Komet ISON auf dem Weg zum Perihel – UPDATE 21.11.

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Noch immer ist unklar, ob ISONs Kern tatsächlich dabei ist, auseinander zu brechen (auch wenn das in manchen Medien bereits als Tatsache dargestellt wird). Die unter anderem von Astronomen des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung beobachtenen, flügelartigen Strukturen in der Kometenkoma können Hinweise darauf sein, dass sich der Kern in mehrere Bruchstücke zerlegt (hat) – allerdings sind nicht alle Kometen, die solche Strukturen zeigten, auch zerbrochen. Entscheidend wird nun das Verhalten der inneren Koma des Kometen sein: sollte sie sich in den nächsten Tagen zu einem langgestreckten Objekt verformen, dann wäre der Zerfall des Kometen ISON “offiziell”. Noch wurde allerdings nichts dergleichen beobachtet.

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Update (21.11. 18:00): Trotz der mittlerweile ziemlich ungünstigen Sichtverhältnisse gab es heute morgen erneut erfolgreiche Sichtungen, sogar aus Deutschland (z. B. bei Hamburg), aber auch über den Wolken, auf Teneriffa. Letzte Helligkeitsschätzungen liegen um 3,8mag. Und Spekulationen über den Zerfall des Kometen gibt inzwischen täglich, die hier gezeigte Struktur im Plasmaschweif ist aber meiner sehr bescheidenen Meinung nach eindeutig ein so genanntes “disconnection-event” ausgelöst duch die Wechselwirkung des geladenen Plasmaschweifs mit dem interplanetaren Magnetfeld. Nichts Besonderes, und insbesondere kein Anzeichen einer Kernfragmentation!

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Leider ist ISON mittlerweile sehr schwierig zu beobachten. Er taucht erst in der Morgendämmerung tief am Südosthorizont auf, der abnehmende Mond stört zusätzlich. Auf Aufnahmen aus Kanada (vom 20.11.) lässt sich eine Helligkeit von inzwischen rund 4mag abschätzen (es gibt angeblich sogar Berichte von 3,7mag):

C/2012 S1 am 20.11. 2013 in Ottawa, Kanada. Bildrechte: Andrew Symes, Canadian Astronomy
C/2012 S1 am 20.11. 2013 in Ottawa, Kanada, Beschriftungen von mir. ISON ist ca. 4mag hell, evtl sogar leicht heller. Bildrechte: Andrew Symes, Canadian Astronomy

Ein interessanter Vergleich: Der nur auf der Südhalbkugel beeindruckend sichtbare “Weihnachtskomet” des Jahres 2011, C/2011 W3 Lovejoy (nicht zu verwechseln mit dem derzeit sichtbaren C/2013 R1 Lovejoy), hatte acht Tage vor seinem Perihel erst 9mag, war also nur mit guten Ferngläsern zu sehen. Lovejoy erreichte später immerhin -3mag und war eine wirklich schöne Himmelserscheinung. Wenn man nun ISON’s 4mag hochrechnet…

Ob die beiden Helligkeitsausbrüche vom 13./14. und 19.11. also durch eine Kernfragmentierung ausgelöst wurden, oder einfach durch Freilegung neuer Aktivitätsgebiete auf einem intakten Kern, wird sich in den nächsten Tagen herausstellen. Vielleicht sogar erst, wenn ISON auf den Koronografen der STEREO- und SOHO-Sonden sichtbar wird. Koronografen decken die Sonnenscheibe ab, und dienen normalerweise der Beobachtung der Sonnenkorona. Aber auch Kometen wie ISON sind auf ihren Bildern sichtbar, wenn sie für erdgebundene Beobachtungen viel zu dicht an der Sonne stehen:

Die Positionen von ISON (Markierungen von Stunde zu Stunde) vom 27.-30.11. auf dem LASCO-Koronografen C3 (blau) und C3 (rot) des SOHO-Satelliten. ISON kommt von rechts unten in das Blickfeld und verlässt es rechts oben.
Die Positionen von ISON (Markierungen von Stunde zu Stunde) vom 27.-30.11. auf dem LASCO-Koronografen C3 (blau) und C3 (rot) des SOHO-Satelliten. ISON kommt von rechts unten in das Blickfeld und verlässt es rechts oben. Bildrechte: NASA

Neuigkeiten und Updates wird es hier im Blog und auf Twitter geben.

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Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

4 Kommentare

  1. OT, aber durchaus wichtig: Ich verfolge die Bemühungen von Herrn Bardenhagen schon eine ganze Weile und kann ihm nur die Daumen drücken. Ein “Sternenreservat Eifel” wäre eine ganz tolle Sache. Der Himmel dort ist noch einigermaßen dunkel (ich beobachte selbst meist nicht weit davon). Die Idee von Dark-Sky-Parks wird ja in Deutschland und weltweit vorangetrieben. Ich denke, dass Sternenparks die einzige Möglichkeit sind, den natürlichen Nachthimmel in für einen Großteil der Menschheit zu bewahren. Insofern: Ich hoffe sehr, dass Herr Bardenhagen Erfolg hat!

  2. Wie definiert man denn “auseinander brechen”? Der Komet ist jetzt bei etwa 0.4 AE Sonnenabstand. das heißt, es braten auf ihn 6 Solarkonstanten ein, rund 10 kW/qm, Tendenz steigend. Ein Kometenkern ist kein schmutziger Schneeball, sondern wahrscheinlich ein dunkles Gebilde mit einer festen Schale. Er strahlt also kaum etwas ab, sondern jeder Quadratmeter der Oberfläche schluckt die 10 kW fast komplett. Die Hitze dringt ins Innere vor und verdampft die volatilen Bestandteile, die sich wie in einem Druckkochtopf den Weg nach außen suchen.

    Entweder die Druckentlastung über die Ausgasung durch die Jets an den vorhandenen Schwachstellen reicht, oder sie reicht nicht. Wenn sie nicht reicht, dann könnte entweder der Kern komplett entlang seiner schwächsten Stelle zerbrechen.

    Oder aber, die schwächste Stelle ist so gelagert, dass sie beispielsweise eine Ecke umschließt, die abbricht, woraufhin durch die entstandenen Öffnung massenhaft Gas und Staub austreten und eine gewisse Druckentlastung stattfindet.

    Der Wärmeeintrag steigt allerdings immer weiter, und zwar quadratisch mit dem abehmenden Sonnenabstand, sodass eine momentane Entlastung nicht lange vorhalten muss.

    Mir ist allerdings nicht klar, wie man von außen und zeitnah den Unterschied zwischen einem kompletten Zerlegen und dem Abbrechen eines Teils vom ansonsten weitgehend intakten Kern unterscheiden kann. Allenfalls aus dem Ausmaß der Helligkeitssteigerung, aber ist diese Schätzung zuverlässig? Eigentlich müsste man abwarten, bis man nach einiger Zeit die einzelnen Bruichstücke, die jeder eine eigene Koma ausbilden, erkennen kann. Diese Option wird man bei ISON aber nicht haben. Bruchstücke werden beim Sonnenvorbeiflug wahrscheinlich ihrer volatilen Bestandteile komplett beraubt und sind deswegen nachher nicht mehr zu sehen.

  3. Pingback:Allgemeines Live-Blog vom 19. bis 21. 11. 2013 | Skyweek Zwei Punkt Null

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