Angst von Theologen gegenüber Naturwissenschaften?

BLOG: Hinter-Gründe

Denk-Geschichte(n) des Glaubens
Hinter-Gründe

Ist bei Theologen eine Angst gegenüber Naturwissenschaften heraus zu hören? Michael Blume hat es in einem Kommentar am 10. August einmal so formuliert: "Immer wieder erlebe ich … eine sehr große Angst von (christlichen) Theologen gegenüber Naturwissenschaften."

Mag sein; aber ich möchte dem widersprechen – gerade weil immer wieder an diesem Einwurf auch „etwas dran“ ist. Ich kenne vielerlei Vorbehalte und Grenzziehungen von Theologen gegenüber naturwissenschaftlichen Aussagen. Natürlich muss man unterscheiden – so etwa wie zwischen einem polizeilich verwendeten Bild und einem als Kunstwerk angefertigten.
Hauptmann von Köpenick

Wilhelm Voigt

 

Zweimal der "Hauptmann von Köpenick"

 

 

Manche Unterscheidungen sind sinnvoll, andere werden zu von Angst diktierten Grenzziehungen. Die sinnvollen Grenzen werden, ist doch zu unterstellen, philosophisch bewusste Naturwissenschaftler auch selbst zu ziehen wissen; gibt natürlich auch da pubertäre Alleinvertretungsansprüche auf die Wahrheit. Aber die ihnen nur einseitig von Theologen entgegen gehaltenen Vorbehalte sind eher so wie das ängstliche Abpassen bei einer Flut: Diese Marke wird sie doch hoffentlich nicht auch noch übersteigen. Wer Gott als Markierungszeichen für unsere erkenntnistheoretischen Grenzen oder gar für die Grenzen des (aktuellen) menschlichen Wissens ansieht, wird wohl immer wieder Abgrenzungsversuche machen müssen, die man als Angstreaktionen deuten kann.  Ebenso wie einer, der darauf insistieren muss, dass Religion natürlich nur wahr sein könne, wenn sie nicht „nur natürlich“ sei. Ist doch manches von Menschen Erdachte nicht nur schön ausgedacht sondern auch wahr. Um ständig neues kritisches Unterscheiden und Zusammenfügen wird man dabei ja nicht umhin kommen wollen.  

Karl Barth

Man kann es Karl Barthnatürlich auch so machen wie Karl Barth (1886-1968), der mehr als eine Generation protestantischer Theologen im letzten Jahrhundert prägte und darunter nicht wenige auch stark machte gegen den Nationalsozialismus. Er grenzte scharf die Bereiche ab, und das bewährte sich in seiner Form des Widerstands gegen das, was von NS-Ideologen als natürliche „Stimme des Blutes“… behauptet wurde – auch gegen manche als wissenschaftlich behaupteten und von Wissenschaftlern vertretenen politischen und gesellschaftlichen Programme.   

Deutlich kommt diese Abgrenzung heraus in dem, wie er gerade zu den heute oft verhandelten Fragen um Schöpfung und/oder naturwissenschaftliche Erklärung 1945 in seiner Kirchlichen Dogmatik schrieb, „dass es hinsichtlich dessen, was die heilige Schrift und die christliche Kirche unter Gottes Schöpfungswerk versteht, schlechterdings keine naturwissenschaftlichen Fragen, Einwände oder auch Hilfestellungen geben kann“(Vorwort zu KD III/1).
Das wirkt sehr souverän, wirkte sich aber auch sehr schroff abweisend aus: Kein Gespräch nötig? Kein Gespräch möglich, wenn sich die Theologie so autark erklärt. Das Gespräch mit der Naturwissenschaft wurde abgeschnitten anstatt qualifiziert. Und das bestimmte viele protestantische Theologen, die durch die Widerstandsgeschichte der barthschen Theologie lernten: Man muss auch Nein sagen können gegen manches, das sich als naturgegeben, als natürliches Bedürfnis… ausgibt.  
Und das hatte auch seinen Sinn – gegen eine „Physikotheologie“, in der manche Theologen mit unzulässigen Parallelisierungen von Begriffen oder Aneignung naturwissenschaftlicher Begriffe sich der Naturwissenschaft anzubiedern versuchten und mit ihrem Brückenschlag zur andern Seite zu leicht fertig und damit wohl auch zu leichtfertig waren. Oder wenn sie beispielsweise physikalische Erkenntnisse wie die Quantentheorie zu leichtfüßig für theologische Folgerungen missbrauchten. (Bzw. mit dem Nachbar-Blogger Honerkamp zu sagen, der in einem Kommentar über philosophierende Theologen klagt, aber über eine rühmliche Ausnahme bemerkt: „Endlich einmal ein Philosoph, der etwas von Physik versteht und als Theologe nicht immer nur darauf aus ist, einen neuen Gottesbeweis zu basteln“).

Hieß ja auch für die protestantische Theologie: Lasst doch der Naturwissenschaft ihr eigenes Recht, lasst die Naturwissenschaftler ihre Arbeit machen und redet ihnen nicht stümperhaft drein. Und verwechselt etwa bei den Ursagen am Anfang der Bibel theologische Aussagen nicht mit naturwissenschaftlichen Theorien. Schön, wie der alte Karl Barth in einem Brief von 1965 in Bezug auf 1. Mose 1 und 2 von  „Schöpfungsgeschichte“ redet und dass diese – im Unterschied zur naturwissenschaftlichen „Abstammungslehre“ – „natürlich in Form einer Sage und Dichtung“ überliefert ist (hier zitiert nach Meike Rodegro, Urknall oder Schöpfung?) Hätten nur manche Verteidiger des christlichen Glaubens, die leider immer noch von „Schöpfungsbericht“ reden, etwas von dieser selbstverständlichen und selbsbewussten Klarheit.
Das inhaltliche Gespräch mit der Naturwissenschaft war aber jedenfalls abgeschnitten.
In solcher Theologie wird das jeweils aktuelle Weltbild der Physik nicht abgelehnt – wozu auch? Sondern, wenn man so will, als Illustration des Glaubens so benutzt, wie in der jüngeren Schöpfungserzählung (1. Mose 1) die damals im Orient gängigen Vorstellungen eben auch mit benutzt wurden. Und die Evolution des Lebens wird nicht abgelehnt – wozu auch? Aber auch nicht weiter durchdacht, sondern als wunderbares Werk Gottes dargestellt.
Dadurch konnten Theologen sich in der Interpretation der alten vor-wissenschaftlichen Geschichten (etwa auf ihre religionsgeschichtlichen, mythologischen… Zusammenhänge) frei bewegen, ohne sie vor den Naturwissenschaften rechtfertigen zu müssen. Das machte einige Theologen in ihrer Redeweise vor einem nicht zu kritischen Publikum allerdings auch zu unbekümmert. Denn Einwände der Naturwissenschaft konnten lange Zeit als schlicht „nicht kompatibel“ erklärt werden. Nun, es war dabei auch deutlich die in der Mitte des letzten Jahrhunderts auch sonst übliche Arroganz der Geisteswissenschaften gegenüber den Naturwissenschaften zu spüren. Umgekehrt wurde solche Arroganz nicht gepflegt?
Mit anderen Wissenschaften konnte man sonst sehr wohl zusammenarbeiten: Zumindest in der „Praktischen Theologie“ (Gottesdienst, Unterricht, Jugendarbeit, Seelsorge) war das Gespräch mit Psychologen und Soziologen schon lange selbstverständlich. Und ebenso in der Interpretation der alten Texte auch eine sehr kritisch-konstruktive Zusammenarbeit mit den Geschichtswissenschaften.

Anthropologische Relevanz

Doch für diese Interpretationsarbeit wurden zumindest auch Erkundigungs-Besuche in Psychologie und Sozialwissenschaft immer notwendiger – um nicht in dogmatischen Behauptungen hängen zu bleiben sondern die anthropologische Relevanz solcher Geschichten angemessen beschreiben zu können. Dabei begann man den u.a. von Karl Barth für die Offenbarung und die christliche Botschaft schroff abgewiesenen Begriff von „Religion“ und die religionsgeschichtlichen Zusammenhänge wieder ernst zu nehmen. Die Religionen und ihre Geschichten fielen ja nicht vom Himmel, sondern wurden durchs Weitererzählen geformt und immer wieder umgeformt in konkreten Gesellschaften konkreter Menschen mit bestimmten psychischen Bedürfnissen und oft sehr bestimmten Absichten. Mit der Erforschung solcher das Bewusstsein der alten Erzähler und ihrer Hörer (mit) bestimmenden Umstände und besonders mit ihrer notwendigen Umsetzung in heutige Gegebenheiten nähert man sich dann  (und hoffentlich) auch wieder der Naturwissenschaft. Und mit den damit zusammenhängenden anthropologischen Grundfragen: Wer ist der Mensch, Heiliger und Sünder zugleich, der nach Gott fragt und der Erlösung bedarf? Welcher Erlösung  bedarf er, was kann er tun und worauf kann er hoffen?

Heutiger Stand
Und das dürfte deshalb der Stand einer heutigen aufgeklärteren Theologie sein:
Der Theologe muss nicht den Aufbau der Atome oder unseres Universums darstellen können (und sollte da nicht hineinreden). Aber von dem, was Forscher etwa über das Gehirn und Gehirnfunktionen wissen, sollte er ebenso eine Ahnung haben wie von besonderen menschlichen Erfahrungen wie etwa Nahtodes-Erlebnissen – um diese von naturwissenschaftlicher Seite gewissermaßen gegenlesen zu lassen. Was uns mehr mit den Bonobos oder den anderen Schimpansen gemeinsam ist und wie wir den aufrechten Gang lernten… – das ist sicher spannend. Aber für Theologen ist (durchaus im Zusammenhang mit solchen Fragen) eher das Verhältnis von Aggression und Egoismus/Altruismus wichtig. Weil sie dabei aber nicht wissen, ob vielleicht auch an einer unerwarteten Ecke etwas wichtig werden könnte, dürfte es nicht schaden, auch von etwas mehr eine Ahnung zu haben.
Über die Anthropologie, die Frage nach dem Empfänger und Verarbeiter der (christlichen) Botschaft wurde das Gespräch mit den Naturwissenschaften unumgänglich. Diesen Schritt hatten andere, mehr der Geisteswissenschaft zugerechneten, Disziplinen ebenso nötig, die bisher sich nicht bis in diese „Niederungen“ herablassen wollten.

Es ist schon etwa so
wie wenn Verwandte sich lange Zeit nicht gesehen haben und manches übereinander geschrieben haben (dabei einander nur selektiv wahrnahmen) aber nicht direkt zueinander gesagt… – wenn die wieder miteinander zu sprechen lernen versuchen, dass es da nicht ganz ohne Häme einerseits, Angstreaktionen anderseits abgeht. Doch es kann allen am öffentlichem Diskurs Beteiligten nicht schaden, einander zumindest besser kennen zu lernen. Und wenn man dabei entdeckt, dass man miteinander nicht zu leicht fertig werden kann, wird man auch mit den für die Menschheit heute anstehenden Fragen nicht zu leichtfertig umgehen.

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Veröffentlicht von

Hermann Aichele Jahrgang 1945. Studium evang. Theologie in Tübingen, Göttingen und Marburg (1964-70), Pfarrer in Württemberg, jetzt im Ruhestand. Hinter die Kulissen der Religion allgemein und besonders des in den christlichen Kirchen verkündeten Glaubens zu sehen, das war bereits schon in der Zeit vor dem Studium mein Interesse: Ich möchte klären, was gemeint ist mit den Vorstellungen des Glaubens, deren Grundmaterialien vor Jahrtausenden geformt wurden - mit deren Über-Setzung für uns Heutige man es sich keinesfalls zu leicht machen darf und denen gegenüber auch Menschen von heute nicht zu leicht fertig sein sollten.

15 Kommentare

  1. Zustimmung

    Lieber Hermann,

    vielen Dank für Deinen durchdachten Text! Denn ich kann Dir aus eigener Erfahrung nur Recht geben – als Religionswissenschaftler, der auf naturwissenschaftlicher Basis arbeitet, sitze ich ja immer wieder “zwischen den Stühlen”. Und dann ist es frustig, wenn sich Theologen zu oft nur ängstlich abgrenzen, statt stärker auch Chancen der Erkenntnisse zu betonen – wie Du es getan hast. Ein Theologenkollege hielt seinen Kollegen bei einer solchen Gelegenheit einmal vor, sie führten “Theology on the run – Theologie auf der Flucht” vor.

    So habe ich immer mal wieder bei Kollegen oder auch am eigenen Leib die sog. “Wahrheitsfalle” erlebt. Die funktioniert so: Vor einem Vortrag z.B. über die Evolution des Lebens im allgemeinen oder von Religiosität im Besonderen lassen sich einige (nicht alle!) Theologen zunächst bestätigen, dass Evolutionsforschung als empirisches Vorhaben immer vorläufig und überbietbar ist und also nicht in der Lage ist, letzte Wahrheitsfragen zu beantworten.

    Huldvoll lächelt da mancher Theologe ob dieser reflektierten Einsicht, um am Ende des Vortrages dann plötzlich festzustellen: “Jaaaa, das war ja schon alles sehr interessant. Aber zur eigentlichen Frage der Religion – der Wahrheitsfrage – haben Sie (Biologe, Religionswissenschaftler, Archäologe o.ä.) ja nun leider gar nichts beigetragen.” Da fragt man sich dann schon, ob man erst a la Dawkins polemisieren muss, bis eine ernsthafte Reflektion auch bei den Gesprächspartnern einsetzt.

    Ich sehe eine gewisse Verbesserung, da insbesondere junge Leute inzwischen deutlichere Frage zu Naturwissenschaft und Religion(en) stellen und es einige Theologen gibt (wie Dich, Achtner, Lüke, Gräb-Schmidt etc.), die sich ernsthaft um interessante Antworten bemühen. Aber die Zeit des arroganten “Eigentlich brauchen wir die anderen doch gar nicht. Lasst sie doch reden.” sollte m.E. sowohl auf der einen wie anderen Seite langsam zu Ende gehen. Wer Gott für den Schöpfer und Erhalter des Universums hält, sich aber nicht ehrlich und ausdauernd für Naturwissenschaft(en) interessiert, hat m.E. ein Glaubwürdigkeitsproblem.

  2. Leichtfertigkeit

    Wenn ein Theologen ernst genommen werden wollen, dann sollten sie sich nicht leichfertig selbst demontierten.
    Ich habe bei ´Natur des Glaubens´, (ab 9.10.10, Ist Religiosität eine Adaption) auf eine mögliche Ursache spirituellen Erlebens hin gewiesen. Die Reaktion war erbärmlich bis doof (Zehennägelargumentation). Eigentlich war zu erwarten gewesen, dass sich jemand darüber freut, wenn endlich einmal konkret gezeigt wird, dass eine Ursache von Spirtualität/Religiosität auf nachprüfbaren Grundlagen beruht. Dies ist eine der uralten Grundfragen. Ob die vorgestellte Argumentation richtig/falsch ist, hätte man nachprüfen können.

    Lesen Sie die Kommentare durch, auf meine Argumantation wurde nicht im geringsten eingegangen. Ist das Angst oder Unvermögen? Wie will man mit so einer Geisteshaltung zu einem Erkenntnisgewinn kommen?

  3. Demontage? @KRichard

    das mit der Selbstdemontage ist nicht nur für Theologen so eine Sache. Kann sich jeder dran beteiligen… Merken Sie was?
    Ihre “mögliche Ursache spirituellen Erlebens” ist schon auch mal ein interessanter Punkt, über den man natürlich auch mal diskutieren kann. War doch der Zusuammenhang zwischen Erinnerungsvorgängen um die Geburt und Nahtodes-Erlebnissen. Nun, bei “Adaption” passte es überhaupt nicht; das hat mich dort geärgert. Und warum bei anderen sich Zehennägel hochbogen, kann man ja dort nachlesen.
    Entstehung von Religiosität nur kurz: Sicher ein sehr vielfältiges Geschehen, bei dem der von Ihnen genannte Zusammenhang höchstens das Entstehen bestimmter einzelner Ausschnitte aus dem reichen Panorama religiöser Vorstellungen erklären könnte. Also eher ein Pünktchen als ein Punkt. Und ich bezweifle, dass einzelne Vorstellungen überhaupt Grundlage der Religion sind, eher Zündfunke. Aber das ist ein weites Gebiet, und damit greife ich eigentlich schon auf die Religionswissenschaft über.
    Na ja, als Darstellung wie Theologen mit (religions-)wissenschaftlichen Thesen umgehen, kann ich es mal hier so stehen lassen.
    Und ich nehme mir auch fest vor, Ihr Lieblingsthema Nahtodes-Erfahrungen mal in einem eigenen Beitrag aufzugreifen: Wie können/müssten Theologen damit umgehen? Dazu nur als Grundthese voraus genannt: Wer so was zu erzählen weiß, ist nicht tot(gewesen).

    Beste Wünsche – gegen die Selbstdemontage …
    H.Aichele

  4. Wahrheitsfalle und andere Denkfallen

    Besten Dank, @Michael, für Deinen nachhakenden Kommentar.
    Das mit dem empirischen Vorhaben, das “immer vorläufig und überbietbar ist und also nicht in der Lage ist, letzte Wahrheitsfragen zu beantworten“ macht mir immer Unbehagen – falls da Theologen meinen sollten [;-) ] , sie selbst wären dann die Überbieter mit der letzten Wahrheit in ihrer Tasche bzw. in ihren Büchern. Natürlich gibt es Grenzend des derzeitigen Wissens und auch grundsätzlich erkenntnistheoretische Grenzen. Aber sind das die Grenzen zur Transzendenz im theologischen Sinn? Muss die Theologie so tun als ob sie da den Zutritt hätte zu einem Bereich, den Philosophen erkenntnistheoretisch definieren oder Wissenschaftler zähneknirschend als (noch) weißen Fleck des Wissens eingestehen?
    Im letzteren Fall wird es da immer enger. Und seit mindestens Barth und Bultmann und anderen wird man deshalb mit Bonhoeffer spotten dürfen über die, die Gott in den immer enger werdenden Lücken unserer Erkenntnis suchen. Im ersteren – erkenntnistheoretischen – Fall müssten Theologen zumindest immer wieder fragen, ob sie nicht eine Definition/Grenzziehung benützen, die für ihre Arbeit denkbar ungeeignet ist. Vielleicht ist Gott doch – frei nach D. Bonhoeffer – mitten im erkenntnistheoretischen Diesseits jenseits – nämlich jenseits meiner Zugriffsfähigkeit. Da begegnet mir Gott nicht hinter feinsinnigen Formeln sondern in dem, was ich hätte tun oder lassen sollen. Vielleicht sind Theologen gerade auch mit ihren feinsinnigen Formeln manchmal „auf der Flucht“.
    Dein Beispiel der „Wahrheitsfalle“ könnte ich mir gut so vorstellen: Zuerst die ängstliche Frage, ob mir der Herr Wissenschaftler (wie ein Halbgott im weißen Kittel) möglicherweise meine Vorstellungen wegzuerklären fähig ist – die Wissenschaft ist, wer weiß, zu allem fähig… Dann erfreutes Aufatmen: Nein, das würde seine Kompetenz überschreiten. Deshalb lächelndes Begleiten. Schließlich Enttäuschung darüber, dass der, der freundlicherweise nichts wegerklärte, nicht doch auch freundlicherweise einen Ansatzpunkt lieferte für etwas, das man als Wahrheitsbeweis ausbauen könnte – die Wissenschaft könnte ja so viel…
    Ob gerade jüngere Leute deutlicher den Zusammenhang zwischen Glaube und Naturwissenschaft bedenken? Ich sehe es so nicht – natürlich auch bei Jüngeren, aber zunehmend?!
    Und ich selber bin ambivalent: Ich sortierte ja zwischen Fragen, die wechselseitig zu besprechen wären (individual- und sozialpsychologische hauptsächlich, Verhalten in evolutionärer Perspektive. Insgesamt: Anthropologie) und anderen, die uns als Theologen eigentlich nichts angehen sollten; bzw. die uns sehr viel weniger angehen als in einer gewissen Physikotheologie üblich – also die Geschichte und der Aufbau unseres Weltalls und der Aufbau der Materie. Das alles interessiert mich – auf Laienebene. Eben nur als Hobby-Interesse; fachlich werde ich da wohl nie durchsteigen. Vor der Relativitätstheorie und vor solchen Dingen wie der Stringtheorie oder den Multiversien habe ich schon kapituliert. Aber ich halte es für einen Holzweg, da hinein theologisieren zu wollen – etwa über die kosmologische Feinabstimmung und das anthropische Prinzip. Da würde ich gerne mit Mose, Elia und Jesus eine Hütte bauen und die fragen, ob die etwa das für nötig halten würden. Die würden wohl eher sagen: Mensch, du hast die Weisungen Gottes…
    Aber eben doch sehr gerne als Hobby-Interesse – ohne inhaltlichen Bezug zum Glauben. Jedenfalls nicht weil dies den Glauben an „Gott den Schöpfer und Erhalter des Universums“ fördern müsste – pure Neugier.

  5. Nachklapp – Theologen als Naturforscher, Wissensvermittler…

    Deine Forderung, @Michael Blume, an die Theologen, sich „ehrlich und ausdauernd für Naturwissenschaft(en)“ zu interessieren – der komme ich ja, wie im vorigen Kommentar geschildert, nur selektiv nach. Aber ich nehme sie als eine willkommene Gelegenheit, einen Nachklapp zu meinem ursprünglichen Beitrag einzufügen (den ich unterließ, welch ich alles auf die mit Karl Barths apodiktischer Trennung markierte Entscheidung fokussieren wollte):
    Wissenschaftlichen Interessen verfolgten ja, wie Du weißt, viele Pfarrer und Theologen, eigentlich seit dem Mittelalter, besonders deutlich mit dem Beginn neuzeitlicher Wissenschaft und ihrem starken Schub im 19. Jahrhundert. Oft als Hobby-Interesse, manchmal auch mehr. (Auch Computer wurden ja in geistlichen Gehirnen vorausgedacht). Viele von ihnen wollten eben auch an diesem Fortschritt des Denkens teilhaben und sich aktiv daran beteiligen. Sie verstanden sich ja oft als Vermittler höherer Bildung und Kultur (auf dem Lande). Und wie sie z.B. seit der wirtschaftlichen Umwälzung, die mit der Industrialisierung kam, für entsprechende Bildung und genossenschaftliche Organisation, auch für Verkaufsstrategien für landwirtschaftliche Produkte… eintraten – so haben sie auch sich oft wissenschaftlich als Volksaufklärer betätigt (und manchmal mehr über Kartoffelanbau gepredigt als über den biblischen „Schatz im Acker“).
    Natürlich waren viele dabei angetan von dem, was man Beweise Gottes aus der Natur nennen wollte. Oder man suchte in unerwarteten Zusammenhängen einen Spalt, in dem sich der Gedanke an Wunder vor dem Zugriff naturwissenschaftlicher Kritik retten ließ. Also etwa parapsychologische Überlegungen, die auch die ernsthafte Wissenschaftsgeschichte doch wohl lange Zeit begleiteten. Aber einen engeren Bezug zur Theologie sehe ich nicht.
    Und, das soll es ja auch gegeben haben, waren oder sind auch Untersuchungen oder Sammlungen mit echtem wissenschaftlichen Interesse der Pfarrer dadurch bedingt, dass sie sich sonst nicht ausgefüllt fühlten bzw. gewissen Konfliktsituationen in ihrem eigentlichen Beruf ausweichen mussten. Ich weiß nicht, was alles die Pfarrer bewegt hat, die etwa im 19. Jahrhundert Muscheln und andere Versteinerungen an der schwäbischen Alb sammelten, um dann mit noch schmutzigen Hosen und Stiefeln an den Füßen rechtzeitig in den Talar zu schlüpfen und schnell den Gottesdienst zu halten. Oder die, die (wie mein Großvater) neben ihren Predigten hauptsächlich Reagenzgläschen und astronomische Berechnungen hinterließen. Möchte ich mal erforschen…
    Immerhin ist für mich mit dem profimäßigen oder auch mit dem hobbymäßigen wissenschaftlichen Forschen solcher Pfarrer (und wie sie ihre Funde in die Öffentlichkeit vermittelten!) auch belegt, dass es eine böswillige Unterstellung ist, sollte etwa jemand behaupten [ 😉 ] , Religion sei grundsätzlich dazu da, Menschen gegenüber eigenem Denken und Forschen auszubremsen oder sie daran gar zu hindern.

  6. Die Angst der Theologie vor der naturwissenschaftlichen Methode ist schon berechtigt, denn wie könnte ein konkretes Gottesmodell analog zu einem naturwissenschaftlichen Modell falsifizierbar sein. Die all-Eigenschaften von Göttern erklären doch alles und jedes.

  7. Naturwissenschaftliche Methode und Theologie @adenosine

    Also,@adenosine, das sollte man ja wohl nicht erwarten, dass die naturwissenschaftliche Methode in die Theologie übernommen wird. Das wäre doch wohl so wie wenn man die an ein Polizeifoto angelegten Maßstäbe (für Exaktheit, Wiedererkennbarkeit…) auf eine künstlerische Darstellung übernehmen müsste. Das Beispiel habe ich ja ausdrücklich gebracht.
    Es ging mir zunächst mehr um die Angst gegenüber naturwissenschaftlichen Forschungen und Erkenntnissen bzw. um positives Interesse ihnen gegenüber. Und – ist ja klar: beides kann man feststellen; und beides hat seine je besonderen Gründe („Hinter-Gründe“ 😉
    Aber man kann auch mal über Methodenübernahme sprechen. Da würde ich sagen: Das ist allerhöchstens in kleinen Teilbereichen möglich. Nur: Naturwissenschaft ist nicht der Maßstab aller Wissenschaftlichkeit. In die Geschichts- oder Literaturwissenschaft, Philosophie und Psychologie, die in ihren Methoden der Theologie vergleichbare Elemente haben, kann man naturwissenschaftliche Maßstäbe auch nicht einfach übernehmen. Da ist zumeist wenig mit Wiederholbarkeit anzufangen und meist nix mit Falsifizierbarkeit.
    Ja, innerhalb der Theologie gesagt: Was wäre ein Gott, der in ein falsifizierbares Gottesmodell hineinpassen würde?
    Innerhalb des Atheismus fand ich auf die Schnelle zwei Beiträge in dem auch von mir besprochenen Buch „Brauchen wir Gott?…“
    Gerhard Vollmer hat so vielerlei Modelle von Gottesvorstellungen aufgezählt und keines davon etwa deshalb abgewiesen, weil es nicht falsifizierbar ist.
    Interessant dazu sein Abschnitt auf S. 20 dieses Buches: „Ist der Theismus prüfbar?“ Er beklagt darin gewisse „Immunisierungsstrategien“: sie fänden sich „in vielen theologischen Lehren: Gott wird also so gedeutet, dass eine Widerlegung unmöglich wird.“ Und dann kommt doch ein entscheidender Satz: „Diese Beobachtung ist selbstverständlich kein Argument gegen die Existenz Gottes, sondern eine Kritik an theistischen Systemen und Strategien.“
    Anthony Flew allerdings hat die Frage auf diesen Punkt gebracht: „Was müsste geschehen oder geschehen sein, das für Sie einen Gegenbeweis gegen die Liebe oder die Existenz Gottes darstellen würde?“
    Nun, ich würde deshalb zu Anthony Flew sagen: Er hat die Theologen mit der Nase drauf gestoßen, dass ihre übliche Redeweise auf Holzwege führen muss: Ich halte schon deshalb den Begriff der „Existenz Gottes“ schon mal für denkbar untauglich. Und würde bei der „Liebe Gottes“ höchstens metaphorisch von einem liebenden Wesen reden. Aber wohlgemerkt: Höchstens metaphorisch muss nicht heißen „leider nur metaphorisch“. Metaphorisch kann man manche Zusammenhänge ausdrücken, die in realistisch beschreibender Weise nicht sagbar sind. Aber das führt jetzt vielleicht ein bisschen zu weit.
    Grundsätzlich denke ich schon, dass das Gespräch von Theologie und entsprechenden Geisteswissenschaften ein Gespräch auf gleicher Augenhöhe sein kann – wenn man sich gerade des Werts und der Grenzen der jeweils eigenen Methoden bewusst bleibt.

  8. @H. Aichele

    Hmm… Also Sie billigen Gott keine ontologische Existenz zu, dabei aber eine (auch metaphorische) Wesenhaftigkeit. Wie soll das funktionieren? Ich weiß, dass ist etwas Offtopic, aber Ihre Aussage verwirrte mich etwas. Könnten Sie das bitte vielleicht erörtern?

  9. Gott und ontologische Existenz – @Hagthorpe

    Dass jemand so fragt wie Sie, N. Hagthorpe – ich bin nicht überrascht. Ist auch recht. Danke! Nun ja, andererseits wollte ich die Frage auch bereits abbiegen, indem ich sagte „Aber das führt jetzt vielleicht ein bisschen zu weit“ – nicht nur zu weit weg vom ursprünglichen Thema, na ja. Auch in Bereiche, in denen man leicht ausgleiten kann. Vielleicht was für Kompetentere… Versuche ich dennoch die Versuchung 😉
    Nun, ich will nicht gerade Gott was „zubilligen“ oder nicht zubilligen. Eher via negationis an unsere Begriffe von Gott rangehen: Dazu steh ich schon, dass sich der Begriff (!) Existenz immer mehr als denkbar ungeeignet erweist. Kein Wunder, dass wir damit immer mehr beim Teekessel Russels oder bei den Feen Dawkins landen. Oder auch so, dass manche, die da nicht aufpassen, so von Gott reden als kennten sie seine Psyche (und insbesondere, wen es ihn zu strafen gelüstet und mit wem er sich besonders verbündet). Sie müssten konsequenterweise dann auch nach seiner primären Sozialisationsphase fragen. Das hat manchmal fatale, zynische, menschenverachtende… Folgen; zumindest erscheint mir das als Holzweg. Und wer sich auf die „Wette“ Blaise Pascals einlässt – da schnappt vollends eine Falle zu – als ob die erkenntnistheoretische Fähigkeit zur Anerkenntnis der Existenz Gottes als eigene Entität etwas zu einer wie auch immer gearteten Seligkeit beitragen (oder im negativen Fall sie verderben) könnte.
    Zum „immer mehr“ ungeeignet: Ich hörte mal, dass „Existenz“ in klassischer und hochscholastischer Philosophie ein anderes Bedeutungsfeld hatte als heute. Kann ich (zumindest jetzt) nicht nachprüfen. Wäre interessant – z.B. für die Tradition der Gottesbeweise, die möglicherweise mal einen Sinn hatten (den selbst ein Hans Albert ihnen andeutungsweise zuerkennt – in dem im vorigen Kommentar genannten und auch von mir besprochenen Buch „Brauchen wir Gott? Moderne Texte zur Religionskritik“, Herausgegeben durch E.Dahl ). Sie sind aber ja bekanntermaßen seit Kant mit Recht obsolet geworden. Und ich finde es zum Verzweifeln, dass der Streit Theismus-Atheismus öfters wieder auf vorkantianischen Feldern landet – in gewissen Streitgesprächen im Fernsehen oder vor einem universitären Publikum.
    Vermutlich müsste Hans Albert mich zu denen rechnen, denen er einen „religiösen Pragmatismus“ vorwirft, „der auf theoretische Begründungen im klassischen Sinn keinen Wert mehr legt. Man geht davon aus, dass es solche Begründungen nicht geben kann und dass sie auch nicht notwendig sind.“ Aber die – nach Albert – ersten Vertreter dieser Richtung wie eben Blaise Pascal haben sich noch nicht davon gelöst, den Begriff „Existenz Gottes für denkbar ungeeignet zu halten.
    Vielleicht gehe ich damit nun zu weit; oder es führt zu weit. Aber es ist doch auch „klassisch“ anerkannt, dass jeder Begriff von Gott eben ein von Menschen gedachter Begriff ist.
    Ich denke, man muss Gott als Widerfahrnis, Herausforderung… schon ernst nehmen. Deshalb schrieb ich ja: „Vielleicht ist Gott doch – frei nach D. Bonhoeffer – mitten im erkenntnistheoretischen Diesseits jenseits – nämlich jenseits meiner Zugriffsfähigkeit. Da begegnet mir Gott nicht hinter feinsinnigen Formeln sondern in dem, was ich hätte tun oder lassen sollen.“ (und ich denke da an Matth. 25 – „was ihr getan… habt“; das hat übrigens uralte, auch schon vorbiblische Traditionen)
    Aber das menschenähnliche Antlitz, das wir (aus Gründen psychologischer Anthropologie relativ plausibel) meist sofort mitdenken und die menschenähnliche Psyche (Zorn und Liebe und alle Attribute wie Barmherzigkeit…) und die menschähnlichen, eben ins Unendliche gesteigerten, Fähigkeiten wie Allmacht ff – die sind doch von Menschen für Menschen gedachte Begriffe bzw. Bilder . Ich halte es deshalb für eine reife Einsicht im Islam, dass dort Gott 99 Namen zugeschrieben werden; und den hundertsten kennen wir nicht. Heißt doch: letzten Endes haben wir auch mit unseren Begriffen keinen Zugriff (Nur das Kamel weiß den hundertsten Namen; deshalb bewegt es sein Maul so, sagt es aber doch nicht).
    Und jetzt – mit Vorsicht – ein Vergleich: Ich rede auch von einem freundlichen Wetter oder einem grimmigen Sturm. Es gibt entsprechendes Wetter. Aber hat das Wetter eine Existenz? Oder der Sturm? Hat die Zukunft eine Existenz? (Die Vergangenheit schon eher). Es gibt Gerechtigkeit. Aber existiert sie?
    Ich kann da nicht weiter machen, denn auf dieses Gebiet wage ich mich nur autodidaktisch. Es gibt sicher Kundigere, die da besser durchsteigen. Ich versuche immer wieder, solche zu finden und heraus zu locken. Bisher vergeblich. Aber ich gebe zu, in dieser Richtung denke ich – versuchsweise. Akzeptabel?

  10. Auf der Flucht?

    Ich finde, das ist ein interessanter Gedanke, der möglicherweise die eine oder andere Tendenz in modernen Ausprägungen der Religiosität erklärt.

    Ich entnehme dem Diskurs hier, dass naturwissenschaftliche Erkenntnis die Theologie seit geraumer Zeit beeinflusst und dem Gottesbild auch Grenzen setzt (cf. “Gott der Lücken”). Das wird für die religiöse Alltagspraxis sogar noch stärker gelten.

    Kann man vor dem Hintergrund den Kreationismus und andere gegen die Wissenschaft gerichtete Strömungen nicht einfach als Versuch interpretieren, die (als verloren wahrgenommene) Deutungshoheit über das Gottesbild zurückzugewinnen?

    Nach dem Verständnis wäre es schlicht ein Kategorienfehler, “wissenschaftlich” (d.h. mit den Vorzügen der fraglichen Theorie) zu argumentieren – man müsste vielmehr einen Theologen vorschicken.

    Passt das?

  11. @Lars Fischer

    Ja, es haben ja mittlerweile viele, zumindest in der mir bekannten Historikerszene, erkannt, das der Kreationismus ein grundmodernes Phänomen ist, eine Reaktion eben. Dabei geht es natürlich nicht nur um das Gottesbild, auch nicht generell um Wissenschaftsfeindlichkeit, sondern vor allem um die Angst vor der Zerstörung einer als stabil geachteten Lebenspraxis samt Weltdeutungssystem in dem ganze Generationen aufgebracht worden sind. Und ja, der Kreationismus lässt sich auch theologisch angehen. Ich habe schon viele Theologen gesehen, die den Kreationismus vor allem als “bad theology” betrachten und (m.E. mit Recht) mit theologischen Begriffen gegen ihn argumentierten.

  12. @H. Aichele

    “Akzeptabel?”
    Ja, natürlich!
    So ist es klar und verständlich geworden. Und m. E. ist Ihre Position auch (im guten Sinne) relativ “klassisch”. Schließlich gehören Sätze wie “Es gibt Gerechtigkeit. Aber existiert sie?” genauso wie der Ansatz aus der negationis nicht minder zum christlich-theologischen Erbe wie die Gottesbeweise. Das Problem liegt wohl daran, dass sich viele “klassischen” Begriffe teils abgenutzt haben, aber vor allem mit vielen balastartigen Konnotation überwachsen sind. Andereseits sehen Sie wohl, dass neue Begriffe (noch) zu personell sind und zu Missverständnissen führen können. Auf jeden Fall finde ich Ihre Position so formuliert einleuchtend und, wie gesagt, in guter Tradition.

    Übrigens, habe ich ähnliche Ansichten auch bei einigen modernen katholischen Theologen gehört. Viele von ihne, gehen aber auch ziemlich leicht einen Schritt weiter und sagen, dass obwohl Gott entzogen, nicht psychologisierbar und im eigentlichen Sinne nicht “existent” ist, seine Transzendenz aber trotzdem gewahrt bleibe, da dieses wie auch immer Entzogene im Akt der Schöpfung notwendigerweise der Welt gegenüber getreten ist, damit ein Anderes der Welt, ein Anderes des Menschen geworden und somit auch ansprechbar ist, selbst wenn wir nicht fröhlich drauflos psychologisieren können. Was halten Sie von solchen Gedankengängen?

  13. Transzendenz @N.Hagthorpe

    Bei Ihrem, N.Hagthorpe, Hinweis auf moderne katholische Theologen gehe ich wohl doch lieber nicht mit: Gottes Transzendenz dadurch zu wahren, dass “dieses wie auch immer Entzogene im Akt der Schöpfung notwendigerweise der Welt gegenüber getreten ist, damit ein Anderes der Welt, ein Anderes des Menschen geworden und somit auch ansprechbar ist…“.
    Von dem, was im „Akt der Schöpfung“ gewesen sein soll, verstehe ich nichts. Und es geht mir nicht um „Transzendenz“, jedenfalls nicht im klassisch philosophisch-metaphysischen Sinn. Es geht mir – ziemlich naturalistisch – darum, dass es Widerfahrnisse gibt, die jenseits meiner Zugriffsmöglichkeiten sind – Wirkzusammenhänge, denen ich mich verdanke und auf die ich nur re-agieren kann. Und – das ist jetzt eine mit Risiko und Fragezeichen an meine philosophisch-theologische Kompetenz behaftete Behauptung:
    Eine der Reaktionen ist, dass solche Widerfahrnisse in verschiedenen Menschheitstraditionen immer wieder „Gott“ genannt werden, um sie ansprechbar (und mit anderen kommunizierbar) zu machen. Dieses „jenseits meiner Zugriffsmöglichkeiten“ war in frühen Gottesvorstellungen (der jüdisch/christlichen Tradition) noch lange nicht philosophisch-metaphysisch gedacht. Sondern da gibt es Begegnungen und andere Widerfahrnisse , die hinterher (z.B. im Gewissen des Einzelnen aber auch in der Gruppenidentität und den gemeinsamen Werten eines Volkes) als Gottes Ruf und Weisung gedeutet werden. Und im Zug solcher Deutungen wird die direkte Nennung Gottes immer verhüllter – geistiger.
    (Der Gott der älteren Schöpfungserzählung – 1Mose 2 – modelliert und operiert noch. Der Gott der jüngeren – 1Mose 1 – spricht und es geschieht. Anfangs hat Gott seine Wohnung über den Wassern des Himmels (Psalm 104), später können aller Himmel Himmel ihn nicht fassen).
    Und besonders seit der Begegnung mit griechischer Philosophie (Septuagínta-Theologie, Philo von Alexandrien u.ä.) wird er nicht nur geistiger sondern auch im metaphysischen Sinn transzendenter.
    (Natürlich wurde die Vergeistigung dann in späterer Theologie als schon vorbewusste Transzendenz gedeutet. Aber das war sie noch nicht: Gottes Geist schwebte über den Wassern).
    Dieser ganze Weg von unmittelbarem Reden über Gottes Wirken und entsprechenden Begegnungen (etwa mit Abraham) über die Vergeistigung (Elia am Horeb) bis hin zur Transzendenz dürfte, mit allen oben angedeuteten selbstkritischen Vorbehalten formuliert, dem Ziel gedient haben: daran festzuhalten, dass man Gott (die unserer Verfügung entzogenen Widerfahrnisse) nicht festhalten kann. Und dazu hat man sich zwar immer mehr der philosophischen Begrifflichkeit bedient; es geht aber um Individual- und Gruppenprozesse und deren Psychologie.
    Ich will und kann die Richtung dieser Denkentwicklung nicht umkehren. Aber ich will herausbringen, was als Antrieb hinter den Begriffen und Vorstellungen eigentlich ist. Auch deshalb heißt dieses Blog „Hinter-Gründe“.

  14. Theologen gegen Kreationismus @ Lars Fischer

    Lars F. meinte, gegen den Kreationismus müsste man Theologen vorschicken. Natürlich. Rein naturwissenschaftliches Argumentieren verhärtet die Fronten, denn von Hardcore-Kreationisten wird Naturwissenschaft sowieso als gottlos verstanden. Bzw. sie wollen ja eine gottwohlgefällige Naturwissenschaft errichten.(Daraus spricht ein heimlicher Respekt vor Wissenschaftlichkeit – sie wollen ja ihren Glauben wissenschaftlich absichern.)
    Aber man müsste nicht Theologen vorschicken. Das Argumentieren gegen Kreationismus geschieht von theologischer Seite schon vielfältig auf verschiedensten Ebenen. Hauptsächlich natürlich in Akademien, aber auch in Vorträgen auf Gemeindebene u.ä. Und natürlich auch – oft ganz ausführlich – im Religionsunterricht. Zwei Argumentationsrichtungen: 1) Man versucht klarzumachen, was in jeder Wissenschaft methodischer Agnostizismus ist und dass das nur so sachgemäß ist. 2) Versucht man klarzumachen, dass durch kreationistische Versuche die Glaubenstraditionen zu „bruta facta“ banalisiert und damit ihrer (symbolischen) Tiefenschichten beraubt werden – dass die geistige Auseinandersetzung dadurch quasi abgeschnitten wird.
    Ich hätte es bis jetzt nicht für nötig angesehen, hier in diesem Blog eine Auseinandersetzung gegen den Kreationismus anzuzetteln. Gegen wen denn auch? Oder wäre eine ausführlichere Darstellung dazu mal angezeigt?

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