Speedy Mic – ein explosives Sonnenbaby
BLOG: Himmelslichter
Zum ersten Mal ist es Astronomen gelungen, einen energiereichen Ausbruch auf einem fernen Stern nachzuweisen und zu rekonstruieren. Das Besondere dabei: „Speedy Mic“ ist kein exotischer Riesenstern sondern eine junger, unserer Sonne sehr ähnlicher Himmelskörper. Die Beobachtungen können helfen, die Vorgänge auf unserem eigenen Zentralgestirn besser zu verstehen.
Das Team um Uwe Wolter von der Universitätsternwarte Hamburg verwendete für seine Arbeiten den UVES-Spektrographen des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile sowie den Röntgensatelliten XMM-Newton der Weltraumbehörde ESA. Die Beobachtungen wurden bereits im Oktober 2006 durchgeführt, nun wurden die Ergebnisse veröffentlicht.
Das Objekt der Begierde, von den Astronomen aufgrund seiner schnellen Rotation „Speedy Mic“ getauft, heißt eigentlich BO Microscopii. Der Stern befindet sich etwa 150 Lichtjahre entfernt und steht im Sternbild Mikroskop. Schnell ist er in der Tat: in nur 9 Stunden dreht sich Speedy einmal um seine Achse. Zum Vergleich: unsere Sonne braucht dazu rund 25 Tage.
Speedy ist etwa 30 Millionen Jahre alt und ist damit ein ausgesprochener Jungspund – unsere Sonne ist mit 4500 Millionen Jahren (mehr oder weniger) sozusagen gerade im besten Alter. Es ist also gerechtfertigt, wenn ich ihn beim Vornamen nenne, auch wenn ich mit meinen 30 Erdenjahren der eigentliche Junior bin. Speedys Masse beträgt etwa 90% der Sonnenmasse. Weil die Masse eines Sternes der entscheidende Parameter für seine Entwicklung ist, kann man bei Speedy durchaus von einem sonnenähnlichen Stern sprechen. Es ist möglich, dass sich auch die Sonne in ihren jungen Jahren schneller gedreht hat und sich ihre Rotationsgeschwindigkeit im Laufe der Jahrmilliarden verlangsamt hat. Speedy kann uns also vielleicht eine Menge über die Jugend unserer Sonne verraten.
Das Problem: Speedy mit seinen 150 Lichtjahren etwa 10 Millionen Mal weiter von uns entfernt als die Sonne. Details in seiner Photosphäre zu erkennen ist ungefähr so einfach wie die Rillen in Neill Armstrongs Fußabdruck auf dem Mond wahrzunehmen – man bräuchte dazu ein Teleskop mit einem Objektivdurchmesser von wenigstens 400 Kilometern! Darauf werden wir noch eine Weile warten müssen.
Doch Astronomen arbeiten mit allen Tricks, um auch mit den heutigen Teleskopen an ihre Informationen zu kommen. Wolter und sein Team verwendeten die Methode des „Doppler imaging“, einem Verfahren, dass auf dem Doppler-Effekt des Lichts fußt. Wenn ein Stern rotiert, dreht sich immer eine Seite von der Erde weg und die gegenüberliegende auf uns zu. (Ausgenommen der seltene Fall, dass wir direkt auf einen der Pole des Sterns blicken.) Das Licht der sich wegdrehenden Seite wird dabei zum roten Ende des Spektrums verschoben, dass der anderen Seite ins Blaue. Aus diesen Informationen kann man nicht nur die Rotationsgeschwindigkeit des Sterns bestimmen, den Astronomen gelang es auch, mit Hilfe von 142 einzelnen Spektren des Sterns seine Oberfläche zu rekonstruieren. Dabei entdeckten sie dunkle Zonen in der Sternphotosphäre – wie die Sonnenflecken auf unserem Heimatgestirn.
Besonderes interessant ist die Beobachtung mehrerer „Flares“, kurzeitige, energiereiche Ausbrüche, die man ebenfalls von der Sonne kennt. Die Flares auf Speedy sind aber um ein Vielfaches energiereicher, denn die schnelle Rotation erzeugt sehr starke Magnetfelder: die Antriebsfedern der Flare-Explosionen. Einer dieser Flares, hundert Mal energiereicher als die Ausbrüche auf unserer Sonne, wurde mit dem Röntgenteleskop XMM über vier Stunden verfolgt. Zusammen mit den Spektren des VLT war es möglich, den Ursprungsort des Ausbruches zu bestimmen – erstaunlicherweise lag dieser nicht in der Nähe der Sternflecken, wie man es von unserer Sonne kennt.
Video eines X-Flares auf unserer Sonne. Aufgenommen vom Solar and Heliospheric Observatory (SOHO) am 4. November 2003
Möglicherweise helfen die Beobachtungen nicht nur die Entwicklung unserer Sonne besser zu verstehen, sondern verschaffen uns auch ein tieferes Verständnis der Entstehung der Flares auf unserem Heimatgestirn, deren Auswirkungen wir manchmal auch auf der Erde zu spüren bekommen.
Links:
ESO Pressemeldung vom 19.12.2007
Solar and Heliospheric Observatory