Ferdinand Knauß: Forschung für den Chauffeur

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Salon der zwei Kulturen
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Jetzt gibt’s Saures! Mein heutiger Gast, Ferdinand Knauß, ist Journalist und ein Wanderer zwischen den Disziplinen. Als Historiker betreut er die sehr lesenswerten mittwöchlich bzw. donnerstäglich erscheinenden Seiten "Geisteswissenschaften" und "Naturwissenschaften" im Handelsblatt. Als Redakteur mit sehr weitem Horizont scheut er sich nicht, den hartnäckigen Snobismus vieler Geisteswissenschaftler gegenüber den Naturwissenschaften zu geißeln – und ebenso die teils erschreckend naiven Allmachtsansprüche mancher Biologen vom Schlage eines Richard Dawkins. In der Guten Stube nimmt Ferdinand Knauß kein Blatt vor den Mund. Herzlich willkommen!

Ferdinand KnaußForschung für den Chauffeur

Als Redakteur für Geistes- und Naturwissenschaften sind J.P. Snows „Zwei Kulturen“ mein tägliches Brot. Mit der ersten, den Naturwissenschaften, hatte ich zwölf Jahre lang, seit dem Abitur, kaum etwas zu tun. Damals empfand ich es als Befreiung, keine Physik- und Chemieprüfungen mehr schreiben zu müssen, mich stattdessen voll und ganz auf das Studium der Geschichte werfen zu dürfen. Doch dann im Sommer 2005 erhielt ich den Auftrag und die Chance, eine Naturwissenschafts-Seite im Handelsblatt aus dem Boden zu stampfen. Nun, zwei Jahre später, kann ich sagen, es hat mir gut getan. Die Welt der Geisteswissenschaften kannte ich aus dem Studium, nun lernte ich die der Naturwissenschaften, wenn auch mit einiger Distanz, als Journalist kennen.

Die Kritik des Physikers Snow an der Ignoranz und Arroganz der Geisteswissenschaftlern und Literaten, ist sicher angebracht. Sehr vielen Geisteswissenschaftlern würde es gut tun, ein wenig Evolutions- und Soziobiologie, und möglicherweise auch Geologie und Klimatologie zu lernen. Den Menschen als Geistwesen versteht man wahrscheinlich besser, wenn man zumindest die Grundlagen seiner Biologie und seiner physischen Lebensumstände kennt. Gerade die institutionell immer stärker werdenden Gender-Studies sind mit ihren Theorien vom sozial konstruierten Geschlecht unfassbar blind gegen die handfesten Erkenntnisse der Biologie und Medizin über die Unterschiede der Geschlechter. So ist es verständlich, dass Geisteswissenschaftler von Naturwissenschaftlern oft als realitätsferne Schwätzer abgetan werden. Die Insassen der philosophischen Fakultäten sollten schon aus Eigeninteresse und zur Verteidigung ihrer akademischen Position in der Öffentlichkeit die Welten der anderen Fakultäten kennen.

Von der Philosophie, die seit jeher das Alpha und Omega aller Wissenschaftszweige ist, einmal abgesehen, gibt es in den letzten Jahren aber auch einige erfreuliche Beispiele wirklich interdisziplinären (interfakultätischen) Denkens und Forschens, wie etwa das aktuelle Buch des Historikers Wolfgang Behringer über die „Kulturgeschichte des Klimas“.

Die Ignoranz und Arroganz ist auf der Seite der Naturwissenschaftler – ich habe hier vor allem die derzeitige Leitwissenschaft Biologie vor Augen – allerdings mindestens genauso groß. Deren teilweise offene Ablehnung der Geisteswissenschaften ist vielleicht sogar besonders gefährlich und sträflich, gerade weil die Naturwissenschaftler in der Öffentlichkeit derzeit weitaus wirkmächtiger sind als Historiker und Philosophen. Der kategorische Hochmut der meist aus den Biowissenschaften kommenden Naturalisten („Der Geist ist nur eine Funktion des Gehirns. Freiheit ist eine Illusion“) wird personifiziert von Richard Dawkins, der zurzeit mit seinem beschämend dummen und extrem erfolgreichen Buch „Der Gotteswahn“ durch die Talkshows tingelt. 

Die Verblendung und der Naturwissenschaftsfundamentalismus von Menschen wie Dawkins sind möglicherweise auch psychologisch zu erklären. Die Frage nach Gott als die „wichtigste naturwissenschaftliche Frage“ zu bezeichnen, die mit naturwissenschaftlichen Methoden zu untersuchen sei, wie Dawkins es tut, zeugt von Allmachtsvorstellungen. Die atemberaubenden Erkenntnisfortschritte der Biologie in den vergangenen Jahrzehnten mögen manchen Forscher vielleicht dazu verleitet haben, methodische, fachliche Grenzen zu verkennen. Erfolg kann bekanntlich blind und größenwahnsinnig machen.

Neu ist das keineswegs. Wissenschaftshistoriker kennen diesen Wahn einer angeblich die Welt entschlüsseln könnenden Naturwissenschaft aus dem 19.Jahrhundert. Heutige Soziobiologen und Neurowissenschaftler sind leider oft nicht viel weiter als die „Vulgärmaterialisten“ um Carl Vogt (1817-1895), der erklärte, das Gehirn sei für den Geist, was das Urin für die Nieren sei. Der „Ignorabimus“-Aufsatz von Emil du Bois Reymond ist heute also mindestens noch so aktuell wie zu Lebzeiten des Wissenschaftlers. Im Meiner-Verlag ist aus dieser Erkenntnis heraus gerade ein glänzendes dreibändiges Werk „Weltanschauung, Philosophie und Naturwissenschaft im 19. Jahrhundert“ erschienen.

Der publizistische Erfolg eines Wissenschaftlers ist nicht unbedingt mit seiner intellektuellen Stärke gleichzusetzen. Viele erfolgreiche Naturwissenschaftler haben in den letzten Jahren nämlich etwas gelernt, das zuvor eher die Domäne der Geisteswissenschaften war: Die direkte Ansprache an das Volk. Und Philosophen, Historiker, Soziologen, Germanisten haben es verlernt, oder begnügen sich bewusst damit, dass Kollegen und Studenten ihre Bücher durchkauen – denn die haben ja keine Wahl.

Manche Geisteswissenschaftler schämen sich sogar, in Zeitungen oder anderen populären Medien zu veröffentlichen. Sie fürchten um ihre Reputation als seriöser Wissenschaftler im Kollegenkreis. Und dann geben sie sich große Mühe, genau so gestelzt, unverständlich und langweilig zu schreiben wie die Leitwölfe der Geisteswissenschaft. Versuchen Sie einmal ein Buch von Hans-Ullrich Wehler zu lesen!

Das ist nicht nur traurig, sondern fast tragisch zu nennen. Denn das öffentliche Interesse gerade an „geistigen“ Themen ist immens groß. Man schaue sich die Bestsellerlisten an. Jede Menge Sachbücher zu philosophisch-metaphysischen Themen und historische Romane. Leider zum großen Teil von wenig wissenden und viel schwätzenden Fernseh-Promis wie Guido Knopp und Konsorten geschrieben.
 
Ähnlich sieht es bei den universitären Philosophen aus. Weil in den Instituten und Seminaren die Metaphysik weitgehend für obsolet angesehen wird, übernehmen auf den Bestsellerlisten Fernsehmoderatoren (Hape Kerkeling) und ein Koch (Horst Lichter) die Beantwortung der Fragen nach Gott, Tod und Glück. Philosophen wie Karl Jaspers sind leider selten geworden. Er wollte stets so schreiben, „dass es der Chauffeur versteht“.

Daher ergeht hiermit ein Appell an alle Geisteswissenschaftler:
Schreiben Sie verständlich, rennen Sie den Zeitungsredaktionen die Bude ein, sprechen Sie in die Mikrofone. Wie man das tut, erfahren Sie demnächst im bald erscheinenden „Handbuch Wissenschaft kommunizieren“ (Raabe Verlag) – oder schreiben Sie mir einfach:

f.knauss@vhb.de.

 



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Veröffentlicht von

Carsten Könneker Zu meiner Person: Ich habe Physik (Diplom 1998) sowie parallel Literaturwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte (Master of Arts 1997) studiert – und erinnere mich noch lebhaft, wie sich Übungen in Elektrodynamik oder Hauptseminare über Literaturtheorie anfühlen. Das spannendste interdisziplinäre Projekt, das ich initiiert und mit meinen Kollegen von Spektrum der Wissenschaft aus der Taufe gehoben habe, sind die SciLogs, auf deren Seiten Sie gerade unterwegs sind.

19 Kommentare

  1. Juchu

    Ja, ich kaufe sofort ihr Buch! Wer so gekonnt eine Eigenwerbung als Interview tarnen kann, kann mir sicherlich seine eigene gottgleiche Weisheit verraten, wie ich den dummen Laien meine Geisteswissenschaften verkaufen kann.
    Mal ehrlich, Wissenschaftskommunikation ist seit Jahren ein viel diskutiertes Thema. Geisteswissenschaftler sollten erstmal den praktischen Nutzen ihres Schaffens finden!

  2. @ -Knauss

    Tatsächlich wirken Sie in diesem Artikel selbst etwas stereotyp. Nicht wissend, wie Sie ihre Handelsblattseiten gestalten, ahne ich doch folgende Merkmale in Ihren thesenhaften Ansätzen: Die Verschiedenheit der wissenschaftlichen Methoden könnte durch interdisziplinäres und popularisierendes Schreiben marginalisiert werden; die Naturwissenschaften vom Leben seien als Leitwissenschaften dafür besonders geeignet; meine eigene Ansicht/Wissenschaft/Disziplin kann ich durch öffentlichkeitswirksame Auftritte prominent machen; und schließlich ein ganz naheliegender: Ich schreibe darüber ein Buch und wende meine Strategie zunächst auf dessen Verkaufserfolg an.
    Ich weiss um die Härte dieses Urteils. Vielleicht und hoffentlich irre ich mich in der Einschätzung Ihres Beitrags, obwohl er sehr danach riecht. Denn das, was Sie da schreiben, ist derzeit so verbreitet, dass ich müde werde, darin einen ernsthaften Ansatz für die Vermittlung von Wissen oder wissenschaftlichen Inhalten zu sehen. Ich denke, dass die spezifischen Methoden der einzelnen Disziplinen und damit deren Aussagekraft und Reichweite strenger beachtet werden sollten (Stephan Rahmsdorf hat das gerade in seinem Beitrag “Die Bringschuld …”, abgelegt in KlimaLounge, schön dargelegt). Wenn Menschen sich geistes- oder naturwissenschaftlich mit dem Geist oder der Natur des Menschen beschäftigen, ist das eine wichtige und lohnende Aufgabe. Wenn sie aber aus dieser Sicht den Rest dessen, was „ist“ (im ontologischen Sinn) messen und beurteilen, könnten sie Fehler machen. Die Frage nach Gott beispielsweise ist eine, die in vielen Disziplinen ansteht, in der Theologie wie in der Kosmologie. Ob der Zugang zum Verständnis über die Schöpfung/Entstehung dieser Welt eher über die äußerst komplexen Erscheinungen „Leben“ und „Geist“ oder einfacher über Phänomene der nichtbelebten Natur gelingt, bleibt offen. Eine gute Wissensvermittlung würde sich an dieser Frage orientieren und nicht so sehr daran daran, wie man mit möglichst provozierenden, populisitschen und vermeintlich diskursiven Äusserungen seine Auflage stärkt.

  3. Zweimal Danke

    @ C. Könneker

    In der Gotteswahn-Debatte nebenan hatte ich noch die Befürchtung geäußert, dass in den wissenslogs nur noch Dawkins-Jünger zu Wort kämen. Nach “diesem” Beitrag steht das wohl nicht mehr zu befürchten… Insofern ein “Danke”!

    @ all

    Wobei ich nach wie vor hoffe, dass sich die Dawkins-Diskussionen auch wieder mäßigen. Immerhin hat der Mann, bei allem Etikettenschwindel mit Naturwissenschaft, dennoch fruchtbare Diskussionen angestossen. Und ich glaube auch nicht, dass seine Religionstheorie “psychologische” Gründe hat. Der Bucherfolg durch polemische Überspitzung sei ihm gegönnt, denn immerhin hat er doch dazu beigetragen, auch die Geisteswissenschaften und Theologien aus dem evolutionsbiologischen Schlummer zu reißen. (@ Herr Dahl, schauen Sie – ich verteidige auch Dawkins! (-; )

    @ Knauss

    Donnernde Werbung für Ihr Buch, ich werde es kaufen! (-:

    Ein Hinweis noch. Sie schrieben (m.E. durchaus zu Recht):

    “Manche Geisteswissenschaftler schämen sich sogar, in Zeitungen oder anderen populären Medien zu veröffentlichen. Sie fürchten um ihre Reputation als seriöser Wissenschaftler im Kollegenkreis. Und dann geben sie sich große Mühe, genau so gestelzt, unverständlich und langweilig zu schreiben wie die Leitwölfe der Geisteswissenschaft.”

    Meines Erachtens liegt dies maßgeblich an der beruflichen Situation. Wer existentiell vom Universitätsbetrieb unabhängig ist, kann leichter neue Wege gehen. Für Naturwissenschaftler ergeben sich derzeit auch außerhalb der Universitäten viele berufliche Optionen. Aber spezialisierte Geisteswissenschaftler laufen in Deutschland noch schnell Gefahr, in eine Situation zu rutschen, in der sie vom Wohlwollen der Kollegen abhängig sind. Und existentielle Angst (gerade wenn man Familie hat) würgt dann natürlich Mut und Kreativität ab und verführt zu Strippenziehen und Ausgrenzen unabhängiger Geister.

    Deswegen scheint m.E. die praxisorientierte Qualifikation von Geisteswissenschaftlern ein ganz wichtiger Punkt zu sein: Umso mehr Chancen sie auch außerhalb des Unibetriebes finden, umso mutiger können sie auch mal etwas riskieren “anecken”. Und, wie Sie es hier taten, auch mal die eigene Zunft kritisieren, ohne um den befristeten Arbeitsvertrag oder gar das Fernziel der Berufung fürchten zu müssen.

    Kurzum: Geisteswissenschaften werden m.E. dann wieder freier atmen, wenn der akademische Mittelbau nicht mehr durch Teufelskreise aus Spezialisierung und Existenzangst eingeschnürt wird und die Nachwuchsleute also wieder mutiger Dampf machen können. Da gibt es eine Menge Potential, das momentan leider noch durch Angst verschüttet wird.

  4. @ Werner Große

    Wegen des unpassenden und fast beleidigenden Tons möchte ich auf den Beitrag von “Lal” eigentlich nicht eingehen. Von den Geisteswissenschaften einen “praktischen” Nutzen zu fordern, ist ziemlich unreflektierter Blödsinn. Als ob Erkenntnis über den Menschen (und damit sich selbst) nicht ein unbezahlbarer Nutzen wäre.
    Zu Klarstellung nur so viel: Ich bin nicht Autor oder Herausgeber des “Handbuchs Wissenschaft kommunizieren”, habe aber ein kleines Kapitel dazu beigetragen. Wenn Sie meinen Hinweis darauf als unangebrachte Eigenwerbung kritisieren, dann sei’s drum. Fiananzielle Interessen zumindest habe ich nicht. Am eventuellen Ertrag des Buches bin ich nicht beteiligt. Mein Honorar betrug 200 Euro für einige Tage Arbeit! Als Fensterputzer hätte ich mehr verdient. Mein Eigennutz ist höchstens, dass ich dazu beitragen will, die Kommunikation von uns Journalisten mit Wissenschaftlern zu verbessern.

    Herr Große, Sie verstehen mich leider völlig falsch. Die Verschiedenheiten zwischen den Disziplinen zu marginalisieren, kann niemandes Ziel sein. Das ist wohl auch gar nicht möglich.
    Ich glaube, wir sind uns weitgehend einig. Die gegenseitige Akzeptanz der Verschiedenheit der Methodik ist ganz zentral. Leider ist diese Akzeptanz bei vielen Sozio- und Neurobiologen nicht wirklich vorhanden. Naturwissenschaftliche Methoden werden leider oft verabsolutiert.
    Mir geht es nicht darum, dass Wissenschaftler möglichst “provozierend” sein sollen. Wohl aber populär, so weit das möglich ist. In dem Sinne von Sokrates, der auf dem Marktplatz von Athen sprach, und in dem Sinne von Karl Jaspers, der im Radio über Philosophie sprach, und zwar so “dass es auch der Chauffeur versteht”.
    Viele Naturwissenschaftler, zum Beispiel der erwähnte Stephan Rahmstorf, tun das mittlerweile. Das ist auch ein Grund dafür, dass der Klimawandel heute öffentlich präsent ist. Die meisten Geisteswissenschaftler, leider gerade oft die besten, tun das leider nicht. Die Bescheidenheit ehrt sie vielleicht, aber dann nehmen Schwätzer wie Guido Knopp den Platz ein, der eigentlich ihnen zukäme.
    Ich lese leider aus ihren Worten eine Geringschätzung für unserern Berufsstand heraus (“populistisch”, “Auflage steigern”, “Verkaufserfolg”). Diese leider bei einigen Wissenschaftlern (aller Fakultäten) noch verbreitete Abneigung zu überwinden, ist langfristig eines der großen Ziele der meisten Wissenschaftsjournalisten. Voraussetzung dafür ist aber auch, dass in der Wissenschaft ein gewisses Verständnis für die populären Medien vorhanden ist.
    Herr Große, wir sind nicht eitler und ehrgeiziger als Wissenschaftler. Wir sind natürlich notwendigerweise Generalisten (nennen Sie es meinetwegen auch “oberflächlich”).

    Ich würde gerne einmal intensiver mit Ihnen über das Verhältnis von Wissenschaft und breiterer Öffentlichkeit diskutieren. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen dazu noch einiges sagen. Meine E-Mail-Adresse finden Sie unter meinem Beitrag.

  5. Teufelskreis der Geisteswissenschaften

    Mag sein, dass einige Geisteswissenschaftler sich vor allem aus Angst vor der Kollegenschelte nicht trauen, verständlich für die Öffentlichkeit zu schreiben, aber im Großen und Ganzen machen es sich sehr viele auch schlicht im Elfenbeinturm gemütlich.

    Es ist ja nicht so, dass Geisteswissenschaftler entweder Arbeitslos oder an der Uni sind. Da gibt es schon eine ganze Menge Alternativen.

    Meines Erachtens ist die Selbstisolation vieler forschender Geisteswissenschaftler schlicht eine Sache der Bequemlichkeit. Verklausulierten Jargon als Erkenntnisgewinn zu verkaufen ist allemal einfacher als zu einer wirklichen Einsicht zu gelangen und sie in verständliche Sprache zu fassen.

  6. @ Fischer

    “Verklausulierten Jargon als Erkenntnisgewinn zu verkaufen ist allemal einfacher als zu einer wirklichen Einsicht zu gelangen und sie in verständliche Sprache zu fassen.”

    In dem Punkt widerspreche ich Dir nicht! (-:

    Mir geht es nur darum, auch die strukturellen Hintergründe aufzuzeigen. Geisteswissenschaftler sind nicht per se bequemer, scheuer oder verquaster als andere Wissenschaftler und wo eine unbefriedigende Situation entstanden ist, ist nach eigener Schuld “und” nach Strukturproblemen zu suchen.

    Wir hatten ja schon drüber gesprochen: Den Beruf (und die Berufung! (-; ) als Wissenschaftsjournalist halte ich für einen ganz wichtigen Baustein, um einerseits Fachwissen zu vermitteln und andererseits schon Studierenden sowohl der Geistes- wie Naturwissenschaften aufzuzeigen, welche Fülle es an beruflichen Möglichkeiten gibt. Deswegen finde ich den Ansatz von Herrn Knauss auch gut, die entsprechenden Kompetenzen anzubieten und einzufordern.

    Es scheint heute einfacher für Biologen zu sein, sich über Religion zu äußeren – als für Religionswissenschaftler oder Theologen, auch biologische Methoden aufzunehmen. Geistes- und Kulturwissenschaftler werfen einander kaum je “Soziologismus” vor, “Biologismus” aber schon. Und Vereinfacher wie Dawkins tragen ihren Teil dazu bei, dass bei vielen vorschnell der Rollo runtergeht.

    Wie Du weißt, bin ich selber dennoch in diesen Grenzbereich “gesprungen” – und inzwischen glücklich über Seminarteilnehmer, die den Mut haben, als Religionswissenschaftler sogar ein Comic zur Evolutionsbiologie der Gretchenfrage zu zeichnen! (-: Aber ich kann befristet eingestellten Postdoks mit Familie auch nicht vorwerfen, wenn sie sich manchmal schlicht nicht trauen, sich populärer und interdisziplinärer zu exponieren. Denn noch wird es leider oft eher abgestraft als gewürdigt. Und das sollte sich ändern, wenn uns Geistes- UND Naturwissenschaften etwas bedeuten.

  7. Knauss

    Sehr geehrter Herr Knaus,

    Sie sprechen mir aus dem Herzen!

    Ich versuche seit vielen Jahren, zur Überwindung des Hiatus zwischen Natur- und Geisteswissenschaften beizutragen. Damit aber sitze ich zwischen allen Stühlen. Da ich meine Zeit nicht mehr mit Geld verdienen vertrödeln muss, kann ich mir das leisten, auch wenn es mir nicht gefällt.

    Sie werden Beifall von allen Seiten ernten, jeder wird Ihnen zur Kritik an der anderen Seite zustimmen. Sobald Sie aber versuchen, Lösungen zur Überwindung des Grabens vorzuschlagen, werden sie von beiden Seiten kritisiert, weil dann Kritik am eigenen Standpunkt angenommen werden müsste!

  8. Kulturschock Naturwissenschaft

    Ich möchte Richard Dawkins ein bischen in Schutz nehmen. So weit ich sehe, hat er sich auch in “Gotteswahn” MEHR in rein philosophische und theologische Gebiete hineingewagt, als der durchschnittliche Geisteswissenschaflter sich auf naturwissenschaftliche Gebiete wagt. Und das kann man von sehr vielen naturwissenschaftlichen Bestseller-Autoren und Nobelpreisträgern sagen. (Ich nenne nur beispielhaft Werner Heisenberg oder Konrad Lorenz.) Und nur so kann Diskussion zustande kommen. Man sollte also Dawkins wesentlich weniger Vorwürfe machen als der Gegenseite.

    Meine Vermutung geht dahin, daß viele Geisteswissenschaftler Diskussionen einfach nicht wagen, weil sie sehen: WENN man da mal anfängt, ist kein Ende abzusehen. WENN ich da anfange, muß ich konsequent sein und muß mich da rein knieen in die moderne Naturwissenschaft. Denn sonst wird alles “mitreden” leicht allzu oberflächliches Geschwätz.

    Aber dieses Reinknien kostet Schweiß. Zumal wenn man es mit dem Hochmut des Geisteswissenschaftlers tut. Geisteswissenschaftler erwidern, wenn man auf die “Detail-Tiefenschärfe” der Naturwissenschaft verweist, gern, Sprachen lernen würde auch Schweiß kosten. Womit sie meiner Meinung nach beweisen, daß sie noch gar keine Ahnung davon entwickelt haben, worum es geht.

    Als ich – als fertiger Historiker – im pflanzenpyhsiologischen Praktikum saß, da schlackerten mir die Ohren wie sie mir noch nie zuvor im Leben geschlackerten hatten. Das war ein Kulturschock. Und wer das verniedlichen will, begeht schon den ersten fundamentalen Fehler.

  9. Danke, Ingo

    Das ist genau der Punkt auf den ich hinauswill.
    Den Begriff der Bequemlichkeit habe ich schon sehr bewusst gewählt.
    Während meines Studiums habe ich ja die eine oder andere geisteswissenschaftliche Veranstaltungen besucht und auch viel nützliches und wichtiges daraus mitgenommen.

    Mir ist dabei allerdings immer wieder negativ aufgefallen, dass man Theorien in den Raum stellt, und dazu eine Liste von Argumenten präsentiert, die dafür sprechen. Dann wird ein bisschen diskutiert, ob das plausibel ist und mit welchen Koryphäen das konform geht und mit welchen nicht, Händeschütteln, Schulterklopfen, fertig.

    Es ist eine Grunderfahrung des Naturwissenschaftlers, dass ca. 90% aller anfänglich plausiblen und mit den vorliegenden Daten konsistenten Ideen nach näherer Prüfung die Tonne wandern. Statistisch gesehen ist jede These erstmal mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch. Viele Geisteswissenschaftler wollen das schlicht nicht wahrhaben.

    Das meine ich mit Bequemlichkeit.

  10. Siehe “HSozKult” oder MPI Leipzig

    Bequemlichkeit – das ist exakt der Punkt, Lars. Manchmal traut man sich gar nicht, so schlichte Wahrheiten auszusprechen.

    Aber die Dinge sind nicht nur in der Psychologie der Wissenschaftler verankert, sondern auch in den erforschten Sachen selbst. Wir haben es heute mit einer breiten “Naturalisierung alles Wissens” zu tun, das heißt, die Naturalisierung greift BREIT praktisch auf alle Geisteswissenschaften über. So wie das E.O. Wilson in “Einheit des Wissens” schon vorausgesagt hat. Es gibt inzwischen wohl für so gut wie alle Wissenschaften “evolutionäre” Zweige. Michael Blume repräsentiert einen der neuesten solcher sprießenden Triebe.

    Wenn man also wirklich da sein will, wo die spannenden Dinge passieren, dann muß man sich – meiner Meinung nach – doch ganz offensichtlich (wenigstens AUCH) mit DIESEN Dingen beschäftigen. Aber man schaue sich mal eine so renommierte geisteswissenschaftliche Seite wie “HSozKult” an und suche da nach Beiträgen, die die “Naturalisierung” all unseres Wissens thematisieren:

    Wie dürftig ist dort alles zu diesem Thema bislang noch Gebrachte. Mit wieviel Stirnrunzeln, Distanz, “unguten” Gefühlen begegnet man dort einem solchen Ansinnen, einem solchen Forschungs-Interesse.

    Neulich wollte man dort eine Rezension von mir. Ich besprach ein rein geisteswissenschaftlich fragendes Buch zur deutschen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte aus einer rein naturalistischen Perspektive. Eine solche Perspektive war denen, die die Rezension haben wollten, offenbar viel zu ungewohnt.

    Aber eine andere Rezension zu schreiben, kommt mir viel zu langweilig vor, weil es mir nur als ein intellektuelles “Drehen im Kreis” vorkommt.

    Warum zum Beispiel hat man den geplanten geisteswissenschaftlichen Zweig bei der Gründung des heute so renommierten “Max Planck-Institutes für Evolutionäre Anthropologie” in Leipzig wieder gestrichen? (Es war ja so in etwa ein Ersatz für das eingestampfte, früher so renommierte MPG in Seewiesen von Konrad Lorenz.) – Man FAND schlichtweg die Leute nicht!!!! Das kommt mir bei den Forschungsperspektiven, die sich heute aus einer naturalistischen Perspektive auch für die Geisteswissenschaften alle ergeben, absolut absurd und irreal vor.

  11. @ Ingo Bading

    Mit Edward O. Wilson und der behaupteten “Naturalisierung” alles Wissens (das ist doch mit Verlaub Blödsinn, die Erkenntnisse der Geisteswissenschaften sind eben gerade nicht naturalisierbar) können Sie eben einem Geisteswissenschaftler nicht kommen. Das ist wieder dieser Allmachtsanspruch.

    Wenn Sie wirklich davon ausgehen, dass alles Wissen naturalisierbar ist, dann müssen Sie konsequenterweise den Dialog mit den Geisteswissenschaften einstellen. Dann sind sie wieder bei Carl Voigt und den Radikal-Materialisten, zu denen ja auch Wilson und Dawkins gehören. Mit diesen Leuten können wir nicht über eine “Einheit des Wissens” reden, weil die den Geisteswissenschaften in Wirklichkeit jede Existenzberechtigung absprechen.

    Leider, leider ist auf der Seite der Geisteswissenschaften eine ähnlich bornierte und erkenntnisverbauende tendenz auszumachen. Jene “Kulturwissenschaften”, die mit ideologischem Eifer die Natur und die Naturwissenschaften zu einem “Konstrukt” erklären und auch in ihnen (wie überall) ein Instrument der Herrschaft und Diskriminierung sehen. Das ist genauso dumm (nein, vielleicht noch dümmer) wie die bornierte Haltung von Dawkins, der glaubt, den lieben Gott mit naturwissenschaftlichen Methoden beurteilen zu können.

    Vielleicht ist in vielen Fällen eine strenge Trennung der Fakultäten besser. In der Philosophie zumindest können sich die Wohlgesinnten beider Seiten treffen.

  12. *Warum zum Beispiel hat man den geplanten geisteswissenschaftlichen Zweig bei der Gründung des heute so renommierten “Max Planck-Institutes für Evolutionäre Anthropologie” in Leipzig wieder gestrichen? (Es war ja so in etwa ein Ersatz für das eingestampfte, früher so renommierte MPG in Seewiesen von Konrad Lorenz.) – Man FAND schlichtweg die Leute nicht!*

    Wollen wir ihnen Michaels Telefonnummer geben? 🙂

    @ Ferdinand Knauß:
    Ich stimme Ihnen zu, dass geisteswissenschaftliche Erkenntnis nicht naturalisierbar ist – das kann aber nicht heißen, dass naturwissenschaftliche Erkenntnis dort keine Relevanz hätte.

    Dass eine strenge Strennung der Fakultäten besser sein soll, kann ich nun gar nicht nachvollziehen. Was wäre dadurch gewonnen?

    Vielmehr sind jetzt die Philosophen gefragt, ein theoretisches Fundament des Verhältnisses von Geistes- und Naturwissenschaften zu entwerfen.

  13. @ Fischer

    Ich meine eine eindeutige unmissverständliche Abgrenzung der Methodik. Die Geisteswissenschaften müssen klarmachen, dass Wilsons Forderung nach einer “Einheit des Wissens” mit einer de facto naturwissenschaftlichen Methodik nicht hinnehmbar ist. Das funktioniert schlichtweg nicht. Eine Geschichtswissenschaft mit quasi-naturwissenschaftlichen Methoden ist keine Geschichtswissenschaft mehr.
    In diesem Sinne spreche ich von Trennung.

  14. Umweg über die Theologie notwendig?

    Lieber Herr Knauß,

    “Einheit des Wissens” heißt doch nur, daß ich bei meinem Weltbild BEIDE Perspektiven berücksichtige. Das heißt doch nicht, daß ich Methoden-Unterschiede negiere. Aber ich kann doch selbst über die Methoden-Unterschiede in keiner Weise vernünftig nachdenken, wenn ich mich nicht breit hineinkniee in das, was moderne Naturwissenschaft macht und betreibt und WIE sie es betreibt.

    GERADE die moderne Naturwissenschaft läßt doch heute so GROSSEN Raum für geisteswissenschaftliche Interpretation. Ich habe schon händeringenden Physikern zugehört, die sagten: “Mein Gott, Stoff, Stoff, Stoff für geisteswissenschaftliche, philosophische Interpretation – aber worüber machen sich stattdessen Philosophen Gedanken? Womit beschäftigen sie sich?”

    Da ist ja selbst ein Kardinal Schönborn – ein Theologe – noch schneller als all unsere “Haus- und Hof-Philosophen”. Unsere vormals atheistischen “nach-metaphysischen” Haus- und Hofphilosophen sagen, wir sollen wieder in die Kirche gehen, während Kardinal Schönborn stattdessen anfängt, über die theologischen Implikationen des heutigen naturwissenschaftlichen Weltbildes nachzudenken. Wenn DAS nicht ein Umweg ist …

    Wir haben doch unglaublich viele naturwissenschaftliche Erkenntnisse heute, die die Bedeutung von zuvor nur rein geisteswissenschaftlich erforschtem Terrain (und natürlich nicht nur theologischem!!!) noch deutlich erhöhen oder wieder deutlicher ins Bewußtsein heben. Der Laplace’sche Determinismus beispielsweise ist doch von der modernen Physik längst über Bord geworfen.

    All das sind Dinge, die – bspw. – Hoimar von Ditfurth schon vor 30 Jahren thematisiert hat, die aber bei der Mehrheit der Geisteswissenschaftler und Philosophen heute immer noch nicht angekommen sind.

  15. Dawkins

    “Richard Dawkins, der zurzeit mit seinem beschämend dummen und extrem erfolgreichen Buch „Der Gotteswahn“ durch die Talkshows tingelt.”

    Eine solche Setzung mag ja ganz nett sein und wird sicherlich die geistes-“wissenschaftlich”-theo-“logischen” Claqeure zufrieden stellen (was ist an den dieses Prädiket beanspruchenden Disziplinen wissenschaftlich, was ist an der Religion logisch?), doch wie wäre es mit einer Begründung für die These?

    Dawkins hat offensichtlich den Fehler gemacht, ein Buch zu schreiben, das der denkende Mensch auch nachvollziehen kann, andererseits muss er mit seinen begründeten Aussagen beim denken lassenden Menschen auf Widerspruch stoßen, weil es nicht mit dessen Vorurteilen kompatibel ist.

    “Beschämend dumm” im Wortsinn ist nur eine solche anmaßende, jegliche Begründung vermissende Setzung über Dawkins Buch.

  16. @ Bading @ Potter

    Lieber Herr Bading,

    ich stimme Ihnen voll und ganz zu. Die Ignoranz vieler Geisteswissenschaftler gegen die Naturwissenschaften ist verheerend. Vor allem die der immer stärker erdenden “Kulturwissenschaften”, die die Natur für ein “Konstrukt” halten und den naturwissenschaftlern oft abstruse Diskriminierungsabsichten unterstellen. Die Sperspitze dieses ideologischen Humbugs sind die “Gender Studies”.

    Lieber Herr Potter,

    über Dawkins ernsthaft zu sprechen, fällt mir allmählich schwer. Zu seiner Dummheit nur soviel: In seinem Buch bringt er es nicht fertig, klar zu trennen zwischen der metaphysischen Frage nach Gott und der moralischen Bewertung der Religionen bzw. ihrer menschlichen Akteure. Außerdem glaubt er, die Frage nach Gott naturwissenschaftlich stellen zu können und kommt zu dem lächerlichen Ergebnis, Gott existiere mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit nicht. Er versucht, das Transzendente in der Immanenz zu widerlegen. Das ist geradezu lächerlich dumm. Den Mann kann man nicht ernst nehmen – außerhalb der Evolutionsbiologie. Darum spricht auch kaum ein Philosoph mit ihm.

  17. Arroganz der Geisteswissenschaflter

    Hallo Carsten, du bringst es genau auf den Punkt. Ich habe selbst 3 Jahre Chemie studiert und studiere seit einigen Jahren Geisteswissenschaften. Die mentale und geistige Diskprepanz zwischen Natur- und Geisteswissenschaftlern könnte nicht größer sein. Ich ärgere mich häufig über die Arroganz der letzteren: da sie ja über den Dingen stehen, haben sie weder empirische Forschung, noch konkretes, in Geld ummünzbares Basiswissen nötig! Das ist die gängige Einstellung sowohl bei Studenten als auch bei Professoren. Man sollte meinen, Geisteswissenschaftler interessierten sich für die Menschen oder die Veränderung der Gesellschaft… Pustekuchen! Da ihre Sicht von ihrer meist linksideologischen Brille gnadenlos blockiert wird, bewegen sich die meisten Geisteswissenschaftler in einem Teufelskreis aus Relaitätsferne und selbstauferlegten Denktabus. Das sollte endlich thematisiert werden… denn wodurch legitimieren sich solche Leute?

    Alena, Tübingen

  18. Niveau der GW

    Argumente gegen Dawkins:
    – Ignoranz und Arroganz
    – besonders gefährlich und sträflich
    – beschämend dumm
    – Verblendung
    – Fundamentalismus
    – blind und größenwahnsinnig

    Sachliche Argumente gegen Dawkins:
    – ?

  19. Ingo Bading

    Sie sind eben zu dumm. Können ja nicht einmal einen vernünftigen Kommentar verfassen. Stets hat man das Gefühl, da schriebe ein Tollwütiger, der unruhig auf seinem Stuhl herumrutscht und es liebt, sich zu unterwerfen. Widerlich. Die übrigen Kommentare sind indes nicht besser, prätentiös und vulgär.

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