Fotos vom Gehirn – wie die Neurowissenschaft uns in den Kopf schaut

Das menschliche Gehirn ist eines der faszinierendsten und zugleich rätselhaftesten Organe unseres Körpers. Seit Jahrhunderten versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, seine komplexen Mechanismen zu entschlüsseln. Wie entstehen unsere Gedanken und Gefühle? Welche Prozesse ermöglichen es uns, Erinnerungen zu speichern, und wie formt unser Gehirn unsere Wahrnehmung der Welt? Als Steuerzentrale unseres Bewusstseins ist das Gehirn ein wahres Wunderwerk der Natur – doch seine Aktivitäten direkt zu beobachten, stellt eine enorme Herausforderung dar. Schließlich können wir nicht einfach in unseren Kopf öffnen und hineinschauen, um zu verstehen, was in unserem Inneren vor sich geht. Glücklicherweise ermöglichen moderne neurowissenschaftliche Methoden einen Blick auf das Gehirn in Aktion.
Die Neurowissenschaft nutzt eine Vielzahl hochentwickelter Technologien, um die Aktivität des Gehirns sichtbar zu machen – von der Elektroenzephalographie (EEG) über die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) bis hin zur Magnetoenzephalographie (MEG). Doch was genau verbirgt sich hinter diesen Verfahren? Vielleicht sind Ihnen diese Begriffe bereits begegnet, und Sie haben sich gefragt, wie sie funktionieren und was sie über unser Denken verraten können.
In diesem Artikel nehmen wir Sie mit auf eine Reise in die Welt der modernen Hirnforschung und beantworten einige der spannendsten Fragen rund um die Methoden, mit denen wir unserem Gehirn bei der Arbeit zusehen können.
Erkenntnisse ohne bildgebende Verfahren: Patient H.M. und andere Fälle
Die Techniken, die uns heute zur Verfügung stehen sind erst seit einigen Jahrzehnten so ausgereift, dass wir neurowissenschaftliche Forschung in der Tiefe betreiben können, wie wir es heute tun. Doch auch vor den modernen neurowissenschaftlichen Methoden schon gab es Forschende, die grundlegende Erkenntnisse über das Gehirn und seine Funktionsweisen sammeln konnten – vor allem durch die Untersuchung von Patientinnen und Patienten mit Hirnverletzungen.
Persönlichkeitsveränderung und Eisenstange
Einer der bekanntesten Fälle ist etwa der von Phineas Gage, einem Eisenbahnmitarbeiter, dem bei einem Arbeitsunfall im Jahre 1848 eine Eisenstange durch den Kopf gestoßen wurde. Die Stange trat unterhalb des linken Wangenknochens ein und oben aus seiner Stirn wieder aus. Phineas überlebte den Unfall und blieb sogar bei Bewusstsein, sodass er sich später an das Geschehen erinnern konnte. Doch er blieb nicht der gleiche, denn der Unfall zog drastische Persönlichkeitsveränderungen nach sich.

Vorher noch höflich und besonnen, war Gage nach dem Vorfall impulsiv, launisch und unzuverlässig – was erstmals einen Zusammenhang zwischen Gehirnschädigung und Verhalten aufzeigte. Sein Fall lieferte erste Hinweise darauf, dass der präfrontale Cortex für Persönlichkeit, Impulskontrolle und Entscheidungsfindung wichtig ist. Dieser wurde nämlich durch die Eisenstange in der linken Hirnhälfte schwer beschädigt. Gage konnte noch mehrere Jahre arbeiten, hatte aber kognitive und soziale Schwierigkeiten. Er starb 1860 mit 36 Jahren, vermutlich an Epilepsie als Spätfolge der Verletzung [3]. In der nebenstehenden Fotografie posiert Gage mit der Eisenstange, die seine Kopf durchbohrt hatte (Bildquelle).
Für immer Amnesie
Ein weiterer berühmter Fall ist der von Henry Molaison, besser bekannt als Patient H.M. Er litt an schwerer Epilepsie und hatte mehrmals täglich mit epileptischen Anfällen zu kämpfen, was sein Leben stark beeinträchtigte. Als letzte Behandlungsmöglichkeit entschieden sich die Ärzte für einen radikalen Eingriff: Sie entfernten auf beiden Seiten seines Gehirns Teile des Temporallappens, also der seitlichen Hirnlappen – darunter auch den Hippocampus.
Die epileptischen Anfälle blieben in Folge des Eingriffs zwar aus, doch hatte er eine unerwartete und dramatische Nebenwirkung. H.M. war fortan nicht mehr in der Lage, neue Erinnerungen zu speichern. Während er sich an alles vor der Operation erinnern konnte, blieb alles, was danach geschah, für ihn flüchtig – neue Erfahrungen, Begegnungen oder gelernte Informationen konnte er nicht mehr abspeichern. Sein Fall lieferte einen bahnbrechenden Hinweis dafür, dass der Hippocampus essenziell für das Langzeitgedächtnis ist. Leider war die Bedeutung jener Hirnstruktur in den 1950er Jahren noch nicht bekannt [7].
Neben solchen Einzelfällen wurden auch Autopsien und Experimente mit Tieren genutzt, um herauszufinden, welche Hirnregionen für bestimmte Funktionen verantwortlich sind. Erst mit den modernen bildgebenden Verfahren und neurophysiologischen Messmethoden wurde es möglich, das Gehirn lebender Menschen nicht-invasiv zu erforschen und Erkenntnisse zu gewinnen, ohne auf tragische Unfälle oder chirurgische Eingriffe angewiesen zu sein. Heute ist es uns möglich, das Gehirn während der verschiedensten Aufgaben in Aktion zu beobachten.
Neue Möglichkeiten der modernen Neurowissenschaft
Hierfür stehen vor allem zwei verschiedene Arten von Verfahren zur Verfügung: bildgebende Methoden und neurophysiologische Verfahren zum Messen der Hirnaktivität. Bildgebende Verfahren wie MRT (Magnetresonanztomographie) und fMRT (funktionelle MRT) zeigen detaillierte Aufnahmen des Gehirns – entweder seine Struktur oder auch aktive Bereiche bei bestimmten Aufgaben. Doch das Gehirn arbeitet in Millisekunden – und hier kommen Verfahren wie EEG (Elektroenzephalographie) und MEG (Magnetoenzephalographie) ins Spiel. Sie messen die elektrischen und magnetischen Signale der Nervenzellen in Echtzeit, liefern aber keine Bilder. Es folgt eine kurze Einführung in diese grundlegenden neurowissenschaftlichen Methoden.
Elektroenzephalographie (EEG) – Elektrische Signale des Gehirns messen
Das EEG ist eine der ältesten Methoden zur Untersuchung der Gehirnaktivität. Schon in den 1920ern entdeckte der Neurologe Hans Berger, dass unser Gehirn ständig elektrische Signale erzeugt, die wir mit Elektroden auf der Kopfhaut messen können. Berger beobachtete, dass verschiedene Bewusstseinszustände, wie Entspannung oder Konzentration, unterschiedliche Muster in der Hirnaktivität erzeugen. Er beschrieb erstmals die Alpha- und Beta-Wellen, die sich in ihrer Frequenz und Amplitude unterscheiden.
Heute wissen wir, dass unser Gehirn noch viele weitere solcher Wellenmuster erzeugt – je nachdem, ob wir wach, tiefenentspannt oder im Traumzustand sind. Doch woher kommen diese Signale eigentlich?

Wie entstehen EEG-Signale?
Unser Gehirn verarbeitet Informationen durch ein hochkomplexes Netzwerk aus Neuronen (Nervenzellen), die miteinander kommunizieren. Innerhalb eines Neurons geschieht dies durch elektrische Impulse (sogenannte Aktionspotenziale), die entlang der Nervenzelle weitergeleitet werden.

Die Neuronen übertragen Signale untereinander an den Synapsen – den Verbindungen zwischen Neuronen – wo sie elektrische Impulse in chemische Botenstoffe umwandeln, die das nächste Neuron aktivieren oder hemmen. Die Antwort dieses Neurons zeigt sich als postsynaptisches Potenzial – und genau diese Potenziale sind es, die das EEG erfasst [1, 2, 9]. In der Abbildung links sehen Sie ein Beispiel für solche EEG-Wellen (Bildquelle).
Mit dem EEG können wir allerdings nicht die Aktivität einzelner Neuronen messen. Das Gehirn liegt gut geschützt unter unserer Schädeldecke sowie weiteren Schutzschichten und Flüssigkeiten. Die schwachen Signale, die von einzelnen Neuronen ausgehen, würden alleine nicht bis außerhalb des Kopfes, wo unsere Elektrode sitzt, durchdringen. Ist ein Hirnbereich bei einer bestimmten Aufgabe aktiv, wird jedoch nicht nur ein Neuron, sondern gleich eine Vielzahl an Neuronen erregt. Wenn viele benachbarte Nervenzellen gleichzeitig aktiv sind, summieren sich ihre elektrischen Potenziale zu einem messbaren Signal. Erst die synchronisierte Aktivität mehrerer Neuronen ist es also, die für die EEG-Elektroden auf der Kopfhaut messbar ist und als typische Wellenmuster dargestellt wird [1, 2].
Wofür wird das EEG genutzt?
In der Neurowissenschaft wird das EEG vor allem eingesetzt, um die zeitliche Dynamik von Gehirnprozessen zu erforschen. Da es elektrische Aktivität im Millisekundenbereich misst, eignet es sich besonders gut, um herauszufinden, wann bestimmte Hirnregionen aktiv werden – etwa beim Sehen, Hören, Denken oder Erinnern. Forschende nutzen das EEG, um kognitive Prozesse wie zum Beispiel Aufmerksamkeit, Sprachverarbeitung oder Entscheidungsfindung zu untersuchen. Auch die Erforschung von Schlaf, Emotionen und Bewusstseinszuständen basiert oft auf EEG-Daten.
In der klinischen Diagnostik spielt das EEG eine zentrale Rolle, insbesondere bei der Erkennung von Epilepsie, da die Methode zuverlässig plötzliche, unkontrollierte Entladungen von Nervenzellen sichtbar machen kann. Auch bei der Untersuchung von Schlafstörungen, Koma-Patient:innen oder neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson liefert das EEG wertvolle Hinweise. Auch im psychiatrischen Kontext etwa bei Störungen wie Depressionen oder Schizophrenie werden EEG-Messungen bei dem Versuch eingesetzt, mehr über diese Störungsbilder zu erfahren.
Vorteile und Nachteile des EEG
Vorteile von EEG-Untersuchungen sind unter anderem, dass es vergleichsweise kostengünstig ist und zudem sogar mobil eingesetzt werden kann. In einem anderen Beitrag können Sie beispielsweise lesen, wie ein mobiles EEG neurowissenschaftliche Forschung live beim Gang durch ein Museum ermöglicht. Außerdem ist die Methode nicht-invasiv – die Elektroden sind lediglich vorübergehend an der Kopfhaut angebracht. Sie verursacht keine Schmerzen und die Patienten und Probandinnen haben keinerlei Nachwirkungen durch die Messung zu erwarten. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass das unangenehmste an einer EEG-Messung das Gel ist, das für eine bessere Leitfähigkeit der Elektroden auf der Kopfhaut aufgetragen wird. Dieses ist nämlich etwas hartnäckig, wenn es darum geht, es wieder aus den Haaren auszuwaschen [1, 2].
Die größte Stärke der Elektroenzephalographie ist wohl die hohe zeitliche Genauigkeit, mit der die Methode die Hirnaktivität im Millisekundenbereich messen kann. Wir können also genau sagen wann eine Aktivität zu beobachten ist. Wo genau diese aber herrührt, können wir mithilfe des EEGs nur grob bestimmen. Für eine bessere räumliche Auflösung müssen wir auf andere Messverfahren zurückgreifen – bildgebende Methoden wie die Magnetresonanztomographie, kurz MRT.
Magnetresonanztomographie – Bilder vom Gehirn
Eine der beliebtesten und wichtigsten Methoden in der neurowissenschaftlichen Forschung am Menschen ist die Magnetresonanztomographie (MRT). Im Gegensatz zum EEG, das die elektrische Aktivität misst, nutzt die MRT starke Magnetfelder und Radiowellen, um tatsächlich ein Bild des Gehirns zu erzeugen. Wie ein Foto, bloß etwas komplizierter. Entwickelt wurde die Technik in den 1970er Jahren, und seither hat sie die Hirnforschung und medizinische Diagnostik revolutioniert.
Die MRT nutzt ein starkes Magnetfeld und Radiowellen, um detaillierte Bilder des Gehirns zu erzeugen – und das völlig ohne Strahlung. Doch wie genau funktioniert das? Der Schlüssel liegt in den Wasserstoffatomen, die in nahezu allen Körpergeweben vorkommen. Im Normalzustand sind ihre Kerne in einer zufälligen Orientierung ausgerichtet. Doch sobald eine Person in das MRT-Gerät fährt, bringt das starke Magnetfeld sie in eine geordnete Ausrichtung. Dann kommt der spannende Teil: Gezielte Radiowellenimpulse bringen die Wasserstoffkerne kurzzeitig aus dem Gleichgewicht. Sobald diese Impulse enden, kehren die Kerne in ihre ursprüngliche Position zurück – und dabei senden sie elektromagnetische Signale aus [5].

Diese Signale werden von empfindlichen Sensoren erfasst. Je nachdem, in welchem Gewebe sich die Wasserstoffkerne befinden – ob in grauer Hirnsubstanz, weißer Substanz oder Flüssigkeiten wie der Hirn-Rückenmarks-Flüssigkeit –, reagieren sie unterschiedlich schnell. Ein leistungsstarker Computer analysiert diese Unterschiede und setzt sie zu detaillierten Schichtaufnahmen des Gehirns zusammen. Es ergibt sich ein Bild, in dem die verschiedenen Teile des Hirns zu erkennen sind. Auf diese Weise lassen sich selbst feine Strukturen präzise darstellen. Dies macht die MRT zu einem unverzichtbaren Werkzeug in der Hirnforschung und medizinischen Diagnostik [5].
Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) – Gehirnaktivität sichtbar machen
Eine besondere Form der MRT ist die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), welche nicht bloß die Struktur des Gehirns abbildet. Sie zeigt auch zeigt, welche Hirnareale gerade am aktivsten sind. Um die aktiven Bereiche zu erkennen, machen sich Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler den sogenannten BOLD-Effekt zu Nutze. Der Blood Oxygen Level Dependent Effekt beschreibt den Zusammenhang zwischen Hirnaktivität und Durchblutung. Bei bestimmten Aufgaben werden einige Bereiche des Hirn mehr beansprucht als andere. Bei einer sprachlichen Aufgabe werden etwa die Bereiche, die für Sprachverständnis und -produktion zuständig sind, aktiviert. Diese Areale benötigen durch die erhöhte Aktivität mehr Sauerstoff und werden besser durchblutet. Im MRT ist das sichtbar, da die Bereiche mit einem höheren Sauerstoffgehalt nun anders auf die Impulse des MRT-Gerätes reagieren [5].
Die fMRT bietet eine hohe räumliche Auflösung und hilft uns daher genauer zu verstehen, welche Bereiche im Hirn für welche Aufgaben zuständig und gleichzeitig aktiv sind. Diese detaillierten Einblicke in die Funktionsweise des Gehirns nutzen unterschiedlichste Bereiche der neurowissenschaftlichen Forschung von Untersuchungen zu Gedächtnisprozessen über Emotionen, Sprachwahrnehmung bis hin zu veränderter Aktivität bei neurologischen oder psychiatrischen Störungen. Auch in der medizinischen Diagnostik spielt sie eine wichtige Rolle, beispielsweise bei der Früherkennung von Tumoren, Schlaganfällen oder neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer.

Schwierigkeiten des fMRT
So gut wie die räumliche Darstellung im MRT gelingt – das ebenso wie das EEG nicht-invasiv und ungefährlich für Probandinnen und Probanden ist – gibt es auch hier Nachteile. Der entscheidendste ist vermutlich die zeitliche Ungenauigkeit der fMRT-Messung. Da die Technik auf Veränderungen im Sauerstoffgehalt des Blutes basiert, erfasst sie Gehirnaktivität nur indirekt und mit einer zeitlichen Verzögerung. Während Nervenzellen in Millisekunden reagieren, dauert es einige Sekunden, bis sich der Blutfluss entsprechend anpasst und messbar verändert. Dadurch ist die fMRT nicht so schnell wie das EEG, das direkte elektrische Signale des Gehirns aufzeichnet. Bei der Planung eines Forschungsvorhabens müssen diese Aspekte daher berücksichtigt werden. Die Methode muss geeignet sein die gewünschten Erkenntnisse zu untersuchen und der Versuchsablauf will genauestens geplant sein – nicht zuletzt auch deshalb, weil MRT-Messungen ein teures Unterfangen sind [5].
Magnetoenzephalographie (MEG) – Magnetische Felder des Gehirns messen
Während das EEG elektrische Signale misst, erfasst das MEG die magnetischen Felder, die durch neuronale Aktivität entstehen. Diese Magnetfelder entstehen, da elektrische Ströme, die in den Neuronen fließen, automatisch schwache magnetische Felder erzeugen. Um diese schwachen magnetischen Felder, die das Hirn erzeugt, überhaupt messen zu können, müssen die Probandinnen und Probanden bestmöglich von den wesentlich stärkeren Magnetfeldern abgeschirmt werden, die uns dauerhaft umgeben. Denken Sie an das Erdmagnetfeld oder auch elektronische Geräte [8].
Das Besondere am MEG: Magnetische Signale werden weniger von der Schädeldecke verzerrt als elektrische, was genauere Messungen ermöglicht. So können wir auch tiefer liegende Hirnregionen besser erfassen als beispielsweise mit dem EEG. Die MEG bietet außerdem eine sehr gute zeitliche, aber auch eine relativ gute räumliche Auflösung. Die kognitiven Neurowissenschafent nutzen die Technik unter anderem, um millisekundengenau zu analysieren, wie das Gehirn Gedächtnisaufgaben bewältigt, Sprache verarbeitet, Aufmerksamkeit steuert oder sensorische Reize interpretiert. Darüber hinaus spielt sie in der klinischen Neurologie eine wichtige Rolle, etwa zur präzisen Lokalisierung des Ursprungs epileptischer Anfälle vor neurochirurgischen Eingriffen.
Ebenso wie die MRT, ist die MEG unbedenklich für die getesteten Personen. Gemeinsam haben die beiden Techniken allerdings auch, dass sie aufwendig und kostspielig sind, was vor allem mit der speziellen Abschirmung und der Kühlung der Sensoren zusammenhängt. Letztere müssen nämlich auf unter -269 °C gekühlt werden, um richtig zu funktionieren, wofür flüssiges Helium benötigt wird [8].
Weitere Methoden und spezialisierte Anwendungen
Neben EEG, MEG und fMRT gibt es weitere Methoden zur Untersuchung der Gehirnaktivität, die je nach Fragestellung spezifische Vorteile bieten. Da wäre etwa die Positronen-Emissions-Tomographie (PET), die den Stoffwechsel im Gehirn misst. Dazu werden leicht radioaktive Tracer verabreicht, die sich je nach Gehirnaktivität unterschiedlich verteilen. PET ist besonders nützlich, um Neurotransmitter-Systeme zu untersuchen oder krankhafte Veränderungen, etwa bei Alzheimer oder Parkinson, frühzeitig zu erkennen. Aufgrund der Radioaktivität ist die Methode allerdings nicht zur unbegrenzten Wiederholung zu empfehlen [6].
Eine weitere Technik ist die Nahinfrarotspektroskopie (NIRS), die – ähnlich wie die fMRT – Veränderungen im Sauerstoffgehalt des Blutes misst. Sie nutzt Infrarotlicht, das durch das Gewebe dringt und reflektiert wird, um Rückschlüsse auf die Aktivität nahe der Gehirnoberfläche zu ziehen. Da NIRS tragbar und weniger anfällig für Bewegungsartefakte ist, eignet es sich besonders für Studien mit Kleinkindern, sozialer Interaktion oder motorische Experimente, bei denen sich die Probanden frei bewegen können [4].
Meilensteine der Neurowissenschaft
Die modernen bildgebenden und neurophysiologischen Verfahren haben die Hirnforschung revolutioniert. Sie ermöglichen es uns, die Aktivität des Gehirns nicht-invasiv und je nach Methode fast in Echtzeit zu beobachten. Während Methoden wie EEG und MEG eine herausragende zeitliche Auflösung bieten, erlauben bildgebende Verfahren wie MRT und fMRT detaillierte Einblicke in die Struktur und Funktionsweise des Gehirns. Ergänzende Techniken wie PET oder NIRS erweitern das Spektrum der Untersuchungsmöglichkeiten und helfen, spezifische Fragestellungen zu beantworten. Jede Methode hat ihre eigenen Stärken und Limitationen, weshalb die Neurowissenschaft oft mehrere Verfahren kombiniert, um ein möglichst vollständiges Bild der komplexen Prozesse in unserem Gehirn zu erhalten. Wenn Forschende eine Studie planen, müssen sie genau abwägen, welche Methode am besten geeignet ist, um die Fragen zu beantworten, denen sie auf den Grund gehen möchten.
Dank stetiger technologischer Fortschritte könnten zukünftige Entwicklungen in der Hirnforschung noch präzisere, schnellere und zugänglichere Methoden hervorbringen, die unser Verständnis des Gehirns weiter vertiefen und möglicherweise neue Wege für die Diagnose und Behandlung neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen eröffnen. Es bleibt abzuwarten, was die Zukunft der Neurowissenschaften noch für uns bereithält.
Quellen
[1] Berger, H. Über das Elektrenkephalogramm des Menschen. Archiv f. Psychiatrie 87, 527–570 (1929). https://doi.org/10.1007/BF01797193
[2] Biasiucci, A., Franceschiello, B. & Murray, M. M. (2019). Electroencephalography. Current Biology, 29(3), R80–R85. https://doi.org/10.1016/j.cub.2018.11.052
[3] Damasio, H., Grabowski, T., Frank, R., Galaburda, A. M. & Damasio, A. R. (1994). The Return of Phineas Gage: Clues About the Brain from the Skull of a Famous Patient. Science, 264(5162), 1102–1105. https://doi.org/10.1126/science.8178168
[4] Malvern Panalytical. (o. D.). Nahinfrarotspektroskopie (NIRS). https://www.malvernpanalytical.com/de/products/technology/spectroscopy/near-infrared-spectroscopy
[5] Poldrack, R. A., Mumford, J. A., & Nichols, T. E. (2011). Handbook of functional MRI data analysis. Cambridge University Press. https://www.cambridge.org/9780521517669
[6] Positron Emission Tomography (PET). (2021, 20. August). Johns Hopkins Medicine. https://www.hopkinsmedicine.org/health/treatment-tests-and-therapies/positron-emission-tomography-pet
[7] Scoville, W. B. & Milner, B. (1957). LOSS OF RECENT MEMORY AFTER BILATERAL HIPPOCAMPAL LESIONS. Journal Of Neurology Neurosurgery & Psychiatry, 20(1), 11–21. https://doi.org/10.1136/jnnp.20.1.11
[8] Singh S. P. (2014). Magnetoencephalography: Basic principles. Annals of Indian Academy of Neurology, 17(Suppl 1), S107–S112. https://doi.org/10.4103/0972-2327.128676
[9] Quigley C. (2022). Forgotten rhythms? Revisiting the first evidence for rhythms in cognition. The European journal of neuroscience, 55(11-12), 3266–3276. https://doi.org/10.1111/ejn.15450
Bildquelle MRT
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„Es bleibt abzuwarten, was die Zukunft der Neurowissenschaften noch für uns bereithält.“
Auch spannend finde ich, wie denn die konkreten Verschaltungen der Nervenzellen aussehen und mit welcher Dynamik sie genau arbeiten. Hier spielt einerseits eine Aufzeichnung von ganzen Konnektomen eine Rolle, anderseits kann allerdings die KI hier auch helfen, was denn nun wie genau funktionieren kann.
Die angesprochenen EEG und MRT- Methoden lassen die genauen Vorgänge ja komplett im Dunklen. Und sind so wie sie sind auch für die KI zunächst kaum zu gebrauchen.
Konkrete Verschaltungsmuster kann man im Gehirn erforschen, dann in der KI nachbauen, und gucken, ob sie hier auch funktionieren. Und funktionierende KI-Methoden kann man wiederum dazu nutzen, um zu gucken, ob das Gehirn sie auch benutzt, und welche Funktionen das dann ermöglicht.
So könnten wir nicht nur besser verstehen, wie wir selber funktionieren, sondern auch Wege für vielseitig einsetzbare KI finden. Am Ende künstliches Bewusstsein und die Erschaffung von wirklicher künstlicher Lebensexistenz. Warum nicht das auch noch?
Immerhin können wir dann auch selber wissen, wie wir wirklich funktionieren. Was wir dann mit diesen künstlichen Existenzen anfangen, können wir uns dann ja immer noch überlegen.