Andreas Bartels: Weshalb Interdisziplinarität gut ist

BLOG: GUTE STUBE

Salon der zwei Kulturen
GUTE STUBE

Heute ist der Philosoph Andreas Bartels Gast in der Guten Stube. Wir haben uns im Januar auf einer Veranstaltung der VolkswagenStiftung und des Zentrums für Literatur- und Kulturforschung Berlin kennengelernt. Bei einem Gespräch am Kaffeetisch wurde schnell klar: Professor Bartels hat etwas zum Thema der „2 Kulturen“ zu sagen, denn er arbeitet selbst interdisziplinär mit Vertretern anderer Fächer – etwa mit Neurowissenschaftlern bei einem gemeinsamen Forschungsprojekt zur Raumorientierung. In Berlin vertrat er konsequenz die These, viele zentrale Begriffe der Geisteswissenschaften seien auch empirisch erschließbar, ja Geistes- und Naturwissenschaftler hätten sogar oft dieselben Untersuchungsgegenstände. Heute und in den kommenden Tagen bricht Prof. Bartels in der Guten Stube eine Lanze für mehr Interdisziplinarität an deutschen Universitäten. Jedoch keine, die nur „aus sich heraus gut“ ist … Herzlich willkommen, Herr Bartels!

 

Weshalb Interdisziplinarität gut ist

Andreas Bartels in der Guten StubeIn der Selbstdarstellung der Wissenschaft gehört „Interdisziplinarität“ in die Reihe der o.k-Wörter. Große Forschungsprojekte sind vorzugsweise interdisziplinär angelegt, exzellente Universitäten fördern mit Vorliebe interdisziplinäre Zentren und Initiativen. Dadurch wird der Eindruck erweckt, Interdisziplinarität sei „aus sich heraus gut“ und daher auch nicht begründungspflichtig.

Im Gegenzug ruft eine solch unkritische Verwendung des Begriffs „Interdisziplinarität“ verständlicherweise Argwohn und Ablehnung hervor. Verbirgt sich hinter diesem Begriff, so wird geargwöhnt, nicht häufig eine Mischung von Fachkulturen und Kompetenzen, die nicht mehr als mittelmäßige, weil disziplinär schon längst bekannte Produkte hervorbringt? Führt Interdisziplinarität nicht geradezu unvermeidlich zur Nivellierung, zu begrifflicher und methodischer Anspruchslosigkeit, vagen Zielbestimmungen, Phrasendrescherei und allerlei good will-Aktionen, eben all jenem, das man bekommt, wenn Wissenschaftler ihren genuinen Kompetenzbereich verlassen, in dem sie sich wirklich auskennen und in dem sie harte Qualitätskriterien zu beachten gewohnt sind?

Meine eigenen Erfahrungen mit Interdisziplinarität enthalten Belege für das eine wie für das andere – für Interdisziplinarität, die eigene wissenschaftliche Fragestellungen voranbringt, und für Interdisziplinarität, die so spannend ist wie längere Sitzungen von Universitätsgremien. Aber letzteres bringt mich eben nicht davon ab, an Interdiziplinarität zu „glauben“ (wenn Sie mir diesen pathetischen Ausdruck erlauben), weil daraus keine Argumente gegen Interdisziplinarität erwachsen, sondern lediglich schlechte Interdisziplinarität exemplifiziert wird. Davon gibt es freilich mehr als genug – aber das wäre das Thema eines anderen Blogposts.

Ich hoffe, damit habe ich bereits den Verdacht zerstreut, ich hätte die Absicht, ein o.k.-Wort überflüssigerweise noch ein wenig mehr aufzupolieren. Nein, das will ich nicht. Ich will einfach nur ein paar gute Gründe für Interdisziplinarität nennen, die in der wahlweisen Über- und Unterbewertung von Interdisziplinarität vielleicht zu kurz kommen.

Es gibt mindestens drei gute Gründe für Interdisziplinarität:

Erstens: Wissenschaftliche Probleme halten sich nicht an Fachgrenzen. Warum sollten dann Wissenschaftler dies tun? Zweitens: Wissenschaftler können sich Strategien der Problemlösung bei ihren Kollegen aus anderen Fächern abschauen. Und Drittens: Grundlagenkritische Argumente warten nicht immer an der eigenen Haustür.

Morgen und in den kommenden Tagen werde ich diese drei Gründe ausführlicher an dieser Stelle erläutern.


In der Guten Stube schrieb bereits Wilhelm Krull über die Bedeutung von Interdisziplinarität speziell für die Geisteswissenschaften.

 

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

Carsten Könneker Zu meiner Person: Ich habe Physik (Diplom 1998) sowie parallel Literaturwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte (Master of Arts 1997) studiert – und erinnere mich noch lebhaft, wie sich Übungen in Elektrodynamik oder Hauptseminare über Literaturtheorie anfühlen. Das spannendste interdisziplinäre Projekt, das ich initiiert und mit meinen Kollegen von Spektrum der Wissenschaft aus der Taufe gehoben habe, sind die SciLogs, auf deren Seiten Sie gerade unterwegs sind.

Schreibe einen Kommentar