Die Evolution der Kognition oder warum Vögel schlau sind

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Der Mensch ist das intelligenteste Lebewesen auf der Erde- dank seines Gehirns. Um das menschliche Gehirn besser verstehen zu können, müssen wir auch verstehen, wie es sich entwickelt hat und was uns evolutionär von anderen Lebewesen unterscheidet. Was macht uns so schlau? Wieso sind wir in der Lage, Probleme zu lösen, abstrakt zu denken und unsere Existenz zu organisieren? Wie entstanden diese höheren kognitiven Fähigkeiten?

Was wir dachten, über die Evolution des Gehirns zu wissen

Wenn wir Evolution verstehen wollen, müssen wir uns andere Lebewesen anschauen. Lebewesen, die uns evolutionär vorausgegangen sind, wie z.B. Affen. Jahrelang hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zwei Annahmen über die das Funktionieren der höheren Kognition und die Evolution des Gehirns:

  1. Je größer das Gehirn, desto intelligenter die Spezies/das Tier.
  2. Je besser ausgeprägt der Neocortex, desto intelligenter die Spezies/das Tier.

Die erste Annahme entstand aus diversen Beobachtungen: Insekten sind wahrscheinlich weniger intelligent als Säugetiere, und Schimpansen sind intelligenter als ihre kleineren Geschwister, wie z.B. die Totenkopfaffen. Je mehr Gehirnzellen, desto mehr Power zum Verarbeiten der Informationen, oder? Dennoch ist Größe hier nicht alles, wie wir noch sehen werden.

Die zweite Annahme hält sich jedoch wesentlich stabiler, auch ich habe in der Schule und im Studium gelernt, dass der Mensch so besonders und intelligent ist, weil er einen Präfrontalcortex hat. Der Präfrontalcortex des Menschen ist zuständig für die beschriebenen höhere Kognitionen und ist Teil des Neocortex, der äußersten Rinde des Gehirns. Die evolutionär ältesten Anteile des Gehirns sind der Hirnstamm und das Mittelhirn, welches den Kern unseres Gehirns bildet. Von hier aus werden die grundlegendsten Funktionen gesteuert, wie z.B. die Atmung, die Regulierung der Körpertemperatur oder im nächsten Schritt die automatische Stressreaktion (Kampf, Erstarren, Flucht), die den Tieren schon immer dazu diente, sie vor potenziellen Gefahren zu schützen. Je „weiter nach außen“ wir im Gehirn gehen, desto evolutionär neuer sind die Areale. Das menschliche Gehirn hat seinen Neocortex als letzten Schritt in der Evolution entwickelt, was den Namen „Neo-Cortex“ („neuer Cortex“) erklärt. Affen, unsere Vorgänger, haben zwar einen Neocortex, doch dieser ist wesentlich kleiner als bei uns Menschen.  

Gegenüberstellung der Gehirne verschiedener Spezies
Vergleich der Hirnrinde (Neocortex/Pallium) verschiedener Spezies. Menschen haben den größten Cortex. (Bildquelle)

Auf dem Prüfstand: Stimmt das noch?

Das ist soweit alles ganz logisch. Aber der Vergleich von Spezies zeigt immer wieder Probleme dieser Theorie auf. Schauen wir uns Papageien an. Ihre Gehirne wiegen nur 1 bis 25 Gramm und besitzen keinen Neocortex. Die Gehirne von Schimpansen wiegen hingegen 400g und haben bereits einen entwickelten Neocortex. Wir wissen alle, dass Schimpansen schlau sind, aber wusstest Du, dass die kognitiven Fähigkeiten von Papageien in etwa auf dem gleichen Niveau wie die der Schimpansen sind, trotz der genannten Unterschiede, die vermuten lassen, dass Papageien deutlich weniger intelligent als Schimpansen sein müssten?

Evolutionäre Entwicklung des Gehirns von verschiedenen Spezies
Ein Evolutionsbaum zeigt, wie sich verschiedene Spezies auseinander entwickelt haben. In diesem Fall ist die Evolution des Gehirns dargestellt, in Rot der Cortex. (Bildquelle)

Wie funktioniert höhere Kognition wirklich in unserem Gehirn? Dieser und vielen anderen spannenden Fragen widmeten sich Prof. Dr. Onur Günkürkün und sein Team der Ruhr Universität Bochum. Die Forschenden untersuchten über längere Zeit Vögel, weil Vögel sich evolutionär schon sehr früh (vor 300 Millionen Jahren) von Säugetieren abgespalten haben, sich ihre Gehirne also deutlich von denen des Menschen unterscheiden und Schlüsse auf die Evolution unseres Gehirns und die Entstehung höherer Kognition zulassen. In der Zeit, in der Vögel und Säugetiere noch einer evolutionären Linie angehörten, konnte sich ihr Gehirn gemeinsam entwickeln. Vögel haben, ebenso wie Säugetiere, ein Kleinhirn, das strukturell dem der Säugetiere sehr ähnlich ist. Doch die Spezies teilten sich auf bevor Säugetiere einen Neocortex entwickelten, weswegen dieser in Vögeln nicht zu finden ist.

Vögel zeigen, wie bereits erwähnt, eine Vielzahl an Fertigkeiten, die höhere Kognition benötigen. Raben können in die Zukunft planen und ihr Verhalten entsprechend anpassen, Krähen können Probleme lösen, dafür Werkzeuge benutzen und, angepasst an die Situation, aufeinander aufbauende Verhaltenssequenzen planen und durchführen. Professor Güntürkün hebt in einer Veröffentlichung hervor, dass Vögel nicht nur spezifische, einzelne kognitiven Fähigkeiten haben, sondern dass es Hinweise auf eine Vielzahl an grundlegenden kognitiven Fähigkeiten gibt, die zu komplexen kognitiven Anwendungen „zusammengesetzt“ werden können, ähnlich wie bei uns Menschen.

Doch Vögel schneiden in kognitiven Tests nicht nur genau so gut wie Primaten ab und zeigen dieselben kognitiven Fähigkeiten, sie benutzen auch die gleichen Prozesse wie Primaten, um zu den Lösungen der ihnen präsentierten Probleme zu kommen. Ihre mentalen Algorithmen scheinen mit denen von Primaten übereinzustimmen, was sich auch daran zeigt, dass sie bei der Entwicklung höherer Kognition die gleichen Stadien durchlaufen und die gleichen Fehler begehen wie heranwachsende Kinder. Generell lässt sich trotzdem festhalten, dass nicht alle Vögel gleich schlau sind. Raben, Krähen und Papageien lernen schneller und effektiver als Tauben und Hühner, dennoch wird deren kognitive Fähigkeit häufig unterschätzt. Tauben können z.B. die Rechtschreibung kurzer Wörter lernen oder sich an verschiedene menschliche Gesichter erinnern, brauchen zum Erlernen höherer kognitiver Aufgaben aber mehr Versuche. Vögel ähneln in ihren Kognitionen also Primaten auf mehrfacher Ebene… Ganz ohne Neocortex und große Hirnmasse. Was sagt uns das über unsere anfänglichen Hypothesen?

Was wir wissen: Warum Vögel schlau sind

Mehr Gehirn ist nicht immer besser. Studien konnten zeigen, dass es nicht auf die Größe und Masse des Gehirns ankommt, sondern auf die Dichte der Gehirnzellen (Neuronen). Krähen haben in ihrem Pallium in etwa 62% ihrer Neuronen, während ein Schimpanse in seinem Präfrontalcortex in etwa nur 19% seiner Neuronen hat. Krähen haben außerdem im Vergleich zu den einfacheren Arten (Tauben, Hühner, Strauße) mehr als doppelt so viele Neuronen in ihrem Pallium. Tatsächlichen hat das Gehirn von Vögeln auf gleicher Masse durchweg mehr Neuronen als das von Säugetieren. Der Vogel Strauß hat das größte Gehirn aller Vogelarten, gehört hingegen aber nicht zu den intelligentesten Vogelarten, weil er weniger Neuronen im Pallium hat, was zeigt, dass es schlussendlich nicht auf die Größe selbst ankommt. Die hohe Anzahl an Neuronen verbraucht gleichzeitig auch weniger Energie als bei Säugetieren. Das kann die geringere Größe ihrer Gehirne kompensieren und im „Kosten-Nutzen Verhältnis“ schneiden ihre Gehirne besser ab als die von Säugetieren. Die Hypothese größeres Gehirn = höhere kognitive Fähigkeiten konnte somit wirkungsvoll widerlegt werden. Dennoch haben Krähen und Papageien in Summe deutlich weniger Neuronen als Primaten. Die neuronale Dichte kann also nicht gänzlich das gleiche kognitive Niveau erklären. Für erfahrungsbasiertes, flexibles Denken sind die sogenannten assoziativen Neuronen, die die sensorischen und motoirischen Gehirnareale verbinden, besonders wichtig. Intelligente Vogelarten unterscheiden sich von simpleren Vogelarten besonders in ihrer Anzahl an assoziativen Neuronen, deren Anzahl in etwa der der gleich intelligenten Primatenarten entsprach.

Daraus ziehen Professor Güntürkün und seine Kolleginnen und Kollegen den ersten relevanten Schluss, der das neuronale Funktionieren höherer Kognitionen erklärt:

1. Je mehr assoziative Neuronen, desto intelligenter die Spezies/das Tier.

Aus evolutionärer Perspektive kann ein Gehirn nur dann überleben, wenn relevante Bereiche gut verbunden sind, Informationen topologisch integriert werden können und wenn verschiedene Systeme miteinander kommunizieren können. Es ist also logisch anzunehmen, dass sich die neuronalen Verbindungen innerhalb der Gehirne von Vögeln und Säugetieren ähneln müssen. Dies konnte bestätigt werden: Das Gehirn von Vögeln ist nicht, wie vorher angenommen, komplett unstrukturiert. Bildgebende Verfahren konnten zeigen, dass sensorische Areale des Palliums ähnlich vernetzt und organisiert sind wie Areale des Neocortex, und dass diese im Pallium sehr weit verbreitet sind. Sie zeigen ähnliche Verbindungen, zelluläre Mechanismen, neurochemische Prozesse und Funktionen wie der Neocortex. Es braucht also keinen eigenen Präfrontalcortex für höhere Kognition. Daraus folgt die zweite Schlussfolgerung:

2. Das sensorische Areal der Vögel ähnelt dem Präfrontalcortex der Primaten. Für höhere Kognition braucht es ein solches Areal.

Damit wir Verhalten, das dem Überleben des Organismus beiträgt, erlernen und häufiger zeigen können, was zentral ist, braucht das Gehirn den Botenstoff Dopamin. Dopamin verstärkt Verhalten, indem es den Organismus belohnt und für Glücksgefühle sorgt. Das Pallium der Vögel ist, ebenso wie der Neocortex der Säugetiere, eng mit Dopamin gekoppelt. Demnach gilt für das Zustandekommen von höherer Kognition und deren evolutionärer Entwicklung:

3. Dopaminerge Bahnen beeinflussen Areale der höheren Kognition.

Schließlich berichten Professor Güntürkün und Kolleginnen und Kollegen von den Grundlagen des Arbeitsgedächtnisses. Das Arbeitsgedächtnis ist eine wichtige Grundlage für eine Vielzahl an höheren kognitiven Fertigkeiten. Es hält eine begrenzte Anzahl an Informationen und kann diese für weitere Anforderungen bearbeiten. Im Menschen ist das Arbeitsgedächtnis eine Funktion des Präfrontalcortex. In Vögeln können Aktivierungsmuster einzelnen Zellen, die typisch für das Arbeitsgedächtnis sind, in einem Bereich des Palliums gefunden werden. Vögel haben also auch hier in Abwesenheit eines Neocortex die für höhere Kognition erforderlichen Fähigkeit entwickelt und die Kapazität ihres Arbeitsgedächtnisses ähnelt der von Säugetieren.

4. Höhere Kognition braucht flexible neurophysiologische Grundlagen für das Arbeitsgedächtnis.

All diese Grundlagen und Prozesse haben sich wahrscheinlich in der Evolution unabhängig sowohl in Säugetieren, als auch in Vögeln gebildet, so dass in beiden übergeordneten Kategorien höhere kognitive Fähigkeiten zu finden sind, ganz unabhängig von engen strukturellen Kategorien im Gehirn.

Fazit

Ich durfte letztes Jahr auf einer Konferenz Professor Güntürküns Keynote beiwohnen. Er beendete seinen Vortrag mit der Bemerkung, dass es eigentlich gut sei, dass die Gehirne von Vögeln im Gegensatz von denen der Säugetiere nicht unendlich proportional zu ihrer Körpergröße ansteigen, sondern dass es bei Vögeln ein Höchstgewicht gibt. Denn hätten Vögel Gehirne, die so groß wie das menschliche Gehirn wären, wären sie uns durch ihre effiziente neuronale Verarbeitung wahrscheinlich sogar überlegen und könnten vielleicht uns als Haustiere halten. Die Forschung zeigt, dass höhere Kognition nicht, wie zuvor angenommen, alleine durch einen ausgeprägten Neocortex gerechtfertigt werden kann. Evolutionär konnten sich kognitive Fähigkeiten auch in strukturell sehr unterschiedlichen Gehirnen entwickeln und es ist per se nicht unser Präfrontalcortex, der uns intelligent macht. Also: räumt mit diesem Mythos der Evolution des Gehirns auf, wenn er euch begegnet und eine persönliche Message von mir: Seid lieb zu Tauben.

Quellen

Güntürkün, O., & Bugnyar, T. (2016). Cognition without cortex. Trends in Cognitive Sciences20(4), 291-303. https://dx.doi.org/10.1016/j.tics.2016.02.001

Güntürkün, O., Pusch, R., & Rose, J. (2024). Why birds are smart. Trends in Cognitive Sciences28(3), 197-209. https://doi.org/10.1016/j.tics.2023

Ich bedanke mich herzlich bei Professor Dr. Güntürkün für die freundliche Bereitstellung von Materialien.

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Veröffentlicht von

Mein Name ist Lea Anthes und ich studiere Klinische Psychologie und Psychotherapie im Master an der Goethe-Universität in Frankfurt. Ich interessiere mich schon lange für Themen rund um das menschliche Gehirn und konnte mich während meines Bachelorstudiums der Psychologie sowohl umfangreich mit der kognitiven Neurowissenschaft auseinandersetzen als auch praktische Erfahrung im Bereich der klinischen Neuropsychologie sammeln. Gerne teile ich diese Begeisterung mit interessierten Leserinnen und Lesern.

9 Kommentare

  1. Wenn das Internet schnell genug ist, kann ich mir einen Computer bauen, dessen Festplatte in Neu Delhi, die RAM in Kopenhagen sitzt und auch die Prozessorkerne über den ganzen Planeten verteilt sind, während ich in Buenos Aires bloß Maus, Bildschirm und Tastatur bediene. Dann gäbe es zwar Probleme mit der Taktung, aber lösbare. Bei Netzwerken liefert die Größe von Klumpen nur dann einen Hinweis auf die Leistungsfähigkeit, wenn der Bauplan verlangt, dass Komponenten mit einer bestimmten Funktion im selben Klumpen gelagert werden. Das kann der Fall sein, doch ein Netzwerk ist im Prinzip eine eigene Welt – die Zahl der Leitungen und die Verbindungsgeschwindigkeit schaffen ein Paralleluniversum mit eigenem Raum und eigener Zeit. Wir müssen also – bei Mensch und Huhn – von virtuellen Hirnkomponenten ausgehen, die genauso ernst genommen werden müssen, wie diejenigen, die wir als Areale ausmachen können.

    Dass die Intelligenz eines Netzwerks nicht nur von der Intelligenz oder Zahl der Zellen abhängt, sondern von der internen Organisation, ist auch klar. Eine Milliarde Agrar-Ökonomen, von denen jeder von seinem eigenen Schrebergarten lebt, sehen vom Orbit wie Fliesen aus und kriegen gemeinsam auch nicht mehr gebacken. Ein Dorf von hundert gut organisierten, spezialisierten Analphabeten kann als kollektiv weitaus intelligenter handeln und mehr Probleme lösen. Dennoch hat die Anzahl der Zellen einen Einfluss darauf, wie schlau und komplex es maximal werden kann, je mehr die einzelne Zelle leisten kann, desto weniger braucht es davon, und die Lernfähigkeit einer Zelle, neue Funktionen zu übernehmen, spielt ebenfalls eine Rolle. Je mehr Leitungen Sie haben, desto mehr Kombinationen sind möglich, desto mehr vielfältige Reaktionen kann die Zelle auslösen.

    Ganz egal, wie talentiert ein Pianist ist, es spielt schon eine Rolle, ob er eine oder zehn Hände hat – mit nur einem Finger kriegen Sie Beethoven nur hin, wenn Sie sehr, sehr schnell sind oder sehr, sehr viele Einfinger-Kumpels haben. Vielleicht sollten Sie sich nicht so sehr auf die Zellen fixieren, sondern auf die Verkabelung.

    Ein Hirn ist wie ein Computerchip – je kleiner, desto schneller schließt es die Schaltkreise. Wenn er schnell genug rechnet, schlägt ein Rechenschieber jeden PC. Dann spielt Gedächtnis eine Rolle – der Rechenschieber muss Berechnungen nacheinander durchführen, die der PC gleichzeitig hinkriegt, und das bedeutet, sich sehr, sehr viele Ergebnisse zu merken, um Gleichzeitigkeit zu simulieren.

    Was ich am Neocortex so interessant finde, ist, dass wir seine Produkte als „Sehen“ wahrnehmen – es ist das Dritte Auge in die Geisterwelt. Vielleicht hat hier das dritte Auge, das sich bei vielen Reptilien findet, eine neue Funktion übernommen. Was da als Erstes auffällt ist, dass Primaten in Stereo gucken und die Bilder sich zwecks Tiefenwahrnehmung überlagern müssen, während Vögel zwei verschiedene Gesichtsfelder haben. Aber auch die Vorfahren der Säugetiere hatten’s nicht so mit dem Blick nach vorne und Eulen gucken mich gerade schräg an. Dennoch sind Evolutionswege möglich, bei denen sich bei der einen Linie das Auge (oder seine Überreste, die noch nicht ganz atrophiert waren) zum Frontallappen entwickelt, bei der anderen völlig in anderen Hirnteilen verstreut hat, und nur noch als virtuelles Objekt existiert.

    Oder auch nicht. Kann ja sein, dass die Vögel ihren Inner Space gar nicht als „Sehen“ wahrnehmen. Vielleicht hören sie Vogelgesang?

    Und dass Lernen, unabhängig vom Netzwerk, irgendwie wie Senilität im Rückwärtsgang ist, das heißt, man bekommt eine Menge falsche Assoziationen und muss das Ganze erst differenzieren, sieht man ja auch bei unseren Silikon-KIndern. Am Ende sind Neuronen nur ein Haufen Bürokraten, denen der Sinn und Zweck ihres Jobs völlig egal ist – sie tun das, wofür sie gefüttert werden. Je öfter sie gefüttert werden, desto stärker wird der Schaltkreis, desto höher steigt er in der Hierarchie der Dinge, die vor anderen ausprobiert werden. Was kein Futter bringt, hungert aus, verblasst und landet schließlich bei „Verzweiflungstat“ oder „spontane Idee, bei der ich nie geglaubt hätte, dass so was in mir steckt“, bis es ganz verreckt. Sie können sich ein denkendes Hirn aus einem Haufen Kühe basteln. Wird allerdings etwas langsam sein, wegen der Prozessorgröße und der Übertragungsgeschwindigkeit im Kuh-Spaziertempo.

  2. @Hauptartikel

    „Also: räumt mit diesem Mythos der Evolution des Gehirns auf, wenn er euch begegnet und eine persönliche Message von mir: Seid lieb zu Tauben.“

    Ich bin mit Gänsen, Enten, Fasanen, Tauben, und einer zahmen Esster aufgewachsen, und kann nur bestätigen, das die unseren Kaninchen weit voraus waren. Und insbesondere die Elster sehr beeindruckt hat. Die hat nicht nur die Tauben von der Terrasse vertrieben, wenn die sich dort bei Regen untergestellt haben. Wenn meine Oma mit ihren Dackel zu Besuch kam, hat ihn die Elster bis unter die Küchenbank gejagt, wo er dann geduldet wurde. Offenbar war die Elster nicht nur besonders dreist, sondern dem Dackel vermutlich geistig überlegen.

    Ich selber habe später auch Hühner gehalten, und musste feststellen, das die eigentlich sehr vorsichtig, zurückhaltend, ja fast zart und dabei einfühlsam waren, was auf den ersten Blick weniger intelligent aussah. Aber die Hühner beobachten uns Menschen sehr genau, und wissen, wo sie mit uns dran sind. Hier lässt sich eine artübergreifende Empathie beobachten, die man auf den ersten Blick zunächst nicht bemerkt. Man muss sich nur ein wenig Zeit für die Tiere nehmen, dann merken die das, und nehmen ganz vorsichtig Kontakt auf.

  3. Nun, wenn intelligente Vögel und Primaten ähnliche kognitive Entwicklungen und Leistungen vollbringen, unterstützt das die Annahme, dass neuronale Netze – egal ob biologisch oder künstlich – zu ähnlichen Leistungen und auch zu ähnlichen Fehlern neigen. Gerade die Tatsache, dass Gehirne, die sich anatomisch stark voneinander unterscheiden, dennoch ähnliche Leistungen vollbringen, spricht dafür, dass das Potential in den zellulären Elementen der Gehirne zu finden ist, also vor allem in den Neuronen zusammen mit ihren Hilfszellen.
    Was heute als künstliche Intelligenz Schlagzeilen macht, basiert ja auf Deep Learning in künstlichen neuronalen Netzen. Diese künstlichen neuronalen Netze unterscheiden sich „anatomisch“ sehr deutlich sowohl von Säugetier- als auch von Vogelhirnen und vollbringen trotzdem in einigen Bereichen ähnliche Leistungen wie die biologischen Hirne. Das bedeutet auch, dass es ohne weiteres gelingen kann, künstliche neuronale Netze immer menschenähnlicher zu machen – etwas, was ja auch gewünscht wird, denn menschenähnliche Computer eignen sich auch als künstliche Kollegen oder gar als Freunde. Und anders als „richtige“ Freunde können künstliche Freunde auch so programmiert oder trainiert werden, dass sie viel verträglicher und geduldiger sind als echte biologische Freunde. Ein ungemein grosses Potential also, das da auf uns wartet.

  4. Eine Evolution der Kognition kann nicht stattgefunden haben, denn der geistige Stillstand (“göttliche Sicherung” vor dem Freien Willen in einer zweifelsfrei-eindeutigen Werteordnung) seit Mensch erstem und bisher einzigen GEISTIGEN Evolutionssprung hat nur Konfusion bis ins Unterbewusstsein erzeugt/zugelassen.

    Die Schnittstelle / das Interface Gehirn verkommt/verkümmert in Bewusstseinsschwäche, “Individualbewusstsein” und entsprechender Bewusstseinsbetäubung, so daß Mensch KI der Schöpfung bleibt, die sich mit einer ebenso stumpf-, blöd- und wahnsinnigen KI …!?

    • Wenn Sie tatsächlich denken, dass Menschen keine höheren kognitiven Fähigkeiten besitzen und Evolution durch biblische Textstellen ersetzen, bitte ich Sie, sich genauer mit dem Unterschied von Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft, bzw. von Verfügungs- und Orientierungswissen auseinanderzusetzen. Ich persönlich habe das in der 7. Klasse schon gelernt.
      Da dies mein letzter Post auf diesem schönen Blog ist, möchte ich noch sagen, dass ich Ihre Kommentare und Ihre konfuse Art zu schreiben nie verstanden habe. Bitte halten Sie sich an das Thema. Unsere Kommentarspalten dienen dem Austausch von Wissen, fundierten Meinungen und Diskussionen zu den umschriebenen Themen. Da Sie jedes Mal die gleichen konfusen Sätze von sich geben, können Ihre Beiträge gar nicht themenbezogen sein und das bringt niemanden weiter.
      Ich hoffe dennoch, dass Sie sich trotzdem etwas von meinen Beiträgen mitnehmen konnten.

  5. @Holzherr 24.08. 01:32

    „..unterstützt das die Annahme, dass neuronale Netze – egal ob biologisch oder künstlich – zu ähnlichen Leistungen und auch zu ähnlichen Fehlern neigen.“

    Was dann wiederum ein Phänomen wie eine informatische Leistung nahelegt? Informatische Korrelate mit allerlei Funktionen wie auch Bewusstsein bzw. innere Erlebniswelten könnten dann informatisch definierbar sein, und so dann auch den Maschinen beigebracht werden können.

    Vögel müssen Fliegen können, und haben zugleich eine höhere Körpertemperatur mit deutlich mehr Stoffwechselleistung pro Kilogramm Körpergewicht. Sie müssen auch am Gewicht des Gehirns sparen, und die höhere Stoffwechselleistung mag auch die gleiche Anzahl von Nervenzellen auf höhere Leistung bringen.

    Außerdem sind Vögel eher kleiner als Säugetiere, und entsprechend schwieriger ist es, dass die Gehirngröße für eine bestimmte Lebensweise die hinreichende Intelligenz liefert. Das macht alles bei Vögeln mehr evolutionären Druck auf effektivere Gehirne.

    Bei Walen ist es vermutlich anders herum. Bei zig Tonnen Körpergewicht ist ein Gehirn mit mehren Kilogramm eine energetische Kleinigkeit. Entsprechend dürften diese Tiere eher intelligenter sein, als sie es wirklich brauchen.

  6. Zur Auflockerung
    Hugin und Munin sind die beiden Raben des nordischen Wikinger-Gottes Odin. Hugin bedeutet “Gedanke”, und Munin wird mit “Gedächtnis übersetzt. Welcher ist jetzt der Wichtigere ? Odin hatte mehr Angst, dass ihn Munin verlassen würde.
    Denn das Gedächtnis schafft erst die Grundlage des Denkens.
    Die beiden Raben werden sitzend auf Odins Schulter dargestellt. Sie fliegen in die Welt hinaus und kehren zurück. Dabei flüstern sie Odin ihre Erlebnisse ins Ohr.

    Zu Herrn Jeckenburgers Hühnern.
    Als Kind habe ich die Hühner als die dümmsten Tiere auf dem Bauernhof betrachtet, die Schweine übrigens als die klügsten aber auch hinterhältigsten von allen. Die Gänse als die aggressivsten.
    Hunde scheinen gar nicht so besonders klug zu sein, sie verstehen allerdings die Körpersprache der Menschen. Deswegen halten wir sie für klug.
    Mit Krähen kann man sogar Augenkontakt pflegen. Wenn ich beim Joggen täglich die gleiche Strecke laufe, erkennt mich die eine Krähe und lässt mich bis auf 2m heran.

    Vielleicht ist es auch nur das hohe Alter, dass die Krähen und Raben und auch die Papageien erreichen können, die ihnen überlegenes Verhalten verleiht.
    Und das Lustigste zum Schluss, die Vögel können sich verstellen. Die Krähe macht den Papagei nach und der Papagei kann die Krähe immitieren.
    Vielleicht ist das der Spaß zwischen den beiden Vogelarten. Weiß man’s ?

  7. Vielen Dank für diesen sehr starken Blogpost!

    Mir scheint es auch als Religions- und Politikwissenschaftler (mit Diss zu Religion & Hirnforschung, der damals sog. Neurotheologie) angeraten zu sein, wenn wir Menschen uns nicht immer wieder als superklug, wissend und weise inszenieren würden. Denn das sind wir leider in vielfacher Hinsicht überhaupt nicht, schon gar nicht in Gruppen. Insofern täte uns der Realismus dieses Textes sehr gut.

    Mit Dank & blognachbarlichen Grüßen!

  8. Affen, unsere Vorgänger, haben zwar einen Neocortex, doch dieser ist wesentlich kleiner als bei uns Menschen.

    Kleine Korrektur: Affen sind nicht unsere Vorgänger, sondern wir sind Affen.

    Die Forschenden untersuchten über längere Zeit Vögel, weil Vögel sich evolutionär schon sehr früh (vor 300 Millionen Jahren) von Säugetieren abgespalten haben, sich ihre Gehirne also deutlich von denen des Menschen unterscheiden und Schlüsse auf die Evolution unseres Gehirns und die Entstehung höherer Kognition zulassen.

    Hier sollte man vielleicht noch hinzufügen, dass der gemeinsame Vorfahr weder einem Vogel noch einem Säugetier ähnlich sah, sondern am ehesten einem Reptil, von dem sich zwei Linien, die Synapsiden (u. a. Vorfahren der Säugetiere) und die Sauropsiden (u. a. Vorfahren der Vögel) abspalteten.

    Vögel ähneln in ihren Kognitionen also Primaten auf mehrfacher Ebene… Ganz ohne Neocortex und große Hirnmasse. Was sagt uns das über unsere anfänglichen Hypothesen?

    Dass wir es mit einem Fall von konvergenter Evolution zu tun haben, also einer Fähigkeit, die sich mehrfach unabhängig voneinander entwickelte und die daher nicht notwendigerweise mit den gleichen Mitteln arbeitet. Genauso wie die Sehfähigkeit, die sich ebenfalls mehrfach und unabhängig entwickelte, weswegen z. B. die Augen von Insekten, die von Wirbeltieren und die von Cephalopoden komplett unterschiedlich aussehen.

    Quellen

    Der zweite Link funktioniert nicht, weswegen ich mal einfach auf ScienceDirect verweise, die auch einen direkten Link ohne Bezahlschranke auf das entsprechende PDF haben.

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