BITTE FOLGEN

BLOG: GUTE STUBE

Salon der zwei Kulturen
GUTE STUBE

Morgen steigt der Wissenschaftsjournalismus-Tag der Hochschule Darmstadt. Das Thema dieses Jahr sind Blogs und Podcasts über Wissenschaft. Blogger, Podcaster und Forscher werden über „die Chancen und Risiken dieser neuen Kommunikationsformen diskutieren“ – so steht es im Programm. Im Vorfeld einer Podiumsdiskussion, an der ich selbst teilnehme, einige Gedanken zu der Frage, was bloggende Wissenschaftler eigentlich „anrichten“.

Wissenschaftler bloggen, um Interesse zu erzeugen. Um die eigene Meinung kundzutun. Um Gedanken publik zu machen, die in kein Fachjournal passen. Um ihr „Zielgruppenmanagement“ abzurunden. Um sich zu profilieren. Um jemandem einen Gefallen zu tun. Um wertgeschätzt zu werden. Um Feedback zu bekommen. Um zu reizen. Um Idealismus zu zeigen. Um Sparringspartner für Gedanken zu treffen. Um Spaß zu haben. Um von Suchmaschinen gefunden zu werden. Um ungefiltert publizieren zu können. Um Journalisten eins auszuwischen. Um mehr Menschen zu erreichen. Um Vortragseinladungen zu erhalten. Um dabei zu sein. Um zu zeigen, dass sie es mit dem Dialog mit der Öffentlichkeit ernst meinen.

Das Medium Blog gestattet es Wissenschaftlern, ohne redaktionelle Filter zu publizieren – ja sogar aktive Medienschelte zu betreiben. Ein bloggender Wissenschaftler löst sich von Abhängigkeiten, streift seine traditionell eher reagierende Rolle in den Medien ab, ergreift selbst die Initiative. Setzt sich aber auch aus.

Viele gute Wissenschaftlerblogs könnten mittel- und langfristig die Kommunikation über Wissenschaft verändern.

Wenn sie es tun: Wenn Blogs von Wissenschaftlern steigende „Einschaltquoten“ erzielen, wird vermutlich Aufmerksamkeit von herkömmlichen wissenschaftsjournalistischen Inhalten (im Netz und anderswo) abgezogen.

Ich sehe aber auch eine Chance für den „herkömmlichen“ Wissenschaftsjournalismus. Es gilt, dem Publikum – den Usern, Zuschauern, Lesern, Hörern – klar zu machen, welchen Mehrwert journalistische Beiträge bieten: dass Wissenschaftsjournalismus sich – entgegen der landläufigen Meinung – nicht darin erschöpft, die Ideen, Methoden und Erkenntnisse von Dritten zu „übersetzen“: aus dem Fachchinesisch der „Experten“ in die Alltagssprache der „Menschen auf der Straße“. Das könnten Wissenschaftler mit Talent zur Kommunikation und inszenierung selbst.

Wissenschaftsjournalismus aber ist mehr als Vermitteln und Erklären. So wie Wirtschaftsjournalismus sich nicht darauf beschränkt, die Strategien von Finanzexperten in Alltagssprache zu „übersetzen“. Und politischer Journalismus nicht darin aufgeht, die Forderungen von Gesundheitslobbyisten durch alltagsnahe Rechenbeispiele fassbar für jedermann zu machen. Wie jeder Journalismus, hat auch Wissenschaftsjournalismus unabhängig zu sein. Das beißt sich mit dem „nur Übersetzen“. Er ist Dienstleister des Lesers, nicht des zitierten Wissenschaftlers. Er muss prüfen. Kommentieren. Filtern. Unterscheiden. Nachfragen. Kontrastieren. Abhängigkeiten transparent machen. Bei strittigen Themen wie Klimaforschung genauso wie bei „harmlosen“, in erster Linie „nur“ Faszination ausstrahlenden wie Schwarze Löcher.

Es ist klasse, wenn Wissenschaftler bloggen. Viele sollten folgen. Das schafft Vielfalt und eröffnet neue Perspektiven. Und die Folgen für den Wissenschaftsjornalismus könnten ebenfalls positiv sein. Wenn er es schafft, sich stärker zu profilieren.

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

Carsten Könneker Zu meiner Person: Ich habe Physik (Diplom 1998) sowie parallel Literaturwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte (Master of Arts 1997) studiert – und erinnere mich noch lebhaft, wie sich Übungen in Elektrodynamik oder Hauptseminare über Literaturtheorie anfühlen. Das spannendste interdisziplinäre Projekt, das ich initiiert und mit meinen Kollegen von Spektrum der Wissenschaft aus der Taufe gehoben habe, sind die SciLogs, auf deren Seiten Sie gerade unterwegs sind.

2 Kommentare

  1. Zurückgenickt

    Hi Andreas,
    Du hast natürlich Recht. Da hätte ich mir besser ein anderes Beispiel gesucht für “harmlose” Forschungsthemen. Schwarze Löcher sind gleich in doppelter Hinsicht nicht harmlos. Zum einen, weil das Thema durchaus auch kontrovers ist (danke für die Links!) – und zum anderen, wenn man hineingerät 🙂

    Die Brisanz des Themas liegt aber nicht so auf der Hand wie bei der Klimaforschung, die eben sehr “politisch” daherkommt. Dies zu meiner Ehrenrettung.

    Danke und LG
    Carsten

Schreibe einen Kommentar