“I just can’t get you out of my head…” ♬

Wenn du schonmal tagelang einen nervigen Ohrwurm hattest, der einfach nicht mehr weggehen wollte, dann bist du damit nicht alleine. “I just cant get you out of my head” (Kylie Minogue, 2001) hat sich letztens bei mir festgesetzt. Den ganzen Tag über wippte ich mit dem Fuß zu dem Song, summte ihn in meiner Wohnung – und selbst um zehn Uhr abends ging er mir noch nicht aus dem Kopf.
Schon immer haben Menschen mitgeträllert, nachgesummt, stunden- oder tagelang eine Melodie nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Tatsächlich berichteten ca. 90 % einer groß angelegten Studie mit über 12.000 Teilnehmern, wöchentlich Ohrwürmer zu haben [1]. Sie können sich von wenigen Minuten bis zu mehreren Tagen im Gehirn festsetzen – lange genug, um selbst den entspanntesten Menschen in den Wahnsinn zu treiben [2]. Im Englischen wird auch „cognitive itch“ (kognitiver Juckreiz) dazu gesagt. Die meisten Menschen haben schonmal einen Ohrwurm erlebt, wobei Musiker, Frauen und Menschen, die regelmäßig Musik hören, häufiger betroffen sind. Ob beim Staubsaugen, Abwaschen oder Autofahren – einmal da, ist er nur schwer wieder loszukriegen. Aber wie kann das sein und was sind die Hintergründe?
Ein Ohrwurm wissenschaftlich betrachtet
Meistens ist man es sich gar nicht bewusst, wann genau er auftaucht, doch auf einmal erwischt man sich dabei, wie man immer und immer wieder diese eine Melodie vor sich hin summt. „Whenever, wherever…“ (Sharika 2001) man auch ist, ein Ohrwurm schleicht sich einfach ein und setzt sich fest. 1979 von dem Psychiater Cornelius Eckert etabliert, beschrieb er einen Ohrwurm als einen ca. 20 Sekunden langen Teil eines Musiktitels, der sich ungewollt schleifenartig immer wieder in unserem Kopf wiederholt und nicht unter bewusster Kontrolle ist [3]. Der Fachbegriff für dieses Phänomen lautet „Involuntary Musical Imagery“ (INMI) und wird in die Kategorie der spontanen kognitiven Prozesse eingeteilt [4]. Meist handelt es sich dabei um eingängige Melodien mit einfachen Rhythmen und Refrains, wie sie vor allem in Popmusik, aber auch in klassischen Musikstücken vorkommen.
Übrigens stammt das Wort „Ohrwurm“ von dem gleichnamigen Insekt Forficula auricularia (gemeiner Ohrwurm) , der nach Volksmeinung „gerne in Ohren kriecht“ und sich dort festsetzt [11]. Es handelt sich also nicht um einen echten Wurm, sondern um ein Insekt der Dermaptera (Ohrwürmer), die mit nur acht etablierten Arten die artenärmste Insektrenordnung Deutschlands sind [12]. Zum Glück kriecht uns aber nur der musikalische Ohrwurm ins Ohr – der summt statt zwickt.
Was macht einen guten Ohrwurm aus?
Was muss ein Song mitbringen, um einen auf den „Highway to Hell“ (AC/DC, 1979) ins Ohrwurm-Dasein zu schicken? Es gibt musikalische Merkmale, die einen Song wahrscheinlicher zu einem Ohrwurm machen, als andere. Die perfekte Formel für einen Ohrwurm gibt es zwar nicht, doch ein guter Kandidat zeichnet sich Studien zufolge durch eine eingängige, vorhersehbare Melodie, eine gewisse Eintönigkeit und einen emotionalen Gehalt aus. Beispielsweise kommt es auf die Länge der Noten, deren Abstände und die Häufigkeit des Refrains an [3]. Besonders Songs, die eine emotionale Komponente in uns hervorrufen, sind eher wahrscheinlich, sich festzusetzen. „Somebody that I used to know …“ (Gotye, 2001): Generell hat man auch meistens Ohrwürmer von Songs, die man schon oft gehört hat und einem beim Hören wieder ins Gedächtnis gerufen werden [5].
Ein Song darf nicht zu langweilig sein, sollte aber eine repetitive Komponente haben, die man auch oft als „hook“ (Haken) beschreibt. Ein hook treibt die Dauerschleife in unserem Gehirn immer weiter an und kann Verschiedenes sein: das Intro eines Songs, der eingängige Refrain oder eine bestimmte Textzeile [4]. Zum Beispiel sind die ersten Worte des Songs „Griechischer Wein“ (Udo Jürgens, 1974) ein hook und direkt weiß man, um welchen Song es sich handelt und man summt den Text der Lieder weiter vor sich hin. Auch unerwartete Sprünge in der Melodie oder ein rhythmischer Bruch können die Aufmerksamkeit steigern und zur Einprägung beitragen [5]. Da fällt mir zum Beispiel direkt „Bohemian Rhapsody“ (Queen, 1975) ein. Der Song bietet so viele verschiedene Stile und Veränderungen, dass ich mir den Songs immer super merken konnte und wenn ich einmal „Galileo, galileo“ höre, dann ist der Ohrwurm für mich unvermeidlich.
Natürlich hat auch jeder seine ganz individuellen Vorlieben, welche Songs einen eher verrückt machen als andere, sei es aufgrund persönlicher Erinnerungen, emotionaler Assoziationen oder der Einfachheit der Melodie. Jedoch gibt es schon Songs, die als Ohrwurm-Hits kategorisiert werden können. Wenn euch interessiert, welche, dann lest weiter bis zum Ende des Eintrags😊.
Ein Wurm im Gehirn?
„Rolling in the Deep” (Adele, 2012): Wie kommt der Ohrwurm im Gehirn denn überhaupt zum rollen? Obwohl ein Ohrwurm ein so immens weit verbreitetes Phänomen ist, weiß die Wissenschaft nur recht wenig über seine Entstehung [6]. Klar ist auf jeden Fall, dass wir nicht buchstäblich einen Wurm im Ohr haben.
MRT-Studien konnten tatsächlich zeigen, dass bei einem Ohrwurm dieselben Gehirnregionen aktiviert werden wie beim aktiven Hören von Musik [7]! Darunter zählen der auditorische Kortex, der Hippocampus und auch parahippocampal Gyri. Der auditorische Kortex ist eine Region in den Temporallappen auf beiden Seiten unseres Gehirns und ist verantwortlich für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Tönen, Geräuschen und Musik. Der Hippocampus und die parahipocampal Gyri spielen eine unterstützende Rolle bei der Generierung von Ohrwürmern, indem Erinnerungen und kontextuelle Verbindungen abgerufen werden, die mit der gehörten Melodie in Verbindung stehen. Wenn du zum Beispiel einen lange nicht gehörten Song aus einem Sommerurlaub vor vielen Jahren erneut hörst, dann werden die Erinnerungen daran aktiviert und an das emotionale Erlebnis geknüpft. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass sich daraus ein Ohrwurm entwickelt, wenn du dann „Summer of ’69“ (Bryan Adams, 1984) wieder hörst [8]. Aber wie funktioniert das alles nun konkret?
Schuld an Ohrwürmern ist unser Arbeitsgedächtnis, genauer gesagt, der phonologische Loop (nach Baddeley und Hitch, 1974). Wenn das Arbeitsgedächtnis nicht ausgelastet ist – etwa bei Routineaufgaben wie dem Staubsaugen – setzt sich ein Ohrwurm besonders leicht fest und gerät in eine Dauerschleife. Der phonologische Loop verarbeitet vor allem sprachliche und klangliche Informationen, und besteht einerseits aus dem Speicher und andererseits aus dem artikulatorischen Kontrollprozess (Rehearsal). Wenn man einen Song hört, wird eine kleine Menge an auditiven Informationen abgespeichert, also zum Beispiel der Refrain eines Liedes. Die Komponente Rehearsal hält die Schleife aktiv, indem wir die Melodie weiterhin summen. Ein Ohrwurm entsteht also, indem eine Melodie in den Loop gelangt, abgespeichert und dann immer wieder abgespielt wird.
Wissenschaftler der Darmouth Univerisätt fanden heraus, dass das Gehirn weitersingt, wenn ein Song mitten drin abgebrochen wird. In anderen Worten: Unser Gehirn ist wie ein MP3 Player, der Musik einfach weiterspielt. Doch was ist, wenn wir eine Melodie im Kopf haben und nicht wissen, wie es weitergeht? Vielleicht ist es euch auch bekannt, dass ihr oft einen Ohrwurm habt, wenn ihr den Song gar nicht zu Ende gehört habt? Dann kommt eine weitere Komponente ins Spiel, und zwar der sogenannte Zeigarnik-Effekt. Dieser beschreibt, dass unvollendete Gedanken eher im Gedächtnis bleiben und unser Gehirn dazu neigt, sie zu vervollständigen. Dies passiert zum Beispiel, wenn wir nur einen Ausschnitt eines Songs hören, wie bei einem Werbejingle, und wir nicht wissen, wie der Song weitergeht. Dies führt dann zu einer unaufhörlichen Wiederholung der Melodie [9].
Die nervigsten Ohrwürmer aller Zeiten
Natürlich stellt sich jetzt die Frage: Was sind denn eigentlich die größten Ohrwurm-Hits aller Zeiten? Eine großangelegte Studie von 2016 der Goldsmiths College University in London erstellte aufgrund von 3.000 befragten Personen nach ihren häufigsten Ohrwürmern folgende Liste:
- Lady Gaga – “Bad Romance”
- Kylie Minogue – “Can’t Get You Out of My Head”
- Journey – “Don’t Stop Believin'”
- Gotye – “Somebody That I Used to Know”
- Maroon 5 – “Moves Like Jagger”
- Katy Perry – “California Gurls”
- Queen – “Bohemian Rhapsody”
- Lady Gaga – “Alejandro”
- Lady Gaga – “Poker Face”
Wie ihr seht, Lady Gaga scheint hier die Queen of Earworms zu sein. Nach Ergebnissen der Studie liegt dies vor allem an der Wiederholungsrate, der Vorhersagbarkeit der Melodie, aber auch Überraschungsmomenten in den Songs [5]. Ein Ohrwurm muss aber nicht immer Text beinhalten. Bestimmt sagt euch „Mission Impossible Theme“ genauso gut etwas wie Beethovens 5. „Da da da daaaa ….“. Und nachdem ich euch jetzt egnug mit Ohrwurm-Material versorgt habe, ist es nur fair aufzuklären, wie man dieses wieder loswerden kann.
„Dont stop believin …“ (Journey, 1981), dass du den Ohrwurm auch wieder loswirst
Obwohl Ohrwürmer absolut harmlos sind, empfinden doch einige sie als äußerst nervig [3].
Eine gute Möglichkeit ist sich abzulenken und dem Arbeitsgedächtnis andere Aufgaben zu geben, wie lesen, einen Film zu schauen oder mit Freunden ausgehen – oder wie Taylor Swift sagt: Shake it off!“ (2014). Wenn man also seinem Gehirn anspruchsvollere Aufgabe gibt, dann wird der Ohrwurm aus dem Kopf gedrängt. Bezogen auf den Zeigarnik-Effekt kann zudem helfen, den Song einmal ganz bewusst durchzuhören, um dem Gehirn einen Abschluss zu bieten. Man kann auch versuchen, andere Songs zu hören (am besten keine der oben genannten Liste), um so den Ohrwurm loszuwerden. Interessanterweise soll auch Kaugummi-kauen beim Unterdrücken des Ohrwurms helfen, da Kauen die motorischen Programme unserer Sprechmuskulatur ausreichend aktivieren kann, um das Arbeitsgedächtnis zu beschäftigen [2].
Fazit
Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung, sind Ohrwürmer meistens keine Songs, die wir nicht mögen und nervig finden – ganz im Gegenteil, wir sind meistens Fans von den Songs und hören sie sogar regelmäßig [10]. Und mit den Tipps von oben werdet ihr nervige Ohrwürmer ja vielleicht schneller los, sodass ihr Platz für Neue schafft. Konkrete Ohrwurm-Ideen findet ihr in der 2019 erstellten Spotify-Playlist mit den Top 50 größten Ohrwürmern aller Zeiten. Hört gerne mal rein:
Also, viel Spaß mit deinem nächsten Ohrwurm. Und wenn du dich das nächste Mal wieder dabei ertappst, wie du im Supermarkt die Melodie vor dich hin summst – “Oops!… I did it again” (Brittney Spears, 2000) – dann weißt du nun, wie du ihn wieder loswirst.
Falls ihr mehr zum Thema Musik und Hören erfahren wollt, schaut gerne bei den Blogeinträgen “Durchs Musik Machen zum Superhirn” oder Das absolute Gehör vorbei!
Quellen
[1] L. A. Liikkanen, ‘Musical activities predispose to involuntary musical imagery’, Psychol. Music, vol. 40, no. 2, pp. 236–256, Mar. 2012, doi: 10.1177/0305735611406578.
[2] C. P. Beaman, K. Powell, and E. Rapley, ‘Rapid Communication: Want to block earworms from conscious awareness? B(u)y gum!’, Q. J. Exp. Psychol., vol. 68, no. 6, pp. 1049–1057, Jun. 2015, doi: 10.1080/17470218.2015.1034142.
[3] gazettebeckycoleman, ‘Harvard scientist on why that song is stuck in your head’, Harvard Gazette. Accessed: Mar. 28, 2025. [Online]. Available: https://news.harvard.edu/gazette/story/2021/12/harvard-scientist-on-why-that-song-is-stuck-in-your-head/
[4] NDR, ‘Was ist eigentlich ein Ohrwurm?’ Accessed: Mar. 29, 2025. [Online]. Available: https://www.eurovision.de/news/Irving-Wolther-ueber-ein-musikalisches-Phaenomen,ohrwurm126.html
[5] K. Jakubowski, S. Finkel, L. Stewart, and D. Müllensiefen, ‘Dissecting an earworm: Melodic features and song popularity predict involuntary musical imagery’, Psychol. Aesthet. Creat. Arts, vol. 11, no. 2, pp. 122–135, 2017, doi: 10.1037/aca0000090.
[6] C. Killingly, P. Lacherez, and R. Meuter, ‘Singing in the Brain: Investigating the Cognitive Basis of Earworms’, Music Percept., vol. 38, no. 5, pp. 456–472, Jun. 2021, doi: 10.1525/mp.2021.38.5.456.
[7] NDR, ‘Die “schlimmsten” Ohrwürmer im Pop’. Accessed: Mar. 29, 2025. [Online]. Available: https://www.ndr.de/kultur/musik/pop/Die-schlimmsten-Ohrwuermer-im-Pop,ohrwurm134.html
[8] H.-E. Schaefer, ‘Music-Evoked Emotions—Current Studies’, Front. Neurosci., vol. 11, Nov. 2017, doi: 10.3389/fnins.2017.00600.
[9] C. Arthur, ‘Why do Songs get “Stuck in our Heads”? Towards a Theory for Explaining Earworms’, Music Sci., vol. 6, p. 20592043231164581, Jan. 2023, doi: 10.1177/20592043231164581.
[10] A. R. Halpern and J. C. Bartlett, ‘The Persistence of Musical Memories: A Descriptive Study of Earworms’, Music Percept., vol. 28, no. 4, pp. 425–432, Apr. 2011, doi: 10.1525/mp.2011.28.4.425.
[11] ‘Ohrwurm – Schreibung, Definition, Bedeutung, Etymologie, Synonyme, Beispiele’, DWDS. Accessed: Apr. 06, 2025. [Online]. Available: https://www.dwds.de/wb/Ohrwurm
[12] R. B. L. Internetredaktion, ‘Ohrwürmer (Dermaptera) – Rote-Liste-Zentrum Rote-Liste-Zentrum’, Rote-Liste-Zentrum – Rote-Liste-Zentrum Rote-Liste-Zentrum. Accessed: Apr. 06, 2025. [Online]. Available: https://www.rote-liste-zentrum.de/de/Ohrwurmer-Dermaptera-1749.html
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Für die Älteren ein Ohrwurm aus dem Jahre 1943
von Evelyn Künneke ,Das Karussel, das dreht sich immer rundherum……
https://www.youtube.com/watch?v=8uzha3XeWKk