Aktiv werden gegen Parkinson: wie Sport helfen kann
Morbus Parkinson gilt als die am schnellsten zunehmende neurodegenerative Erkrankung in den Industrienationen (4). Da deren Bevölkerungen immer weiter altern, nimmt die Bedeutung dieser Erkrankung stetig zu, eine Heilung liegt allerdings noch in weiter Ferne. Eine zunehmende Zahl von Studien untersucht deshalb die Effekte körperlicher Aktivität auf den Verlauf der Erkrankung. So beschrieben Rafferty und Kollegen 2017 kleine positive Effekte von Sport auf die Mobilität von 3408 Patienten (5). Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2020 (18 Studien, 1144 Patienten) attestiert solche Effekte häufiger für Sport als für Alltagsaktivitäten (1). Eine Literatursichtung des Komitees der Movement Disorder Society kommt auf der Basis von 143 Studien zu dem Schluss, dass nur eine professionelle Physiotherapie bei Parkinson symptommildernd ist; andere körperliche Interventionen hingegen nicht unbedingt (2).
Eine beachtenswerte, retrospektive Langzeitstudie eines japanischen Forschungsteams untersuchte die Effekte von regulärer körperlicher und sportlicher Aktivität auf den Krankheitsverlauf (6). Der Krankheitsvelrauf bei 237 Erkrankten wurde über ein bis sechs Jahre beobachtet (Median: fünf Jahre), mit der körperlichen Aktivität der Patienten in Zusammenhang gebracht und mit einer Kontrollgruppe verglichen. Dazu wurden Fragebögen genutzt, im Zentrum stand der PASE (Physical Activity Scale for the Elderly, also wöchentliche Selbstberichte der Patienten).
Sport vs. reguläre tägliche Aktivitäten bei Parkinson
Tatsächlich beobachteten die japanischen Forscherinnen und Forscher ein langsameres Fortschreiten der Krankheit bei körperlicher Aktivität. Wie schon in ähnlichen Studien waren die Effekte zwar durchweg signifikant, blieben jedoch klein (was bedeutet: Aktivität scheint tatsächlich zu helfen – wenn auch in einem begrenzten Umfang). Im Studienverlauf erreichten nur 118 Patienten das sechste Jahr der Beobachtung, etwa die Hälfte aller Patienten schied also vorher aus. Interessant ist, dass nur langfristige körperliche Aktivität auch Effekte zeigte. Das Aktivitätsniveau zum Zeitpunkt der Datenerhebung stand nicht im Zusammenhang mit dem weiteren Krankheitsverlauf, die Kontinuität von Aktivität jedoch sehr wohl.
Außerdem fiel auf, dass ganz bestimmte Aktivitäten mit ganz bestimmten Teilbereichen der Beeinträchtigung korrespondierten: jobbezogene Aktivität war mit einem längeren Erhalt der Kognition assoziiert, Haushaltsaktivitäten dagegen standen mit einer längeren Ausführbarkeit alltäglicher Bewegungen in Zusammenhang. Und ein bis zwei Stunden Sport pro Woche waren mit einem längeren Erhalt von Haltung und Gang assoziiert. Dass die Art der Bewegung so überraschend spezifisch für die positiven Effekte war, könnte als Grundlage künftiger Therapieforschung dienen.
Bessere Mobilität – Henne oder Ei?
Obwohl die Effekte klein sind, signalisieren sie ein prinzipielles Potenzial für sportmedizinische Begleittherapien bei Parkinson. Dennoch bleibt die Interpretation der Daten schwierig: Parkinson beeinträchtigt vor allem die Mobilität. Dass Patienten, die regelmäßig Alltagsaktivitäten oder Sport nachgehen, länger Alltagsaktivitäten und Sport nachgehen können, ist logischerweise eine Behauptung dessen, was erst erwiesen werden müsste. So kritisieren denn auch Fachkollegen in einem Kommentar, dass die gegenläufige Kausalität in der Studie nicht in Betracht gezogen wurde, nämlich dass Mobilitätseinbußen dazu führen könnten, dass Patienten weniger aktiv werden (3).
Was heißt das für Patientinnen und Patienten?
Im Streit um die richtige Ursachenfolge kann jedoch durchaus beides richtig sein: Körperliche Aktivität könnte den Fortschritt von Parkinson verlangsamen, doch diese Aktivitäten wiederum können möglicherweise nur von solchen Patienten therapeutisch genutzt werden, die noch die notwendige Mobilität aufweisen. In Zukunft sind deshalb prospektive Studien wichtig, welche den Mobilitätsgrad der Erkrankten zum Krankheitsbeginn und im Verlauf untersuchen. Angesichts des beträchtlichen Ausscheidens der Patienten über die Jahre, sollten zukünftige Studien zudem auf eine frühzeitige Studieninklusion achten. Eine erste Take-Home-Message für Patientinnen und Patienten lautet: Sport, also eine Maßnahme – für die es keine Ärztinnen und Ärzte braucht und welche die Betroffenen selbst durchführen können – scheint tatsächlich zu helfen. Ein zweiter Schluss aus der Studie könnte lauten, möglichst früh mit der körperlichen Aktivität zu beginnen. Nämlich dann, wenn man noch mobil ist. Hat die Immobilität erst einmal eingesetzt, könnte es zu spät sein. Das Gute an einer begleitenden “Bewegungstherapie”: falsch machen kann man praktisch nichts – die sonstigen, generellen positiven Effekte von Bewegung nimmt man jedenfalls immer mit.
Quellen:
(1) Choi HY, Cho KH, Jin C, Lee J, Kim TH, Jung WS, Moon SK, Ko CN, Cho SY, Jeon CY, Choi TY, Lee MS, Lee SH, Chung EK, Kwon S. Exercise Therapies for Parkinson’s Disease: A Systematic Review and Meta-Analysis. Parkinsons Dis. 2020; 2020: 2565320. doi:10.1155/2020/2565320.
(2) Fox SH, Katzenschlager R, Lim SY, Barton B, de Bie RMA, Seppi K, Coelho M, Sampaio C; Movement Disorder Society Evidence-Based Medicine Committee. International Parkinson and movement disorder society evidence-based medicine review: Update on treatments for the motor symptoms of Parkinson’s disease. Mov Disord. 2018; 33: 1248-1266. doi:10.1002/mds.27372
(3) Grippe, TC, Marras, C, Rafferty, M, Lang AE. Reader Response: Long-term Effect of Regular Physical Activity and Exercise Habits in Patients With Early Parkinson Disease. Neurology. 2022. https://n.neurology.org/content/reader-response-long-term-effect-regular-physical-activity-and-exercise-habits-patients-1
(4) Lim SY, Tan AH, Ahmad-Annuar A, Klein C, Tan LCS, Rosales RL, Bhidayasiri R, Wu YR, Shang HF, Evans AH, Pal PK, Hattori N, Tan CT, Jeon B, Tan EK, Lang AE. Parkinson’s disease in the Western Pacific Region. Lancet Neurol. 2019; 18: 865-879. doi:10.1016/S1474-4422(19)30195-4
(5) Rafferty MR, Schmidt PN, Luo ST, Li K, Marras C, Davis TL, Guttman M, Cubillos F, Simuni T; all NPF-QII Investigators. Regular Exercise, Quality of Life, and Mobility in Parkinson’s Disease: A Longitudinal Analysis of National Parkinson Foundation Quality Improvement Initiative Data. J Parkinsons Dis. 2017; 7: 193-202. doi:10.3233/JPD-160912
(6) Tsukita K, Sakamaki-Tsukita H, Takahashi R. Long-term Effect of Regular Physical Activity and Exercise Habits in Patients With Early Parkinson Disease. Neurology. 2022; 98: e859-e871. doi:10.1212/WNL.0000000000013218
Bildquellen:
Abbildung 1: https://www.nature.com/articles/s41398-022-02233-0
Titelbild: freepik
“Das Aktivitätsniveau zum Zeitpunkt der Datenerhebung stand nicht im Zusammenhang mit dem weiteren Krankheitsverlauf, die Kontinuität von Aktivität jedoch sehr wohl.”
Einfacher für die Betroffenen formuliert, es kommt nicht auf die Sportlichkeit an, es kommt darauf an, dass man sich regelmäßig bewegt.
Und die Meinung , das man im fortgeschrittenen Alter , also älter als 70 Jahre keinen Muskelaufbau mehr erleben kann, das stimmt nicht.
Mit dem Muskelaufbau geht ein Fettabbau daher, man fühlt sich wohler und für die Frauen, sie werden wieder attraktiver. Und damit verbunden ist wieder die Lust am Tanzen und der Besuch von sozialen Einrichtungen.
Und jetzt zur Krankheit selbst. Meiner Tante hat man Parkinson attestiert und trotzdem wurde sie 99 Jahre alt.