AMS02 findet Positronen, aber keine Erklärung

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Die alles entscheidende Frage bleibt offen: Stammen die überzähligen Positronen von Zusammenstößen der Dunklen-Materie-Teilchen (was bedeutete, dass es diese bislang rein hypothetischen, “WIMP” genannten Partikel tatsächlich gibt) oder gibt es eine profanere Erklärung? Eines ist sicher: Zwischen 10 und 350 GeV erreichen uns mehr Positronen als erwartet. Das hatten Ballonexperimente schon vor mehr als zehn Jahren angedeutet, der Satellitendetektor Pamela hatte diese Erkenntnis vor rund drei Jahren zweifelsfrei belegt. Die neuen AMS02-Daten sind aber deutlich präziser als alle vorgherigen Experimente zusammengenommen.

In Genf präsentierte Samuel Ting, Leiter der AMS-Kollaboration, heute die lange erwarteten ersten Ergebnisse zur so genannten Positron-Fraction (dem Verhältnis von kosmischen Positronen zur Gesamtzahl aus Elektronen und Positronen) der kosmischen Strahlung. Von seiner Inbetriebnahme auf der Internationalen Raumstation am 19. Mai 2011 bis zum 10. Dezember 2012 hat der AMS02-Detektor über 25 Milliarden Teilchen der kosmischen Partikelstrahlung registriert, darunter 6,8 Millionen Elektronen und Positronen im Energiebereich von 0,5 bis 350 GeV. 400000 Teilchen wurden zweifelsfrei als Positronen identifiziert, die größte Zahl je im Weltall registrierter Antimaterieteilchen.

Positron-Fraction, gemessen von AMS02 von Mai 2011 bis Dezember 2012 (AMS Kollaboration)

Aufgetragen über ihre Energie ergibt sich obiges (altbekannte) Bild: Von 0,5 GeV bis 10 GeV nimmt die Zahl der Positronen stetig ab. Das ist zu erwarten, da die Teilchenzahlen aller Konstituenten der kosmischen Strahlung mit zunehmender Energie kleiner werden. Über 10 GeV jedoch nimmt die Positronenzahl wieder zu. Die Zunahme verläuft mit steigender Energie langsamer, um bei ca. 250 GeV deutlich abzuflachen.

Vergleich mit Vorgängerexperimenten: AMS02 erreicht die mit Abstand höchste Präzision von allen (AMS Kollaboration)

Sicher ist also: es gibt eine noch unbekannte Quelle energiereicher Positronen (und Elektronen) oberhalb von 10 GeV. Dies könnten WIMP-Teilchen sein, die miteinander kollidieren und dabei zerstrahlen – bei diesem Prozess entstehen u.a. auch Positronen. Die AMS02-Daten sind mit diesem Modell konsistent, wie die Forscher in ihrem in den Physical Review Letters zur Veröffentlichung angenommenen Paper berichten.

Die Frage ist jedoch, was oberhalb von ca. 350 GeV passiert: Sollten wirklich WIMPs die Verursacher des Positronenüberschusses sein, dann müsste das Spektrum hier “abbrechen”, die Zahl der Positronen also drastisch zurückgehen. Leider reicht die Statistik noch nicht aus, um bei diesen hohen Energien eine Aussage zu treffen. Das ändert sich hoffentlich – denn erst 10 Prozent der während der angestrebten 20-jährigen Lebensdauer von AMS02 sind in der heute vorgestellten Analyse enthalten.

Steigt die Positronenzahl dagegen weiter an, dann könnten sie auch von Pulsaren in der Milchstraße stammen. Gegen diese Interpretation allerdings spricht, dass AMS02 weder eine zeitliche noch eine räumliche Variation des Positronenüberschusses wahrgenommen hat. Mit anderen Worten: die Positronen stammen gleichmäßig aus allen Richtungen, so, wie man es erwartet, wenn sie von überall im Weltall verteilter Dunkler Materie stammten.

Samuel Ting zeigte sich deshalb zuversichtlich: “In den nächsten Monaten wird uns AMS endgültig sagen können, ob diese Positronen ein Signal der Dunklen Materie sind, oder ob sie einen anderen Ursprung haben.” Eine Einschätzung die man teilen kann oder nicht – die aber in jedem Falle sehr optimistisch ist.

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Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

11 Kommentare

  1. Sehr interessant. Ich hätte jedoch noch eine andere Frage, die hier allerdings etwas off-topic ist. Wenn man das AMS 20 Jahre lang betreiben will, wovon jetzt knapp zwei vorbei sind, dann müsste die ISS noch bis 2031 im Orbit verbleiben, wenn das AMS nicht zwischendurch auf eine andere Plattform wechselt. Da man die ISS nach bisheriger Planung jedoch nur bis 2020 aktiv betreiben will, müsste sie danach unbemannt weiter betrieben werden. Ist das geplant? – Ich hätte ja nichts dagegen, da ich ein deorbitieren, wie es mit der MIR gemacht wurde, für Materialverschwendung halte. Aber gut, das geht dann wirklich in Bereiche, die nebenan bei Michael Khan besser aufgehoben sind.

  2. ISS-Lebensdauer, Weltraumpolitik

    (Weltraum)Politiker drehen ihr Fähnchen nach dem Wind, was heute gilt, gilt morgen nicht mehr und ist übermorgen wieder ganz anders. Insofern braucht amn sich auf irgendwelche Aussagen zum Thema ISS-Lebenszeit nicht unbedingt verlassen. AMS ist ein schönes Beispiel: Das Projekt war zwischendurch tot, wurde wiederbelebt, stand nicht mal mehr auf der Liste der Shuttleflüge und wurde letztlich auf der vorletzen Shuttlemission (die ursprünglich schon gar nicht mehr vorgesehen war) doch noch zur ISS gebracht. Die Wissenschaftler haben während der Zeit einfach gemacht, was sie konnten: den Detektor weitergebaut und gehofft, dass er schon irgendwie nach oben kommt. Was er dann auch tat.

    Ebenso mit der genauen Missionsdauer. Technisch gesehen ist ein Weiterbetrieb nach den jetzt angegebenen 2020 möglich, liest man genauer, heißt es, die ISS könne “mindestens” bis 2020 betrieben werden, vielleicht sogar bis 2028. Oder länger. Ich denke, die AMSler tun gut daran, auf dieses Gerede nicht zu hören sondern ihre Forschung zu betreiben, wofür diese Raumstation ja auch gedacht war. Persönlich denke ich, dass eher 2030 als 2020 als Lebensdauer realistisch ist, denn, seien wir ehrlich: nach dem de-facto-Ausstieg der Amerikaner aus einer eigenen bemannten Raumfahrt und dem Nie-Einstieg der Europäer in selbiges werden wir so schnell keine neue Raumstation bauen (außer, wir fliegen mit den Chinesen).

  3. @Jan

    Ein super Beitrag, Jan! Vielen Dank.

    Die Plots sind sehr beeindruckend, vor allem wie klein die Fehlerbalken bei AMS gegenüber Vorgängerexperimenten sind.
    Interessant wäre es zu erfahren, weshalb die Daten von PAMELA und AMS im niederenergetischen Bereich unterhalb von etwa 3 GeV recht deutlich voneinander abweichen.

    Beste Grüße,
    Andreas

  4. @Andreas

    Meine erste Idee wäre eine abermals unterschiedliche Sonnenaktivität, die in diesem Energiebereich eine Rolle spielt. Diese Erklärung greift aber nicht mehr bei den Diskrepanzen zu Fermi bei über 20 GeV. Habe im Paper keine Diskussion dazu gefunden.

  5. @JH

    Danke für die Einschätzung. Dann bleibt wirklich zu hoffen, dass die Station solange wie möglich oben bleibt, damit die Wissenschaft weiter laufen kann.

  6. theoretische Modelle

    Meines Wissens gibt es zahlreiche konkurrierende Modelle zur Natur der CDM, in letzter Zeit erfreuen sich ja sogar HDM-Modelle wieder einiger Beliebtheit (“Sterile Neutrinos”). Lassen denn die jetzigen Hinweise, gemäß dem Fall, es handelte sich wirklich um Ergebnisse des Zerfalls von CDM, Rückschlüsse auf die zutreffenden Teilchentheorien/-typen zu, m.a.W.: Wäre dergleichen bereits ein Hinweis auf (bestimmte) Supersymmetrische Teilchen?

  7. @Bernd Lederer

    Sorry für die späte Antwort! Soweit ich das höre, passen die gängigen Modelle überhaupt nicht zu dem gemessenen Positronspektrum. Da wird es sicher in Bälde einige Paper zu geben. Jemand, der es wissen muss, sagte mir gestern, dass es schon eine echte Sensation wäre, sollten die Positronen diesen Buckels tatsächlich von einem Wimp stammen…

  8. Widerspruch ?

    Vielen Dank für die Infos! Womöglich also zu früh gefreut (im Sinne der Hoffnung,dass das Rätsel der DM endlich gelöst werde). Andererseits: Sollten die Positronen also doch von Pulsaren stammen, wie ist dann deren Richtungsunabhängigkeit zu erklären? Müsste es nicht signifikante Häufungen in Richtung galaktisches Zentrum geben und sind extragelaktische Pulsare (die eine isotrope Positronenstrahlung bedingen könnnten) als Quelle wegen des Energieverlusts nicht auszuschließen? Es bleibt spannend! LG Bernd

  9. Isotropie

    So wie ich informiert bin, wäre das Signal weniger deshalb isotrop, weil die Verteilung der dunklen Materie das sein müsste, sondern in erster Linie, weil Positronen geladen sind und somit durch galaktische Magnetfelder stark (und praktisch zufällig) abgelenkt werden.

  10. Pingback:Neue AMS-Ergebnisse – was sie bedeuten und was nicht › Himmelslichter › SciLogs - Wissenschaftsblogs

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