KIC 8462852 – Den “mysteriösesten Stern unserer Galaxie” selbst beobachten!

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Manchmal braucht es offenbar Journalisten mit ein bisschen zu viel Phantasie (Außerirdische! Dyson-Sphäre!), um die Sache ins Rollen zu bringen. Nun also, nachdem der Hype um den merkwürdigen Stern KIC 8462852 abgeklungen ist und sich “das Internet” wieder mit anderem beschäftigt ist, dürfen sich Berufs- wie Privatastronomen wieder in Ruhe um ihr Objekt kümmern. Und das ist, ganz ohne Alienblödsinn, ziemlich interessant. Karl Urban hat sich schon vor ein paar Tagen dazu geäußert.

Zur Erinnerung: KIC 8462852 ist ein eigentlich ziemlich normaler Stern des Spektraltyps F. Ab und an aber zeigt er ziemlich wirre Veränderungen seiner Helligkeit. Entdeckt wurde das schon vor längerer Zeit, und zwar den Planet Hunters, einer Gruppe von “Citizen Scientists”, die in den Daten des inzwischen abgeschalteten Weltraumteleskops Kepler nach ungewöhnlichen Schwankungen in stellaren Lichtkurven suchen. Die automatischen Algorithmen, die die Keplerdaten sonst auswerten, suchen nach periodischen Schwankungen in der Helligkeit, die auftreten, denn Planeten vor den Sternen vorbeilaufen und dabei einen kleinen Teil ihres Lichts abschatten. Alles, was irgendwie vom Exoplanetenmuster abweicht, kann den Algorithmen schon mal entgehen. Weswegen es lebende Menschen braucht, um sie zu entdecken.

Die von Kepler aufgezeichnete Helligkeitskurve von KIC 8462852 zeigt einen meist konstanten Verlauf, der von unregelmäßigen, teils heftigen "Ausschlägen" unterbrochen wird - "etwas" scheint den Stern von Zeit zu Zeit zu verdunkeln, aber nicht so, wie ein Exoplanet es täte. Quelle: Boyajian et al. 2015, http://arxiv.org/abs/1509.03622
Die von Kepler aufgezeichnete Helligkeitskurve von KIC 8462852 zeigt einen meist konstanten Verlauf, der von unregelmäßigen, teils heftigen “Ausschlägen” unterbrochen wird – “etwas” scheint den Stern von Zeit zu Zeit zu verdunkeln, aber nicht so, wie ein Exoplanet es täte. Quelle: Boyajian et al. 2015, http://arxiv.org/abs/1509.03622

KIC 8462852 also zeigt einen ziemlich wirren Helligkeitsverlauf, der sich bislang durch kein natürliches Phänomen erklären lässt. In einem ebenfalls schon einen Monat alten Paper beschäftigten ich Wissenschftler eingehend mit diesem Stern und stellten dabei fest, dass das seltsame Muster nicht durch Defekte des Teleskops oder dessen Detektor ausgelöst wurde. Als einzige, nicht eben wahrscheinliche aber auch nicht unrealistische Erklärung favorisieren sie eine Wolke aus zerbrochenen Kometen. Eine solche Wolke könnte in der Tat die heftigen Schwankungen der Helligkeit des Sterns über viele Tage hinweg erklären, es wäre aber ein ziemlicher Zufall, wenn Kepler ein solch nicht eben häufiges Ereignis wie einen zerbrechenden Kometen in einem fernen Sonnensystem beobachtet hätte (was per se nicht gegen die Hypothese spricht).

Diese Bilder zeigen einen vergrößerten Ausschnitt des rechten Bereichs der obigen Helligkeitskurve. In einem 90-tägigen Intervall von tag 1420 bis 1580 sind die Abschattungen bessonders heftig. Quelle: Boyajian et al. 2015, http://arxiv.org/abs/1509.03622
Diese Bilder zeigen einen vergrößerten Ausschnitt des rechten Bereichs der obigen Helligkeitskurve. In einem 90-tägigen Intervall von tag 1490 bis 1580 sind die Abschattungen bessonders heftig – der Stern wird immerhin um einige Prozent abgeschwächt. Quelle: Boyajian et al. 2015, http://arxiv.org/abs/1509.03622

Interessiert hat sich für diesen – ziemlich spannenden – Fall kaum jemand, bis der berüchtigte Artikel erschien.

Nun also sieht sich sogar die AAVSO genötigt, einen Beobachtungsaufruf an Amateurastronomen zu starten – denn mit 11,9mag ist KIC 8462852 hell genug, um auch mit mittelgroßen Teleskopen leicht gesehen zu werden. Konkret geht es darum, die Helligkeitsentwicklung des Sterns weiter zu verfolgen. Erscheint das wilde Muster erneut? Ist es periodisch? Wenn ja, wie groß ist die Umlaufdauer des zugehörigen Objekts? Verändert sich das Muster bei jedem Umlauf? Die Antworten darauf werden entscheidend sein bei der Lösung des Rätsels um KIC 8462852.

Der Stern steht bei den Koordinaten RA 20 06 15.46, Dec +44 27 24.8, also im Sternbild Schwan, das derzeit noch am Abendhimmel zu sehen ist. Gefragt sind insbesondere Amateurastronomen, die sich mit der Photometrie veränderlicher Sterne auskennen. Dabei geht es um recht kleine Veränderungen – mit dem Auge am Teleskkop wird wohl nichts auffallen, aber mit langfristigen, fotografischen Methoden sollten auch Amateure in der Lage sein, Helligkeitsschwankungen des Sterns zu erkennen. In Deutschland koordiniert die Bundesdeutsche Arbeitsgemeinschaft für Veränderliche Sterne e.V. (BAV) solche Beobachtungen. Auf den Seiten der BAV findet man allerlei wertvolle Informationen dazu.

Das Sternbild Schwan ist zur Zeit (Ende Oktober / Anfang November) nach Sonnenuntergang leicht im Südwesten hoch über dem Horizont zu finden.
Das Sternbild Schwan ist zur Zeit (Ende Oktober / Anfang November) nach Sonnenuntergang leicht im Südwesten hoch über dem Horizont zu finden.

Der Stern KIC 8462852 befindet sich im nördlichen Bereich des Schwans. Ich habe zwei Aufsuchkarten erstellt, die das Finden erleichtern sollten (Norden ist jeweils oben, Osten links). Auf der AAVSO-Seite kann man Karten (fast) beliebiger Größe und Orientierung selbst erstellen.

Aufsuchkarten für KIC 8462852, links mit 20° Blickfeld, rechts 1°. Auf der linken Abbildung ist das Sternbild Schwan zur Orientierung eingezeichnet. Quelle AAVSO.
Aufsuchkarten für KIC 8462852, links mit 20° Blickfeld, rechts 1°. Auf der linken Abbildung ist das Sternbild Schwan zur Orientierung eingezeichnet. Quelle AAVSO.

Statt sich also mit sinnlosen Spekulationen über Aliens zu beschäftigen – selbst beobachten!

Viel Erfolg und Clear Skies!

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Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

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