Galilei und der Planet Neptun – Teil 3

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Galileis Beobachtungen des Jupitersystems waren von einer für die damalige Zeit außerordentlichen Präzision. Häufig erfolgten die Positionsangaben der Jupitermonde mit einer Genauigkeit von einem Zehntel des Jupiterradius. Wie war das möglich, ohne Fadenkreuz und Mikrometer?

Galileo Galilei führte das Fernrohr nicht nur als Hilfsmittel zur qualitativen Himmelsbeobachtung ein. Er nutzte es auch als präzises Messinstrument. Um Messungen auf Bogensekundenniveau zu realisieren, reichte sein rund 20fach vergrößerndes Fernrohr alleine nicht aus. Er benötigte ein zusätzliches Hilfsmittel.

Am 31. Januar 1612 bestimmte Galilei den Durchmesser des Jupiter auf 41 Bogensekunden, das sind nur etwa 8% weniger als der tatsächliche scheinbare Durchmesser des Planeten zu jenem Zeitpunkt. Ein Fadenkreuz-Mikrometer wäre das Instrument der Wahl für ein solches Unterfangen. Diese Erfindung sollte jedoch erst lange nach Galileis Tod zur Verfügung stehen. Mit seinem Fernrohr wäre es außerdem nicht einsetzbar gewesen: Dessen Okularlinse war eine Zerstreuungslinse, die sich vor dem Brennpunkt des Objektivs befinden muss. Im Gegensatz zum Fernrohr nach Kepler, das sowohl für das Objektiv wie für das Okular eine Sammellinse einsetzt, entsteht beim Galilei-Fernrohr kein Zwischenbild. Das ist aber erforderlich, um das Fadenkreuz eines Mikrometerokulars scharf abzubilden (vgl. Abbildung 11).  

Abb. 11: Strahlengang im Galilei- (oben) und im Kepler-Fernrohr (unten). Beim Fernrohr nach Kepler befindet sich der Brennpunkt des Teleskops zwischen Objektiv und Okular. (Ralf Pfeifer, Wikipedia)

In seinen Aufzeichnungen zur erwähnten Beobachtung vom 31. Januar 1612 findet sich eine Bemerkung Galileis, der zufolge er „ein Instrument zur exakten Bestimmung von Intervallen und Entfernungen“ entwickelt habe, welches selbst „nicht besonders präzise gearbeitet sei“. Leider hat er sich nie die Mühe gemacht, dieses Instrument genauer zu beschreiben. So muss sich die Nachwelt auf Giovanni Alfonso Borelli verlassen, der 1666 das „galileische Mikrometer“ als ein „präzise gearbeitetes Gitter“ beschreibt, auf das Galilei das teleskopische Bild optisch überlagerte. Doch auch Borelli wurde nicht genauer mit seinen Angaben.

Kowal und Drake unternahmen einigen Aufwand, dieses Gerät zu verstehen und seine Funktionsweise zu beschreiben. Ihren Nachforschungen zufolge bestand es aus einem kreisförmigen, etwa 10 Zentimeter durchmessenden Gitter, dessen „Saiten“ einen Abstand von etwa zwei Millimetern hatten. Dieses Gitter war seitlich am Teleskoptubus befestigt, wobei es sowohl drehbar als auch entlang des Tubus verschiebbar angebracht war. Schaute der Beobachter nun mit einem Auge durch das Teleskop und mit dem anderen gegen das Gitter, so konnte er mit etwas Übung die beiden Bilder überlagern. Durch Rotieren des Gitters konnte die Ausrichtung der Saiten senkrecht zur Äquatorebene des Jupitersystems angepasst werden. Die „Gitterkonstante“ von etwa zwei Millimeter folgt nach Kowal und Drake übrigens aus der exakten Skala, die Galilei am 28. Januar zeichnete (vgl. Abbildung 9 in Teil 2). Auf dieser entsprechen 24 Jupiterradien gerade 47 Millimeter.

Galilei verschob das Gitter entlang des Fernrohrtubus so, dass die Jupiterscheibe genau zwischen zwei Raster des Gitters passte, wobei ein drittes Raster die Jupiterscheibe genau in der Mitte teilte. So war es ihm möglich, die Abstände zu den Monden (oder auch zu Fixsternen) in Einheiten des Jupiterradius exakt zu vermessen.

Abbildung 12 zeigt eine Möglichkeit, wie Galileis Messinstrument ausgesehen haben könnte. Ich gebe zu, dass es mir sehr schwierig erscheint, mit solch einem Instrument bei nur 20facher Vergrößerung und ohne parallaktische Montierung sinnvolle Beobachtungen auf Bodensekundenniveau durchzuführen. Es wäre sicher interessant, ein solches Instrument nachzubauen und es mit einem der vielen im Jahr der Astronomie auf den Markt kommenden „Galileo-Teleskopen“ zu testen.    

 

Abb. 12: Galileis „Mikrometer“. Darstellung aus: Kowal/Drake 1980.

Galileis Präzisionsmessungen machen jedenfalls aus seinen Neptunbeobachtungen mehr als nur eine historische Kuriosität. Kowal konnte feststellen, dass die von Galilei angegebene Position des Neptun erheblich von der berechneten Erwartung abwich. Diese Tatsache führte zu Beginn der 1980er Jahre zu einigen Diskussionen unter Astronomen, denn die Abweichung ist so erheblich, dass sie auch durch Bahnunregelmäßigkeiten alleine nicht zu erklären ist. Wahrscheinlich ist die Lösung dieses Rätsels profaner Natur: Die Bedienung des Messinstruments war sicher nicht ganz einfach, und gerade bei größeren Abständen (wie im Falle des Neptun am 28. Januar 1613), waren Messfehler sicher keine Seltenheit.

Eine Anekdote aber bleibt noch, und diese ist reichlich kurios. Möglicherweise hat Galilei den Planeten Neptun noch ein weiteres Mal beobachtet. Diese Beobachtung jedoch stellt Rätsel auf, und scheint bis in die jüngste Zeit für Verwirrung zu sorgen. Darüber aber mehr im nächsten und letzten Teil dieses Artikels!

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Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

3 Kommentare

  1. Abbildung

    Hallo Ralf,

    es tut mir leid, ich habe diese Abbildung vorsichtshalber entfernt, weil die Bildrechtefrage ungeklärt ist. Habe zwar bei SciAm angefragt bzgl. der Verwendung in diesem Blog aber keine Antwort bekommen.

    Beizeiten werde ich mal eine eigene Skizze anfertigen.

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