Wissenschaftskommunikation: Die Überschrift

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Serie Wissenschaftskommunikation – Schreibtipps vom Chefredakteur, Teil 7

 

Eine gute Überschrift macht Lust auf mehr. Das kann sie entweder rein inhaltlich – indem sie etwas Interessantes vermeldet: "Forscher züchten Maus aus einer Hautzelle", "Erstmals Mäuse aus Stammzellen erschaffen", "Mausklon aus reprogrammierten Körperzellen". Oder sie weckt unsere Neugierde durch stilistische Kniffe und Wortspiele: "Aus Haut wird Maus", "Die Maus, die aus der Zelle kommt", "Die Sache mit der Maus".

Diese sechs Überschriften wurden allesamt am 24. Juli 2009 in verschiedenen Onlinemedien publiziert.* In der Reihenfolge der obigen Nennung waren das zeit.de, welt.de und spektrumdirekt.de sowie sueddeutsche.de, fr-online.de und bild.de.

Überschriften der ersten Machart nennen Journalisten nachrichtlich, Beispiele der zweiten kreativ oder anregend. Nachrichtliche Überschriften sind auf den Küchenzuruf des zugehörigen Artikels getrimmt. Die Strategie dahinter lautet: Wir sagen in aller Kürze, was Sache ist – denn diese ist wichtig und interessiert unsere Zielgruppe. Kreative Überschriften hingegen lassen den Küchenzuruf lediglich anklingen – wenn überhaupt. Sie punkten vielmehr mit Wortwitz, gewollter Doppeldeutigkeit oder pfiffigen Verfremdungen geflügelter Worte.

Wenn es um aktuelle Meldungen geht, setzen Redakteure meist auf nachrichtliche Überschriften. Lange Zeit war dies die Domäne der Tageszeitungen. Heute üben sich vor allem Online-Dienste sowie die "News-Channel" im Fernsehen in dieser Kunst – manchmal aber auch Blogger. Ein Beispiel für eine nachrichtliche Blogpost-Überschrift: "Das Netz verändert die Wissenschaft" (Abgefischt, 27.07.2009). Außerdem sind viele Pressemitteilungen nachrichtlich überschrieben. Beispiel: "Initiative ‘Bologna – Die Zukunft der Lehre’ mit großer Resonanz: knapp 180 Antragskizzen aus fast allen Bundesländern" (Presseinformation der VolkswagenStiftung vom 25.08.2009.) Zuletzt ist dieser rein sachliche Typ Überschrift in Fachmedien mit sehr spezialisierten Zielgruppen vorherrschend – hier auch bei längeren Artikeln, die den Umfang von Nachrichten weit übersteigen. Beispiele: "Bissverletzungen der Hand" (Der Unfallchirurg, August 2009, S.719.) "Implizite Performativität. Zum medialen Status des Donaueschinger Passionsspiels" (Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (PBB). Band 131, Heft 1, S.106.)

Nicht alle Medien können mit Aktualität oder exklusiver Fachinformation aufwarten und so Aufmerksamkeit auf einzelne Beiträge lenken. Populäre Wissensmagazine etwa haben zu lange Produktionsvorlaufzeiten** und müssen obendrein ein "allgemeines" Publikum befriedigen, das mehr möchte als Information in Reinstform. Hier setzen die Macher daher zumindest bei den längeren Beiträgen meist auf kreative Überschriften.

Allerdings sind die Grenzen fließend:
Im Reich der Meldungen populärer Wissenstitel thronen je nach Redaktionspolitik auch nachrichtliche Überschriften. Umgekehrt setzen Tageszeitungen in den letzten Jahren selbst in ihren Kurznachrichten zunehmend auf kreative Varianten – um sich abzuheben von den noch schnelleren elektronischen Medien. Und sogar in Wissenschaftsillustrierten erscheinen dann und wann nachrichtliche Überschriften auch bei Feature-Artikeln. Beispiel: "Der Monsun lenkt Chinas Geschichte" (Science Illustrated, Oktober 2009, S.62.)

Für welche Machart man sich entscheidet, hängt vom konkreten Medium, der medialen Form, der Zielgruppe und der intendierten kommunikativen Wirkung ab. Vor allem aber sollte man gute Überschriften formulieren. Wie das geht, erläutere ich in den folgenden drei Serienteilen anhand konkreter Kostproben aus diversen Medien. Ich beginne mit der nachrichtlichen Überschrift; danach folgt die kreative – und abschließend die Internet-Überschrift. Letztere folgt besonderen Regeln, die auch die Findbarkeit eines Themas über Suchmaschinen mit berücksichtigen. Da bitte ich dann insbesondere die SciLogger um Aufmerksamkeit.

 

 


* Die entsprechenden Artikel referierten ein und dieselbe nature-Studie: Zhao, X.-Y. et al: iPS cells produce viable mice through tetraploid complementation. In: Nature 10.1038/nature08267, 2009.

** Bei den meisten Monatszeitschriften liegen zwischen der Imprimatur – dem Termin, an dem die Daten an die Druckeri übermittelt werden – und dem Erstverkaufstag mehr als zwei Wochen.

 

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Veröffentlicht von

Carsten Könneker Zu meiner Person: Ich habe Physik (Diplom 1998) sowie parallel Literaturwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte (Master of Arts 1997) studiert – und erinnere mich noch lebhaft, wie sich Übungen in Elektrodynamik oder Hauptseminare über Literaturtheorie anfühlen. Das spannendste interdisziplinäre Projekt, das ich initiiert und mit meinen Kollegen von Spektrum der Wissenschaft aus der Taufe gehoben habe, sind die SciLogs, auf deren Seiten Sie gerade unterwegs sind.

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