Fremdsprachen-Akzent-Syndrom: Wenn die Sprache auswandert

Menschen, die wie aus dem Nichts plötzlich mit einem ausländisch klingenden Akzent zu sprechen beginnen… Wer so etwas erlebt, leidet vermutlich am so genannten Fremdsprachen-Akzent-Syndrom (FAS, englisch: Foreign Accent Syndrome). Aber was genau verbirgt sich dahinter?

Was sind die Symptome?

Der Name FAS kommt daher, dass es sich anhört, als würden die Betroffenen plötzlich mit einem fremden Akzent sprechen. Tatsächlich sprechen die Betroffenen aber nicht mit einem Akzent – eine Störung in der Sprachproduktion der Betroffenen führt dazu, dass es für uns so klingt! Zu den Sprachstörungen gehören langsameres Sprechen, eine höhere Stimmlage oder verwaschene Vokale. Bestimmte Kombinationen davon klingen dann wie die typischen Akzente mancher Länder.
Die Sprachveränderungen können sehr plötzlich, z.B. über Nacht, oder auch allmählich auftreten und sind nicht selten mit weiteren neurologischen oder psychiatrischen Auffälligkeiten verbunden.

Die Betroffenen sprechen nicht wirklich mit Akzent – Störungen in der Sprachproduktion lassen es für uns jedoch so klingen!

Was sind die Ursachen des Fremdsprachen-Akzent-Syndroms?

Die genauen Ursachen des FAS sind noch nicht bekannt. Generell lässt sich aber sagen, dass es sich beim Fremdsprachen-Akzent-Syndrom um eine Störung der motorischen Sprachsteuerung handelt, eine Störung der muskulären Sprachproduktion also.
Dies hat in der Regel neurologische Ursachen, z.B. eine Schädigung oder (dauerhafte) Störung der Nervenaktivität oder Gehirnstruktur. Es gibt jedoch nicht die eine Hirnstruktur, deren Schädigung das FAS auslöst. Vielmehr können Schädigungen an den unterschiedlichsten Stellen des für die motorische Sprachproduktion zuständigen Hirnnetzwerks das Fremdsprachen-Akzent-Syndrom auslösen. Typische Areale sind die für die Sprachproduktion zuständigen Bereiche der Großhirnrinde oder bestimmte Teile des Kleinhirns, die für die Feinmotorik der “Sprechmuskeln” verantwortlich sind.
Zunehmend wird jedoch auch über psychogene Formen des FAS berichtet. Bei dieser Form liegt nicht unbedingt eine (traumatische) Schädigung bestimmter Hirnareale vor, sondern die Hirnaktivität ist durch andere Mechanismen verändert. Häufig werden auch psychiatrische Begleit- oder Grunderkrankungen wie Zwangsstörungen oder Schizophrenien berichtet.

Wodurch kann das Fremdsprachen-Akzent-Syndrom ausgelöst werden?

Insbesondere bei den neurologischen Formen des FAS gibt es bestimmte Auslöser, die mit dem Auftreten der ersten Symptome in Verbindung gebracht werden. Als häufige Auslöser werden Migräne oder sehr starke Kopfschmerzen, kleinere Schlaganfälle, traumatische Hirnverletzungen oder (epileptische) Anfälle beschrieben. Es muss jedoch betont werden, dass das FAS so selten ist, dass niemand, der unter Migräne leidet, nach der nächsten Migräneattacke befürchten muss, ein FAS zu entwickeln!
Auch bei psychogenen Formen wird häufig von extremen Stresssituationen oder der Einnahme von neuen Medikamenten vor dem Auftreten des Fremdsprachen-Akzent-Syndroms berichtet.

Was kann man gegen das Fremdsprachen-Akzent-Syndrom tun?

Obwohl das Syndrom bereits vor über hundert Jahren erstmals beschrieben wurde, gibt es keine wirkliche Therapie. Als sehr hilfreich haben sich jedoch feedbackgestütztes Sprachtraining und eine gute emotionale und psychotherapeutische Betreuung der Betroffenen erwiesen. Da die Betroffenen oft auch ihre eigene Stimme nicht mehr erkennen und sich somit ein Teil ihrer Identität verändert, kann dies zu extremen (emotionalen) Belastungen führen. Es gibt auch Berichte über rassistische Beleidigungen, die Betroffene aufgrund ihres Akzents erfahren haben.
Glücklicherweise bildet sich das Fremdsprachen-Akzent-Syndrom oft nach einiger Zeit wieder zurück, insbesondere bei den psychogenen Formen.

Eine vollständige Liste der verwendeten Literatur kann hier gefunden werden.

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Veröffentlicht von

Friedrich Schwarz studiert Humanmedizin und Angewandte Informatik mit Schwerpunkt Neuroinformatik. Aktuell fasziniert ihn die Theorie, dass Humor und Kreativität als Positivfaktoren in der sexuellen Selektion dazu beigetragen haben könnten, dass die menschliche Gehirngröße evolutionär zunahm. Mit dem Schreiben hier probiert er, seine Begeisterung über das Gehirn mit der Welt zu teilen – ob sie möchte oder nicht.

3 Kommentare

  1. Zitat: Als sehr hilfreich haben sich jedoch feedbackgestütztes Sprachtraining und eine gute emotionale und psychotherapeutische Betreuung der Betroffenen erwiesen.

    Das, dass man nämlich die „richtige“ Stimme durch Feedback/Training zurückgewinnen kann, wird auch durch folgenden Wikipedia-Eintrag (engl.) unterstützt:

    In Bezug auf die Beherrschung der musikalischen Fähigkeiten deuten Untersuchungen von Christiner und Reiterer darauf hin, dass Musiker, sowohl instrumental als auch vokal, besser darin sind, ausländische Akzente zu imitieren als Nicht-Musiker. Sänger sind bei dieser Aufgabe zudem besser als Instrumentalisten. Auf diese Weise könnten Personen mit FAS in der Lage sein, ihre ursprünglichen, verlorenen einheimischen Akzente leichter/besser zu re-imitieren, wenn sie eine musikalische – insbesondere stimmliche – Fähigkeit beherrschen.

    FAS-Betroffene müssen also trainieren/üben um wieder zur eigenen Stimme zu kommen. Falls sie Musiker, gar Vokalisten sind, haben sie schneller Erfolg.

    Mir scheint auch, was oben beschrieben ist, dass FAS nicht einer einzigen immer gleichen Hirnstruktur zugeordnet werden kann, sondern, dass verschieden gelegene Läsionen dazu führen können ist recht typisch für viele neurologische Erkrankungen. Allgemein gilt, dass etwa unsere Motorik sehr vielen neuronalen Einflüssen unterliegt und nur wenn alle korrekt arbeiten, kommt das heraus, was wir Gesunde erleben. So gibt es etwa ganz unterschiedliche Ursachen für Zittern, also das, was Neurologen Tremor nennen. Der essentielle Tremor hat nicht die gleichen Ursachen wie der Parkinson-Tremor. Das sind aber nur gerade zwei von mehr als einem Dutzend verschiedenartigen Arten von Tremor.

    Fazit: Das gleiche oder ähnliche neurologische Krankheitsbild kann ganz unterschiedliche Ursachen haben und falls es ZNS bedingt ist, auf ganz unterschiedlichen Störungen im ZNS zurückgehen.

  2. Martin Holzherr schrieb (20.02.2023, 12:14 Uhr):
    > [… in Übersetzung aus dem in Englisch verfassten Wikipedia-Artikel “Foreign accent syndrome” …]

    […] könnten Personen mit FAS in der Lage sein, ihre ursprünglichen, verlorenen einheimischen Akzente leichter/besser zu re-imitieren, wenn sie eine musikalische – insbesondere stimmliche [gesangliche – FW] – Fähigkeit beherrschen.

    Dieser hier in Übersetzung aus dem genannten Wikipedia-Artikel vorgelegten Vermutung ist dort eine Referenzangabe (»[4]«) zugeordnet, die auf diesen hier Barriere-frei lesbaren Artikel verweist. Darin wird die betreffende Vermutung aber gar nicht ausdrücklich geäußert.

    (Sowohl der genannte Wikipedia-Artikel als auch dessen o.g. Referenz »[4]« verweisen wiederum auf »Untersuchungen von Christiner und Reiterer« und insbesondere deren Artikel, der hier Barriere-frei lesbar ist, und der, wie ebenfalls durch Martin Holzherr übersetzt, besagt,

    dass Musiker, sowohl instrumental als auch vokal, besser darin sind, ausländische Akzente zu imitieren als Nicht-Musiker. Sänger sind bei dieser Aufgabe zudem besser als Instrumentalisten.

    Dort findet sich aber wiederum keinerlei Erwähnung von “Foreign accent syndrome” bzw. “FAS”; oder gar von der in Frage stehenden Vermutung insgesamt.)

    > FAS-Betroffene müssen also trainieren/üben um wieder zur eigenen Stimme zu kommen.

    Diese Aussage ist in der o.g. Referenz »[4]« zumindest angedeutet, und im Wikipedia-Artikel “Foreign accent syndrome” in Verbindung mit “Sprachtherapie” noch ausdrücklicher formuliert.

    > Falls sie Musiker, gar Vokalisten sind, haben sie schneller Erfolg.

    Diese Aussage, die offenbar (nur) Martin Holzherrs faktisierende Umformulierung der aus dem Wikipedia-Artikel zitierten Vermutung darstellt, erscheint ansonsten unbelegt.

  3. Patienten mit FAS müssen üben/trainieren, um ihre eigene Stimme zurückzugewinnen. Sie werden schneller Erfolg haben, wenn sie Musiker oder Sänger sind.

    Außerdem scheint es mir ziemlich typisch für viele neurologische Erkrankungen zu sein, weil FAS nicht mit einer bestimmten Gehirnstruktur verknüpft werden kann, die immer gleich ist, sondern stattdessen aus zufällig platzierten Läsionen resultieren kann. Es stimmt, dass unsere Motorik im Allgemeinen von einer Vielzahl neuronaler Faktoren beeinflusst wird und dass nur eine optimale neuronale Funktion zu den Erfahrungen gesunder Menschen führt. Zum Beispiel gibt es viele verschiedene Gründe, warum Menschen Zittern bekommen oder was Neurologen als Zittern bezeichnen. Parkinson-Tremor und essentieller Tremor werden nicht durch die gleichen Dinge verursacht. Aber es gibt mehr als ein Dutzend anderer Arten von Erschütterungen; das sind nur zwei davon.

    Das gleiche oder ein vergleichbares neurologisches Krankheitsbild kann vielfältige Ursachen haben, und wenn es ZNS-bezogen ist, kann es mit einer Vielzahl von ZNS-Erkrankungen in Verbindung gebracht werden.

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