begann dies mit vorsichtigen Formulierungen „perhaps“ oder „possibly“, doch innerhalb von wenigen Jahren wurden diese Formulierungen in neuen Publikationen zitiert, wobei die Autorinnen und Autoren immer unvorsichtiger wurden. Schon bald wurde die Behauptung, die ursprünglich nur eine ungetestete Hypothese war, als etablierter Fakt dargestellt.
Der schwedische Neurowissenschaftler Holger Hyden schrieb die Behauptung schließlich zu Beginn der 60er Jahre in einem Lehrbuch nieder, von wo aus der Mythos sich wahrscheinlich verselbständigte. Bartheld und Co. gehen davon aus, dass Hyden besonders anfällig für diesen Mythos war, weil die Hirnregion, auf die er seine Forschung spezialisiert hatte, tatsächlich mehr Gliazellen als Neuronen aufweist. Nur gilt dieser Umstand nicht für den Rest des Gehirns.
Für solche Nuancen war es aber erst einmal zu spät. Der Mythos der Billionen Gliazellen hatte Fahrt aufgenommen und wurde an unzähligen Stellen wiederholt. Sogar der geniale Science-Fiction-Autor Isaac Asimov wiederholte die Behauptung in seinem Übersichtswerk „The Human Brain“.
Verlauf des Mythos
Der Mythos der überzähligen Glia hielt sich für über fünfzig Jahre tapfer. Sowohl in der Fachwelt als auch in der Wissenschaftskommunikation. Der wahrscheinlich wichtigste Multiplikator der Fehlannahme war das Lehrbuch „Principles of Neural Science“ aus der Feder des Nobelpreisträgers Eric R. Kandel. Kaum ein Student oder eine Studentin in den Neurowissenschaften kommt um dieses Standardwerk herum. Auch ich habe es häufig zum Lernen verwendet und benutzte es nach wie vor gerne als Nachschlagwerk. Allerdings sind auch die besten Quellen nicht immun gegen Fehler, denn bis hin zur vorletzten Edition aus dem Jahre 2012 war hier die Rede von einem 1:5 bis 1:10-Verhältnis von Neuronen zu Glia.
Die Richtigstellung
Natürlich war der Mythos der gigantischen Anzahl an Gliazellen nie völlig unangefochten. Tatsächlich wurden im Laufe des letzten Jahrhunderts zwei Studien veröffentlicht, welche die Zahl der Gliazellen abschätzten. Blinkov und Glezer berechneten im Jahre 1968, dass nicht mehr als 130 Milliarden vorhanden sein könnten, und Haug schätzte die Zahl im Jahre 1986 auf etwa 50 Milliarden. Letztere Schätzung bezeichnen Bartheld und Co. als überraschend präzise. Korrigiert wurde die Fehldarstellung in den Textbüchern aber nicht.
Erst die Veröffentlichung von Studien, die eine neue Methode der Zellzählung namens isotopische Fraktionierung nutzten, brachte den Wandel. Bei dieser Methode werden Hirnproben entnommen und homogenisiert. Danach wird die dabei entstandene Flüssigkeit mit Antikörpern versetzt, welche es ermöglichen, die Zellkerne von Neuronen und Gliazellen separat zu analysieren.
Die erste und einschlägigste dieser Studien kam von Frederico Azevedos et al. im Jahre 2009 [2]. Auch hier wurde die Zahl der Gliazellen als geringer als die der Neuronen geschätzt. Diese Publikation stammt aus einem neurowissenschaftlichen Labor in Brasilien, geleitet von Dr. Suzana Herculano-Houzel (ja genau die, die auch hinter der hier besprochenen Review steckt). Diese Gruppe nahm ihre Ergebnisse ernst und die dortigen Forschenden begannen, den vorherrschenden Mythos in Frage zu stellen.
Größere Aufmerksamkeit erlangte der nun bloßgestellte Irrtum durch den Biologen und Wissenschaftstheoretiker Stuart Firestein. Er beschreibt sehr eindrücklich, wie ihn eine E-Mail von Herculana-Houzel erreichte und einen Fakt, den er seinen Studentinnen und Studenten über Jahre berichtet hatte, in Frage stellte [3]. Er las daraufhin in die Publikationen der brasilianischen Gruppe und war erschüttert darüber, sein Wissen über die zelluläre Zusammensetzung des Gehirns um Milliarden von Zellen korrigieren zu müssen. Unter anderem diese einschneidende Erfahrung veranlasste Firestein dazu, sein Buch „Ignorance: How It Drives Science“ zu schreiben. Hierin schreibt er unter anderem darüber, wie wissenschaftliche Annahmen entstehen und inwiefern die wissenschaftliche Methode fehleranfällig ist. Ins Zentrum seiner Theorie stellt er das Ablegen von früheren Annahmen und eine uneingeschränkte wissenschaftliche Neugierde.
Alte Mythen sterben langsam
Mittlerweile sind die Angaben in den aktuellsten Ausgaben der wichtigen neurowissenschaftlichen Lehrbücher korrigiert, allerdings geschah dies nicht ohne Proteste. Bartheld und Co. beschreiben, dass nach ihren Veröffentlichungen Proteste von einigen auf Gliazellen fokussierten Forschenden laut wurden.
Beispielsweise wurden Untersuchungen angeführt, die zeigen, dass ein Großteil des DNA-Materials im Vorderhirn von Gliazellen stammt. Dies, so erklärt Bartheld, ist aber kein besonders starkes Gegenargument, da sich im Vorderhirn nur ein Bruchteil der menschlichen Neuronen befindet (etwa 19%). Dieser Umstand ist tatsächlich etwas verwirrend und hat zweifelsohne zum ursprünglichen Irrtum beigetragen. Das Vorderhirn ist nämlich der räumlich größte Teil unserer Gehirne, allerdings befinden sich hier die Neurone hauptsächlich in der Hirnrinde. Darunter liegt das myelinreiche Mark, in welchem Gliazellen im Überfluss vorhanden sind. Hier gibt es tatsächlich ein Glia-zu-Nerven-Verhältnis von 4:1.
Der Großteil der Nervenzellen im Gehirn befindet sich aber nicht im Vorderhirn, sondern im Kleinhirn. Hier gibt es einen sehr kleinen Subtyp von Neuronen, die Granularzelle. Dieser Zelltyp stellt den Großteil aller Neuronen im menschlichen Gehirn dar und ist historisch oft übersehen worden.
Bartheld und Co. spekulieren, dass diese Widerstände wahrscheinlich deswegen aufkamen, weil historisch zu wenig Fokus auf Gliazellen gelegt wurde und Glia-Forscherinnen und -Forscher deshalb gerne mit den hohen Zahlen die Wichtigkeit dieses Zelltyps unterstrichen. Allerdings bedeuten diese genaueren Schätzungen keineswegs, dass Gliazellen irrelevant wären. Im Gegenteil leben wir in einem goldenen Zeitalter der Gliaforschung, in dem wir besser und besser verstehen, wie Gliazellen sowohl zur gesunden Hirnfunktion als auch zu verschiedenen Erkrankungen des Nervensystems beitragen.
Nachwirkungen des Mythos
Die Einschlagskraft einer so grundlegenden Fehlinformation in so grundlegenden Werken wie dem Kandel-Lehrbuch ist natürlich beträchtlich. Es ist deshalb auch nicht zu erwarten, dass so ein Irrtum von heute auf morgen behoben werden kann.
Als Masterstudent in einem neurowissenschaftlichen Labor habe ich momentan das Glück, meine Tage umgeben von sehr vielen Menschen, die sich exzellent mit dem Nervensystem auskennen, zu verbringen. Dieses ausgezeichnete Convenience-Sample habe ich schamlos ausgenutzt, um die Verbreitung des Gliamythos einmal anekdotisch weiterzuerforschen.
Tatsächlich sind fast alle Forschenden, die ich gefragt habe, davon ausgegangen, dass es mehr Glia als Neurone im menschlichen Gehirn gibt. Nicht allzu verwunderlich, da viele momentane Doktoranden und definitiv deren Dozentinnen und Dozenten mehr als einmal mit der fünften oder noch früheren Editionen von Kandels Lehrbuch in Berührung gekommen sein dürften.
In näherer Zukunft sollte dieser Umstand sich aber durch geupdatete Lehrbücher erledigt haben. Die spannendste Frage bleibt dabei natürlich, welcher unumstößliche Fakt uns als Nächstes auf die Füße fallen wird.
Literatur
[1] Bartheld C. S. von, Bahney J., Herculano-Houzel S.: The search for true numbers of neurons and glial cells in the human brain: A review of 150 years of cell counting. The Journal of comparative neurology 524, 3865–3895 (2016).
[2] Azevedo F. A. C., Carvalho L. R. B., Grinberg L. T., Farfel J. M., Ferretti R. E. L., Leite R. E. P., Jacob Filho W., Lent R., Herculano-Houzel S.: Equal numbers of neuronal and nonneuronal cells make the human brain an isometrically scaled-up primate brain. The Journal of comparative neurology 513, 532–541 (2009).
[3] Firestein S.: Ignorance: How it drives science. Oxford University Press, New York, NY, US 2012.
Bildquellen
Beitragsbild von pixabay.com
Astrocyten Abbildung:
Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2010-3-15_rGFAP_1-4000_1-200_Hip_20x(4).jpg)
Neuronen Abbildung:
Dynamic Remodeling of Dendritic Arbors in GABAergic Interneurons of Adult Visual Cortex. Lee WCA, Huang H, Feng G, Sanes JR, Brown EN, et al. PLoS Biology Vol. 4, No. 2, e29. doi:10.1371/journal.pbio.0040029
Wenn man die genannten 85 (oder weniger) Milliarden Gliazellen um einen Faktor von gut 10 vermehrt, landet man erst mal bei einer Billion, und nicht Trillion, wie hier mehrfach geschrieben. Für eine Trillion bräuchte es noch sechs (!) zusätzliche Größenordnungen. Ich nehme an, dass da irgendwo eine falsche Übersetzung des engl. “trillion” (= “Billion”) durchgerutscht ist.
Wo Sie recht haben, haben sie recht! Ich passe es schnell an.
LG
Mythen werden von Leuten am Leben gehalten, die sie gern selbst wahr machen, deswegen wäre wohl zu checken, ob der Mythos von der Überzahl der Gliazellen nicht von Wissenschaftlern verfestigt wurde, die im Wissenschaftsbetrieb stets den Eindruck hatten: Ich bin von Idioten umgeben, die mir höchstens als Assis dienen können.
Ich möchte ja auch gern den Mythos der abgeholzten Osterinsel glauben, weil ich in einem Eurasien lebe, wo am Ostufer ohne Sinn und Verstand riesige Häfen und Fabriken als Mo’ai des Kapitalismus entstehen, während der Westen komplett die Bodenhaftung verliert und einem Kult komischer Vögel frönt. Wieso sich der Mythos etabliert hat, bevor er verwirklicht wurde, wäre zu erforschen. Gab’s schon andere Osterinseln vor Eurasien? Oder war Eurasien schon damals als Osterinsel erkennbar? Oder ist das nur meine private Deutung, und der Mainstream projizierte ganz andere Umstände hinein?
Der Mythos von Club 27 hält sich, weil etwa in dem Alter der Rockstar in uns stirbt – als Babys macht uns das Leben viele Versprechen, bis dann hat es sie alle gebrochen und wir müssen lernen, als Automaten zu leben, mit der Programmierung und den Ressourcen, die wir bis dahin auf der Festplatte haben.
Die Propaganda der Preußen über die polnische Wirtschaft passte damals nicht auf die polnische Wirtschaft, passt aber perfekt heute auf die deutsche. Die Polen haben auch nie mit Pferden Panzer angegriffen, aber VW chinesische Autos. Und antisemitische Stereotypen passen auf Rechtsradikale aller Couleur wie angegossen. Mythen werden aus der eigenen Mentalität geboren, man erzählt Lügen, die man selbst glauben würde. Man erfindet sie mit dem gleichen Geist, mit dem man sein Leben erfindet.
Wieso sich der Mythos von den anderen Regeln in der Quantenphysik zur Lehrmeinung verfestigt hat, kann ich nur vermuten. Ich kann ja für alle Phänomene, die das belegen sollen, Analogien in der Makro-Welt finden, ist ja nichts Besonderes, dass man zuerst den Cowboy vom Pferd fallen sieht und dann den Schuss hört, oder dass der eine Schaffner nach Dienstschluss seine Eigenschaften samt Uniform an die nächste Schicht abgibt. Und dass es zwischen der Quantenwelt und unserer eine enorme massebedingte Zeitdilatation geben muss, die uns all das in extremem Fast Forward zeigt und Ereignisketten zu Gleichzeitigkeiten zusammenpappt, dass jede Wirkung, die für uns ohne Zeitverlust messbar ist, in Wirklichkeit Abermillionen Jahre zu uns unterwegs war und so lange durch Interferenzen verfälscht wurde, ist simpelste Logik. Vermutlich geht’s einfach um die Magie – den Hogwarts-Faktor, man ist fasziniert und will sich die Faszination erhalten. Man will Magier sein, Wunder erforschen, und nicht der Depp vom Dienst, der sich komische Wörter für Alltagsphänomene aus den Fingern saugt und es nicht mal merkt.
Die kommt aber wie das Aufkaufen von Klopapier-Rollen in der Pandemie: Sehen irgendwie wie Konserven aus, wenn man sich die Wohnung damit voll packt, sieht er aus wie der Vorratskeller eines Preppers. Der Mensch wird grundsätzlich jede Dummheit begehen, für die er sich zu schlau hält. Das Einfache, Platte und Offensichtliche bleibt manchmal deshalb lange ein Geheimnis, weil man es für ein Geheimnis hält.
Bei den ersten Sätzen habe ich auch geschätzt, dass es viel mehr Gliazellen als Neuronen gibt. Auch jetzt bin ich erstaunt, dass es nicht mehr Indianer als Häuptlinge gibt.
Der Volksmund hat es schon immer gewusst:
Ein sehr interessantes Thema, vorallem wenn es um das Zählen geht. Wo beginnt eine Zelle und wo hört sie auf. ?
Ein anderer Vorschlag wäre, nicht die Zellen zu zählen, sondern ihre Masse zu messen. Also dem Gehirn das Wasser zu entziehen und es dann zu wiegen.
Und wenn es möglich wäre eine einzelne Zelle zu wiegen ?? dann könnte man auch die Anzahl der Zellen errechnen.
Absoluter Laie !!
Gute Frage! Das Problem hierbei ist, dass verschiedenen Zelltypen sehr unterschiedlich groß werden. Ein pyramidales Neuron im Kortex hätte beispielsweise das Vielfach der Masse einer granule cell aus dem Kleinhirn. Man müsste für diese Methode also mit sehr groben Durchschnittswerten arbeiten und wäre wahrscheinlich nicht sehr präzise.
LG,
Florian Walter