Liebe zwischen Herz und Verstand: Ein fiktiver Dialog
Marta: Sag mal, glaubst du an Seelenverwandtschaft?
Sarah: Heftige Frage, wo kommt die auf einmal her?
Marta: Ich habe vor einigen Wochen einen Menschen kennengelernt. Da hat es von Anfang an gefunkt, und ich spüre diese Verbindung, die ich noch mit niemandem hatte. Ich spüre diese Seelenverwandtschaft. Wir verstehen uns einfach blind. Alles an Alex gefällt mir – ich mag sogar den Schweiß, weil er so gut riecht. Das hatte ich bisher echt selten, also nie.
Sarah: Das ist tatsächlich ein gutes Zeichen. Denn das bedeutet, dass du die Pheromone magst, die Alex aussendet.
Marta: Waren Pheromone nicht die Sexual-Lockstoffe?
Sarah: Grob gesagt: ja. Pheromone sind Botenstoffe, die zwischen Individuen einer Art abgegeben werden und das Sexualverhalten beeinflussen können. Pheromone werden über die Nase wahrgenommen. Bei Menschen wurde durch Studien festgestellt, dass Frauen den Geruch von Männern dann mögen, wenn sie sich in zwei spezifischen Genen möglichst weit von ihnen unterscheiden. Es geht dabei um zwei Gene, die die menschlichen Leukozyten-Antigene (HLA) bestimmen. Denn je unterschiedlicher diese Gene sind, desto unterschiedlicher ist das Erbgut für potenzielle Nachkommen. Und diverse Gene verringern Mutationen und Behinderungen. Das hat evolutionär gesehen einen enormen Vorteil. Man kann also manche Menschen tatsächlich gut riechen – oder eben nicht.
Marta: Das heißt also, dass Alex perfekt zu mir passt? Mein idealer Partner ist? Seelenverwandtschaft nur auf biologisch?
Sarah: Naja, nicht ganz. Es gibt sicher noch mehr Faktoren, die da eine Rolle spielen. Außerdem passen biologisch rein statistisch mehr als eine Person zu dir. Also ist Alex nicht zwangsläufig der eine wahre Mensch für dich. Zum erfolgreichen Reproduzieren passt es vielleicht ganz gut, aber um das ganze Leben miteinander zu teilen? Da sollte man seine Augen weit offenhalten und sich ganz genau Gedanken machen, ob man zueinander passt.
Marta: Liebe ist nicht kognitiv, sondern emotional. Wenn man es spürt, dann spürt man es. Ich bin verliebt, und dieser Mensch ist meine Zukunft. Ich möchte mein Leben mit Alex verbringen. Alles Weitere kann ich auch später noch kennenlernen.
Sarah: Das scheint mir doch sehr voreilig. Kann das nicht vielleicht deine rosarote Brille sein?
Marta: Rosarote Brille?
Sarah: Ja, das ist, wenn man nur die guten Seiten des Partners sieht und die weniger schönen Aspekte ausblendet. Anfangs scheint alles perfekt, aber nach ein paar Monaten wird man oft realistischer.
Marta: Das ist doch nur ein Sprichwort ohne Basis.
Sarah: Ne, es gibt tatsächlich wissenschaftliche Grundlagen des Sprichwortes.
Marta: Ach nee, echt? Das sagst du doch jetzt nur so. Was für Belege sollen das denn sein?
Sarah: Ich habe letztens einen Artikel darüber gelesen. Darin stand, dass weniger Serotonin ausgeschüttet wird, wenn man verliebt ist. Dadurch ist die Amygdala gehemmt, und man ist risikofreudiger. Außerdem ist wohl auch der präfrontale Kortex weniger aktiv, und dadurch ist die Urteilsfähigkeit eingeschränkt. Verliebte Menschen neigen also dazu, weniger kritisch zu denken und stattdessen sich risikofreudig auf das Neue einzulassen.
Marta: Das macht doch keinen Sinn. War Serotonin nicht ein Neurotransmitter, der daran beteiligt ist, Glück empfinden zu lassen? Und ich bin definitiv glücklich mit meinem Menschen. Gehemmt ist bei mir nichts.
Sarah: Glück ist zu verallgemeinernd. Serotonin gleicht Stimmungen aus und fördert Zufriedenheit. Gleichzeitig hemmt es Impulsivität. Man kennt Serotonin aus der Therapie von Depressionen. Denn wenn man zu wenig Serotonin im Gehirn hat, kann das zu Depressionen führen. So gesehen ist Serotonin schon auch am „glücklich sein“ beteiligt – aber nicht primär an den Glücksgefühlen beim Verliebtsein. Dafür ist eher Dopamin zuständig.
Marta: Ja, schau, das macht mehr Sinn. Dopamin hat doch was mit dem Belohnungssystem zu tun, oder?
Sarah: Genau. Dopamin ist nämlich auch ein Neurotransmitter, der einen belohnt, wenn man etwas Gutes getan hat. So wie zum Beispiel etwas Leckeres essen oder Sport machen. Aber Sex aktiviert genauso die dopaminergen Neuronen. Bei Menschen, die frisch verliebt sind, hat man festgestellt, dass ein Bild des Geliebten schon ausreicht, um das Belohnungssystem zu aktivieren. Außerdem sind auch die Areale im Gehirn aktiver, die stark mit dem Belohnungssystem zusammenhängen, so wie der ventrale Tegmentumbereich (VTA). Dieser ist nämlich dafür zuständig, Belohnungen zu verfolgen und aus „mögen“ ein „haben-wollen“ zu machen. Das macht der VTA, indem er Dopamin freisetzt, wenn wir den Geliebten sehen.
Marta: Haha, deine lange Erklärung soll mir doch nur verdeutlichen, dass ich irrational impulsiv bin. Vielleicht hast du da auch recht. Aber was ist so schlimm daran, ein Risiko einzugehen, wenn auf der anderen Seite mein Lebenspartner wartet?
Sarah: Daran ist absolut nichts schlimm. Aber als beste Freundin sorge ich mich einfach um dich, und ich möchte sicherstellen, dass du keinen Fehler machst, sondern sicher bist. Dir soll es gut gehen, und Menschen können einen verletzen.
Marta: Das ist supernett von dir. Und ein bisschen Vorsicht hat noch niemandem geschadet. Ist ja auch immerhin besser als Nachsicht. Was mich jetzt aber doch noch interessiert, ist die hormonelle Seite hinter der Liebe. Du redest die ganze Zeit von Neurotransmittern und so weiter und so fort. Sicher war das doch noch nicht alles?
Sarah: Gut, dass du fragst. Denn natürlich hast du recht, es sind noch Hormone beteiligt.
Marta: Aha, wusste ich es doch!
Sarah: Genau. Das wohl bekannteste Hormon, das an Liebe beteiligt ist, ist das Hormon Oxytocin. Zu Deutsch: das Kuschelhormon. Dieses Hormon wird durch Kuscheln, Massagen und Orgasmen freigesetzt. Es fördert vor allem Vertrauen und Verbundenheit zwischen zwei Menschen. Damit ist es involviert in alle langfristigen zwischenmenschlichen Beziehungen. Außerdem gibt es auch noch das Hormon Vasopressin, das ebenfalls an der Bindung zweier Menschen beteiligt ist.
Marta: Also müssen wir nur ganz viel kuscheln, und dann wird besonders viel Oxytocin freigesetzt, und das bindet dann den Partner an uns.
Sarah: Genau! Schlussendlich ist Liebe nichts anderes als ein Cocktail an Neurotransmittern und Hormonen, die das Gehirn der verliebten Menschen überschwemmen.
Marta: Ich glaube aber, dass du hier ein bisschen übertreibst und zu viel rationalisierst. Klar wird Liebe im Kopf erzeugt und durch Neurotransmitter weitergeleitet und wahrgenommen. So ist es aber doch mit jedem Gefühl und jedem Gedanken. Da hatten wir es doch schon mal drüber, beim Thema Bewusstsein. Natürlich sind wir biologische Wesen mit biologischen Funktionen. Das schließt aber nicht aus, dass es noch mehr gibt, das uns bestimmt. Beim Thema Bewusstsein haben wir von einer möglichen Entität gesprochen, die weder bewiesen noch abgelehnt werden kann. Und so wie ich von dieser Entität überzeugt bin, glaube ich auch, dass das Schicksal mitgespielt hat, damit ich Alex kennenlernen konnte.
Sarah: Du weißt, was ich von dieser Entität halte. Ich glaube nur an etwas, das wissenschaftlich bewiesen werden kann. Weder Schicksal noch höhere Mächte können belegt werden, also glaube ich nicht daran. Und ich glaube auch nicht daran, dass Alex der einzig wahre Partner für dich ist. Rein statistisch müsste es noch mehr Menschen geben, die biologisch zu dir passen.
Marta: Aber Biologie kann eben doch nicht alles erklären. Denn von allen eventuell passenden Partnern habe ich ausgerechnet diesen einen getroffen, der nicht nur körperlich zu mir passt, sondern dessen Geist mir auch gefällt. Wäre Alex politisch anders eingestellt oder würde an einem anderen Punkt im Leben stehen, dann hätten die Pheromone so gut riechen können, wie sie wollen – es hätte mich nicht interessiert. Wie groß ist also die Chance, dass man seinen optimalen biologischen Partner findet, der auch noch geistig so gut zu einem passt und in einem Lebensabschnitt steckt, der eine Beziehung ermöglicht? Ich denke, diese Chance ist ziemlich klein, und das bedeutet, da muss schon das Schicksal dahinterstecken, damit ausgerechnet ich diesen perfekt zu mir passenden Menschen finden konnte.
Sarah: Ja, Schicksal oder Zufall. Die einen glauben an einen höheren Willen, die anderen glauben an Statistik und Wissenschaft und nennen das dann Zufall.
Marta: Woran man aber jetzt glaubt, ist erstmal zweitrangig. Wenn ich an Schicksal glaube und Alex meinen Seelenverwandten nenne oder du nicht daran glaubst und viel mehr auf die biologischen Faktoren der Liebe verweist, dann ist das so. Keine der beiden Ansichten nimmt der Liebe ihre Wichtigkeit und ihren Wert. Denn sie ist immer noch dafür zuständig, passende Lebensgefährten zu finden und zu behalten – ob jetzt zur reinen Reproduktion oder für gemeinsames Glück, ist dabei völlig unwichtig. Liebe ist immer noch Liebe, und mein Mensch ist immer noch mein Mensch.
Bei weiterem Interesse:
Quellenverzeichnis:
Badenschier, F. (2024, July 11). Chemie im Alltag: Chemie der Liebe. Planet Wissen. https://www.planet-wissen.de/natur/forschung/chemie_im_alltag/pwiechemiederliebe100.html
Die Neurobiologie der Liebe – Teil II – Sympathica. (n.d.). Sympathica. https://sympathica.com/vip-magazin/die-neurobiologie-der-liebe-teil-ii/
Knupper, F. (2016, April 12). a-00000000-0003-0001-0000-000000489749. DER SPIEGEL, Hamburg, Germany. https://www.spiegel.de/partnerschaft/liebesdrogen-a-00000000-0003-0001-0000-000000489749
Leuenberger, L. A. (n.d.-b). aware | Magazin für Psychologie – Ein Blick durch die rosarote Brille. https://aware-psymagazin.ch/artikel/alltag/ein-blick-durch-die-rosarote-brille
Team Verywell Health. (2023a, May 4). Serotonin vs. Dopamine: What Are the Differences? Verywell Health. https://www.verywellhealth.com/serotonin-vs-dopamine-5194081
Team Verywell Health. (2023b, May 4). Serotonin vs. Dopamine: What Are the Differences? Verywell Health. https://www.verywellhealth.com/serotonin-vs-dopamine-5194081
Je unterschiedlicher die menschlichen Leukozyten-Antigene sind,
umso besser riechen Menschen für einen selbst.
Diese Menschen sind dann vermutlich nicht für einen selbst
als Organspender geeignet.
Vermutlich müssten geeignete Organspender für einen selbst
schlecht riechen.
Den eigenen Körpergeruch bemerkt man nur wenig, aber eigentlich
müsste man ihn dann auch als unangenehm bewerten.
Der göttliche Kairos wurde im antiken Griechenland mit Flügeln an den Schuhen dargestellt. Er steht damit sinnbildlich für die Zugänglichkeit zu vorbeifliegenden guten Gelegenheiten: welche man sofort greifen muss, denn sonst sind sie vorbei.
Ähnlich ist es mit Partnerschaften: Es gibt Leute, welche die erste Gelegenheit nutzen und lebenslang glücklich mit einem/r Partner/in zusammenleben. Und es gibt Leute, welche immer nur nach Gründen suchen, warum eine Beziehung scheitern kann – und allein bleiben.
Bei beiden Gruppen sind die gleichen Hormone und Neurotransmitter aktiv.
Man bekommt, was man will.
Der beliebteste Schlager der DDR war JUGENDLIEBE von Ute Freudenberg. Wenn ich ihre Ausführungen lese kann ich dieses Lied als Schablone nehmen. Nur dass sie dieses Gefühl psychologisch hinterfragen und analysieren wollen. Gefühle versteht der Verstand eh nicht und LIEBE noch weniger denn die muss man wohl “erleben”!!! was dann durch das viele Dopamin süchtig machen kann. Der Körpergeruch (Pheromone) könnte durch die Erregung, also durch das Schwitzen erzeugt werden. Letzteres wird wiederum durch die Katecholamine erzeugt. Wir könnten-theoretisch- dann also die Erregung der anderen Person riechen, was evolutionär sinnvoll wäre, zum Bsp. für die Fortpflanzung….