Pro Geisteswissenschaften II

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Salon der zwei Kulturen
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Wilhelm Dilthey, der "Vater der Geisteswissenschaften", hatte vor rund 100 Jahren das Verstehen als genuine geisteswissenschaftliche Methode etabliert – im Gegensatz zum Erklären der Naturwissenschaften. Die Philosophin Sybille Krämer bezweifelt die Existenz einer solchen "Demarkationslinie" in den Wissenschaften, wie sie bei der Eröffnungskonferenz "Pro Geisteswissenschaften" betonte: 

"Es greift zu kurz, die Geisteswissenschaften in die Schublade bloßer Deutungswissenschaften zu stecken oder gar als Kompensationsmechanismen instrumenteller Vernunft zu handhaben. Vielmehr haben Geisteswissenschaften immer auch eine doppelte Funktion: sie sind Wissenschaft von Realien und liefern zugleich Orientierungswissen (Sinn, Werte …).
Geisteswissenschaften forschen über Realien, also über 'Gegenstände', die immer auch in Raum und Zeit situiert sind (oder waren). Überdies sind alle wissenschaftlichen Gegenstände interpretationsabhängig und dies gilt gerade auch für die 'epistemischen Dinge' der Naturwissenschaften. Geisteswissenschaften haben es nicht nur mit Sinn und Bedeutung zu tun, sondern immer auch mit Kulturtechniken, Praxisformen, Medienstrukturen ud symbolischen Grammatiken, ohne welche die Genese und Zirkulation von Sinn und Bedeutung nicht erklärbar wäre. Daher ist die Demarkationslinie von 'Erklären' und 'Verstehen' kein geeignetes Unterscheidungskriterium zwischen Natur- und Geisteswissenschaften."

(Sybille Krämer, Professorin für Theoretische Philosophie an der FU Berlin)

 

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Veröffentlicht von

Carsten Könneker Zu meiner Person: Ich habe Physik (Diplom 1998) sowie parallel Literaturwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte (Master of Arts 1997) studiert – und erinnere mich noch lebhaft, wie sich Übungen in Elektrodynamik oder Hauptseminare über Literaturtheorie anfühlen. Das spannendste interdisziplinäre Projekt, das ich initiiert und mit meinen Kollegen von Spektrum der Wissenschaft aus der Taufe gehoben habe, sind die SciLogs, auf deren Seiten Sie gerade unterwegs sind.

4 Kommentare

  1. bescheidene Frage

    >Daher ist die Demarkationslinie von ‘Erklären’ und ‘Verstehen’ kein geeignetes Unterscheidungskriterium zwischen Natur- und Geisteswissenschaften.”<

    Weiss jemand, ob Frau Krämer ein anderes, besseres Unterscheidungskriterium hat?

  2. Mit Verlaub, bisher konnte ich den beiden Beiträgen noch keine guten Argumente “pro” Geisteswissenschaften entnehmen.

    Gab es denn niemanden auf der Tagung, der sagte, daß die Geisteswissenschaften viel davon profitieren könnten, wenn sie sich intensiver mit den Naturwissenschaften beschäftigen würden und auf sie zugehen würden?

    Und der weiterhin offen und ehrlich sagte, daß das ganz schön “stressig” sein könnte für einen eingefleischten Geisteswissenschaftler? Aber nichtsdestoweniger (oder gerade deshalb): notwendig?

    Nimmt sich niemand an Immanuel Kant oder Arthur Schopenhauer ein Vorbild (oder eben an Wilhelm Dilthey), die ERST Naturwissenschaft betrieben haben (Kant ja sogar innovativ), bevor sie sich der Philosophie zugewendet haben?

    Auch Werner Heisenberg riet das Carl Friedrich von Weizsäcker.

  3. Beschäftigung mit Naturwissenschaften

    Lieber Herr Bading,
    nein – in dieser Form wurde das nicht auf der Tagung artikuliert. Ich bringe aber noch die Tage einen O-Ton (nochmals von Michael Hagner), wo das Thema zumindest gestreift wird. Hagner – selbst ganz Wissenschaftshistoriker – macht auf die Doppelrolle seines Fachs aufmerksam: Mit geisteswissenschaftlicher Methodik sich naturwissenschaftlichen Gegenständen nähernd, hat die Wissenschaftsgeschichte das Potenzial Brücken zu schlagen. Das Zitat kommt die Tage …

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