Belgien wird dunkler, Italien heller
BLOG: Himmelslichter
Keine Frage, insgesamt hat die Lichtverschmutzung seit Beginn von flächendeckenden Satellitenmessungen in Europa zugenommen. Das bestätigt auch eine neue Nature-Veröffentlichung von Jonathan Bennie und Kollegen von der University of Exeter in Großbritannien. Allerdings zeichnen die Forscher ein differenziertes Bild: In einigen Ländern und in manchen Gegenden hat die Helligkeit der künstlichen Beleuchtung merklich abgenommen. Die Unterschiede sind von Land zu Land gravierend.
So zeigen Frankreich, Italien, Portugal und Polen eine nahezu landesweite Zunahme der Beleuchtungshelligkeit, während die Lichtverschmutzung in Schweden, der Ukraine, Slowakei und Belgien zwischen 2005 und 2010 zwischen den Zeiträumen 1995-2000 und 2005-2010 (s. Kommentar unten). netto abgenommen zu haben scheint – zumindest, wenn man diesen mit den DMSP-Satelliten erstellten Karten glauben darf:
Zu- (rot) und Abnahme (blau) der von den DMSP-Satelliten gemessenen Nachthelligkeit Europas zwischen 2005 und 2010 zwischen den Zeiträumen 1995-2000 und 2005-2010 (Bennie et al. 2014)
In Deutschland ist das Bild zweigeteilt: Die Messungen zeigen eine leichte Abnahme im Norden und Osten des Landes, aber eine starke Zunahme im Süden und Südwesten.
Zunahmen der nächtlichen Helligkeit deuten, so die Autoren, meist auf eine Zunahme von Besiedlungsflächen hin, während eine Abnahme verschiedenen Ursachen haben kann. Oft handelt es sich um Industrieflächen, die nicht mehr benötigt werden, oder um Sparmaßnahmen. So sei die “Verdunklung” Belgiens vor allem auf die Abschaltung der ehemals flächendeckend beleuchtenen Autobahnen zurückzuführen. Das heißt natürlich nicht, dass Belgien nun dunkel wäre – das Land hat nun einmal eine ziemlich große Fallhöhe, was Lichtverschmutzung betrifft.
In einigen Fällen könne die Abnahme der Helligkeit aber auch auf Verbesserungen in der Beleuchtungstechnik zurückgeführt werden. Das macht Hoffnung, auch wenn man bei der Interpretation der Daten vorsichtig sein muss: So ist die spektrale Empfindlichkeit der Satelliten eine andere ist als die des menschlichen Auges, eine Veränderung der Beleuchtungstechnik (etwa zu LED) kann eine Verringerung der Lichtverschmutzung daher auch nur vortäuschen.
Auch messen Satelliten logischerweise nur das Licht, was direkt in den Weltraum gestrahlt wird, sei es durch Reflektion am Boden oder miserabel konstruierte Leuchten. Die Ergrauung des Nachthimmels – der “Lichtsmog” – kommt aber durch die Streuung des Lichts in der Atmosphäre zustande, hier können die Satelliten nicht das ganze Ausmaß des Problems abbilden.
Die Studie “Contrasting trends in light pollution across Europe based on satellite observed night time lights” ist als pdf frei herunterladbar.
Das Diagramm zeigt nicht die Veränderung der Nachthelligkeit zwischen 2005 und 2010, sondern die Veränderung des Zeitraums 2005-2010, (gemittelt über 5 Jahre, nehme ich an), gegenüber der Helligkeit im Fünfjahreszeitraum 1995-2000. Das steht auch so in dem Bild im Artikel und im verlinkten Nature-Artikel:
Also geht es um die Veränderung in einem Zeitraum von etwa 10 Jahren, nicht von 5 Jahren. Ich nehme an, die Helligkeitszunahmen in Portugal, Irland, Griechenland, Spanien, Polen, Russland und der Türkei korrelieren mit dem Wirtschaftswachstum dort in diesem Zeitraum.
Danke! Habe es im Text korrigiert.
Nachschwärmer in den jungen Euro-Ländern Portugal, Spanien, Polen haben also in einer Phase ungehemmter Kreditaufnahme sehr viel mehr Licht in den Himmel geschickt als früher.
Die Skandinavier dagegen wurden in der gleichen Zeit wohl umweltbewusster und haben ihre Lichtquellen dezenter in Szene gesetzt.
Diese bemerkenswerte Tatsache wurde in der Lichtverschmutzungsszene bereits mehrfach angesprochen. Sie sollte zu denken geben.
Bemerkenswert finde ich den Unterschied zwischen der Tschechischen Republik und der Slowakei. Die Länder waren ja mal eins, sie sind kulturell, wirtschaftlich und klimatisch vergleichbar. Beide blicken auf einen starken wirtschaftlichen Aufschwung zurück. Aber in Punkto Lichtverschmutzung liegen beide diametral auseinander. Das sieht man nicht nur in der obigen Karte (Figure 2b aus dem zitierten Nature-Artikel), sondern auch sehr schön in Figure 3c.
Bei den Tschechen überwiegen die Gebiete, in denen es heller geworden ist, bei weitem die, in denen es dunkler geworden ist. In der Slowakei dagegen ist es in 25% der Landfläche dunkler geworden, und nur in einem ganz kleinen Teil (in einigen Ballungszentren) heller. Das wird auch in dem Nature-Artikel diskutiert, siehe Figure 3 (wo allerdings bei Ungarn “Austria” draufsteht).
In der Slowakei wird der Schutz der Nacht stark forciert. Beispielsweise möchte der Nationalpark Poloniny nicht nur Flora und Fauna schützen, sondern wurde auch zu einem Dark-Sky Park erklärt in dem astronomische Volksbildung betrieben werden soll. Man wollte hier also ein ganzheitliches Naturkonzept schaffen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Nationalpark_Poloniny
Zudem beteiligt sich die Slowakei an dem Projekt ” Globe at Night:
http://de.rsi.rtvs.sk/clanok/rubriky/tagesthema/projekt-gegen-lichtverschmutzung
Die Ergebnisse sind einige osteuropäische Länder betreffend derart anti-intuitiv, dass von einem Problem bei der Erfassung bzw. – wahrscheinlicher – bei der Visualisierung der Daten ausgegangen werden kann.
Ich will die im Nature-Artikel gelisteten Ergebnisse weder verteidigen noch infrage stellen. Allerdings ist es so, dass besondere Effekte in einigen Gebieten der früheren UdSSR explizit angesprochen werden (Seite 3 des Nature-Artikels):
Dort wird außerdem auf de Artikel “Elvidge et al: Preliminary Results From Nighttime Lights Change Detection” (2005) Bezog genommen. Dort steht in Chapter 3:
Sollte also ein Fehler bei Datenerfassung und/oder -visualisierung vorliegen, dann tritt dieser Fehler nicht nur über einen langen Zeitraum hinweg in Artikel unterschiedlicher Autoren auf – das allein wäre nun durchaus nicht außergewöhnlich – sondern der beschriebene Effekt wird explizit angesprochen und diskutiert und damit infrage gestallt, ohne dass es jemandem auffiele, dass hier einfach ein Fehler vorliegt. Das hinwiederum würde mich nun schon wundern.
Nur weil etwas nicht intuitiv ist ist es automatisch falsch?
Steile These, hätte ich doch gern Belege zu…
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