Mit Köpfchen zu Olympia
Viele von uns verfolgen in den letzten Tagen vermutlich gespannt die Olympischen Winterspiele. Aller pandemischen Umstände zum Trotz sehen wir dort täglich sportliche Ausnahmeleistungen. Es scheint, als ob mit Leichtigkeit physische und psychische Leistungs- und Belastungsgrenzen ausgehebelt werden. Doch sind die Athleten und Athletinnen wirklich “built different” oder sind sie einfach härter trainierende Versionen unser selbst? Was sind die Eigenschaften, die die Teilnehmenden auszeichnet? Und gibt es vielleicht auch Unterschiede zwischen Goldmedaillengewinnerinnen und -gewinnern und dem restlichen Teilnehmerfeld?
Reicht es, einen gut trainierten Körper zu haben?
Dass sich Sport positiv auf die mentale Fitness auswirkt, ist unumstritten. Doch was braucht es, um wirklich erfolgreich zu sein?
Rolf Dobelli schreibt über die sogenannte Swimmer’s body illusion: “professionelle Schwimmer haben diesen perfekten Körperbau nicht, weil sie ausgiebig trainieren. Es ist andersherum: Sie sind gute Schwimmer, weil sie so gebaut sind“. Doch reichen gute körperliche Voraussetzungen aus, um wirklich erfolgreich zu sein?
Nein!
Denn nicht nur der Körper von Hochleistungsathletinnen und -athleten ist anders gebaut, sondern auch ihr Gehirn unterscheidet sich von dem der Durchschnittsbevölkerung.
Viel Training
Bei sportlichen Wettkämpfen müssen in Millisekunden viele sensorische Informationen verarbeitet und Entscheidungen getroffen werden. Da diese potenziell über Sieg oder Niederlage entscheiden, ist es wichtig, möglichst gute Entscheidungen möglichst schnell zu treffen.
Erreicht wird dies vor allem durch Training. Durch die ständige Wiederholung werden die Bewegungen nicht nur schneller und besser, sondern auch effizienter und automatisierter.
Dieses Phänomen kennen wir sogar aus unserem Alltag. Wie stark musste man sich am Anfang der Fahrschule noch konzentrieren, wann und wie das Gaspedal und die Kupplung gedrückt, welcher Gang eingelegt und wohin geguckt werden musste. Überforderung pur! Doch nach ein wenig Übung passiert das alles automatisch und man kann sich problemlos unterhalten, während man durch den Stadtverkehr fährt. Und da die wenigsten von einem krassen Muskelwachstum in ihrem Schalt-Arm berichten, verdeutlicht dieses Beispiel gut, dass nicht nur der Bewegungsapparat, sondern auch das Gehirn beim Lernen von Bewegungsabläufen eine wichtige Rolle spielt.
Sport ist mehr als automatisierte Bewegungen
Doch sportliche Leistungen bestehen nicht nur aus automatisierten Bewegungsabläufen. Der kräftigste Absprung nützt einem herzlich wenig, wenn er am Anfang der Schanze gesetzt wird – Es muss also die richtige Bewegung zum richtigen Zeitpunkt ausgeführt werden!
Dafür ist es notwendig, sensorische Informationen möglichst schnell zu erfassen und zu verarbeiten.
Eingebettet in den Kontext des jeweiligen Sports erstellt das Gehirn dabei ein Modell des Körpers im Raum. Dies passiert bei jedem Menschen und bei jeder Bewegung. Aber bei Weltklasse Sportlerinnen und Sportlern ist dies besonders detailliert.
Schneller denken für Goldmedaillen
Anhand dieses Modells wird dann idealerweise die optimale Bewegung für die jeweilige Situation ausgewählt. Und genau hier ist der größte Unterschied der Top Sportlerinnen und Sportler im Vergleich zum restlichen Teilnehmerfeld.
Gegnerische Bewegungen oder die tatsächlichen Schneeverhältnisse sind nur bis zu einem gewissen Grad vorhersehbar und auch kleinste Abweichungen motorischer Bewegungsausführungen müssen bemerkt und korrigiert werden. Für das Verarbeiten dieser komplexen Informationen in Echtzeit ist daher eine enorme hohe mentale Schnelligkeit, Flexibilität und Präzision notwendig. Und genau das ist es, was auch Goldmedaillengewinnerinnen und -gewinner gegenüber allen anderen Teilnehmenden auszeichnet, sagt Christopher Fetsch von der Johns-Hopkins-Universität.
Diese grundlegenden kognitiven Eigenschaften gepaart mit der hohen Wiederholungsanzahl im Training, zieht eine Vielzahl weiterer Konsequenzen mit sich.
Besseres Vorhersagen
Anekdotisch gibt es viele Beispiele dafür, dass bestimmte Ausnahmetalente das Spiel lesen oder wie Meister der Kampfkünste jede Bewegung “vorausahnen”.
Anhand ihres großen Erfahrungsschatzes können diese Personen erahnen, welche Situation als nächstes folgt. Das Beobachten von kleinsten Gleichgewichtsverlagerungen oder das Anspannen bestimmter Muskelgruppen geben wichtige Hinweise darauf, was als Nächstes passieren wird.
Diese Vorausahnungen fließen in die eigenen Planungen mit ein und ermöglichen so einen taktischen Vorsprung.
Passiv zuhören reicht aus
Wenn man passiv zuhört, nimmt man zwar die Geräusche des Umfeldes wahr, man hat aber nicht aktiv seine Konzentration auf diese gerichtet. Wenn Top Sportlerinnen und Sportler passiv Geräusche ihres Sportes hören, findet man eine unterbewusste Aktivierung der sensorischen und bewegungsplanenden Gehirnareale.
Ich denke, bessser als das folgende Gif, kann man das eigentlich nicht verdeutlichen.
Von Pirouetten und Schwindel
Auch das kennen vermutlich viele aus ihrem Alltag: Wenn wir uns um uns selber drehen, haben wir, wenn wir anhalten, oft das Gefühl uns weiterzudrehen! Dies liegt daran, dass in unserem Innenohr Flüssigkeit durch die Rotation in Bewegung gesetzt wurde, welche sich aufgrund der Trägheit noch ein bisschen weiter dreht.
Und während manch einem schon beim Zugucken der Pirouetten schwindelig wird, lernt das Gehirn von Eiskunstläuferinnen und -läufern, diese Information gezielt zu unterdrücken. Das Gehirn unterdrückt dabei aktiv die Wahrnehmungen des Schwindels. Und nicht nur das, es gewinnt daraus sogar noch weitere Informationen, zum Beispiel wie schnell die Drehung gestoppt wurde.
Fazit Mentaler Fähigkeiten
Es können nicht nur körperliche, sondern auch geistige Unterschiede zwischen Athletinnen und Athleten und Untrainierten festgestellt werden. Natürlich spielen bestimmte genetische Veranlagungen eine Rolle. Doch insbesondere bei vielen der kognitiven Fähigkeiten könnte es sein, dass esxessives Training wichtiger als die vererbten Eigenschaften sind!
So oder so, Bewegung hilft!
Eine vollständige Literaturliste ist hier zu finden.
Hinweis: Das GIF, in welchen Evan Longoria den Baseball aus dem Augenwinkel heraus fängt, ist gestellt. Es wurde im Rahmen eines Werbedrehs aufgenommen. Nichtsdestotrotz zeigt es die hohe räumliche Aufmerksamkeit des Baseballspielers.
Ja, körperliche Hochleistungen sind immer auch geistige, jedenfalls neuronale Hochleistungen. Es muss halt alles zusammenspielen: Körper und Geist, Muskeln, Sensoren, Nervenzellen im Rückenmark und Hirn, das motorische und sensorische Gedächtnis, die Bewegungsplanung und die schnellen Reflexe bei unerwarteten Störungen.
Und fast jedes dieser vielen Elemente und Ebenen kann trainiert werden. Nicht nur das Hirn lernt, auch das Rückenmark und wohl auch der Hirnstamn, der Herzschlag und Atmung steuert.
Da jeder Hochleistungssportler ein intensives Trainingsprogramm absolviert , kommt es halt auch stark auf Unterschiede an, die man nicht trainieren kann. Wie etwa auf die Körperform bei Schwimmern oder die Länge der Beine (bei Läufern wie Usain Bolt).
Wenn Rolf Dobelli schreibt “professionelle Schwimmer haben diesen perfekten Körperbau nicht, weil sie ausgiebig trainieren. Es ist andersherum: Sie sind gute Schwimmer, weil sie so gebaut sind“.
so hat er damit schon recht und vor allem passt das gut zum Ratschlag, den er immer wieder in seinen Büchern verbreitet: Setze deine Energie dort ein, wo du bereits Stärken hast. So meinte er etwa, Einstein hätte auf sein regelmässiges Geigenspiel verzichten können, denn er war nie ein guter Geiger und hätte es nie werden können.
Tatsächlich treiben ja einige darum keinen Sport und verzichten auf jede körperliche Betätigung, weil sie nie ein Erfolgserlebnis dabei hatten. Doch das ist wohl falsch, denn alle haben einen Körper und diese Ressource völlig zu vernachlässigen, rächt sich – später.
Ein sehr guter Überblick zum Leistungssport.
Das Beispiel mit dem Schwimmer. In meiner Jugend gab es den Schwimmer Hans Fassnacht. Der trainierte hart und ich konnte auch einmal seinen Schwimmstil studieren. Der war in meiner Sicht nicht optimal, weil er beim Kraul beim Eintauchen der Arme zu sehr spritzte. Man kann das vergleichen mit Ruderern, die bei Eintauchen des Skulls spritzen. Das ist ein Zeichen mangelhafter Technik.
Fassnacht war trotzdem erfolgreich, zum Superschwimmer hat es nicht gereicht, da gab es noch das Ausnahmetalent Mark Spitz aus den USA.
Was jetzt Talent ist, das ist eine Mischung aus guten körperlichen Voraussetzungen, den Willen zum Sieg und das Glück keinem Besseren in einem Jahr der Höchstform zu begegnen.
Zitat:
Um an die Spitze zu kommen, braucht es im Hochleistungssport heute alles: Gute Gene für Physis+Geist, gutes und intensives Training und auch Doping – wenn es niemand merkt. Aktuell wird gerade über den Dopingfall bei der Eiskunstläuferin Kamila Walijewa berichtet.
Ich erinnere mich noch als in der Frühzeit des Dopings bestimmte gedopte Sportler sich rechtfertigten mit der Aussage, Doping (etwa in Radsport) erhöhe die Leistung nur gerade um 5 Prozent.
Doch diese 5 Prozent können einen Riesenunterschied ausmachen, wenn die Besten was ihre Leistung angeht nur gerade 5% auseinander liegen.
Martin Holzherr,
Doping beim Radsport.
Zum Sieg reichen nur Zentimeter. Wer eine Goldkette als Glücksbringer am Hals trägt, der verliert, wenn sein Gegner genauso stark ist.
Was hier noch gar nicht berücksichtigt wurde ist die Tagesform. Ein gewissenhafter Trainer errechnet zum Meisterschaftstermin genau das Trainingspensum und daraus ergibt sich dann das Leistungshoch am Tag des Wettkampfes. Dazu sollte auch die Uhrzeit bekannt sein.
Der gute Trainer ist mindestens eine 1/4 Medaille wert. 1/2 Medaille ist das Training wert und das letzte Viertel ist Glück.
Könnte, müsste alles stimmen, nette kleine Videos, dazu kommt noch das sogenannte Mindset, neudeutsch, die richtige Denkweise, um Gewinner sein zu können.
MFG
WB