Auferstehung Jesu – “nur symbolisch”?

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Denk-Geschichte(n) des Glaubens
Hinter-Gründe

Es soll ja Leute geben, die betrachten ein symbolisches Verständnis biblischer Erzählungen als nur abgespeckte Version der eigentlichen Glaubenswahrheit. Und meinen, die Theologen kämen wohl erst angesichts neuzeitlicher Religionskritik auf symbolische Deutungen, um von den ursprünglichen Behauptungen wenigstens noch den frommen Schein zu retten. Derartige Vermutungen können besonders jetzt hochkommen zwischen den großen Festen Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten. Sind deren Grunderzählungen „nur symbolisch“ zu verstehen? Doch, dass „symbolisch“ nicht weniger ist, sondern mehr – das möchte ich zeigen am Glauben an die Auferstehung Jesu. Ja, er drückt vieles symbolisch aus und hat gerade so eine wirksame Kraft.

 

Keltisches Kreuz 
By Valdoria via Wikimedia Commons

Die Wirkkraft der Symbole
Diese Kraft sollte man auch in anderen Symbolen nicht unterschätzen. Nicht bei Fahnen und nicht bei Rosen für die Geliebte. Und sie steckt auch in Erzählungen, etwa in Gründungsmythen und anderen Geschichten, durch die eine Gemeinschaft zu einer "corporate identity" findet. So auch in der Bibel mit ihren vielfältigen Geschichten. Natürlich kann man da öfters nach der Tatsächlichkeit fragen, nach historischen Zusammenhängen. Die gibt es ja auch. Aber die besten Geschichten sind oft nicht die, die im banalen Sinn als „wahre Geschichten“ bezeichnet werden können; sondern die, die einen beispielsweise die eigene Lebenswahrheit erkennen lassen. Und die über den eigenen Lebensbereich hinaus uns mit anderen zu einer wahren Gemeinschaft zusammenführen und zusammenhalten.
Dazu die Mythen, Sagen, Legenden und andere Erzählungen wie auch die Lehr-Dichtungen, Lieder, Gebete… der Bibel. Natürlich hat man dabei die einzelnen Gattungen des Erzählens zwischen Mythos und Tatsachenbericht nicht in unserer Weise unterschieden. Und man hat im Lauf einer Erzähltradition immer mehr auch an die Tatsächlichkeit dieser Geschichten „geglaubt“. Denn die gesamte Wirklichkeit wurde als bedeutungsschwanger betrachtet – durchwirkt, durchtränkt mit tieferen Bedeutungszusammenhängen. So konnten, sicher in unterschiedlichem Maß, auch Legenden und Mythen zu „wahren Geschichten“ werden – zu Geschichten, aus denen für Einzelne oder für die gesamte Gemeinschaft die Wahrheit des Lebens aufleuchtet und sie als Gemeinschaft der Glaubenden verbindet und verbündet.
Darin wirkt sich die Kraft symbolischen Verstehens aus. Symbolische Zusammenhänge können Menschen  beeinflussen – sie begeistern oder erschrecken, ihre Motivation stärken oder lähmen. Sie können manchmal sogar stärker werden als bloße Tatsachen.  Nichts da von wegen „nur“ symbolisch.    

Inszenierung von Symbolik
Ich denke, dass besonders deutlich in der Erzählung von Jesu Einzug in Jerusalem (und in der nachfolgenden Tempelreinigung – beides in Matthäus 21) etwas davon aufblitzt: Jesus reitet in Jerusalem auf dem Esel ein und er vertreibt Händler und Wechsler – damit sich die endzeitlichen Prophetien aus Sacharja 9–14 erfüllen. Damit das, was schon hunderte Male in den Sabbatlesungen vorgetragen wurde, endlich wahr werde. Stand doch in Sach 9,9 „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter. Auf einem Esel reitet er“.   (Vgl. ergänzend zur Tempelreinigung Sacharja 14,21).   Wer diese biblischen Bezüge der Symbolhandlung Jesu kannte, der konnte da mitziehen, mitgezogen werden; und anstelle der Hauptstadtbevölkerung, die irritiert dreinschaute, diesem „König“ der armen galiläischen Landbevölkerung zujubeln. Symbole haben ihre Kraft. Man soll sie nicht unterschätzen.

 

Einzug in Jerusalem

 

Jesu Einzug in Jerusalem
Pfarrkirche Sagritz
via Wikimedia Commons

Und sie wirken weiter, u.U. auf eine Weise, die in der ursprünglichen Inszenierung nicht geplant war. So auch in den Erzählungen, wie aus diesem Triumph für Jesus ein Weg zum Kreuz wurde. Und aus dem Kreuz wieder ein Triumph – Ostern und Himmelfahrt. Steht in den Endzeitverheißungen Sacharjas doch auch mitten drin (12,13): „Auf den werden sie sehen, welchen sie durchbohrt haben“. Das ist doch wohl zu verstehen, dass dies als Zitat in die Schilderung der Kreuzigung einfloss (Joh. 19,37).  Ebenso einige andere biblische Zusammenhänge. Besonders interessant,  welche Parallele der Psalm 22 bildet. Er fängt an mit dem bekannten „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Und führt zur der triumphierenden Verheißung: „Gott hat nicht verachtet das Elend des Armen. Er hat auf sein Schreien gehört. Deine Treue preise ich in großer Gemeinde“.  Die Parallelen sind so stark, dass man streckenweise in den Kreuzigungs- und Ostergeschichten nicht unterscheiden kann: Was ist womöglich so gewesen? Und was wurde dem Psalm 22 nachgeformt, nacherzählt? Und das nenne ich symbolische Bezüge. Sie haben ihre eigene Kraft. Sie sind mit Ostern aufgeleuchtet – haben gezündet. 

Worte der Bibel haben gezündet
Was in den Tagen nach Karfreitag mit Jesus wirklich geschehen ist, wird man kaum je kriminalistisch – durch archäologische Spurensicherung oder im Turiner Grabtuch – erheben können: Ob denn sein Grab leer war. Und wenn: warum? Welcher Art denn die (unabhängig und vermutlich früher als die Grabesgeschichten erzählten) Visionen gewesen seien… Ich kann mir dazu einiges denken. Doch, wer bei den Fragen auf dieser Ebene stehen bleibt – dem wird es ergehen wie den Frauen in den Grabesgeschichten: Er wird nur Rätsel und vielerlei Widersprüche finden, die nicht weiterhelfen. Aber einigen Leuten ist wirklich etwas geschehen. Da hat etwas gezündet, das sie selbst nicht planten und vermutlich nicht einmal wünschten. Wodurch hat etwas gezündet? Nicht zuletzt durch erneutes Fragen „nach der Schrift“ (1.Kor.15,3f), zum Beispiel nach solchen wie den genannten biblischen Zusammenhängen.

 

Auferstehung Jesu
 Christus als Sieger über Tod und Teufel
Pfarrkirche St. Peter in Sarleinsbach
via wikimedia 
 

Luther drückt es (in seiner der Legendenhaftigkeit gegenüber natürlich noch durchaus anderen Sichtweise und dennoch) richtig aus: „Wer da etwas sucht ohne das Wort der Verkündigung, der wird das finden, was die Frauen und die Jünger fanden, ein leeres Grab. Christus  wäre noch tot und weggetragen; und in Ewigkeit würden wir ihn nicht finden, nicht wahrnehmen. Der auferstehende Christus wollte niemand erscheinen, v o r  allem musste das Wort der Verkündigung laut werden; und damit es nicht etwa ohne dieses Wort geschah, mussten die Engel vom Himmel (mit ihrer Verkündigung) auftreten. Niemand nehme sich heraus, Christus anders zu begreifen als durchs Wort“ [*]
Ja, Luther verstand etwas von der Symbolhaftigkeit dieser Erzählungen; und es ist deshalb durchaus auf seiner Linie, wenn Bultmann dies begrifflich übersetzt, Christus sei „ins Wort der Verkündigung“ auferstanden. Es ist ein „Wortgeschehen“, wie er (und andere Theologen seit der Mitte des letzten Jahrhunderts) es ausdrückten: Ein wirksames Geschehen durchs Wort biblischer Verkündigung, das Menschen ergreift; und Geschichte in Bewegung setzt.

Jedenfalls: Denen, die man nach dem Willen der Großmächtigen zum Schweigen bringen wollte  – denen wurde Gottes Verheißung aus dem Wort der Bibel wirkmächtiger. Sie glaubten diesem mehr als ihren Großen Priestern. Und glaubten, dass mit dem Bauhandwerker Jesus Gott seine Verheißung erfüllt.  Weil dieser Glaube zündete, darum machten sie den Mund auf; und das nicht „nur“ symbolisch. Sondern es wirkte wie ein Lauffeuer der Hoffnung, das sich ausbreiten sollte „bis an die Enden der Erde“.
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[*]Osterpredigt 1529, WA 29,274 aus einem deutsch-lateinischen Konglomerat – bedingt durch zeitgenössische Stenographie – frei übertragen.
Das Kursive noch einmal original: „ante omnia must her gehen die sprach des mundlichen worts und ehe es on wort geschehen, ehe musten die angeli e coelo komen“.   

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Veröffentlicht von

Hermann Aichele Jahrgang 1945. Studium evang. Theologie in Tübingen, Göttingen und Marburg (1964-70), Pfarrer in Württemberg, jetzt im Ruhestand. Hinter die Kulissen der Religion allgemein und besonders des in den christlichen Kirchen verkündeten Glaubens zu sehen, das war bereits schon in der Zeit vor dem Studium mein Interesse: Ich möchte klären, was gemeint ist mit den Vorstellungen des Glaubens, deren Grundmaterialien vor Jahrtausenden geformt wurden - mit deren Über-Setzung für uns Heutige man es sich keinesfalls zu leicht machen darf und denen gegenüber auch Menschen von heute nicht zu leicht fertig sein sollten.

73 Kommentare

  1. Ihr Ausschnitt aus der Osterpredigt Luthers trifft es exakt.
    Das ‘Wort’ allerdings ist ohne jegliches Symbol, und tatsächlich nur ohne es zu planen und zu wünschen möglich. Es ist vorher, bis zu dem Moment, gar nicht klar, worauf alles hinausläuft, und daß es passieren wird.
    Und Symbole braucht es im Grunde nicht mehr, wenn es in einem ist.

    Für die aber, die nur glauben können, sind sie eine Hilfe.
    Ich denke, Jesus Christus’ Leben ist geschehen, letztlich aber scheint die Bibel nicht wörtlich verstanden werden zu wollen.
    Sie kann auf zweierlei Weise gelesen werden. Der, des Glaubenden, der liest, was wörtlich steht, und der dieses versucht, mit dem Verstand in Einklang zu bringen, vielleicht noch mit dem Geist zu interpretieren.
    Und wer glaubt, hat zumindest begonnen, sein gesamtes (!) Weltbild (unter Mithilfe der Wissenschaften?) zu hinterfragen. Dieses aber ist sehr wichtig; es von allen (!) Seiten her zu hinterfragen. Es ist ein Anfang. Und die Symbole der Bibel und des christlichen Glaubens können eine Hilfe darstellen, zu erkennen, um sich mit Hilfe des Glaubens zumindest zu nähern.

    Leider aber wird das, was hinter dem Glauben steht, oft zum eigenen Vorteil, oder dem Vorteil einer Gruppe von Menschen uminterpretiert. Dabei ist der Sinn des Ganzen genau das Gegenteil. Verzeihung bitte, aber unsere Glaubensgemeinschaften, christliche wie jüdische, Islamisten und viele andere haben die Überlieferungen allesamt zu ihren Vorteilen ausgelegt, was ein Grundproblem der Vermittlung des Glaubens bewirkt.
    Denn wer nicht wirklich lebt, was er eigentlich predigt, (auch wenn er ‘nur’ glauben kann) nämlich Gottes Schrift, vollkommen uneigennützig, mit wahrhaftiger, ungerichteter Liebe im Herzen und zu wirklich allem Leben, der kann auch kaum solchen Funken in andere Herzen pflanzen.
    Die andere Weise des Lesens ist, solange man nur glauben kann, offensichtlich nicht möglich, da der Verstand solange nicht mitmacht.

    Herr Aichele, gibt es eine Möglichkeit, sie per e-mail zu erreichen? Ich twittere nämlich nicht. Können Sie meine e-mail-Adresse einsehen?
    Ich bin keine Theologin, würde mich aber sehr freuen, wenn Sie sich bei mir melden würden.

  2. Symbol

    Ein 1A-Beitrag, danke! Was mich an Symbolen (wie Bildern, Worten, Narrativen etc.) beeindruckt, ist die Multi-Dimensionalität. Jedes Symbol kann vielfache Bedeutungen haben, in der Verknüpfung miteinander werden fast unendliche Interpretationen möglich, ausgeben sich dann erfolgreiche Varianten evolutionär bewähren. F.A. von Hayek plädierte daher dafür, bewährtes religiöses Wissen als “symbolische Wahrheiten” anzuerkennen. Dies

  3. @w @badhofer

    Kurz und witzig – das mit dem Plagiat ff. Lässt zumindest schmunzeln. Und weist auf ein ernsthaftes Problem. An dem arbeiten Christen schon lange – mit vielen Rückschlägen. Und dennoch…
    Mal sehen, wie lange die andern für ihre durchaus ähnlichen Probleme brauchen.

    Aber sich selber vergöttern?
    Das “sich selber vergöttern” lag den Fischern vom See Genezareth noch nicht so. Es wäre ihnen vielleicht doch lieber gewesen, sie hätten wieder fischen gehen können. Ein gemütliches, wohlsituiertes Leben haben sie sich jedenfalls nicht eingehandelt. Ich denke, Ostern war (trotz mancher Versuche in der Richtung) für sie auch so etwas wie ein point of no return.

  4. nur Symbolisch oder ?

    Wie ist “nur symbolisch” gemeint?
    Ist “er” auf die Erde gekommen und wurde gekreuzigt, oder ist das NT nur ein Roman mit Symbolen?

    Dann wären die Symbole aber nicht viel Wert, den ein Romanheld kann viel ertragen – Papier ist geduldig.

  5. @ Sascha Bohnenkamp

    “Dann wären die Symbole aber nicht viel Wert, den ein Romanheld kann viel ertragen – Papier ist geduldig”

    Nicht unbedingt. Wo mythische Symbole als wahr geglaubt werden, können Menschen sich aufgerichtet fühlen, die sich in ihrem Leben gekreuzigt sehen: da nahm einer das Kreuz seines Lebens auf sich, er litt wie ich. Da fühlte einer sich von Gott und Mensch verlassen. Es gibt Menschen, die immer und zu allen Zeiten dies erleben und in jenem Manne aus Nazareth einen Gefährten sehen, der dies auch erlebte und durch den Schmerz des Lebens hindurch zur Auferstehung/Aufrichtung gelangte. Bei “Romanhelden” funktioniert das so nicht, da die mythischen Symbole da nicht als wahr geglaubt werden.

  6. Symbole – “Glaube” und Glaube – @Stefi

    Ob ich, @Stefi, auf alles eingehen kann?– mit Riesen-Verzögerung. Entschuldigung – fange ich mal an:
    Zwischen Wort und Symbol gibt es wohl ein dialektisches Verhältnis: Das Symbol ist ohne eine vorausgehende Wort-Tradition nichts. Aber das durch vorausgehende Worte gefüllte Symbol „spricht“ dann auch selber, ohne dass man eigene Worte machen muss. Na ja, eine rote Rose wird man hoffentlich nicht wortlos überreichen. An einem Symbol kann dann (plötzlich) deutlich werden, bewusst werden, was eigentlich (längst schon) durch Worte (die vielleicht schon halb vergessen waren), schon hätte bekannt sein können.
    Ja, “Symbole braucht es im Grunde nicht mehr“, wenn die Botschaft schon angekommen ist. Aber sie können (durchs Visuelle) Sinnzusammenhänge besser einprägsam machen. Traumbilder können ja auch sehr einprägsam sein – zu wirksamen Symbolen werden. Es ist dann gut, sie durch Worte dann gedanklich aufzuarbeiten. Na ja, oft auch nicht möglich; und durch zu viele Worte kann man auch zu viel festlegen oder zerreden.
    Die “Bibel nicht wörtlich verstanden“ – OK, ja und nein – jein: Es gibt das berühmte Diktum (wem eigentlich wirklich zuzuschreiben?!), man könne die Bibel nur entweder wörtlich nehmen ODER ernst nehmen.. Also, man sollte schon ernst nehmen, dass öfters verschlüsselte, symbolische Redeweise angewendet wurde – also das Gemeinte (jeweils in unterschiedlicher Weise) ernst nehmen. Ernstnehmen heißt dann auch NICHT einfach Zustimmen – so wie man in einer Diskussion ja auch verschiedene Standpunkte ernst nehmen kann, ohne allen gleichzeitig zustimmen zu müssen.
    Glaube: Ihr Begriff von „Glauben“ oder „Nur Glauben“ (und das als Hinterfragen des Weltbilds?) ist mir nicht klar. Ich meinerseits benütze (möglichst) für das (leider) üblich gewordene Verständnis dieses Begriffs – im Sinn von „vermuten“, „für wahr halten“ – das Wort in Anführungszeichen. Un möchte gleichzeitig immer wieder daran erinnern, dass GLAUBEN eigentlich sprachlich mit GELOBEN zusammengedacht werden sollte. Also: jemandem vertrauen, mit ihm gemeinsame Sache machen… Oder in Bezug auf christlichen Glauben: Gott Treue geloben, sich ihm anvertrauen, in seinem Sinne handeln… Und da verwende ich das Wort dann möglichst mit Dativ: ich glaube IHM. Vermutlich könnte man auf Englisch zwischen faith und believe unterscheiden.
    So, und dann geht’s im Glauben auch nicht darum, ein bestimmtes Weltbild und alle möglichen (und noch ein bisschen mehr) Vorstellungen zu pflegen, sondern um ein bestimmtes Weltverständnis, ein bestimmtes Lebensengagement. Und – da vermute ich, dass wir sehr unterschiedliche Linien verfolgen – Ihnen geht’s wohl eher darum, hinter die Kulissen unserer Welt zu schauen – in ein göttliches Geheimnis? Und das führe ich hier nicht weiter aus. Wäre vielleicht ein eigenes Thema. Sollte man vielleicht auch verschieben.

    In der heutigen Diskussion wird es oft banalisiert auf:
    Glaube, dass dies oder jenes existiert bzw. dass dies oder jenes wirklich geschehen ist. Und die Inhalte des Glaubens werden zu einer abzuhakenden Checkliste, was es da alles zu glauben gäbe. Besonders schlimm finde ich es, wenn dann Leute, die diese Checkliste für sich positiv abgehakt haben, sie diese sich gewissermaßen in die Tasche stecken (oder auf ihr Glaubenskonto) und meinen, damit hätten sie die Seligkeit; und verdammen die, die diesen Vorstellungen nicht zustimmen können, weil diese zB. aus (redlichen !) intellektuellen Gründen bei manchen oder allen Vorstellungen ihre Fragezeichen machen müssen. Denen dafür Höllenstrafen anzudrohen – das ist doch pervers. Da wird der Glaube erstens zu einer mehr (und öfters weniger!) gedanklichen Akrobatik; und zweitens ist er zu häufig in Gefahr, vor lauter angeblich richtigen Gedanken die richtigen Taten für irrelevant zu halten. Dazu die (durch einen grafisch talentierten Pfarrer gezeichnete) Karikatur: Frommes Paar beim reich gedeckten Frühstück; in der Zeitung steht was über eine Hungerkatastrophe; und die Bemerkung nach dem Tischgebet: „Gott wird schon wissen, warum er den Hunger in jenes andere Land schickte“ . Pervers.

    Glaube oft zum eigenen Vorteil eines Einzelnen oder einer Gruppe uminterpretiert. Ja! Das ist ein ständiges Problem. Die meisten, die sich für was Gutes engagieren wollen, müssen sich in ihrer Gruppe (oder auch sich selber gegenüber) mit diesem Problem auseinander setzen. Diese Auseinandersetzungen gibt es laufend, und sie ließen sich (trotz alledem und allewem) in den Kirchen nie ganz unter den Teppich kehren. Deshalb ist die Kirchengeschichte ja so – na sagen wir mal „spannend“.

  7. Dietmar Hilsebein

    Ja die Psychosomatik des Glaubens ist mir klar.

    Aber so wie man anfängt Jesus nur symbolisch zu sehen, also eigentlich weiss, dass es nur ein Romanheld war – dann müsste dieser Effekt doch verschwinden, oder?

    Sich an einer Lüge festzuhalten ist irgendwie armselig, finde ich.

  8. @ Sascha Bohnenkamp

    “Aber so wie man anfängt Jesus nur symbolisch zu sehen, also eigentlich weiss, dass es nur ein Romanheld war – dann müsste dieser Effekt doch verschwinden, oder?”

    Nicht unbedingt. Es kommt ja darauf an, wie die mythischen Symbole in ihrem sinnbildlichen Werte nach erfaßt werden. So kann es sogar sein, daß ein Wesen, das in die Geschichte verortet wird, weniger Beistand ist als ein Gefährte, der von sich behauptet (besser: im Namen dessen, der ihn gesandt hat): ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.

  9. Dietmar Hilsebein

    “So kann es sogar sein, daß ein Wesen, das in die Geschichte verortet wird, weniger Beistand ist als ein Gefährte, der von sich behauptet”

    Inwiefern widerspricht das meiner Aussage?
    Ein Gefährte ist da real und daher wichtiger / authentischer als die Aussagen einer “Romanfigur”

    Ich denke wenn man die Bibel nur noch symbolisch sieht und trotzdem glaubt, dann hat man einen gut kultiiverten Selbstbetrug.

    Was soll das virtuelle Opfer eines “Romanhelden” Wert sein?
    Hat uns Anekin Skywalker “erlöst”? Das wäre dasselbe, nur nicht aus der Bronzezeit.

  10. @ Sascha Bohnenkamp

    “Inwiefern widerspricht das meiner Aussage?”

    Der Zugang ist ein anderer. Der Gekreuzigte und der Aufgerichtete wird im Innersten des Menschen entdeckt. Die Bibel steht dann nur als Krücke da, weil man seinem eigenen Erleben und Empfinden allzu oft nicht über den Weg traut. Dem Mann aus Nazareth ist es auch nicht anders ergangen. Wozu hatte er den Bezug zu den Schriften seiner Väter nötig? Weil er zweifelte! Irgendwann entdeckte er, daß das, was ihn ausmachte, schon vor seinen Vätern existent war.

    “Hat uns Anekin Skywalker “erlöst”? Das wäre dasselbe, nur nicht aus der Bronzezeit.”

    Freilich. Ich bin der Letzte, der sich als “erlöst” bezeichnen würde. Ich stochere im Nebel, tappe im Dunkeln. Habe das Suchen nicht aufgegeben. Ist das vielleicht verboten? Was gehen mich Verbote an?

  11. Symbol und Wahrheit SBohnenkam DHilsebein

    Danke zuerst beiden, @Sascha Bohnenkamp und @Dietmar Hilsebein. Geht ja munter. Und listig.

    Ich möchte jetzt dazu nur mal das bemerken: Es gibt sonst außerhalb verfasster Religion einiges an Wirkungskräftigkeit von Geschichten, Gedichten, Liedern, Romanen… – für Einzelne wie auch in gruppendynamischen Effekten. Natürlich sind solche Effekte dann nicht nur wertneutral festzustellen sondern je nachdem auch durchaus unterschiedlich zu bewerten, gibt ja auch negative. Fürs Theater sind die Effekte schon bei den Griechen diskutiert worden, ob sie die Kraft haben, Menschen in ihrer psychischen Konstitution zu verändern – etwa zu „läutern“. Und dazu kommt es zunächst einmal doch gar nicht so sehr darauf an, ob mit erfundenen Personen oder mit tatsächlichen Personen und bei tatsächlichen Personen mit erfundenen oder tatsächlichen Begebenheiten aus ihrem Leben.

    So, und wenn es solche Effekte auch innerhalb von religiösen Gruppen gibt, was sollte daran so verwunderlich sein? Oder anzuklagen? Vielleicht zeigt es sogar, dass Religionen in vielerlei Hinsicht auch mit demselben Wasser kochen wie man sonst auch kocht. Eben deshalb kann man ja deren Texte auf ihre geistesgeschichtlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen und Folgen so untersuchen wie andere Texte (etwa des klassischen Altertums) auch. Und es gibt historisch greifbare Anlässe, Situationen…, aus denen Geschichten entstanden sind; und dazu gehören natürlich auch Personen, an die man sich (wie deutlich auch immer) erinnert.
    Historisch greifbare Folgen sind, wenn Leute mit manchen Geschichten mehr anfangen können – oder umgekehrt: dass diese Geschichten mit ihnen mehr anfangen. Und dazu ist nicht unbedingt nötig, dass sie tatsächlich geschehen sind; sondern dass sie die Wahrheit des Lebens beleuchten, aufdecken, bearbeiten und insofern hoffentlich zu „wahren Geschichten“ werden.

    Also, ich meine nicht, Jesus sei „nur symbolisch“ zu verstehen. Besonders gegen das „nur“ habe ich was. Sondern er hat tatsächlich sehr stark in symbolischen Bezügen gelebt und gehandelt – wie andere Zeitgenossen auch. Und er hat seine Leute eben damit so angesteckt, dass das die verschiedensten Nachwirkungen hat bis heute. Dabei auch im oben bezeichneten Sinne „wahre“. Was heißt dann: „nur“ symbolisch?!
    Symbol und Wirklichkeit sind manchmal sehr stark ineinander verschränkt.

  12. Nietzsche dazu…

    Vorspiele der Wissenschaft. — Glaubt ihr denn, dass die Wissenschaften entstanden und groß geworden wären, wenn ihnen nicht die Zauberer, Alchymisten, Astrologen und Hexen vorangelaufen wären als Die, welche mit ihren Verheißungen und Vorspiegelungen erst Durst, Hunger und Wohlgeschmack an verborgenen und verbotenen Mächten schaffen mussten? Ja, dass unendlich mehr hat verheißen werden müssen, als je erfüllt werden kann, damit überhaupt Etwas im Reiche der Erkenntnis sich erfülle? — Vielleicht erscheint in gleicher Weise, wie uns sich hier Vorspiele und Vorübungen der Wissenschaft darstellen, die durchaus nicht als solche geübt und empfunden wurden, auch irgend einem fernen Zeitalter die gesamte Religion als Übung und Vorspiel: vielleicht könnte sie das seltsame Mittel dazu gewesen sein, dass einmal einzelne Menschen die ganze Selbstgenügsamkeit eines Gottes und alle seine Kraft der Selbsterlösung genießen können: ja! — darf man fragen — würde denn der Mensch überhaupt ohne jene religiöse Schule und Vorgeschichte es gelernt haben, nach sich Hunger und Durst zu spüren und aus sich Sattheit und Fülle zu nehmen? Musste Prometheus erst wähnen, das Licht gestohlen zu haben und dafür büssen, — um endlich zu entdecken, dass er das Licht geschaffen habe, indem er nach dem Lichte begehrte, und dass nicht nur der Mensch, sondern auch der Gott das Werk seiner Hände und Thon in seinen Händen gewesen sei? Alles nur Bilder des Bildners? — ebenso wie der Wahn, der Diebstahl, der Kaukasus, der Geier und die ganze tragische Prometheia aller Erkennenden?

    Hätte Kant seine Kritiken geschrieben ohne jenen Mann, den er als Kandidat des Hospitals ausmachte?

  13. @aichele

    d.h. es ist völlig egal ob Jesus je gelebt hat, gekreuzigt wurde etc. oder nur ein Romanheld?

    Wie kann man dann sagen er sei für “uns” gestorben o.ä.?

    Auch ist er dann kein Sohn Gottes und jener vermutlich auch “nur” ein Symbol.

    Und dafür wurde gemordet? Sorry aber dafür fehlt mir dann wirklich jedes Verständnis.

  14. @ Sascha Bohnenkamp

    “Wie kann man dann sagen er sei für “uns” gestorben o.ä.?” Ich denke, zum Verständnis ist wieder einmal eine kopernikanische Wende nötig. Nietzsche:

    Dieser “frohe Botschafter” starb wie er lebte, wie er lehrtenicht um “die Menschen zu erlösen”, sondern um zu zeigen, wie man zu leben hat. Die Praktik ist es, welche er der Menschheit hinterließ: sein Verhalten vor den Richtern, vor den Häschern, vor den Anklägern und aller Art Verleumdung und Hohn, – sein Verhalten am Kreuz. Er widersteht nicht, er verteidigt nicht sein Recht, er tut keinen Schritt, der das Äußerste vom ihm abwehrt, mehr noch, er fordert es heraus … Und er bittet, er leidet, er liebt mit denen, in denen, die ihm Böses tun … Die Worte zum Schächer am Kreuz enthalten das ganze Evangelium. “Das ist wahrlich ein göttlicher Mensch gewesen, ein “Kind Gottes” sagt der Schächer. “Wenn du dies fühlst – antwortet der Erlöser – so bist du im Paradiese, so bist auch du ein Kind Gottes …” Nicht sich wehren, nicht zürnen, nicht verantwortlich-machen … Sondern auch nicht dem Bösen widerstehn, – ihn lieben

    Als Psycholog’ kommt man ins Grübeln: liegen hier masochistische oder suizidale Tendenzen vor? Oder folgt die Aufrichtung auf dem Fuße der Kreuzigung? Ging der Mann aus Nazareth einen Weg, den er als _den_ Weg verstanden wissen wollte? “Das Sterben für uns” ist nicht das Sterben einer Person, die in die Geschichte gehört. Insofern ist es nicht falsch zu sagen: es ist im Grunde gar nicht wichtig, ob Jesus eine historische Gestalt war. Das ganze Verständnisproblem liegt wohl darin begründet, daß zwischen Jesus als Jude, der in der jüdischen Tradition stand und Christus als innerstes Wesen, das vor aller Zeit war (“Ehe Abraham wurde, bin ich”) nicht unterschieden wird.

  15. @ Herrn Aichele – mit leider ebenfalls langer Verzögerung

    Mit Wort meinte ich DAS Wort, die Gesamtaussagen (der Verkündigung von Gottes Existenz allgemein?), nicht einzelne Worte. Dieses ist meiner Meinung nach, im Gegensatz zu den Texten, letztlich symbolfrei. (nur nachgeschoben)
    Zur Frage meines Begriffes ‘Glauben’.
    Ja, ich meine es im Sinne von vermuten,für wahr halten, aber eben nicht von erlebt haben, Gewissheit.
    Wenn allein der Glaube an etwas aber bereits eine Veränderung der Lebenseinstellung bewirkt, zum Beispiel rücksichtsvoller miteinander umzugehen, Konsequenzen des eigenen Handelns auf andere und die z.B. Umwelt bezogen verstärkt mit einzubinden, ist schon viel gewonnen, das wäre die Änderung des eigenen Weltverständnisses.
    Und – mein Fehler, wer glaubt, wird natürlich noch längst nicht damit auch seinen Glauben und auch sein Weltbild hinterfragen. Das ist dann wohl erst der nächste Schritt.
    Die meisten bleiben sicher bei dem hängen, was sie in der Kirche, durch die Institution Kirche hören.
    Und bei dem, was gerade einmal wieder aktueller Stand der Wissenschaft ist.
    Warum die Angehörigen der verschiedenen Glaubensrichtungen meiner Meinung nach aber nicht in der Lage sind, ihre eigenen Glaubenstexte genau im Gesamtzusammenhang zu lesen, daß -denke ich- nämlich gerade letztlich keine Furcht entstehen soll, schädigende Handlungen letztlich auch in z.B. biblischem und islamischen Sinne
    zur ‘Glaubensverteidigung’ nicht gewollt sind, wohl eher keine Gottesbestrafung durch ‘Sünden’ folgt, ist mir ein Rätsel.
    (Hat eigentlich mal jemand genau in der Bibel nachverfolgt, was mit ‘Sünde’ letztlich wirklich gemeint ist?)
    Letztendlich bestehen meiner Meinung nach die wichtigsten ‘Gesetze’ Gottes doch nur aus den Wünschen ‘Liebe deinen Nächsten wie dich selbst’. Das allein sagt eigentlich alles, ich denke, einzig Liebe, liebevoller, und damit rücksichtsvoller Umgang miteinander und allen Lebewesen, allem gegenüber, sind das Wichtigste, meiner Meinung nach die Kernaussage aller Glaubenstexte, nämlich auch in den Texten des ursprünglichen Islam, und vielen anderen.
    Das aber widerstrebt vielen, denn es scheint ja im ersten Moment weitaus mehr Vorteile zu haben, an sich selbst zuerst zu denken, und das noch nicht einmal in Form von ‘liebe dich selbst’, sondern meist unbewußt von schade dir auf lange Sicht selbst, zum momentanen, augenscheinlichen Vorteil.
    Und sich selbst ‘Gott zuliebe’ zu kasteien, in Form von Hungern(Fasten), Enthaltsamkeit(kathol.), in materieller Armut nur seinetwegen zu leben, dürfte wohl auch eher nicht in seinem Sinne sein. Was bitte wäre das für ein Gott? Es müßte einer sein, der das, was er geschaffen hat, hasst!? Kann nicht sein, oder? Wenn doch überall Liebe ‘gepredigt’ wird? Allem gegenüber, auch sich selbst, im Guten wie im Schlechten? Nur eben nicht zu Lasten anderer zu leben?
    Um nun im Sinne des Glaubens zu handeln, und handeln heißt ja nicht nur, davon zu reden, sondern es zu leben, wie ja auch Sie schreiben, sind Symbole natürlich sehr hilfreich.
    Gerade auch der von Ihnen erwähnte Einzug Jesu in Jerusalem und die Vertreibung der Handel treibenden. Hat das hier mal jemand auf unsere heutige Zeit bezogen? Immerhin ist das ja eigentlich aktueller denn je. Im Handel versucht ja auch jeder, seinen Vorteil zu erhalten, anstatt gerecht zu sein.

    Wäre es nun nicht eigentlich das Beste für unsere Welt, würden mehr Menschen einem Leben im eigentlichen Sinne Gottes, und damit, wie Herr Hilsebein zitiert, als ‘Abbild’ des Lebens Jesu nacheifern und ebenso handeln wollen? Was für eine friedliche Welt könnte entstehen.

  16. @ Herrn Hilsebein

    Weshalb sollten dort masochistische oder suizidale Tendenzen vorliegen?
    Suizidal nicht, da die Kreuzigung lt. Schriften der Sinn der ‘Materialisierung’ des Sohnes Gottes war, es gab also keinen anderen Ausweg, er ist quasi wohl bewußt dafür ‘auf die Welt gekommen’.
    Menschen, die in diesem allem Wissen stecken, auch Menschen mit Nahtodeserfahrungen, die wissen, dass sie das Schönste erwartet, was einem Menschen widerfahren kann, wenn sie endgültig sterben werden, neigen übrigens gerade dennoch besonders nicht zu Suiziden.
    Und DER Weg, wohl auch. Wenn jemand Gott gefunden hat, in welchem Sinn auch immer ihn erlebt, für ihn diese ‘Gottesliebe’ erlebbar wäre wie für Christus, dann wäre doch in Jesu Sinne diese so groß, dass ihr nichts etwas anhaben könnte. Wunderbar drückt dieses das doch sehr bekannte ‘Hohelied der Liebe’ aus (Kor. 13).
    Könnten Sie sich vorstellen, was das für ein erfüllendes Empfinden sein müßte, fest zu wissen zu meinen, dass so Wunderbares in einem ist, und auch nach dem Tode folgt, dass es einerlei ist, dafür Qualen auf sich zu nehmen? Haben Sie sich mal mit Nahtodeserlebnissen näher beschäftigt? Mir ist klar, dass auch dieses Thema meist angefeindet wird. Warum aber sind die Aussagen der Betroffenen so übereinstimmend, und die erlebten Empfindungen hier nicht existent? Und so manches andere, wie Entziffern von versteckten Aufschriften auf Geräten z.B. während einer O.P. in einer solchen Erfahrung. (sehr zu empfehlen P.v.Lommel ‘Endloses Bewußtsein’). Und grausamste Todeserlebnisse und Schmerzen darin plötzlich vollkommen irrelevant und nichtig durch das Erlebte werden? Daß Betroffene jederzeit die ihnen nun bekannten Höllenqualen in Kauf nehmen würden, nur, um das nochmals erleben zu können (wie gesagt, wohl ohne es jedoch absichtlich herbeiführen zu wollen)?
    Jesu Tod fand doch gerade statt, wenn ich das richtig verstanden habe, um uns zu ermöglichen, dieses erleben von Gott und das Weiterleben zu bekommen. Indem er nicht nur in Gottes Sinne lebte, sondern unter Qualen und in Leid als Mensch starb, um wieder zurück zu Gott zu kehren, als Teil von Gott, und uns damit den Weg frei zu machen, ebenfalls zurückzukehren in Gott, gerade ohne uns für ihn kasteien zu müssen, wie es noch im Alten Testament gefordert war.
    Durch ihn, als unseren Weg zu Gott, so wir ihn (beide) durch 3. ‘seinen Geist’ gefunden haben. Was ja z.B. lt. Joh.7.38/39 auch erst durch Jesus möglich wurde. Der uns als auf seinem Weg leitet und weiterführt, um irgendwann ganz in Gott zu sein. Und, wie mir scheint, soll das im optimalen Fall noch im hiesigen Leben geschehen, und möglichst nicht erst danach, damit seine ‘Lehre’ gelebt und weitergegeben werden kann, um die Welt allmählich ‘besser’ zu machen. Und dass eben, auch wenn wir kein vollkommen ‘sündenfreies’ Leben im Sinne des Alten Testamentes gelebt haben (s.z.B. Kor.5.16-21).

    Und was meinen Sie eigentlich genau mit dem Verständnisproblem zw. Jesus als Jude und Christus als innerstes Wesen?

  17. @ Herrn Aichele

    Verzeihung bitte, habe gerade entdeckt, dass Sie das Thema ‘Sünde’ erst kürzlich erörtert haben. Bin eben leider noch recht neu auf Ihren Seiten.

  18. @ Stefi

    “Weshalb sollten dort masochistische oder suizidale Tendenzen vorliegen?”

    Zunächst sehe ich den Menschen Jesu und frage, ob ein Wahn vorliegt. Mit Nietzsches Versuch einer psychologischen Deutung des Menschen Jesu komme ich klar: er wehrte sich nicht.
    Doch alles “Erlösen” und “Opfern” -ist das nicht Menschenwerk -und wahnsinn? Ein Gott, der von sich selbst wegsehen wollte, schuf die Welt und brachte als einer Art Verzweiflungakt später sich in ihr um? ER vergebe mir, wenn ich IHM zu nahe trete: aber ein solcher Gott gehört auf die Couch! Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich als Kind meinen ersten Detektorempfänger baute. Spule wickeln, löten und horchen, ob schon etwas aus dem Kopfhörer kommt. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, bei Nichtfunktionieren meines kindlichen Werkes, mich opfern zu wollen. Wenn man pfuscht, ist nicht das Geschöpf verantwortlich, sondern der Schöpfer. Diese Gedanken kommen mir, wenn ich an masochistische oder suizidale Tendenzen denke.

    “Suizidal nicht, da die Kreuzigung lt. Schriften der Sinn der ‘Materialisierung’ des Sohnes Gottes war, es gab also keinen anderen Ausweg, er ist quasi wohl bewußt dafür ‘auf die Welt gekommen’.”

    Um dann wieder zu verschwinden? Verstehe ich nicht.

    “Könnten Sie sich vorstellen, was das für ein erfüllendes Empfinden sein müßte, fest zu wissen zu meinen, dass so Wunderbares in einem ist, und auch nach dem Tode folgt, dass es einerlei ist, dafür Qualen auf sich zu nehmen?”

    Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß auch hier und bei den Nahtodeserlebnissen ein Wahn vorliegt. Die Existenz eines metaphysischen Schlaraffenlandes zu wähnen, weil das Irdische, Diesseitige als nicht ertragbar empfunden wird.

    “Und was meinen Sie eigentlich genau mit dem Verständnisproblem zw. Jesus als Jude und Christus als innerstes Wesen?”

    Das Verständnisproblem sehe ich da, wo der äußere Mensch Jesu mit dem inneren Wesen, welches im eigentlichen Sinne _der_ Weg ist, in eins gesetzt wird, was zunächst einmal gesondert betrachtet werden muß. Der Jude Jesus setzte sich mit der Moral seiner Zeit auseinander und setzte sich davon ab, weil er in seinem Inneren seinen Gott fand, der allein ihm Gesetz und Gebot war.

  19. @ Herrn Hilsebein

    Wieso wollte er von sich selbst wegsehen?
    Er wollte doch- denke ich- sich vielmehr in seinen einzelnen Facetten entdecken und erkennen, um sich selbst besser ‘genießen’ zu können?
    Er schuf so die Welt, ließ ‘uns’ unseren Eigenwillen in gewissem Sinne, und uns vergessen, dass wir aus ihm sind (wenn Sie denn schon in diesem Sinne schreiben), um uns als sich in allem erleben zu können. Mit allen Hochs und Tiefs, die möglich sind. Da es aber – vielleicht- ja beabsichtigt anders verlief, als das Paradies auf Erden zu bleiben, durchlebte er (durch Jesus) dann selbst in Menschengestalt fleischlich alles auf einmal, zunächst das eigene Erkennen nach dem Löschen aller Erinnerung durch die Geburt, danach alle Taten nach seinem Willen, und letztlich brachte er sich dann auch selbst um, wenn Sie es so ausdrücken wollen, um sich in Folge wieder rascher oder überhaupt zusammenführen zu können. Da er aber wußte, dass es kein wirkliches Leid ist, was er durchleben muß, nur ‘menschliches’ Leid, konnte er es wohl ohne Probleme ‘durchziehen’.

    “Um dann wieder zu verschwinden? Verstehe ich nicht.”

    Um durch die erste Rückkehr des Menschen hinein wieder in sich selbst dieses allen anderen Menschen zu ermöglichen?

    Und wo ist der Unterschied, wenn Sie selbst schreiben, dass Jesus in seinem Inneren Gott fand (wiederfand?)? Er genau das, bevor er kam, bewußt einging, um eben diesen Weg des Wiederfindens, Entdeckens uns als unseren Weg zu ermöglichen?
    Das ist doch dann in eins gesetzt, oder habe ich Sie da wieder falsch verstanden?

    :)) Und das mit dem möglichen Wahn bei Erleben von Nahtodeserfahrungen lasse ich mal dahingestellt sein….

  20. @ Stefi

    “Wieso wollte er von sich selbst wegsehen?”
    Diese Formulierung habe ich geklaut. Nietzsche:

    Einst warf auch Zarathustra seinen Wahn jenseits des Menschen, gleich allen Hinterweltlern. Eines leidenden und zerquälten Gottes Werk schien mir da die Welt. Traum schien mir da die Welt, und Dichtung eines Gottes; farbiger Rauch vor den Augen eines göttlich Unzufriednen. Gut und Böse und Lust und Leid und Ich und Du – farbiger Rauch dünkte mich’s vor schöpferischen Augen. Wegsehn wollte der Schöpfer von sich – da schuf er die Welt. Trunkne Lust ist’s dem Leidenden, wegzusehn von seinem Leiden und sich zu verlieren. Trunkne Lust und Selbst-sich-Verlieren dünkte mich einst die Welt. Diese Welt, die ewig unvollkommene, eines ewigen Widerspruches Abbild und unvollkommnes Abbild – eine trunkne Lust ihrem unvollkommnen Schöpfer – also dünkte mich einst die Welt. Also warf auch ich einst meinen Wahn jenseits des Menschen, gleich allen Hinterweltlern. Jenseits des Menschen in Wahrheit? Ach, ihr Brüder, dieser Gott, den ich schuf, war Menschen-Werk und -Wahnsinn, gleich allen Göttern! Mensch war er, und nur ein armes Stück Mensch und Ich: aus der eigenen Asche und Glut kam es mir, dieses Gespenst, und wahrlich! Nicht kam es mir von Jenseits!

    “Das ist doch dann in eins gesetzt, oder habe ich Sie da wieder falsch verstanden?”

    Mir schwebt da etwas anderes vor. Ich muß sozusagen um Gott einen Bogen machen. Ich denke, wenn ich von dem inneren Wesen spreche an Max Stirners Eigner

    Das Einzige, Einzelne, das kein Denken in Gut und Böse mehr kennt  -ja verlernt hat, in diesen Begriffen zu denken und frei ist: zum Kind geworden -ein aus sich selbst rollendes Rad, das jede Form einer Indoktrination hinter sich gelassen hat. Es stellt sich für mich also nicht die Frage nach Gott, sondern die Frage nach dem Menschen Jesu.

  21. @ Herrn Hilsebein

    Was, bitte, hat denn Nietzsche, hier mit Zarathustra, mit Gottes Schöpfung der Bibel zu tun? Ich kenne den Zusammenhang dieses Textes leider nicht, aber immerhin “Trunkene Lust ist’s dem Leidenden, wegzusehn von seinem Leiden und sich zu verlieren.” 😉 Worin denn?

    Und Sie stellen einerseits den Menschen Jesus in Frage, andererseits habe ich den Eindruck, dass Sie sich selbst widersprechen mit der Erwähnung der Aussage in Stirners Sinne?
    Denn zuvor haben Sie Jesus als den Menschen, den Juden beschrieben, der “…letztlich Gott fand..”.
    Wenn ich Stirners Ansichten im Ansatz richtig verstanden haben sollte, dürfte der doch aber gerade das verneinen, dürfte Jesus als Mensch nicht zu Gott, sondern gerade nicht zu ihm, sondern nur zu sich selbst gefunden haben, da es für ihn dann keine höhere Macht geben dürfte. (?)

  22. @ Stefi

    “Was, bitte, hat denn Nietzsche, hier mit Zarathustra, mit Gottes Schöpfung der Bibel zu tun? Ich kenne den Zusammenhang dieses Textes leider nicht, aber immerhin “Trunkene Lust ist’s dem Leidenden, wegzusehn von seinem Leiden und sich zu verlieren.” 😉 Worin denn?”

    Über Schopenhauer ist Nietzsche ja mit Kant verknüpft. Die Frage worin denn stellt sich ja gar nicht mehr, da jedes Wähnen über Gott und einer jenseitigen Welt reine Spekulation ist. Bei Nietzsche eben krasser formuliert: Menschen-Werk und -Wahnsinn.

    “Wenn ich Stirners Ansichten im Ansatz richtig verstanden haben sollte, dürfte der doch aber gerade das verneinen, dürfte Jesus als Mensch nicht zu Gott, sondern gerade nicht zu ihm, sondern nur zu sich selbst gefunden haben, da es für ihn dann keine höhere Macht geben dürfte.”

    Ja, der Einwand ist berechtigt. Die Gefahr besteht bei Stirner, daß es zu einer Selbst-erhöhung -überhöhung kommt. Zu seiner Ehrenrettung aber sei gesagt, daß Gott über Indoktrination in den Menschen gelangte. Ein Gewissensbiß in Form eines Über-Ichs. Dagegen wollte er sich abgegrenzt sehen. Zu sich selbst finden und dabei zu erkennen, was zu diesem Selbst nicht gehört -bedarf es da nicht eines Vertrauens in eine höhere Instanz, die lenkend in das Denken des Menschen eingreift und bei den Alten Gott genannt wurde?

  23. @ Herrn Hilsebein

    “Zu sich selbst finden und dabei zu erkennen, was zu diesem Selbst nicht gehört -bedarf es da nicht eines Vertrauens in eine höhere Instanz, die lenkend in das Denken des Menschen eingreift und bei den Alten Gott genannt wurde?”

    Ist das nun Stirners Sicht, oder die Ihre?

    Auf jeden Fall kann ich hier -aus meiner Sicht- ganz und gar zustimmen. Mit welchem Namen man es letztlich dann auch immer benennen möchte.
    Das aber ist doch genau der Weg, den Jesus lt. Schriften gegangen ist, und uns ermöglicht. Womit wir doch wieder bei der Bibel und Herrn Aichele sind.
    Egal, ob es symbolisch geschah, oder nicht, was dann aber seltsam erscheinen lassen würde, dass bis heute Menschen genau dieses geschieht, vollkommen unbeabsichtigt. Zu sich selbst zu finden, um nach weiteren ‘Recherchen’ die von Ihnen erwähnte Abgrenzung, und damit eben dieses ‘Höhere’ zu entdecken, in sich selbst.

    Und zu Nietzsche: Sehr schön fand ich Ihre zuvor erwähnten Texte, daher irritiert mich der dann plötzlich gewählte, völlig in eine andere Richtung weisende.
    Anders doch vor allem das mit “frohe Botschafter”:
    “Die Worte zum Schächer am Kreuz enthalten das ganze Evangelium. “Das ist wahrlich ein göttlicher Mensch gewesen, ein “Kind Gottes” sagt der Schächer. “Wenn du dies fühlst – antwortet der Erlöser – so bist du im Paradiese, so bist auch du ein Kind Gottes …” Nicht sich wehren, nicht zürnen, nicht verantwortlich-machen … Sondern auch nicht dem Bösen widerstehn, – ihn lieben …”
    besagt doch in Ihrem eigenen Zitat, wie der Rest dort, dass er in diesen Texten gerade die Existenz Gottes nicht nur nicht ausschließt. Ich, als Laie, habe es so verstanden, daß er eine solche Existenz offen läßt, jedoch alles ‘Dahergebete’ und Interpretieren ohne echtes Erleben (zu Recht?) ablehnt, und daher permanent anzweifelt. Und hiermit ist Ihr soeben erwähntes Zitat Nietzsches die Beschreibung dessen, was Sie zuletzt aussagten, und für mich so gar nicht zu dem gewählten Zarathustra-Text passte.
    Ist es nicht schwierig, solche Texte als Kommentar einfach aus ihrem Zusammenhang zu reißen, und nicht vielleicht sinnvoller, die eigene Ansicht deutlicher zu machen, wie Sie es zunächst taten? Vielleicht habe ich ja schlicht ein Verständnisproblem.
    Ihr erwähntes ‘Schächer-Zitat’ macht übrigens auch exakt deutlich, weshalb gerade keine masochistischen und suizidalen Tendenzen vorliegen (fällt mir gerade auf), womit Sie sich eigentlich längst selbst geantwortet (widersprochen?) haben.
    Und auch deshalb ist Jesus vielleicht für uns gestorben, um uns zu zeigen, dass alles Leid, seines Lebens und seines Sterbens, unwichtig ist, sofern wir in Gott wären und ihn leben.
    Und für uns gestorben: Allein dass Jesus für uns- als ein Teil Gottes- Mensch wurde, um uns fühlen zu lassen, erkennen zu lassen, wer oder was Gott ist, würde ja schon als Argument genügen, weshalb er für uns dann in Folge ja auch körperlich sterben mußte. So er denn existierte (klingt für mich nicht gerade nach ‘nur symbolischer’ Erzählung in Form eines belehrenden Romans).

  24. @ Stefi

    “Ist das nun Stirners Sicht, oder die Ihre?”

    Meine.

    “Und zu Nietzsche: Sehr schön fand ich Ihre zuvor erwähnten Texte, daher irritiert mich der dann plötzlich gewählte, völlig in eine andere Richtung weisende.”

    Das muß doch so sein. Ich möchte nie die Fähigkeit verlieren, mir selbst zu widersprechen. Alles denken und das Gegenteil gleich mit -ja, damit kann ich mich anfreunden.

    “Ist es nicht schwierig, solche Texte als Kommentar einfach aus ihrem Zusammenhang zu reißen, und nicht vielleicht sinnvoller, die eigene Ansicht deutlicher zu machen, wie Sie es zunächst taten? Vielleicht habe ich ja schlicht ein Verständnisproblem.”

    Zitate sind immer aus dem Zusammenhang gerissen. Was soll ich tun? In meinem Namen reden, was zuvor schon besser gesagt wurde? Die ganze Weltliteratur offen legen? Das würde dazu führen, daß die Blogger hier mich der Spamschleuder zeihen würden.

    “Und für uns gestorben: Allein dass Jesus für uns- als ein Teil Gottes- Mensch wurde, um uns fühlen zu lassen, erkennen zu lassen, wer oder was Gott ist, würde ja schon als Argument genügen, weshalb er für uns dann in Folge ja auch körperlich sterben mußte.”

    Sterben mußte? Ist das alternativlos? Ich kann mir eine andere Alternative vorstellen. Die Alternative -sie verzeihen, wenn ich wieder Nietzsche zitiere:

    Wahrlich, zu früh starb jener Hebräer, den die Prediger des langsamen Todes ehren: und vielen ward es seitdem zum Verhängnis, daß er zu früh starb. Noch kannte er nur Tränen und die Schwermut des Hebräers, samt dem Hasse der Guten und Gerechten, – der Hebräer Jesus: da überfiel ihn die Sehnsucht zum Tode. Wäre er doch in der Wüste geblieben und ferne von den Guten und Gerechten! Vielleicht hätte er leben gelernt und die Erde lieben gelernt und das Lachen dazu! Glaubt es mir, meine Brüder! Er starb zu früh: er selber hätte seine Lehre widerrufen, wäre er bis zu meinem Alter gekommen! Edel genug war er zum Widerrufen! Aber ungereift war er noch. Unreif liebt der Jüngling, und unreif haßt er auch Mensch und Erde. Angebunden und schwer ist ihm noch Gemüt und Geistesflügel. Aber im Manne ist mehr Kind als im Jünglinge, und weniger Schwermut: besser versteht er sich auf Tod und Leben.

    Freilich. Man muß ja Nietzsche hier nicht folgen, aber man sollte schon wissen, was einen geprägt hat.

  25. @ Herrn Aichele

    Was eigentlich ist, wenn wir ‘logos’ mit ‘Idee’ anstelle von ‘Wort’ übersetzen?
    Dann wäre Christus und dessen Geschichte, sowie alles, was existiert, nur eine Idee Gottes, ohne dass es tatsächlich existiert (was ich persönlich für möglich erachte, auch wenn sich die anderen daran stoßen werden).
    Dann wäre er für uns tatsächlich vielleicht lediglich Symbol, da ja – in diesem Sinne- dann jemand ( @ alle: wie doch wohl viele im Laufe der Geschichte, oder?) diese Bibelgeschichte lediglich als Geschichtsniederschreiber von Gott in die Feder ‘diktiert’ bekommen hätte, um uns seine Sicht eines optimalen Lebens klarzumachen, und zu versuchen, uns davon zu überzeugen.
    Aber auch wir wären dann lediglich Fiktion, ein Theaterstück, Akteure auf einer Bühne vor der Kulisse der Welt, eine Geschichte in der Geschichte in der Geschichte …
    😉 Immerhin existiert ja alles aus nahezu nichts (s. physikalischer Aufbau aller Dinge, Atome etc.), und uns erscheint alles nur aufgrund wirkender, letztlich unbekannter Kräfte (Energien) als greifber, materiell, sichtbar…

    Ja, höchst weit hergeholt, bitte mißachten, wenn dieser Laienhafte Kommentar Ihnen zu unsinnig erscheint.

  26. @ Herrn Hilsebein

    Ich stimme Ihnen zu, dass es wichhtig ist, Dinge von allen Seiten zu belauchten, und auch Zitate finde ich im Grunde gut. Nur der Gedankensprung ohne den Hinweis der persönlich gewollten Verbindung war mir zu groß.
    “Sterben mußte? Ist das alternativlos? Ich kann mir eine andere Alternative vorstellen. “
    Wo ist Ihre Alternative?

    ‘Sterben mußte’ meine ich im Sinne von, zu Mensch geworden, so auch zwangsläufig als Mensch gestorben, wann und wodurch auch immer, denn ohne körperlichen Tod zu Gott zurückzukehren wäre ja schwierig geworden, im Sinne seines Lebens.
    Der körperliche Tod wäre auch dann unvermeidlich gewesen, hätte er sich, sein Leben, seine Existenz geändert.
    Und zu dem Nietzsche-Text:
    Mehr als Jesus gelebt und geliebt hat, und dabei sicher höchste Erfüllung, Glück, und Freude empfunden hat, kann doch ein Mensch kaum erfüllt leben?
    Wohin hätte er sich wandeln sollen? Zu unserer katastrophalen Auffassung eines uns angenehmen Lebens, ständig auf Kosten anderer, nur dass wir uns dessen teils nicht einmal direkt bewußt sind? Und wer erlebt wirklich permanentes Glück und Liebe in unserer erbarmungslosen, stressigen, menschenverachtenden Welt?
    Jesus war doch wohl reifer als jeder von uns hier auf dieser Erde?

    😉

    Bin gespannt auf Ihren Kommentar..

  27. @ Stefi

    “Wo ist Ihre Alternative?”

    Vielleicht verstehe ich mich ja noch nicht. Bin ja selbst auf der Suche…Aber ein so großer Geist, wie es der Mann aus Nazareth war -er stahl sich hinweg. Dabei wäre es doch Liebe gewesen, zu erkennen, daß nicht die Toten des Trostes bedürfen, sondern die Hinterbliebenen. Achtung jetzt kommt wieder die Wendung. Irrer Iwan! Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt. Im Hebräer die Tränen und die Schwermut. Und im Zukünftigen? Verstehen Sie? Das Sein läßt sich mit Logik knacken, wenn man das Sein und das Nichtsein im Werden aufgehoben sieht. (->Hegel)

  28. Glaube und historische Anlässe

    Na, da kam ja einiges zusammen. Zuerst einmal Danke! Nun, ich wollte mir alles genau durchlesen und durchüberlegen, um präzise zu antworten. Aber bei dem Vielen geht es so wohl nicht mehr. Deshalb doch nur einzelne Punkte, Linien rausgepickt:

    Und vielleicht doch am besten der Einstieg über Sascha @Bohnenkamp, der das so auf den Nenner bringt:
    „d.h. es ist völlig egal ob Jesus je gelebt hat, gekreuzigt wurde etc. oder nur ein Romanheld? Wie kann man dann sagen er sei für “uns” gestorben o.ä.? Auch ist er dann kein Sohn Gottes und jener vermutlich auch “nur” ein Symbol. Und dafür wurde gemordet? Sorry aber dafür fehlt mir dann wirklich jedes Verständnis“

    Zuerst zum Historischen: Noch völlig außerhalb eines bestimmten Glaubens ist die Entstehung der Christenheit doch vermutlich historisch am plausibelsten, wenn man unterstellt: Ein Zimmermann aus Galiläa namens Jesus (Josua, dt. Gotthilf) hat in Erwartung einer baldigen Aufrichtung der Gottesherrschaft Leute um sich gesammelt, mit ihnen eine Bewegung inszeniert. Das lief den Interessen der Jerusalemer Oberschicht (Tempelpriesterschaft) zuwider; und in Zusammenarbeit mit der römischen Besatzung griffen sie aus der Bewegung nur ihn heraus – kurzer Prozess, Todesstrafe, durch Römer abgesegnet und durchgeführt: Kreuzigung. Jesu Leute laufen zunächst auseinander, verstecken sich in Jerusalem und Galiläa, sagen aber bald über ihn: „Wir haben den Herrn gesehen. Er lebt“. Daraus entsteht schnell eine schließlich viel größere Bewegung, die sich innerhalb weniger Jahrzehnte im ganzen Mittelmeerraum ausbreitet.
    Diese Vorgänge als historische Eckdaten und ein Zimmermann namens Jesus mitten drin – das wurde zwar öfters schon bestritten, aber ich denke, es dürfte den Anforderungen historischer Plausibilität genügen. Und der Glaube braucht wohl die Sicherheit, dass er sich nicht auf eine von einer Jesus-Bewegung erst nachträglich erfundene Initialzündung beruft –also die Sicherheit, dass da wirklich dieser Zimmermann war, an dem er, der Glaube sich entzündete.
    Dieser Glaube, der sich dann in Ausdrucksformen weiter entwickelte, die weitgehend unabhängig von der konkreten historischen Gestalt waren, der lässt sich mit historischen Mitteln natürlich nicht plausibel machen. UND er kann nicht verbieten, dass man (trotz schwieriger Quellenlage!) auch historische und psychologische Überlegungen in die Personbeschreibung einbezieht, die nicht direkt Glaubensaussagen sind. Dazu würden die psychologischen Überlegungen Nietzsches gehören, die zumindest sehr anregend sind. Danke @DHilsebein! Und bei aller zum Christlichen gegenläufigen Tendenz bei Nietzsche: Er hat sehr wohl begriffen, wie stark Jesus in symbolischen Bezügen lebte und starb.

    Auch das „für uns gestoben“ wurde aus kleinen Anfängen heraus zu einer großen Lehre aufgebaut. Dass die traditionelle Sühnetheorie da manche Gewichte zumindest unangemessen verschoben hat, darauf verwies ich ja im vorletzten Blogpost. Aber das soll hier wenig zur Sache tun. Ich persönlich würde vermuten, dass einer der allerersten Anlässe für das „für uns gestorben“ war, dass wirklich nur Jesus aus der Gruppe herausgegriffen und nur er getötet wurde – dass er womöglich sogar selber sagte: lasst die andern laufen. Die, die also das überlebten, mussten genau damit leben; und fanden dazu Begründungszusammenhänge in ihrer Bibel. Mit am bekanntesten – Jesaja 53: Er trug unsere Krankheit und trug unsere Schmerzen… Also: Er ist an unserer Stelle gestorben. Und das wurde dann ausgebaut. Wieder kann ich mir das ohne konkrete historische Gestalt nicht vorstellen; aber: es wurde dann weit mehr erzählt und gedeutet, als die historische Gestalt je intendierte. Das hat man davon, wenn man eine Bewegung mit starkem Bezug auf ein symbolisches Deutungssystem initiiert.
    Ja, aber der Glaube, das würde ich auch sagen, der sich zu Recht auf Jesus beruft, darf und muss auch Zusammenhänge entdecken, auf die Jesus so noch nicht gekommen wäre. Wirklicher Glaube (der nicht bloß Geschichten für wahr hält und sie museal konserviert) muss ja weiter gehen und weiter Wirklichkeit gestalten.
    Aber ich geh jetzt mal hier nicht weiter, sondern mache einen Punkt. Und gehe auf die mehr inneren Seiten des Glaubens (seine Erfahrungen und Bilder) dann doch getrennt ein. Ging eben doch nicht in einem Aufwasch – Entschuldigung, @Stefi.

  29. Jesaja …

    wobei es schon viel Wortverdrehkunst erfordert um von Jesaja auf Jesus zu kommen.
    Die Texte in Jesaja passen eigentlich so gar nicht zu Jesus.

    Man denke nur an die “Jungfrauen” Stelle .. und ich meine nicht die Jungfrau, sondern die Ankündigung, dass wenn Immanuel ein “Mann” ist, das asyrische Reich stärker wäre als die jüd. Könige. Wie soll das zum NT passen?

  30. @ Herrn Hilsebein

    Aber sind es nicht gerade die Hinterbliebenen, für die der Trost gedacht ist, die aber eben erst zu ihm finden müssen? Dafür hat doch Jesus den Weg frei gemacht. Noch sogar im Leben zu ihm zu gelangen aber ist dann unsere Sache, und nur möglich, wenn wir tatsächlich in der Lage sind, ihn zu erkennen, theoretisch aber ist uns der Weg dazu doch nun frei.
    Eben seine Liebe ist es an uns zu finden.

    “Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.”
    stammt aus Matth.28,20.
    Und wenn sie den Sinn des Zusammenhanges mit einbeziehen (was ich für notwendig erachte!), dann steht dort, “..Darum geht hin und macht alle Völker zu Jüngern: Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu halten, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.”

    -> Er ist bleibt bei uns, sobald wir ihn gefunden haben und in ihm bleiben. Erst dann.
    Er IST dann bei uns bis zum Ende der Welt, doch WIR haben uns von ihm zuvor entfernt, ihn ja mit dem in die Welt geboren werden verlassen, um wann auch wieder als ein Teil von ihm zu ihm zurückzufinden.
    Den Zeitpunkt des Findens überläßt er uns, aber die Möglichkeit dazu kommt von ihm. Nicht mehr nur Spiel hier auf Erden, sondern irgendwann bewußtes Zurückkehren, als vielleicht SEIN Spiel und Genuß der möglichen, für ihn dann erlebbaren Wiedervereinigung?

    Huch, und gerade den Brief an die Hebräer sehe ich als besonders und sehr positiv, nicht als schwermütig an.

    Und sicher ist es ein ewiges Werden im ewigen Sein Gottes.
    Und zwar – denke ich- im Nichtsein/ Nichts der Unendlichkeit ohne Zeit und Raum, das sich hinter allem verbirgt.
    Und somit war aus dieser Sicht die Zukunft, ist, und wird immer sein, und bleiben was ist, alles in einem Moment existierend, und doch sich entwickelnd.
    Zugleich ein ewiges Sein und Werden.

    Meinen Sie es so? Oder fassen Sie es anders auf?

  31. @ Stefi

    “‘..Darum geht hin und macht alle Völker zu Jüngern: Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu halten, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.'”

    Das lehne ich ab! Jede Art von Missionsbefehl ist Unfug! Entweder der Mensch findet es in sich selbst, dann muß ihm nichts erzählt/befohlen werden. Oder er versteht es nicht, auch dann ist jedes Missionieren vergeudete Kraft. Ich kann die Schärfe, derer sich Nietzsche in Hinblick auf das Christentum in seiner Sprache bediente, durchaus nachvollziehen. Vielleicht wußte sich der Mann aus Nazareth nicht anders zu helfen, vielleicht war Paulus derjenige, welcher Nietzsche die Zornesröte in die Gesichtshaut trieb. Sei es drum. Heute sollten wir weiter sein.

    Zum Rest Ihres Kommentars kann ich nicht viel sagen. Scheint mir sehr hellenistisch (“Fleisch und Blut können das Reich nicht erben”) geprägt zu sein. Mag sein, daß das Ihre Hoffnung ist. Es gibt aber eben auch die Deutung: “Das Reich ist inwendig in euch.” Oder eben ein Zustand des Herzens.

  32. @ Herrn Hilsebein

    Das Missionieren ist ja auch aus meiner Sicht genau grundverkehrt, vielleicht hätte ich das in dem Zitat herauslassen sollen. Mir ging es einzig um das Finden (eigenständig natürlich), das alles weitere beeinhaltet aus sich selbst heraus. Somit auch Ihn, der dann immer da ist.
    (Vielleicht kann man die erwähnten Bibelworte ja auch so verstehen, dass eben Gott, seine ? Engel, Jesus, was auch immer, uns immer wieder in unserem hiesigen Leben versuchen sollen, uns zu erreichen, um uns auf die Suche nach ihm zu ‘schubsen’. Ohne irgendetwas davon in uns gäbe es ja sonst keinerlei Grund, in irgendeiner Form danach, dem Sinn des Lebens(?) zu suchen, dann müßten ja ausnahmslos alle einafch nur so vor sich hinleben bis zum körperlichen Tod.)

    ” “Das Reich ist inwendig in euch.” Oder eben ein Zustand des Herzens.”

    Ich habe mich wohl absolut mißverständlich ausgedrückt.
    Ich denke ja gerade, dass es Sinn der Schriften, des Lebens, unserer Existenz ist, das ‘Reich’, also Gott oder das, was ist, inwendig in uns zu finden, zu diesem in uns zu gelangen, was dann in einem besonderen Zustand ‘des Herzens’, dieser in den Schriften immer wieder erwähnten Gottesliebe, und dem Wunsch, diese zu leben, Ausdruck finden müßte.

  33. @ Stefi

    Ok. Weitestgehend d’accord.

    “(Vielleicht kann man die erwähnten Bibelworte ja auch so verstehen, dass eben Gott, seine ? Engel, Jesus, was auch immer, uns immer wieder in unserem hiesigen Leben versuchen sollen, uns zu erreichen, um uns auf die Suche nach ihm zu ‘schubsen’. Ohne irgendetwas davon in uns gäbe es ja sonst keinerlei Grund, in irgendeiner Form danach, dem Sinn des Lebens(?) zu suchen, dann müßten ja ausnahmslos alle einafch nur so vor sich hinleben bis zum körperlichen Tod.)”

    Nicht unbedingt. Wenn man dem Evangelium nach Johannes folgen will, so wird ja die Hoffnung gesetzt, daß die Wahrheit in die Freiheit führt. Sofern der Mensch die Ketten spürt wird er wohl immer ein nach Freiheit strebendes Wesen sein. Ich denke also, daß nur die Freiheit uns Aufschluß über Wahrheit geben kann. Aber das setzt ein hohes Maß an Sensibilität voraus.

  34. @ Herrn Hilsebein

    Ich vermute, das könnte hier noch endlos so weitergehen 😉

    Bedeutet nicht die Wahrheit letztlich die Freiheit?
    Und die meisten spüren doch diese Art der Ketten in ihrem Leben gar nicht.
    Wenn sie dazu aber in der Lage sind, ist ja der erste Schritt schon mal getan.
    Wodurch dann von mir aus auch immer.

    Die Wahrheit ist doch eigentlich die Voraussetzung, um zur Freiheit zu gelangen. Inwiefern gibt sie dann Ihrer Meinung nach uns Aufschluß über die Wahrheit?

    Und hier stimme ich zu, die Sensibilität ist sicher eine der grundlegenden Grundvoraussetzungen, um die Wahrheit überhaupt finden zu können, und damit die vollkommene Freiheit.

    Vielleicht kommen wir so ja tatsächlich halbweg auf einen Nenner. Aber Ihre Antwort zu dem Aufschluß der Freiheit über die Wahrheit interessiert mich bitte.

  35. @ Stefi

    “Vielleicht kommen wir so ja tatsächlich halbweg auf einen Nenner. Aber Ihre Antwort zu dem Aufschluß der Freiheit über die Wahrheit interessiert mich bitte.”

    Diese Satzkonstruktion hängt natürlich wieder mit dem Alten aus Königsberg (Kant) zusammen. Ich kann ja nicht wissen, was Wahrheit an sich und für sich ist, sondern nur, was sie für mich ist. Wenn ich den Begriff Wahrheit mit Freiheit verbinde, so habe ich eine Anschauung (sinnliche Wahrnehmung). Alles nun, was mich zu befreien imstande ist, nenne ich Wahrheit.

    So, jetzt muß ich mir erst einmal kurz mein Brot verdienen gehen. Schöne Diskussion -danke!

  36. Die inneren Aussagen des Glaubens @Stefi

    Also, @Stefi, ich versuche mal von hinten her. Und fange beim „Logos“ an: Ohne mich jetzt auf Literatur berufen zu können, würde ich Joh.1,1 so übertragen (und dann überhaupt zunächst im Joh.evangelium bleiben):
    Im Anfang war die vollkommen vernunftgemäße Weltordnung, und Gott war das Prinzip vollkommener Vernunft. So spricht er, so wirkt er – als heller Logos und nicht dunkler Mythos. Aber: Das vernunftgemäße Weltprinzip entführt uns nicht in höhere geistige Erkenntnisse – weg vom irdischen Leben – , sondern: Schaut her, es konkretisierte sich in einem Menschen (Joh.1,14). Wer Erkenntnis sucht, suche nicht abstrakte Ideen, sondern suche, mit Jesus – seinem Lebensweg entlang – einig zu gehen. In ihm (als Person und als Weg) die Wahrheit zu erkennen bedeutet, Gott zu erkennen.
    Gotteserkenntnis dann jedenfalls nicht erst durch Durchbrechen einer Todesgrenze, im Sterben. Sondern, so sieht es das Joh.evangelium, jedenfalls bereits auf dem Weg dorthin: auf dem Weg einer opferbereiten Liebe – nach dem Maß Jesu, dessen Tod um dieser Liebe willen zur Vollendung wird. Aber: Bei Gott ankommen, das dann schon durchs Sterben hindurch.: Da geht Jesus voraus, kommt gewissermaßen als erster bei Gott an und wird seinen Nachfolgern „die Stätte bereiten“, bereithalten , freihalten.
    Das sind natürlich, sage ich mehr zu den andern, überhaupt keine historischen oder sonst irgendwie objektiv nachvollziehbaren Aussagen mehr; sondern Aussagen des Glaubens: Aussagen derer, denen sein Weg als göttliche Wahrheit einleuchtet.
    Die Vorstellungen (ob Unsterblichkeit der Seele oder Wiederauferstehung , Geistleib oder sonstiger neuer Leib) gingen in der damaligen Zeit, als das Neue Testament entstand, kunterbunt durcheinander. Und man wird auch das Neue Testament nicht auf einen Nenner bringen können – was man insbesondere im Vergleich der Vorstellungen des Paulus u des Johannes sehen kann. Wenn die Vorstellungen nicht zusammenpassen, wo ist dann die Wahrheit? Einer der Grund-Sätze, die ich mal dazu (von Prof Ernst Fuchs) mitbekam, war: Nicht die Vorstellungen machen den Glauben; sondern die Einstellung. Und da stellt sich die Liebe als göttliches Wirken ein; und gerade sie ist auch eine Brücke zwischen den ansonsten (abstrakt dogmatisch) weit auseinanderliegenden Ausführungen bei Paulus – Johannes – Matthäus – Jakobus…, um hier nur mal die wichtigsten Eckpunkte der inner-neutestamentlichen Diskussion zu nennen.

    Mir sind deshalb auch in Diskussionen hier die unterschiedlichen Vorstellungen nicht so fruchtbar trennend. Oder: Ich kann mir vorstellen, dass man alle möglichen als Glaubenswahrheiten transportierten Vorstellungen auch sehr hinterfragen kann, und sie bleiben trotzdem für den Glauben „wahr“, dh sie können Licht in das Leben der Menschen bringen. So die religiösen Aussagen über Jesus (theologisch gesprochen: die christologischen Titel) oder Überlegungen zu seiner Präexistenz, Opfertod am Kreuz, Höllenfahrt, Himmelfahrt, Wiederkunft etc. Ebenso die Vorstellungen über Innenerfahrungen des Glaubenden, über Visionen oder etwa dazu, was die Erfüllung, das „Reich Gottes“ sein kann – individuell und gesellschaftlich. Dabei sage ich allerdings mit Bestimmtheit, dass eine Lebenseinstellung, die z.B. so fromm egozentrisch ist wie bei diesem Weltuntergangspropheten von vorgestern (Harold Camping) , keine Glaubenswahrheit sein kann.
    Ich finde es insbesondere gut, wie Sie Nahtodeserfahrungen hier einbrachten. Da haben verschiedenste Leute Dinge erfahren, die strukturell frappierend ähnlich sind – selbst wenn sie zB das große Licht verschieden benennen. Und es kommt eine Lebenseinstellung – Lebensqualifizierung durch Liebe – heraus, die Sie sehr gut beschreiben. Man muss sich allerdings bei allem auch klarmachen, dass man das allermeiste auch gehirnwissenschaftlich erklären kann. Aber es müsste auch klar sein, dass solche Erklärungen eben von außen an den Dingen kratzen und nicht zu schnell solche Erfahrungen mit „nichts als“ abtun sollten. Eigene Erfahrung ist mehr. Aber selbst das Reden über eigene Erfahrung ist ja: schon wieder von außen, nachträglich etwas auf Begriffe gebracht. Ähnlich wie bei Träumen (die grundsätzlich was anderes sind) das Reden darüber nicht die Erfahrung selbst nach außen adäquat weitergeben kann.
    So viel für heute. Und dabei bin ich längst nicht auf alles eingegangen, was Sie und DHilsebein so ausführlich ausgebreitet haben. Danke! Zur „Sünde“ hätte ich vielleicht was schreiben müssen. Ich verweise einstweilen mal nur auf den vorigen Blogbeitrag zum Kreuz. Hauptaussage: Nicht so sehr täterzentriert denken, sondern an die Leiden der Unzähligen denken, die unter die Räder kommen. Das ist die „Sündenlast“.
    Nun, ich muss trotzdem Schluss machen. Haken Sie einfach an einzelnen Punkten nach; oder greifen Sie einen von mir gröblich vernachlässigten Punkt auf.
    Dabei möchte ich Ihnen (und anderen) ausdrücklich versichern, dass mich tatsächliche oder vermeintliche theologische Unzulänglichkeiten absolut nicht stören; und das „bitte mißachten, wenn dieser Laienhafte Kommentar Ihnen zu unsinnig erscheint“ möchte ich überhört haben :-). Aggressiv kann ich auch werden, aber eher dann, wenn jemand eine Diskussion anfängt, UND dabei so überdeutlich zeigt, dass er sowieso schon im Voraus alles Reden von Religiösen sowieso schon für Geschwurbel hält und gar nichts anderes erwarten will. (Wobei ich ehrliche Irritationen an einigen naiven oder gestelzten religiösen Aussagen durchaus verstehe!). Na ja, noch eher als bloß aggressiv zu antworten will ich dann eben abblocken. Es gibt schon einiges, was man nicht unnötig weiter treiben muss bzw. sich nicht weiter in ein undifferenziertes Freund-Feind-Schema pressen lassen muss. Da gibt’s hin und wieder belämmernde Beispiele, die depressiv stimmen können, jetzt gerade wieder auf Michael Blumes Blog..

  37. „Wortverdrehkunst“? @Sascha Bohnenkamp

    Mhm, @Sascha Bohnenkamp, da legen Sie mal wieder Maßstäbe an ans Leseverhalten der ersten Christen und ihre Zitiergenauigkeit. Ist gegenüber dem eigentlichen Thema ‘n bisschen Ablenkung. Aber trotzdem, auch wenn das vielleicht von manchen als Nestbeschmutzung angesehen wird:
    Das lernten Theologen schon lange, dass die Zitiergenauigkeit innerhalb des NT gegenüber dem AT unseren heutigen Maßstäben (gar wissenschaftlichen!) zuwiderläuft. Konkret: dass die ersten Christen ihre Bibel, das AT, wie einen Steinbruch genommen haben, aus dem sie die Fundstücke herausgebrochen haben, die ihnen passten. Und dabei den Zusammenhang öfters mal großzügig ignorierten. Inwiefern das damals jüdischer Tradition entsprach, weiß ich nicht. Ich würde (mit Blick auf Paulus u Matthäus) eher vermuten: Ja. Inwiefern das auch sonstigen Gepflogenheiten innerhalb volkstümlicher religiöser Überlieferung (auf dem großen religiösen Markt der Möglichkeiten damals) entsprach, weiß ich auch nicht. Aber nachdem, wie man da und dort verschiedene Gottheiten vereinnahmt und umfunktioniert hat, wird das überall ähnlich gelaufen sein. Man kalkuliere auch ein, dass die Evangelien, die wir heute ja nur schriftlich haben, zuerst einmal mündliche Traditionen waren.

    Das mit der Zitiergenauigkeit stimmt dann auch nicht gegenüber dem alttestamentlichen Bezugspunkt Jes 7,14: Eine Jungfrau wird einen Sohn gebären – Immanuel. Der dortige Kontext war den Zitierenden schnuppe – schon allein, weil’s die Assyrer nimmer gab. Und die feinen Unterschiede zwischen hebräischem Original (junge Frau) und griechischer Übersetzung (Jungfrau – parthenos) auch.
    Nun, man kann ja unterstellen, dass der Bauhandwerker Jesus aus Galiläa von der Jungfrauengeburt noch nichts wusste (und seine Eltern natürlich auch nichts). Und dass diese Geschichte zuerst im außerjüdischen (hellenistischen) Raum entstand (bzw. von anderen Jungfrauensöhnen übernommen wurde) und erst nachträglich dann bei den Christen, die mehr noch im Zusammenhang mit jüdischen Traditionen dachten (Matthäus), dann auch an Jes. 7,14 andockte. Und das war für Juden dann ein wichtiger Grund, ihre griechische Übersetzung der hebräischen Bibel kritischer zu betrachten.

    Bei Jesaja 53 (“Fürwahr, er trug unsere Krankheit…“) halte ich die Verknüpfung mit den Jesusgeschichten für „passender“. Obwohl – das möchte ich dabei auch anmerken – schon mehrere kritischere Theologen feststellten, dass die Hauptbelegstelle für eine dogmatisch festgelegte Sühnethologie – “die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten“ (Jes. 53,5) — im Neuen Testament gerade nicht zitiert wird. Absicht?
    Vielleicht doch Zitiergenauigkeit (und Unachtsamkeit einer gewissen dogmatischen Tradition?). Aber es gibt dafür auch andere Erklärungen…
    Und das wäre eigentlich ein Ansatzpunkt, die Anfrage @Stefis wegen des Sündenbegriffs doch nochmals genauer aufzugreifen.

    Nun, ich wollte mit dieser ausführlichen Erörterung jetzt auch zeigen, dass ich gegenüber Ihnen das Abblocken so nicht beabsichtige, wie in den Schlussbemerkungen im letzten Kommentar als sonst in Erwägung gezogene Möglichkeit andeutete. Im Gegenteil, Ihre Kenntnis historischer Zusammenhänge (Sumerer ff) fordert auch mich immer wieder positiv heraus.

  38. Zur Zitiergenauigkeit

    Ich sehe es sich auch so, dass die Schreiber des NT sich sehr willkürlich am AT bedient haben. (und die Schreiber des AT an anderen Quellen)

    Gerade deswegen kann ich halt keine Verknüpfung vom AT aus zu Jesus hin sehen, die auch so von den Autoren des AT gemeint gewesen sein kann.

    Andererseits ist es auch interessant, den Schreibern damals eine schlechte Zitierfähigkeit zuzubilligen, aber ggf. an anderer Stelle eine “nahezu fehlerfreie Überlieferung” der heiligen Schrift zu unterstellen. (nicht von Ihnen, nicht hier)

    Es war in der Antike gleichzeitig aber durchaus möglich Texte über Jahrtausende ohne Änderungen (Orthographie ausgeschlossen) zu “übertragen” u.a. auch durch Fehlerkontrollen nach der Abschrift … war diese Kunst bei den Juden bzw. frühen Christen nicht so verbreitet?

    Wenn man jetzt von ggf. fehlerhafter Überlieferung / Zitierung ausgeht .. ist einer rein symbolische Deuting dann nicht apriori nicht jeder Glaubwürdigkeit beraubt?

    Man hat dann “Symbole”, die der “Original”autor nicht meinte oder gemeint haben kann und eine spätere Interpretation / Nacherzählung derselben, die auf unvollständigen / falschen Zitate beruht?!

    Das passt auch zur “Sünde” … die Juden kannten die so nicht und die mesopotamischen Texte auf den die Paradiesvertreibung ggf. baseiert auch nicht.

    Alles nur “Stille Post”?

  39. @ Herrn Aichele

    😉 Stimmt natürlich.
    Selbst wenn man hypothetisch annehmen würde, alles existiere nicht wirklich, wir wären nur Akteure in einer Art Traum, so sind wir für uns natürlich immer existent, und damit das, womit wohl Gott sich selbst erlebt, erschaffen hat.
    Aus dieser meiner abwegigen Annahme heraus dann auch noch Gott finden zu wollen, dürfte sicher äußerst schwierig werden, eher unmöglich.
    Schon der Gedanke, ihn aus unserer Welt heraus zu erkennen, scheint ja zunächst fast unvorstellbar.

    “Gotteserkenntnis ….auf dem Weg einer opferbereiten Liebe – nach dem Maß Jesu, dessen Tod um dieser Liebe willen zur Vollendung wird.”
    Gotteserkenntnis erlangen durch das Nachleben des Weges Jesu mit Hilfe von opferbereiter Liebe, oder opferbereite Liebe erlangen durch Gotteserkenntnis, um dann nur noch nach seinem Willen leben zu wollen? (seinen Weg zu gehen nach seinem Maß?)

    “Bei Gott ankommen, das dann schon durchs Sterben hindurch.”
    Denken Sie, dass es grundsätzlich nur erst durch das Sterben möglich ist, oder ob man es vielleicht, trotz des Körperlichen, auch schon hier erreichen könnte? Ich denke da an einige ganz wenige aus der Geschichte, die nicht nur Gotteserkenntnis erlangt zu haben, sondern sogar darüber hinaus gelangt zu sein scheinen. Es sozusagen geschafft haben, voll und ganz, endgültig einzutauchen, die das Körperliche innerlich ‘hinter sich’ gelassen haben, die ihr eigenes ‘Ich’ vollkommen verloren zu haben scheinen. (Das ist jetzt vielleicht etwas ‘abgedriftet’, möglicherweise gehört das nicht mehr hierher.)

    “Nicht die Vorstellungen machen den Glauben; sondern die Einstellung. Und da stellt sich die Liebe als göttliches Wirken ein;..”
    Ich stimme Ihnen zu, dass diese Einstellung sicher das Wichtigste sein dürfte. Ob eine solche Erfahrung dann auch mit weiteren Einblicken verbunden sein kann (ich weiß nicht, ob ich das dann als Vorstellung bezeichnen würde), wird in der Bibel sicher nicht geklärt.
    Und schon allein das Bemühen um ein Wirken in Liebe könnte möglicherweise tatsächlich jemanden Gott auch näher bringen.

    “…dass man alle möglichen als Glaubenswahrheiten transportierten Vorstellungen auch sehr hinterfragen kann, und sie bleiben trotzdem für den Glauben „wahr“,…”

    Das trifft sicher sowohl für den einzelnen Betroffenen, der vielleicht immer wieder anzweifelt, was er für sich selbst erkannt hat, und es vielleicht nicht mit dem Verstand annehmen mag, als auch für den Suchenden zu, der etwas zu finden hofft, dass ihm irgendeinen Halt geben könnte. Dieser wird dann womöglich nicht finden, sich aber doch sicherer und geborgen fühlen können, wenn er sich von Zweifeln anderer nicht beeinflussen lässt.

    “Dabei sage ich allerdings mit Bestimmtheit, dass eine Lebenseinstellung, die z.B. so fromm egozentrisch ist wie bei diesem Weltuntergangspropheten von vorgestern (Harold Camping) , keine Glaubenswahrheit sein kann.”
    😉 Der hat sicher irgendetwas grundlegend nicht verstanden. Vermutlich weder Gott gefunden, noch/oder ihn überhaupt verstehen können.

    “…Nahtodeserfahrungen… Man muss sich allerdings bei allem auch klarmachen, dass man das allermeiste auch gehirnwissenschaftlich erklären kann.”
    Wenn ich das richtig verstanden habe, scheint allerdings nach neueren wissenschaftlichen Studien klar zu sein, dass längst nicht alles (so manches Entscheidende) neurologisch erklärlich ist. Im Gegenteil sogar absolut unerklärlich bleibt.
    Und es geschehen- wie Sie auch bemerken- sicher Erlebnisse dabei, die eigentlich nicht mit Worten beschreibbar sind, für deren Empfindungen nicht einmal menschlich vergleichbare Gefühle existieren sollen. So etwas dann auch noch verstehen und nachvollziehen zu wollen, ist natürlich schwer.

    Und was bei Michael Blumes blog passiert ist, ist schon sehr traurig. Da darf man sich sicher fragen, ob an Manchen nicht so einiges grundlegende, hier bei Ihnen bereits erörterte, vorbeigegangen ist.
    Es ist wirklich schade, aber für unsere Welt zur Zeit leider ja sehr bezeichnend, denn Offenheit, Toleranz und Anerkennung gegenüber Andersdenkenden sind heutzutage oft Mangelware.
    Man kann diese Menschen eigentlich nur bedauern, denn sie scheinen nicht zu erkennen, wie schwer sie sich damit ihr eigenes Leben tatsächlich selbst gestalten.
    Mit wissenschaftlichem Denken hat das dann nichts mehr zu tun. Denn diese sind ja weder bereit, etwas ohne Vorurteile, noch von allen Seiten offen zu betrachten. Denn das würde ja nur mehr Wissen schaffen… Ist doch dumm….
    Verzeihung bitte 🙂

  40. @Stefi

    “Es ist wirklich schade, aber für unsere Welt zur Zeit leider ja sehr bezeichnend, denn Offenheit, Toleranz und Anerkennung gegenüber Andersdenkenden sind heutzutage oft Mangelware.”

    Wann war das anders?
    Im dritten Reich? Sicher nicht!
    Zur Zeit der Inquisition? Sicher nicht!
    etc.

    Früher war alles besser? Sicher nicht!

  41. @ Sascha Bohnenkamp

    Sie haben natürlich vollkommen Recht!
    “…für unsere Welt zur Zeit… “
    Das war unüberlegt und unwahr von mir geäußert. 😉 zu dumm…. Schließlich zieht es sich ja wirklich durch unsere gesamte Geschichte, schon in vorchristlicher Zeit, in christlicher erst recht, und an das Mittelalter mag man ja darauf bezogen auch nicht denken, naja, wie eigentlich immer.
    Es war also ein sehr unqualifizierter Kommentar…
    Er fällt dann hoffentlich aufgrund seiner Offensichtlichkeit nicht so sehr ins Gewicht…
    Schade allerdings, dass mein kleiner Fehltritt das einzige war, was Sie zu einem Kommentar angeregt hat.
    Immerhin war ja einiges als allerdings ja an Herrn Aichele gerichtet schon recht provokativ 😉
    War natürlich auch vom Thema ab…

  42. @Stefi

    “Schade allerdings, dass mein kleiner Fehltritt das einzige war, was Sie zu einem Kommentar angeregt hat.”
    Nana – die Beobachtung an sich war ja korrekt, nur leider scheint das eine Eigenschaft der Menschen zu jeder Zeit zu sein.

    Bei den anderen Sachen bin ich mir nicht so sicher worauf Sie hinauswollen.
    Eine NTE hatte ich selber, kann mir aber all jene “Effekte” sehr gut physiologisch erklären.
    Das viele andere da ggf. gerne noch was ausschmücken, kann ich mir sehr gut vorstellen. Dann kämen da halt noch psychologische “Effekte” hinzu .. übernatürlich wäre das aber dann immer noch nicht.

    Zu einer rein symbolischen Deutung von Jesus etc. habe ich mich ja schon geäussert – ich halte Religionen eh für ein psycholgisches Artefakt. Wenn man schon bei einer rein symbolischen Deutung ist, spästens dann ist man meiner Meinung nach schon bei einer nahezu pathologischen Selbsttäuschung angelangt, da man sie offensichtlich bewusst herbeiführt.
    (trotzdem mag das ja irgendwie “hilfreich” sein)

    Zu den Anmerkungen von mir bzgl. antiker “Zitierkünste” kam ja nix.

  43. @ Sascha Bohnenkamp

    Dann haben Sie es ja gut ( 😉 oder Pech?), dass Sie sich Ihre Erfahrung neurologisch erklären können. Ich kann es bisher trotz monatelanger Recherchen im neurologischen und psychologischen u.a. Bereich bis heute nicht. Aber diese Erfahrungen sind ja offensichtlich auch sehr unterschiedlich, auch ohne Ausschmückung und eigene Interpretationen.

    “Zitiergenauigkeit”
    (es wäre sicher richtiger, wenn Herr Aichele, an den Sie sich richteten, hierzu seine Meinung vertritt)
    Wenn wir davon ausgehen, dass die Texte in Überlieferung aufgeschrieben wurden, in Form einer Berichterstattung, ist Ihre Kritik sicher vollkommen richtig.
    Und es flossen ja auch zeitliche Hintergründe in diese ‘Veröffentlichungen’ dort ein.
    Ist es hier unter Ihnen allen eigentlich auch möglich, über (von mir vorher erwähnte) ‘Schreiber’ nachzudenken, die das, was sie (angeblich?) von ‘Innen’ diktiert bekamen, so, als der Mensch, der sie waren, wohl weder hätten wissen, noch so hätten ausdrücken können?
    Wenn man solche Dinge miteinbeziehen würde, könnte man vielleicht doch wieder einen Bezug vom AT ausgehend auf das NT herstellen. Denn es gibt ja eine Reihe von Schriften, die nicht nur die Bibelschrift auslegen, sondern ebenfalls sogar noch Kenntnisse der Wissenschaften beeinhalte, die erst mindestens Jahrhunderte später bedacht und nachgewiesen wurden. Oder gehört das in einen solchen blog hier nicht hinein?
    Dann könnte man die einzelnen Bibelniederschriften vielleicht auch als solche (bei Niederschrift persönlich beeinflußte) ‘diktierte Kenntnisse’ sehen, was die vielen, ja doch eigentlich erstaunlichen Übereinstimmungen dann wieder erklären könnte.
    Das ist dann natürlich noch viel schwerer anzunehmen, als allein bereits die Bibeltexte.

  44. @ Sascha Bohnenkamp

    Noch etwas:
    “ich halte Religionen eh für ein psycholgisches Artefakt. Wenn man schon bei einer rein symbolischen Deutung ist, spästens dann ist man meiner Meinung nach schon bei einer nahezu pathologischen Selbsttäuschung angelangt, da man sie offensichtlich bewusst herbeiführt”

    Was ist mit denen, die offensichtlich eine ‘Einheitserfahrung’ haben, und erst daraufhin, also danach, sich mit den Glaubensschriften richtig befassen, näher auseinandersetzen, weil sie erst danach einen Bezug dazu durch das Erlebnis erlangen?
    Das scheint mir dann eher gerade nicht bewußt herbeigeführt zu sein, sondern solche Menschen scheinen von ihrer Erfahrung teils regelrecht ‘überrumpelt’ worden zu sein.
    Das kann man ja dann meiner Meinung nach wirklich nicht mehr bewußtes Herbeiführen nennen.
    Dort gewinnen dann Symbole erst im Nachhinein Bedeutung.
    Ist solch ein Vorgang für Sie dann dennoch ein psychologisches Artefakt?
    Und reine Selbsttäuschung?

  45. Vorstellungen – innere Einstellungen – NTEs

    Ist ein bisschen viel, @Stefi. Und daraus wird jetzt wieder viel. Nicht einfach Antworten, sondern weitere Überlegungen. Mit dem, was ich im letzten Kommentar formulierte, wollte ich mehr das Johannesevangelium charakterisieren. Ich bin nicht Johannes, mit seinem – grob gesagt – esoterischen Background, den er dann als Christ anti-esoterisch wendet. Ich würde mit meinem Background für heute natürlich manches anders sagen.
    „Gott finden“ – das war für damals (zumeist) nicht das Problem, das man dann so formuliert: Gibt’s den überhaupt? So haben Sie’s auch nicht dargestellt, und ich sage das nicht wegen Ihnen. Sondern eher (wie Sie’s denken): die innerste Erfüllung; oder (bzw. gleichzeitig) bei Joh: das innerste logische Prinzip der Welt – das, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, der innerste Beweggrund des Kosmos und der einzelnen Personen. Das „ist“ dort einfach Gott – ohne viele ontologische Überlegungen (Existenzbeweise ff).
    Diesen innersten Beweggrund zu erkennen – da fragen Sie nach, und ich vermute als Alternative (und hebe deshalb das Wort „oder“ im folgenden Zitat hervor): „Gotteserkenntnis erlangen durch das Nachleben des Weges Jesu mit Hilfe von opferbereiter Liebe, ODER opferbereite Liebe erlangen durch Gotteserkenntnis, um dann nur noch nach seinem Willen leben zu wollen?“. Ich würde für Joh behaupten, dass das keine Alternative ist; sondern ein Zirkel. aber dabei natürlich als guter Protestant sicherstellen, dass mein Einsatz für opferbereite Liebe schon eine Einwirkung Gottes ist.
    „Bei Gott ankommen“ – natürlich nicht erst durch den physischen Tod hindurch. Man kann zB den „johanneischen“ Satz Christi „wer mich sieht, der sieht den Vater“ auch so interpretieren: Ihr seht mich, ihr seid schon am Ziel. Aber sowohl Joh als auch Paulus erwarten die vollkommene Erfüllung nach dem physischen Tod. Bei Joh kommt der „Schächer am Kreuz“ erst durch den Tod hindurch ins „Paradies“. Und bei Paulus, der hat „Lust abzuscheiden und bei meinem Herrn zu sein“ (Phil 1,24) (Man bedenke dabei das folgende „Aber um euretwillen“. Und das ist für mich ein wichtiges Indiz einer von Paulus gehabten NTE). 1 Kor 13,12: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin“.
    Ob man nun bei allem möglichen sagt, es seien nur „Vorstellungen“ oder doch „wahre Erkenntnis“, oder wenigstens subjektive richtige Glaubenswahrheit“ ff – darüber geht (nicht erst heutzutage) ein erkenntnistheoretischer Streit, den ich auf dieser Ebene des Streits für unlösbar halte. Ich benütze gerne den wertneutralen Begriff „Vorstellungen“. Dabei ist eben immer wieder zu betonen, dass in der Bibel so vielerlei Vorstellungen (oder Einsichten, Wahrheiten) auf die Pfanne kommen, in denen einer dem andern wider-spricht (oder eine überholte Vorstellung anders aktualisiert als original gedacht). Ich sage immer wieder: die Bibel ist kein Lehrbuch sondern ein Diskussionsbuch. Also, man kann vielleicht alle Vorstellungen (ff) gleichzeitig „schlucken“, aber sicher nicht gleichzeitig verdauen. Deshalb kommt’s auf die Lebens-Einstellung an, in denen sich die sehr unterschiedlichen Vorstellungen auswirken. Sicher „in der Liebe“; aber bittschön nicht nur moralisch sondern auch in dem, was Sie an mehreren Stellen ansprechen: Halt finden, Geborgenheit, innerer Selbstwert ff . Oder ich setze (ein bisschen in Anklang an Drewermann) hinzu: Trotz der Widerborstigkeit des Lebens dieses Leben bejahen können, die Kraft bekommen „trotzdem“ zu sagen.
    Nahtodeserfahrung – da hat sich ja heute Vormittag eine überraschende Perspektive eröffnet. Aus der sehe ich (wieder), wie unterschiedlich Leute mit ihren Erfahrungen umgehen können. Dabei auch zu berücksichtigen, dass aus dem Füllhorn der diesbezüglichen Erlebnismöglichkeiten keiner alles erlebt. Schon allein deshalb können die nachträglichen Erklärungsversuche unterschiedlich ansetzen. Sascha Bohnenkamp sieht die Notwendigkeit, das wissenschaftlich zu verstehen und zu erklären. Und er hat einige Wissenschaftler auf seiner Seite, die das nicht etwa aus atheistischer Böswilligkeit so sehen. Wer sie ansieht als Einblick in jenseitige Erfahrungen, sollte dies dennoch oder gerade deshalb nicht aus möglicherweise (noch) ungeklärten Beobachtungen (Fleck über der Operationslampe, Beobachtungen an fernen Orten) zu stützen versuchen. Es wäre dann nicht mehr „jenseitig“.
    Ich sage hier mal allgemein: NTEs haben ihre Spuren auch in der Bibel hinterlassen. Ich denke auch, dass sie hier und in manchen anderen Religionen zur Ausgestaltung eines Weltbildes beigetragen haben, dieses mit(!) geformt haben. Aber wir sehen nur die Bilder. Da kann man wieder auf 1.Kor 13 kommen: trüber kupferner Spiegel > klar und nahe. Wichtiger als die Ausgestaltung der Welt(!)bilder ist dann die Aussage: „Die größte aber unter ihnen ist die Liebe“. Das hoffentlich auch als Haupt “Effekt” der NTEs (um einen Ausdruck von @SBohnenkamp – etwas gewaltsam? – in diesen Zusammenhang hinein zu zitieren). Und die hat, wie Paulus vorher ausführt, sehr viel mit Toleranz zu tun. Auch darauf müssen wir immer noch hoffen.
    Ja, und @SBohnenkamp, ich wollte dies zuerst schreiben und weiß sehr wohl dass ich zu der Zitiergenauigkeit ff Ihnen noch was schuldig bin… Das sollte aber nicht als Schnellschuss geschehen. Ich bin überhaupt nicht so sehr fürs Schießen. Dies hier dauerte schon (zu ) lange. Das andere wird folgen, sachte 🙂

  46. @Stefi

    Ich vermute die durch NTE bekehreten waren vorher schon latent gläubig ODER es ist eine physiologische Schädigung/Störung des Gehirns eingetreten, die dazu führt.
    (es gibt auch durchaus passende Untersuchungen dazu – das ist kein Religions-Bashing)

    Also “ja”

  47. Paulus und Toleranz

    Gerade bei Paulus muss ich an vieles denken, aber sicher nicht an Toleranz.
    Was “Liebe” aus christlicher Sicht bedeutet, wäre auch noch mal ein Blog-Thema wert – glaube ich.

  48. @Stefi

    “Denn es gibt ja eine Reihe von Schriften, die nicht nur die Bibelschrift auslegen, sondern ebenfalls sogar noch Kenntnisse der Wissenschaften beeinhalte, die erst mindestens Jahrhunderte später bedacht und nachgewiesen wurden.”

    Ein (einfaches) Beispiel dazu vielleicht?

  49. Zitiergenauigkeit @Sascha Bohnenkamp

    Sie können es natürlich so ausdrücken: “willkürlich am AT bedient“. Dabei muss man zweierlei bedenken: Erstens ist die Bibel, wie gesagt, ein Diskussions- und kein Lehrbuch. Deshalb ist es innerhalb der Bibel ähnlich wie eine Blog-Diskussion: Man zieht sich die Diskussionsbeiträge raus, an denen man weiter denken (weiter spinnen?!) will.
    Und zweitens fassten die Leute die ganze biblische Tradition ja so auf: Da lagen unerledigte Hoffnungen bereit wie Kleider, in die man neu hineinschlüpfen konnte – musste sie allerdings dafür umschneidern, damit sie wieder neu passten. Ich habe das für den Einzug Jesu in Jerusalem kurz skizziert, da blitzte die alte Hoffnung auf den Friedenskönig (Sacharja 9) neu auf. Dabei sind die Messiashoffnungen sehr disparat; auch da ein Auswahlverfahren: Andere, die Zeloten, haben Hoffnungen wie „Du sollst sie mit einem eisernen Zepter zerschlagen, wie Töpfe sollst du sie zerschmeißen.“ (Aus Psalm 2) neu zu aktualisieren versucht. (In der Johannesoffenbarung kommt dann allerdings auch das in die christliche Bibel hinein).
    Also, in aktuellen (religions-)politischen Auseinandersetzungen griffen die Leute auf die Worte, Symbole („Kleider“) zurück, was geschickt bereitlag und sich leicht auf die aktuelle Situation zuschneide(r)n ließ.

    Natürlich ist das, was da im AT bereitlag, nicht für Auseinandersetzungen konzipiert gewesen, was etwa ein halbes Jahrtausend später von Jesus (und anderen) aufgegriffen wurde. „Gemeint“ war etwa der Sohn einer „jungen Frau“, der Immanuel aus Jes 7, in einer Auseinandersetzung um das judäische Königshaus (und die Assyrer). Uns wurde es als versteckte Drohung gegen König Ahas erklärt. Aber es wurde (über die aktuelle Drohung hinaus, die der „Originalautor“ nur gemeint hat – da haben Sie Recht) wohl schon vor Jesus (und vielleicht besonders zur Zeit des Nicht-Davididen Herodes) zum Hoffnungsbild, und die Christen haben es in ihrer Weise aufgegriffen: Eine neuer, rechtmäßiger Davids-Nachkomme wird auftreten. Also, es gab immer wieder Leute, die an die alten, unerledigten Hoffnungen angeknüpft haben. Dass das so gemacht wurde, kann ich wohl verstehen – will aber dabei kritisch unterscheiden: Welche Hoffnungen man wie aufgegriffen? Darauf kommt’s an.

    Die angeblich “nahezu fehlerfreie Überlieferung” ist eine eigene Sache: Nachdem Schriften als „heilig“ anerkannt waren, hat man sowohl bei Juden als auch bei Christen auf pünktlichstes Abschreiben Wert gelegt. Und dafür gab es Sicherungssysteme (Worte zählen, Buchstaben zählen). Das schließt natürlich viele Ungeschicklichkeitsfehler nicht aus. Aber auch nicht (wohl sehr wenige, aber entscheidende) dogmatisch bedingte Nachträge.
    Spannender (und chaotischer) war es in der Phase, wenn ein Brief oder eine Sammlung von Prophetenworten in verschiedene Orte überbracht wurde, um in Versammlungen vorgelesen zu werden. Oder nach einschneidenden historischen Ereignissen (babylonische Gefangenschaft, Heimkehr, Makkabäeraufstand… Und im NT: Tempelzerstörung im Jahr 70!). Da wurde, na sagen wir mal, immer wieder aktualisiert. Ein schönes, relativ harmloses Beispiel: Jesaja 6,13. Das sei vermutlich, hörte ich mal, in drei unterschiedlichen historischen Phasen entstanden: Original nur a) „Auch wenn nur der zehnte Teil darin bleibt, so wird es abermals verheert werden“ – späterer Zusatz b): „doch wie bei einer Eiche und Linde, von denen beim Fällen noch ein Stumpf bleibt“ . Schließlich ganz trotzig c): „Ein heiliger Same wird solcher Stumpf sein“.
    Das mit der „Sünde“ ist wieder eine eigene Baustelle. Ich sagte ja schon in meiner Darstellung der sogenannten (!) Sündenfallgeschichte, dass der Begriff „Sünde“ wirklich nicht drin vorkommt. Ich vergleiche sie eher mit der griechischen Prometheus-Geschichte. Nun ja, aber mit der „Sünde“ hat’s dann das Alte Testament doch sehr stark – einerseits bei den Propheten: Ungerechte Verhältnisse, andererseits (und das steht in dem Diskussionsbuch AT durchaus in einem Spannungsverhältnis) priesterlich: rituelle Sünden, Unreinheit ff.
    Aber das wäre wirklich mal eigener Ausführungen wert.
    Und das „psychologische Artefakt“ ebenso, wenn ich da nicht unzulässig in die Religionswissenschaft übergreife 😉
    So viel für heute – will ja auch noch meinen Hochzeitstag feiern …

    Nachtrag:
    Ach, und mir ist das einleuchtend, dass 1. Kor. 13, 4-7 , sehr gut zur Toleranz passen. Muss man bei Paulus nicht daran sondern nur an Gegenteiliges denken?! Aber stimmt: Auch die “Liebe” wäre mal ein eigenes Thema.

  50. @ Sascha Bohnenkamp

    z.B. Die Schriften des Jakob Lorber?

    (Und zu dem anderen Thema NTE’s: Kennen Sie das Buch ‘Endloses Bewußtsein’ des Kardiologen Pim van Lommel? Zwischendurch wird es mit der Quantenphysik zwar etwas ‘haarig’, aber ich halte es für ein sehr lesenswertes Buch.)

  51. Zitierungenauigkeit

    “Das Baby weiß nicht, dass es geboren wurde, es kennt weder die Bedeutung gesprochener Worte noch versteht es, dass ´Helligkeit´ und ´Mutter´ unterschiedliche Phänomene sind. Wegen dieser Unfähigkeit zur Unterscheidung werden Sinnesreize kombiniert als zusammengehöriges Erlebnis abgespeichert – z.B. Wenn die Mutter sich außerhalb des Sehhorizontes befindet und dabei mit dem Baby spricht. Wenn man diese Erfahrungen wieder erinnert, so wird die Mutter als sprechendes Lichtwesen erinnert, mit eigener Persönlichkeit und als eine Quelle von Liebe und Zuneigung. So wird eine emotionale Erfahrung der Babyzeit in Sprachbegriffe und Wissen eines erwachsenen Menschen übersetzt. Eine fantastische Erfahrung.”

    “Die Symbolik verwandelt die Erscheinung in Idee, die Idee in ein Bild, und so, dass die Idee im Bild immer unendlich wirksam und unerreichbar bleibt und, selbst in allen Sprachen ausgesprochen, doch unaussprechlich bliebe.”

    Oder auch: das Leben als falsches/missverstandenes/unaussprechliches Zitat 😉

  52. @Stefi

    “Jakob Lorber” als Antwort auf meine Frage zu
    “Denn es gibt ja eine Reihe von Schriften, die nicht nur die Bibelschrift auslegen, sondern ebenfalls sogar noch Kenntnisse der Wissenschaften beeinhalte, die erst mindestens Jahrhunderte später bedacht und nachgewiesen wurden.” ?

    Mmh der ist 1800 geboren .. wie kann eine Schrift von ihm dann mindestens Jahrhunderte später nachgewiesen worden sein?

    Abgesehen davon .. was von seinen (esoterischen ggf. unwissenschaftlichen?) Behauptungen wurden denn “nachgewiesen”?

  53. @Stefi

    zu “Jakob Lorber” … die Anzahl der Monde des Saturn oder anderer Planeten z.B. sind es sicher nicht, die er richtig “vorhergesehen” hat =8-O

  54. NTE und Auferstehung

    Das Buch “Endloses Bewusstsein” des niederländischen Arztes Pim van Lommel ist die wohl am besten belegte Studie darüber, dass Nahtoderfahrungen 1) nicht neurologisch wegzuerklären sind und dass 2) Menschen mit solchen Erfahrungen vorher nicht schon immer gläubig waren.
    Ob das Phänomen etwas zur Erklärung von Jesus’Auferstehung taugt, weiss ich nicht.
    Man könnte die Auferstehung auch sehen in Zusammenhang mit einer langen Mythentradition der Unterweltfahrt, die ein Held durchlaufen muss, um aus der Zerstückelung wieder regeneriert hervorzugehen: z.B. die antiken Mythen von Osiris oder Dionysos. Damit wäre es ein Bild für Regeneration, ein bis heute rätselhaftes Phänomen: Warum können wir nach einer Depression wieder neuen Lebensmut schöpfen? Warum unverhofft trotz einer lebensgefährlichen Krankheit überleben? Welche Kräfte wirken hier? Christen würden hier sicher auch von “Gnade” sprechen, also ein übersinnliches Moment verorten.
    Die interessante Frage wäre, wie sich die Unterwelt- und Auferstehungsfahrt von Jesus von den vorchristlichen unterscheidet – denn auf solche Unterschiede legen ja die Kirchen die grösste Bedeutung.

  55. @ Stefi, @ Sünner: Pim van Lommel

    Die Bücher der großen Religionen enthalten tiefergehende Denkanstöße, Weisheiten und Erkenntnisse, über die es sich nachzudenken lohnt.
    Das ist wohl auch der Sinn von Herrn Aichele´s Blog-Beiträgen.

    Wenn aber hier Bücher, wie das von Herrn van Lommel ´Endloses Bewusstsein´ empfohlen werden, dann ist dies bloß peinlich:
    Nach seiner(Lommels) Vorstellung besteht das universelle Bewusstsein dauernd und alle Erfahrungen eines Menschen (Gedanken, Gefühle) werden darin gespeichert. Durch quantenphysikalische Effekte (Verknüpfung) hätten wir Zugang zu den eigenen, persönlichen Inhalten.
    Wenn man so einen Unsinn liest, dann drehen sich die Zehennägel auf – so weh tut das.
    Mittlerweile sollte sich herumgesprochen haben, dass Erfahrungen/Wissen im Gedächtnis gespeichert wird – und nicht im Bewusstsein.
    Bewusstsein ist situationsabhängig, als Reaktion auf aktuelles Erleben wird es mit Hilfe von Gedächtnisinhalten dauernd neu gebildet. Ohne reales Erleben gibt es keine bewusste Wahrnehmungen; z.B. bei Bewusstlosigkeit.

  56. Lommel

    Falsch: Lommel hat die genauesten empirischen Studien zur NTE durchgeführt,
    die es bisher gibt. Und zwar jahrelang. Er hat es sich nicht einfach gemacht. Dabei fand er z.B. heraus, dass es unmöglich ist, ausserkörperliche Erfahrungen automatisch als Hirngespinste oder Halluzinationen abzutun. Das ist sein Hauptverdienst. Zusätzlich und davon ausgehend erlaubt er sich Spekulationen über einen weiteren Bewusstseinsbegriff. Das ist nicht jedermanns Geschmack, aber erlaubt, zumal das Buch nicht mit dem Anspruch eines wissenschaftlichen Werkes daherkommt. Die Erforschung des Bewusstseins ist eine überhaupt noch nicht abgeschlossene und von zahlreichen Wissenschaften parallel betriebene Sache.
    Hier gibt es wesentlich mehr offene Fragen als klare Antworten und Diskussionen.
    Aber dem Teilnehmer ist entgangen, dass ich NTE hier gar nicht starkmachen will. Er soll lieber auf das Thema Auferstehung eingehen, statt alternative Denkweisen zu diskreditieren.

  57. NTE – mythische/ psychol Zusammenhänge

    Na, da ging ja einiges weiter. Interessant in vielerlei Facetten. Danke! Ich muss ja nicht bewerten, „nur“ meine Position bestimmen.
    Dazu kommt mir entgegen die Formulierung von KRichard: “Die Bücher der großen Religionen enthalten tiefergehende Denkanstöße, Weisheiten und Erkenntnisse, über die es sich nachzudenken lohnt. Das ist wohl auch der Sinn von Herrn Aichele´s Blog-Beiträgen.“ OK, so kann man es sagen. Ich bin dafür, dass man Religionen zumindest so achtet wie alte Schatzkammern: Nicht einfach abfackeln, sondern zumindest einiges anschauen, abwägen… – zumindest sehen, welche Lebensweisheit auch drin steckt. Natürlich auch: Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Es gibt schreckliche Seiten, Abgründe. Man muss sich nicht drin suhlen…
    Das mit den NTEs – OK, es hat nicht direkt mit dem Thema zu tun: Ob im Bekenntnis zur Auferstehung Jesu das Symbolische eher eine Abschwächung der Wirklichkeit ist oder eine bestimmte Sichtweise der Wirklichkeit.
    Aber: Im Zusammenhang der NTEs las ich mal was (bei Moody) , dass Tote nachträglich geschaut wurden. Man kann an solche Zusammenhänge auch in der Zeit nach Karfreitag denken. Insofern dürfen NTEs natürlich ins Umfeld der Überlegungen zur Auferstehung gehören. Aber da bin ich zu wenig in den diesbezüglichen Fragen – las nach Moody, der ja auch schon überholt sein dürfte, auch nichts mehr Neueres zu dieser Form von Schau. Und es wäre wohl eine psychologische Spezialfrage. Theologen haben sich in solchen Fremdgebieten schon so oft drin rum gepfuscht. Da mag ich mich nicht beteiligen, sondern die wirklichen Fachleute hören.
    Und meiner Meinung nach ist das (in der Apostelgeschichte legendenhaft überformte) Erlebnis des Paulus vor Damaskus eine NTE gewesen: Da hat er im großen Licht den Auferstandenen gesehen. Insofern kann man NTE nicht vom Thema trennen. Aber ich kann fachlich nicht viel beitragen zu den NTEs. Natürlich aber mit darauf achten, dass die Begriffe nicht durcheinander purzeln. Ich bin zB entschieden dafür, dass naturwissenschaftlich Erforschbares nicht heimlich doch mit transzendenten Vorstellungen vermischt wird bzw. als Beleg für diese herhalten muss. Ja, und was heißt transzendent? Da habe ich meine eigenen Fragezeichen an diesen doch von Menschen ausgedachten Begriff… Aber das wäre wirklich ein anderes Thema. Ich bin auch entschieden dafür, dass man weiß: Erklären muss nicht weg-erklären heißen.
    Mit Jakob Lorber´ habe ich noch nie was angefangen – das mögen andere betreiben, wenn sie meinen, es sei für sie gut.
    Lommel scheint ja interessanter, aber ich kenne auch von ihm nichts. Immerhin scheint er wissenschaftlich dran zu arbeiten. Aber Vermischung mit der Quantenphysik? Muss das sein? Stefi hat es ja schon kritisiert. Und ich habe mal jemand auf diese Weise theologisieren gehört. Das ist nicht meine Sache – mit mir nicht.

    Ja, das trifft natürlich mitten ins Thema – Rüdiger Sünner – Ich zitiere Sie in zwei Teilen:
    1) Das Mythische: “Man könnte die Auferstehung auch sehen in Zusammenhang mit einer langen Mythentradition der Unterweltfahrt … Die interessante Frage wäre, wie sich die Unterwelt- und Auferstehungsfahrt von Jesus von den vorchristlichen unterscheidet – denn auf solche Unterschiede legen ja die Kirchen die grösste Bedeutung.“
    Am allerletzten Satz mag dran sein , was will. Unterschiede kann man natürlich immer feststellen, und man muss ja auch im Vergleich von Mythen auch irgendwo Unterschiede feststellen, sonst wäre es kein Vergleich. Nur, diese Art von Vergleich mag ich nicht: die andern erzählen natürlich bloße Phantasie, bei uns ist alles göttliche Realität. Die Einzelheiten der entsprechenden antiken Mythen sind mir nicht gegenwärtig. Aber kurz und allgemein würde ich sagen: In den Mantel solcher Mythen sind natürlich christliche Geschichten mit hinein geschlüpft. Bzw. das war so etwas wie Osmose. Mir noch eindrücklich: Sowohl die Taufe Jesu als auch das Weinwunder in Kana wird altkirchlich mit dem 6. Januar in Verbindung gebracht: dem Tag des Dionysos. Also, was auch in den Tagen nach Karfreitag gezündet hat – Interpretationshilfen fanden die ersten Christen in ihrer Bibel (das Leiden des Gerechten ff); aber andere Geschichten waren auf dem großen religiösen Markt der Antike auch gleich sehr nah. Und die wurden z.B. in der nachbiblischen Höllenfahrts-Tradition so stark, dass man auch deshalb auf die Idee kam, es sei um Jesus herum gar nichts Historisches passiert, sondern er sei gewissermaßen aus verschiedensten antiken Mythen zusammen gepuzzelt worden. Bloß, wer hätte auf einer leeren Fläche puzzeln können? Deshalb wird’s wesentlich plausibler sein: Historisches ist Ausgangspunkt, wie wenig wir davon auch nachweisen können. Und dies ist dann mit mythenhaften Stücken überkleidet worden. Ja, jetzt haben zB Theologen oder Religionspädagogen die Aufgabe, den existentiellen Sinn dieses Überkleidens rauszufinden und darzustellen – durchaus unter Zuhilfenahme religionsgeschichtlichen Vergleichs: Welche psychischen, gruppendynamischen ff Zusammenhänge bewirkten gerade diese Art der Darstellung?
    2) Der psychologische Sinn:
    Und da bringe ich als zweiten Teil Ihres Zitats Ihre (im Originalen mitten eingestreuten) Überlegungen:
    „Damit wäre es ein Bild für Regeneration …[bzw]…: Warum können wir nach einer Depression wieder neuen Lebensmut schöpfen? Welche Kräfte wirken hier? Christen würden hier sicher auch von “Gnade” sprechen, also ein übersinnliches Moment verorten.“
    Ja, deshalb ist die Datierung von Ostern ja am jüdischen Frühlings-/Exodus-Fest geblieben; und der Begriff „Ostern“ dürfte ja auch damit zusammenhängen. Da ist schon so viel drüber geschrieben worden, dass ich’s lassen kann.
    Sicher hat man in alter Zeit dabei nicht so sehr von innerpsychischen Kräften – gar von Dopamin gegen Depression – gesprochen. Das war ziemlich schnell einfach als „göttlich“ (und/oder teuflisch) benannt. Und deshalb kann man durchaus sagen: Die Ansage der Auferstehung hat ziemlich früh schon eine Form bekommen, die man auch als „Schöpfen neuen Lebensmutes“ bezeichnen kann. Besonders deutlich wird das in vielen Osterliedern, bis heute. Why not? Aber auch schon in solchen Sätzen wie:
    „Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten“ (Epheser 5,14). Und das setzt sich fort bis in die Ermutigungsrufe in den Osterliturgien.

    Ja, ich hab’s ja befürchtet: Es wurde doch wieder einiges. Und vielleicht kam ich gar nicht auf die Themen, die der eine oder die andere auch noch erwartet hätte.
    Um die „Sünde“ habe ich mich wieder gedrückt 😉
    Aber das sollte jedenfalls auch deutlich werden: Man muss sich auch als Christ nicht in die Primitiv-Schablonen stecken lassen, die manche – Freund und Feind – gerne für kirchlich denknotwendig halten möchten.

  58. @Sünner

    Wie gefährlich ist es, am Rande eines tiefen Abgrundes zu stehen?
    Diese Frage ist sehr suggestiv, denn mit ´am Rande eines Abgrundes´ wird eine subjektiv lebensbedrohende Gefahr suggeriert – welche allerdings real überhaupt nicht vorhanden ist. Denn die Betonung des Inhaltes ist bei ´stehen´. Solange man steht, ist die Situation völlig ungefährlich!
    Ähnlich ist es mit dem Begriff ´Nahtod´. Er hat keinerlei sinnvolle Aussage, wenn man ihn näher betrachtet. Bereits das Buch, auf dem dieser Begriff zurück geht (Leben nach dem Tod), gebraucht ihn schlampig: Wenn man während eines NTEs gleichzeitig seine Umgebung beobachten kann (Kapitel: Das Lichtwesen) oder wenn man nicht einmal verletzt war (Kapitel: Die Rückschau, (LKW-Fahrer)) dann war man voll bei Bewusstsein.
    Und wenn ein angeblicher ´Fachmann´ wie van Lommel noch nicht einmal den Unterschied zwischen ´Gedächtnis´ und ´Bewusstsein´ kennt, dann ist dies trotz quantenphysikalischem Erklärungsversuch mehr als armselig. Billige Antworten, mehr nicht. Wikipedia ist deutlich besser.
    (Unter http://www.gehirn-und-geist.de/artikel/1017716 gibt´s eine Buchbesprechung)

    Im Gegensatz dazu gibt die Bibel keine billigen Antworten, sondern fordert die eigene Entscheidungsfähigkeit heraus; z.B. aktueller Blog: Was bedeutet der Opfertod? Will ich überhaupt, dass Jemand sich für mich opfert? Welches Opfer anderer Personen ist überhaupt zumutbar und darf man solch ein Opfer annehmen, auch wenn es positive Auswirkungen für die eigene Person hat? – und ganz aktuell: Was ist mit der Organspende, von lebenden bzw. toten Menschen? Soll/kann man spenden bzw. soll/kann man eine Spende annehmen und unter welchen Bedingungen? Man legt sich krank und leidend auf den Operationstisch und steht als Gesunder wieder auf. Will man eine solche ´Auferstehung´ überhaupt, und unter welchen Bedingungen?

  59. @Aichele

    Wie wird denn die Auferstehung im 21. Jahrhundert theologisch verstanden? Auch als Bild für das “Schöpfen neuen Lebensmutes”? Also symbolisch-psychologisch? Oder hält man die Option offen, dass da wirklich ein Körper gen Himmel gefahren ist. Jesus als Wundermann, Mysterium, der in einer paranormalen Vision erfahrbar wurde oder als ein Mensch, dessen grosse physische, psychische und spirituelle Kraft vorbildhaft sein kann?

  60. Aussagen früher u heute @RSünner

    “Wie wird denn die Auferstehung im 21. Jahrhundert theologisch verstanden?“ Wenn ich das nur auf einen Nenner bringen könnte. Na ja: Das „Symbolisch-Psychologische“/ “Schöpfen neuen Lebensmutes” – ist überall dabei, in allen Konfessionen. Und es war wohl auch in der ganzen Kirchengeschichte so etwas wie eine Grundlinie. Sieht man den Osterbräuchen und den kirchlichen Osterliturgien. Oder in den Osterliedern – etwa „Wach auf, mein Herz, die Nacht ist hin, die Sonn ist aufgegangen, ermuntre deinen Geist und Sinn, den Heiland zu umfangen, der heute durch des Todes Tür gebrochen aus dem Grab herfür, der ganzen Welt zur Wonne.“ Da wird einfach alles ineinander gesehen und besungen: Ein als objektiv gedachtes Geschehen und die Impulse für das „Herz“, also Motivation für ein „Selber (psychisch) auferstehen“. Dieses Textbeispiel ist von 1700; und das wird – teilweise unhinterfragt — bis heute so weiter gesungen.
    Aber (und damit zur Gegenwart):
    Dieses Ineinander muss eben auch hinterfragt werden – wird auch, nicht erst heute, sondern zumindest seit den Wechselwirkungen zwischen Aufklärung und Theologie. Und ab da rede ich mal nur für die protestantischen Kirchen: Seit der „liberalen“ Theologie vor hundert Jahren und seit der Entmythologisierungsdebatte (Bultmann, ab 1941) wird hier und da immer mehr auch darüber geredet, ob denn nun das Grab Jesu leer gewesen sei und warum. Aber: Dieses Reden dringt nur sehr unterschiedlich in den Gemeinden durch. Und das hängt in den letzten Jahrzehnten weniger von kirchlicher Dienstaufsicht/Zensur ab, sondern davon, was die Leute zu hören bereit sind. Viele — auch, die es „selber nicht so richtig glauben“ — möchten doch, dass wenigstens die Pfarrer „es glauben“. Dabei aber (über das Standardargument „bei Gott sind alle Dinge möglich“) sich an Einzelbegründungen nicht aufhalten. Ich fand es dazu schon auch mal bezeichnend, dass mir ein Predigthörer nach einer Osterpredigt eines anderen Pfarrers klagte, dieser habe *nur* andauernd betont und gerechtfertigt, dass das Grab Jesu leer gewesen und die Erzählungen davon keine „Erfindungen“ gewesen sein könnten. *Nur* darüber zu reden – da sei doch nichts von Osterfreude spürbar geworden! Eben, da wurde die oben genannte Grundlinie vermisst. Man kann aber auch eine Osterpredigt nicht zu einem Fachvortrag mit gegenteiliger Tendenz machen. Das wäre ein ähnlicher Effekt.
    Es erweist sich bis heute in den Gottesdiensten (in denen Ausführungen sowieso sich nicht in die Länge ziehen dürfen und Rückfragen kaum möglich sind) auch erwachsenenpädagogisch als sinnvoll: mit Formulierungen zu arbeiten, die auf der Ebene historischer Fragen manches in der Schwebe lassen und dafür diese (innere /psychologische) Grundlinie betonen. Im Religionsunterricht sollte es anders sein. Es war bei uns (bereits um 1960) schon anders. Aber daran sieht man eine gewisse Ungleichzeitigkeit: Unser Religionslehrer spöttelte damals über einen Kollegen, der eine Diskussion über Himmelfahrt beendete mit dem verzweifelten Ausruf „mindestens einen Meter über der Erde“ müsse Jesus gewesen sein. Ich denke, dass es auch heute solche und solche gibt.
    Also, da sind auch die Pfarrer sehr ungleichzeitig; und auf eindeutig-einheitliche Aussagen über die Vorstellungen und mythologischen/religionsgeschichtliche Bezüge könnte man sich bis heute nicht einigen, obwohl man an den Universitäten genügend darüber lernen kann. Deshalb ist’s auch unter Pfarrern manchmal vorteilhafter, man redet mehr über die EINstellungen (die „Grundlinie“) als über die VORstellungen… Oder: Man lässt Ihre Alternativ-Fragen nicht als scharfe Alternativen gelten. Muss ja – gerade wenn es das Psychologische tangiert, auch nicht alles in scharfe Alternativen auseinander geschnitten werden… Und ich habe es wohl schon mal erwähnt: Wenn mancher Pfarrer nach dem Ostergottesdienst zum Ostermarsch ging – ist es da so relevant, welche Vorstellungen er vorher über das „leere Grab“ geäußert hat?! Hauptsache, er wusste was von der Kraft des Friedens; und hat das was rübergebracht.

  61. @Aichele

    Danke für die ausführliche Info.
    Sie schreiben: “Wenn mancher Pfarrer nach dem Ostergottesdienst zum Ostermarsch ging – ist es da so relevant, welche Vorstellungen er vorher über das „leere Grab“ geäußert hat?! Hauptsache, er wusste was von der Kraft des Friedens; und hat das was rübergebracht.”
    D.h. aber, das man in der Theologie aufgehört hat, über die mögliche Faktizität hinter der Auferstehung zu sprechen, sondern nur noch auf die Wirkung des Symbolischen vertraut. Nach dem Motto: wirklich ist, was wirkt. Warum kann man dann die Bibel nicht vollständig als literarisches oder mythologisches Werk sehen? Oder gibt es das auch schon?

  62. JEIN — Theologie u Mythologie — @RSünner:

    In der Theologie hat man nicht aufgehört, „über die mögliche Faktizität hinter der Auferstehung zu sprechen“. Da kommt man aber auch (nicht durchweg aber doch) öfters mit guten Gründen drauf, dass die einzige greifbare (und notwendige) „Faktizität hinter der Auferstehung“ das Kreuz ist, der Tote am Kreuz. Übers Grab wird natürlich auch immer wieder diskutiert; besonders von Leuten, die da doch eine „Faktizität“ unterstellen wollen. Oder auch von anderen, die (mit Lüdemann, dessen historische Überlegungen manche für furchtbar neu halten und bisher in der Theologie angeblich nie verhandelt… ) nur damit bereits alles erledigt haben wollen.
    So, und dass ums Grab nichts historisch greifbar ist (und auch nicht nötig) – und dass eine Glaubensaussage schon grundsätzlich nichts historisch Feststellbares bedeuten kann – , das denken viele (die Mehrheit?) Pfarrer zwar ähnlich; aber: im kirchlichen Normalbetrieb verblasst solches in der Universität Gelernte; und sie konzedieren den geläufigeren Vorstellungen über doch mögliche Faktizität mehr Raum. Das finde ich nicht so sehr schlimm – ich finde es erst dann schlimm, wenn (was es leider gibt und das genannte Beispiel eines Fremdpredigers zeigt), der Glaube immer noch in steinerne Fakten-Behauptungen eingemauert wird. Oder am leeren Grab der Glaube gemessen werden soll.
    Denn, und das ist meine (aber unter protestantischen Theologen keineswegs isolierte Sonder-) Meinung:
    Was man da auch historisch rausfinden mag – das Grab besagt ja nichts, ist insofern „leer“. Wirksam war (da hat was gezündet) der damals aus Psalmen und Prophetenworten neu entdeckte Bedeutungszusammenhang. Ja, eben gerade die Wirkung symbolischer Zusammenhänge. Ich habe was gegen das „Nur“: Worte, die symbolische Zusammenhänge deuten, können wirkkräftiger sein als bloße historisch greifbare Fakten.

    Theologen lernen im Studium durchaus – so viel zur Schlussfrage – , dass es in der Bibel viele mythologische Erzählungen gibt. Aber bitte, nicht durchweg: es gibt auch Sagen, Legenden, Fabeln…; und es gibt auch Geschichtsschreibung in der Form schlichter Berichte, wie interessegeleitet sie auch immer sind. Das sind schon zu unterscheidende Genres; deshalb ist nicht „alles“ mythologisch. Ja, und das Schwierige ist, dass es zwischen den einzelnen Genres fließende Übergänge gibt – etwa zwischen Mythen und Sagen, zwischen Sagen und Legenden, Legenden und Märchen… Muss man im Einzelnen sehen.
    So, und dann ist eben auch einzeln zu erheben, welcher Sinn in welcher Erzählung transportiert wird – auf innerpsychischer oder gesellschaftlicher Ebene (und dazwischen gibt es noch einige Bereiche). Und das kann man wiederum nur, indem man die Symbolsysteme der (religiösen) Umwelt mit berücksichtigt. Habe ich doch irgendwo geschrieben: Das Weinwunder Jesu am Tag des Dionysos!
    Also, Berührungsängste gegenüber mythologischer Interpretation vieler Stellen der Bibel *dürfte* es unter heutigen Theologen relativ wenig geben. Na ja, das “dürfte” kann man so oder so verstehen 😉
    Im Übrigen: Ich finde Ihre Internetseite anregend. Müsste ich mir manches genauer anschauen – besonders an den Schnittpunkten zwischen Religion und Psychologie.

  63. Die Auferstehung der Toten

    (Genesis 2,15-17) Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte. Und Gott der HERR gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.

    Wer nicht weiß, was Gerechtigkeit ist, darf auch nicht wissen, was Ungerechtigkeit ist, um eine Existenz in “dieser Welt” (zivilisatorisches Mittelalter) ertragen zu können. Zu diesem Zweck gibt es die Religion, die so erfolgreich war, dass sie die systemische Ungerechtigkeit der Erbsünde bis heute aus dem allgemeinen Bewusstsein der halbwegs zivilisierten Menschheit ausblenden konnte, während das Wissen seit langer Zeit zur Verfügung steht, um diese “Mutter aller Zivilisationsprobleme” endgültig zu eliminieren.

    (NHC II,3,21) Diejenigen, die sagen: “Der Herr ist zuerst gestorben und dann auferstanden”, sind im Irrtum. Denn er ist zuerst auferstanden und dann gestorben. Wenn jemand nicht zuerst die Auferstehung erwirbt, wird er sterben.

    Bis heute ist unsere “moderne Zivilisation” auf der Religion aufgebaut, und mit einem hatte Karl Marx Recht, auch wenn er als Ökonom keine Leuchte war: Die Religion ist das “Opium des Volkes”. Doch der “Unglaube” ist gegenüber dieser schlimmsten aller Drogen wirkungslos, weil Gott existiert – als Programm in Ihrem Unterbewusstsein. Die Bewusstwerdung der Programmierung nennt sich “Auferstehung”.

    (NHC II,2,108) Jesus sagte: Wer von meinem Mund trinken wird, wird werden wie ich; ich selbst werde er werden, und die verborgenen Dinge werden sich ihm offenbaren.

    Der Weisheit letzter Schluss: http://www.deweles.de/willkommen.html

  64. Gleichnisse, symbolisch

    Im NT kommen im Text am laufenden Band explizite Gleichnisse vor. Jesus steht in der Landschaft, und erzählt ein Beispiel – Arbeit im Weinberg, Hirten mit Lämmern und verlorener Sohn, beispielsweise.
    Wenn die Autoren also wollten, dass man den Text als Gleichnis versteht, hätten sie es einfach hineinschreiben können. Die Alternative ist, dass sie als oberschlaue Lenker des Geschicks sich dachten, dass es als Gleichnis nicht wirkt, so dass sie es als Tatsache hinstellen müssen.

    Soweit ich weiß dachten die ersten Generationen noch, das jüngste Gericht stünde unmittelbar bevor, und sie selbst würden es erleben.

    Selbst heute nehmen manche Christen (und Juden?) die Schrift für bare Münze, und glauben an eine historische Schöpfung.

    Nun ja, erst glaubt man, dass andere wissen, was man selbst nicht weiß, dann glaubt man es selbst zu wissen.

    Oder soll man annehmen die Autoren hätten ihre Leser nicht einzuschätzen vermocht, und seien völlig falsch verstanden worden?

    Wenn alles irgendwie symbolisch ist, dann kann man natürlich ewig um die richtige Interpretation streiten – nur leider ist die Relevanz dann flöten. Was soll mich ein symbolischer Text aus dem Jahr 70, 150 oder 210 n.Chr. heute interessieren?

  65. Dialektik der Aufklärung

    [cite]
    Uralt muß die Erfahrung sein, daß die symbolische Kommunikation mit der Gottheit durchs Opfer nicht real ist. Die im Opfer gelegene
    Stellvertretung, verherrlicht von neumodischen Irrationalisten, ist
    nicht zu trennen von der Vergottung des Geopferten, dem Trug der priesterlichen Rationalisierung des Mordes durch Apotheose des Erwählten. Etwas von solchem Trug, der gerade die hinfällige Person zum Träger der göttlichen Substanz erhöht, ist seit je am Ich zu spüren, das sich selbst dem Opfer des Augenblicks an die Zukunft verdankt. Seine Substantialität ist Schein wie die Unsterblichkeit des Hingeschlachteten.
    [/cite] T.W. Adorno, Dialektik der Aufklärung.

  66. Symbolisch – @Stefan Wagner

    Symbolisch? @St.Wagner.
    Da gibt’s wohl nix, was es nicht gibt.
    Zuerst denke ich mal an die kleine Bemerkung aus einem Brief von Ende 1953 in der damaligen DDR/Ostzone an einen westdeutschen Empfänger: „Hier weht ein eisiger Ostwind – ich hoffe , Sie verstehen was ich meine.“ Wenn diese Bemerkung ein Briefzensor gelesen hätte – vermutlich nicht, der Brief kam ja durch bis Westdeutschland – wäre es wohl für den Briefschreiber etwas gefährlich geworden. Und er hätte nicht sagen können: Es war ja nur symbolisch gemeint. Eben deshalb, hätte er zur Antwort erhalten, betrachten wir dich als Staatsfeind. Sie dürfen nicht nach Westdeutschland solche Dinge schreiben wie die von einem gefährlich kalten Ostwind. Sie dürfen nicht dem Klassenfein in die Hände spielen…
    Das mal zum Realitätsbezug des Symbolischen.
    Sie weisen auf die Gleichnisse hin. An einer Geschichte, die ihrem originalen Wortlaut garantiert nicht als Tatsachenschilderung gemeint ist, kann ich auf eine interessante Entwicklung hinweisen: Der barmherzige Samariter (Lukas 10). Ist doch ein Gleichnis – klar? Aber nach Jahrhunderten war auch klar, dass man genau die Herberge ausgemacht hat, in der der Samariter den Verletzten ablieferte. Die Geschichte hat sich gewissermaßen materialisiert. Und ein Pfarrer, der eine Reisegruppe dort führte, verhedderte sich, indem er den Leuten erklärte: Hier ist die Stelle, an der der Herr Jesus den Samariter unter die Räuber fallen ließ… Schön 😉
    Ähnlich, die Geschichte von den „Weisen aus dem Morgenland“, die in Jerusalem und dann Bethlehem den „neugeborenen König der Juden“ anbeten wollen; den „wir haben seinen Stern gesehen“ (Matthäus 2) Anfangs waren es (Originaltext) Magier/Astrologen – harmloser: Weise. Daraus wurden aus verschiedenen Gründen im Lauf der Erzähltradition Könige; die Festlegung auf drei Personen, alle drei mit Namen versehen; und schließlich wussten manche ganz genau, dass durch diese drei Könige die drei (vor der Neuzeit bekannten) Erdteile vertreten wurden und also einer weiß-europäische, einer braun-asiatische und einer schwarz-afrikanische Hautfarbe haben muss. Auch da wurde im Lauf einer Erzähltradition einiges materialisiert – bis hin dazu, dass man für die drei dann auch noch Knochen vorzeigt und in Köln verehrt . Nun ja, das ist dann keine Materialisierung mehr, das hat dann eher materiellen Effekt 😉
    Was will ich damit? Daran plausibel machen, dass die Leute, die vor der Neuzeit selten oder nie so historisch-kritisch kalkulierten wie Sie(und ich jetzt in dieser Denkübung auch). Da haben auch nicht „schlaue Lenker“ sich die Wirkungsweise verschiedener Geschichten durchkalkuliert – etwa, um damit Menschen zu beherrschen. (Das gibt es auch, wird aber erst mittelalterlich sein). Sondern die haben die Wirklichkeit, in die sie hinein erzählten, für so symbolhaltig gesehen, dass sie zB die Frage, ob der Stern von Bethlehem jetzt ein Symbol sei oder ein astronomisches Ereignis, nicht verstanden hätten (in der Astrologie verwischen ja die Grenzen zwischen Symbol und Wirklichkeit in beispielhafter Weise; und nebenbei gesagt: dieser Stern wird Cäsar und Augustus geklaut sein).
    Sie hätten auch die Frage etwa nach der Messbarkeit der 6 bzw. 7 Schöpfungstage nicht verstanden. Denn diese ungeheuer symbolträchtige Siebenerzahl galt (für Leute im Umfeld babylonischer Astrologie, also auch Juden ) so als Grundprinzip der Welt – von der Astronomie bis hin zum weiblichen Menstruation, dass Gottes Wirken sich dem natürlich auch einzufügen hatte: Alles ein symbolträchtiges, ein symbolschwangeres Geschehen….
    Ich denke mir auch manchmal, wenn ich heutige Karikaturen anschaue. Die arbeiten ja mit Symbolen. Die Leute früher kannten solche Bilder nicht – nur ganz selten. Und die Bilder wären kaum reproduzierbar gewesen. Was machen, wenn man trotzdem solche Phantasiebilder im Kopf hat? Man macht keine Karikaturen sondern Erzählungen draus – in drastischen Bildern das ausdrücken, was man über verschiedene Ereignisse denkt. Das als Interpretationshinweis zu manchen Symbolgeschichten, Legenden ff . Und insbesondere zu den Bildern in der Johannes-Apokalypse.
    So viel für heute. Ist ja fast so viel wie mancher Blogbeitrag sonst. Und nebenbei ist eine Blog-Idee geboren worden. Fragen Sie jetzt aber nicht nach den gynäkologisch-medizinischen Umständen 😉
    Aber das als Frage meinerseits: Das Adorno-Zitat habe ich nicht verstanden – weder in sich selbst (war damit etwas über Jesus gemeint?); noch natürlich dann den Zweck, warum Sie es hierher gesetzt haben.

  67. symbolisches:

    Nein, Herr Aichele, Sie haben sich verlaufen:

    “Und er hätte nicht sagen können: Es war ja nur symbolisch gemeint.”

    Das wäre doch der Vorwurf, den die Zensoren machen: Dass es symbolisch gemeint ist. Ausrede könnte nur sein, dass es nicht symbolisch gemeint ist.

    “Das mal zum Realitätsbezug des Symbolischen.”

    Was soll mir das sagen?

    Was die Entwicklung von Legenden angeht, so mag es die ja geben – wenn es aber hart auf hart kommt zieht sich ein Theologe doch auf die Bibel zurück, und nicht auf Legenden. Ich verstehe jetzt nicht was Ihre Position ist.

    Wenn es keine körperliche Auferstehung gab – ich meine, die Katholiken glauben doch sogar an die körperliche Himmelfahrt Marias, und können die Lehrerlaubnis verlieren, wenn sie dieses Dogma (oder ist es keins?) leugnen.

    Gibt man die Himmelfahrt auf, dann vielleicht auch alle anderen Wunder, vom Laufen über den See über Heilungen, Brotvermehrung, Auferweckung des Lazarus und hinein ins alte Testament mit Jonas’ Wal und Noahs Arche, brennendem Busch und den Plagen Ägyptens.

    Wenn das alles nur Symbole sind – worin unterscheiden sich die von den Metamorphosen des Ovid, und der Odyssee?

    Ich dachte die Priestertrugstheorie sei eine, wenn auch nicht komplett falsche, unzulässige Simplifikation der Entstehung der Religion. Sie meinen, für das einfache Volk soll man die Geschichten erzählen als seien sie wahr, und die Elite glaubt etwas anderes, und leitet das einfache Volk, dank der höheren Einsicht in die Wahrheit, weise mit Tricks und Betrug?

    P.S.: Adorno habe ich an Herrn Wehmeier gerichtet.

    Aber für Sie habe ich auch was: “Die Lehre der Priester war symbolisch in dem Sinn, daß in ihr Zeichen und Bild zusammenfielen. Wie die Hieroglyphen bezeugen, hat das Wort ursprünglich auch die Funktion des Bildes erfüllt. Sie ist auf die Mythen übergegangen. Mythen wie magische Riten meinen die sich wiederholende Natur. Sie ist der Kern des Symbolischen: ein Sein oder ein Vorgang, der als ewig vorgestellt wird, weil er im Vollzug des Symbols stets wieder Ereignis werden soll. Unerschöpflichkeit, endlose Erneuerung, Permanenz des Bedeuteten sind nicht nur Attribute aller Symbole, sondern ihr eigentlicher Gehalt. Die Darstellungen der Schöpfung, in denen die Welt aus der Urmutter, der Kuh oder dem Ei hervorgeht, sind im Gegensatz zur jüdischen Genesis symbolisch. Der Spott der Alten über die allzu menschlichen Götter ließ den Kern unberührt. Individualität erschöpft das Wesen der Götter nicht.”

  68. Symbol – @Stefan Wagner

    Das könnte noch ein Schlagabtausch werden. Nun denn, mal sehen…
    Dieses zweite Adorno-Zitat verstehe ich nur partiell. Vielleicht meint er sogar so was Ähnliches wie ich mit meiner „symbolschwangeren Wirklichkeit“. Den Gegensatz zur Genesis würde ich, falls ich ihn da richtig verstehe, bestreiten. Aber sei’s drum.
    Zum Hauptstrang des Themas: Eben das meinte ich mit dem Eingangsbeispiel, dass symbolische Bedeutung wirklichkeitsrelevanter sein kann als ein direkter, nicht-symbolisch gemeinter Ausdruck (und damit einer diktatorischen Staatsmacht gegenüber erst recht verdächtig machen kann). Da sind wir wohl einiger als Sie denken. Ich vermute, dass nur Ihr Feindbild mir gegenüber nachkorrigiert werden sollte.
    Das gilt erst recht da, wenn Sie schreiben: “Was die Entwicklung von Legenden angeht, so mag es die ja geben – wenn es aber hart auf hart kommt zieht sich ein Theologe doch auf die Bibel zurück, und nicht auf Legenden. Ich verstehe jetzt nicht was Ihre Position ist.“ .
    Meine Position ist, dass das nicht haltbare Gegensätze sind: Bibel oder Legenden.
    In der Bibel gibt es alles: Mythen, Märchen, Sagen, Legenden, politische Propaganda und entsprechend eingefärbte Geschichtsschreibung und ganz schlicht als Bericht gedachte Texte. So, und alle die (außer vielleicht den Letzteren, den Berichten) sind nicht nur prosaisch sondern auch öfters mal in poetischer Sprache. Ich weiß, dass es Theologen gibt, die das so nicht sehen wollen (und leider auch manche, die das zwar in der Richtung ahnen, aber das tumbe Volk davor bewahren wollen – das geht dann in Richtung Priesterbetrug). Aber so wird es an deutschen Universitäten gelehrt. Na gut, ich bin Protestant und habe da die Schwierigkeiten nicht, die Katholiken haben. Da scheint es tatsächlich die Restriktion zu geben, dass manches nicht öffentlich gesagt wird, was an den Universitäten denn doch gelehrt wird. Das kam im Fall Drewermann und sonst heraus.
    Und auf protestantischer Seite ist es so, dass man zwar in Äußerungen innerhalb akademischer Diskussionen relativ frei ist; aber in der ganz normalen Gemeindearbeit/ in den Sonntagspredigten unterlassen es viele Pfarrer, diese von Ihnen angesprochene Problematik wirklich aufzuarbeiten – die Teile der Bibel, die Mythen, Märchen und Legenden sind, dann auch wirklich als solche zu benennen. Da legen sich viele ihre Kompromissformeln zurecht – etwa: die Erzähler haben sich doch etwas gedacht, als sie von dem 7-Tage-Schöpfungswerk Gottes sprachen (Hier den Ausdruck „berichteten“ zu benützen, ist häufig; aber da wird’s unredlich. Ich habe es schon versucht mit „ …als sie das alles in ein 7-strophiges Gedicht über die Schöpfung Gottes fassten“. Und den Konfirmanden erklärt man zB, dass das, was da nach dem Stand der damaligen vor-wissenschaftlichen Welterkenntnis an Vorstellungen verarbeitet wurde, natürlich nicht die eigentliche Zielaussage dieser Texte ist.
    Ja, und es soll dann nicht um naturwissenschaftliche bzw. antiwissenschaftliche Belehrung gehen sondern um das, was die Erzähler sich gedacht haben – zB die Rhythmisierung der Zeit – die Spannung zwischen Arbeit und Ruhe und auch die Zuspitzung auf den besonderen Auftrag an den Menschen – Herrschaftskritik gehört dann hinein und einiges mehr. Lauter Dinge, die naturwissenschaftlich irrelevant sind.
    Warum da solche Vorsichtsmaßnahmen in den öffentlichen Äußerungen? Da sind auf protestantischer Seite keine Lehrzuchtverfahren zu befürchten. Aber da gibt’s unter den Laien manchmal polternde Geister, die alles viel besser zu wissen meinen als ihre angeblich ungläubigen Pfarrer; und die können in einer Gemeinde Stunk machen. Also umgeht man öfters die schwierigsten Streitpunkte; und arbeitet es oft auch zu zaghaft auf. Das ist doch ein bisschen anders als hinterhältiger Priesterbetrug – eher so wie bei Lehrern, die (hoffentlich) mehr wissen als sie den Schülern sagen können.
    Noch zu den neutestamentlichen Wundern: Die sind auch sehr symbolgeschwängert. Am schnellsten kann ich das mit dem Wasser sagen: Da geht es nicht so sehr um nasse Füße, sondern um die Beherrschung der Unterwelt, die wir nicht mehr unter dem Wasser suchen sondern eher im Unterbewussten. Aber die haben ihre inneren Kämpfe weit nach außen projiziert. Und dann eben doch von den nassen Füßen des Petrus erzählt.
    Ja, ich weiß, bei der Auferstehung von Jesus, da wird’s auch für einen protestantischen Theologen heikler – weil viele meinen, die Tatsächlichkeit sei fest verknüpft mit der Körperlichkeit. Ich denke das nicht. Ich habe doch oben im Blogbeitrag zu zeigen versucht, wie diese angeblich unumgänglich feste Verknüpfung in universitärer Theologie entkoppelt wird. Nicht bei allen Theologen, aber doch vielen.
    Ach was, ich muss Schluss machen, gehe aber noch auf die Frage ein: “ Wenn das alles nur Symbole sind – worin unterscheiden sich die von den Metamorphosen des Ovid, und der Odyssee?“ Da sage ich mal schlicht: Ja, es gibt bei vielen Wundergeschichten vielerlei außerbiblische Parallelen – ähnlich symbolhaltige Geschichten, die prinzipiell in der gleichen Weise zu analysieren sind. Das habe ich in meinem Beitrag zur Jungfrauengeburt mal dargestellt. Aber, und darauf kommt es eben an: Es gibt keine Gemeinden, die diese anderen Quellen in ein Lebensbewältigungs-System einbauen – nicht als Ermutigungs- Trostgeschichten – nicht als Gründungslegenden für bestimmte Lebenszusammenhänge oder Jahresfeste… In der Bibel des Alten und des Neuen Testaments wird das Leben vielfältiger erzählt – besungen, durchlitten… Und mehr Menschen haben sich damit identifiziert. Kann ich was dafür?
    Aber jetzt reicht’s wirklich mal, für heute. Wieder eine ganze Aufsatzlänge…
    Best wishes – machen Sie’s gut.

    P.S. Das System scheint nicht auf allen Ebenen zu melden, wenn zu so einem alten Blogbeitrag ein neuer Kommentar geschrieben wird. Ich merke es dann schon. Am besten ist wohl, Sie setzen das Häkchen bei “Bei neuen Kommentaren per E-mail benachrichtigen”

  69. Eine echte Kommunikation ist denke ich nahezu unmöglich, selbst für die gläubigen. Eine symbolische widerum ist bestimmt möglich.

  70. auferstehung

    Meine Mutter hat sich die größte Mühe gegeben,

    mich gut zu erziehen, dem „Lieben Gott“ zu
    vertrauen, die Zehngebote zu befolgen und zu
    beten.
    Als ich in die Pubertät kam, habe ich „inbrünstig“
    gebetet. Ich wollte nicht „sündigen“, habe es aber
    doch getan! Der Jesus hat meine Gebete ignoriert!
    Das hat meine Seele verletzt und davon habe ich
    heute noch Depressionen.
    Dass habe ich überwunden, seitdem ich weiß,
    dass Jesus eine Lüge ist, von den Aposteln erfunden,
    die sich damit bis heute selber vergöttert haben.
    Wer betet bekommt keine Antwort. Wer eine will,
    muss sie sich selber geben und weil er zu Gott
    gebetet hat, liegt es nahe, dass er sich einbildet,
    die Antwort sei auch von Gott.
    Die Vorstellung, dass wir jemanden in Anspruch
    nehmen können, der alle Möglichkeiten hat unsere
    Wünsche zu erfüllen, ist verlockend. Wer will
    darauf schon verzichten, selbst wenn er weiß,
    dass das alles so doch nicht ganz stimmt.
    Der Jesuswahn hat also einen guten Grund!

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