Wie sich Recht und Gerechtigkeit unterscheiden

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Wie Wirtschaft und Ethik zusammenpassen
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In meinem letzten Eintrag habe ich einen Fall geschildert, bei dem ethische und rein rechtliche Überlegungen ineinander griffen oder auch durcheinander gingen. Deswegen möchte dazu ein paar grundsätzliche Überlegungen nachschieben.

Zunächst einmal sind Recht im juristischen Sinne und Moral, Ethik oder auch Recht oder Gerechtigkeit im nicht juristischen Sinne zwei völlig unterschiedliche Bereiche. Ich werden den ersten im folgenden immer “Recht” und den zweiten immer “Ethik” nennen, obwohl das sicherlich einer Vereinfachung darstellt. Recht ist dann etwas, was durch Gesetze, Verordnungen und Gerichtsurteile bestimmt wird. Dazu kommt, heute eher die Ausnahme, das Gewohnheitsrecht, also Regeln, die so lange von allen beachtet worden sind, dass sie auch als Recht gelten. Dafür ist aber entscheidend, dass sie tatsächlich lange Zeit akzeptiert worden und nicht nur von einer Partei für richtig befunden worden sind. Beim Recht handelt es sich also um Regeln, die weitgehend von äußeren Vorgängen abhängig sind und die sehr direkt auf die Außenwelt einwirken, weil sie Respekt verlangen und oft auch mit Sanktionen bewehrt oder per Gericht durchsetzungsfähig sind.

Ethik hingegen umfasst Urteile darüber, was geboten oder verboten, richtig oder falsch ist. Sie ist nicht von äußeren Setzungen abhängig und hat auch keine direkte Außenwirkung. Es handelt sich eher um Reflexion, also einen inneren Vorgang. Deswegen kann man “Ethik” auch als “Reflexionswissenschaft” bezeichnen.

Dass die beiden Bereiche – Recht und Ethik – gerne durcheinander geworfen werden, hat zunächst sprachliche Gründe. Wir sprechen auch unter ethischen Gesichtspunkten von “Recht”, “Unrecht” und “Gerechtigkeit”. Dazu kommt natürlich, dass es enge Wechselbezüge zwischen beiden Bereichen gibt. Wenn Politiker Gesetze erlassen, lassen sie sich schon von dem leiten, was sie für “gerecht” halten, also von ethischen Überlegungen. Dasselbe gilt auch in der Justiz. Mir haben zwei Richter, einer im Verwaltungsgericht, einer im Amtsgericht, mal aus eigener Erfahrung berichtet, wie sie Urteile fällen. Dabei steht häufig die ethische Abwägung sogar am Anfang. Die “Kunst” des Juristen besteht dann daraus, das, was er für gerecht hält, auch rein juristisch zu begründen. Richter fällen heute keine salomonischen Urteile mehr losgelöst von irgendwelchen Vorgaben. Aber sie sind auch keine Maschinen, die nur “positives” Recht umsetzen.

Noch komplizierter wird die Sache, weil die Grenzen zwischen Recht und Ethik in manchen Bereichen verschwimmen. Hier kommt das Stichwort “Naturrecht” ins Spiel. Wer dieser – oder einer ähnlichen – Lehre anhängt, sagt im Grunde, dass es Rechte gibt, die Menschen haben, weil sie Menschen sind, also “von Natur aus” – darunter fallen vor allem die “Menschenrechte”. Das Problem ist, dass die menschliche Natur in diesem Zusammenhang nicht in vollem Umfang “natürlich” ist, sondern auch (wie vielleicht sogar Natur insgesamt) ein kulturelles Konstrukt. Daher gibt es mitunter inzwischen ja sogar den Vorwurf, Menschenrechte dienten zur weltweiten Durchsetzung westlicher Vorstellungen. Aber zurück zum Naturrecht: in engen Verständnis werden dadurch tatsächlich bindende Rechte definiert. Das kann zum Beispiel dazu führen, dass schwere Verbrechen auch vor Gericht als Verbrechen gewertet werden, obwohl das positive Recht, das Gesetz, sie zur Tatzeit nicht so definiert hat. Diesen Fall hat man vor allem, wenn Diktaturen verschwinden und die Abrechnung kommt.

Wird Naturrecht dagegen nicht direkt als Recht im juristischen Sinne verstanden, dann liefert es lediglich Kriterien für die ethische Bewertung und damit auch für politische Forderungen, etwa für das Verlangen, Menschenrechte in der Verfassung festzuschreiben. Aber diese beiden Auffassungen – Naturrecht direkt juristisch oder “nur” im ethischen Sinne verstanden – sind nicht immer klar voneinander zu trennen.

Hat das alles eine Bedeutung für den Alltag? Ich glaube ja. Axel Honneth klagt in seinem Buch “Das Recht der Freiheit” (wo Recht, wenn ich es richtig verstehe, nicht im juristischen Sinne gemeint ist) über eine Verrechtlichung unserer Gesellschaft. Da, wo auch ethische Grundsätze oder Sitten und Konventionen greifen könnten und sollten, hat oft schon das Recht die Herrschaft übernommen. Und Recht ist eben häufig sehr abstrakt, schwer auf den Einzelfall zu übertragen und im Extremfall sogar daher sogar “ungerecht”. Wenn Recht und Ethik nicht sauber getrennt werden, dann leistet das aber der Entwicklung Vorschub, das positive Recht an Stelle der Ethik zu setzen oder sogar als bevorzugte Quelle der Ethik anzusehen. Dann pocht jeder nur noch mit dem Gesetzbuch unter dem Arm auf sein “Recht” und ist wirklichen Argumenten und Reflexionen gar nicht mehr zugänglich.

Am Schluss noch ein Beispiel, in dem möglicherweise Recht und Ethik besonders krass auseinanderfallen. Abtreibungen sind in den meisten Beispielen unter bestimmten Umständen straffrei gestellt wofür es gute Gründe gibt. Ein Grund GEGEN diese Straflosigkeit ist die durchaus berechtigte Sorge, dass daraus im Umkehrschluss auf die ehtische Rechtmäßigkeit geschlossen und damit der ethische Grundsatz, dass menschliches Leben schützenswert ist, untergraben wird (natürlich kann man auch diesen Grundsatz für das Leben vor der Geburt ablehnen, aber man kann ihn auch für richtig halten und trotzdem aus praktischen Gründen für die Straffreiheit eintreten). Das Beispiel zeigt sehr drastisch, wie wichtig es ist, Recht und Ethik auseinanderzuhalten.

 

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Ich habe Betriebswirtschaft in München und Philosophie an der Fernuni Hagen studiert, früher bei einer großen Bank gearbeitet, und bin seit über 20 Jahren Journalist beim Handelsblatt mit Spezialisierung auf Finanzthemen, davon fünf Jahre in New York und seit November 2017 in Frankfurt. Im Jahr 2013 habe ich das Buch „Wie fair sind Apple & Co?“ veröffentlicht.

22 Kommentare

  1. Spannende Frage etwas ungenau

    Die “Kunst” des Juristen besteht dann daraus, das, was er für gerecht hält, auch rein juristisch zu begründen.

    Diese Juristen wären nicht als Juristen tätig, auch wenn möglicherweise menschlicher. Denn im Selbstverständnis muss der Jurist das ‘objektive’ Recht ergründen – und darf nicht sein Gerechtigkeitsgefühl verwenden. Er muss vielmehr dieses als Vorverständnis bezeichnete Gefühl mit Hilfe der juristischen Methode an das objektiv vom Recht Gewollte annähern.
    Wie(weit) das möglich ist und ob man Recht vielleicht sogar ganz anders lesen muss, das wird im Recht heftig diskutiert. Aber subjektiv darf es nicht sein! Auch wenn das faktisch vorkommen mag.

    Auch die Ausführungen zum Naturrecht als bindendes Recht werden heute mit der Begründung nicht mehr in erster Linie vertreten. Man beruft sich gerade in den internationalen Konventionen eher auf eine Art supranationales Gewohnheitsrecht, mit der sogenannten Nürnberg-Klausel auf von den zivilisierten Völkern anerkannte allgemeine Rechtsgrundsätze.

    Spannend ist die von Ihnen unter Bezug auf Axel Honneth aufgeworfene Klage über die Verrechtlichung unserer Gesellschaft. Lässt sich die aber wirklich vermeiden? Wie wirken denn ethische oder sittliche Regeln?
    Darüber, dass sie von der Bezugsgruppe geteilt werden und diese Bezugsgruppe auf Verletzungen mit entsprechenden gesellschaftlichen Sanktionen reagiert. Aber das funktioniert nur in homogen Gruppen gut – mit zunehmender Vielfalt immer weniger. Wir begrüßen das einerseits als individuelle Freiheit – aber diese Freiheit verletzt auch Andersdenkende und Andersfühlende.

    Trotzdem muss der soziale Zusammenhalt gewährleistet werden und damit das jeweilige Gerechtigkeits-Gefühl entweder ent-täuscht (und damit tendenziell korrigiert) oder bestätigt werden. Und neben der leider auch zunehmenden Gewalt bleibt dann erstmal nur das Recht. Also muss das Recht entscheiden, welche Eingriffe in die Gefühlswelten anderer Menschen zulässig sind.

    Zwar gibt es einen schöneren Weg – den der Diskussion und gegenseitigen Anerkennung. Aber solange nicht einmal die Vorbilder Wissenschaft oder Politik zu dieser wirklichen Debattenkultur (dazu sehr treffend Dierk Haasis) gelangt sind, solange werden dem Recht immer weitere Gebiete des Lebens übertragen werden. Denn der Richter kann nicht nicht entscheiden – fragt man ihn, dann muss er die Verletzung faktisch gestatten oder verbieten…

  2. Anmerkungen I

    Beim Recht handelt es sich also um Regeln, die weitgehend von äußeren Vorgängen abhängig sind und die sehr direkt auf die Außenwelt einwirken, weil sie Respekt verlangen und oft auch mit Sanktionen bewehrt oder per Gericht durchsetzungsfähig sind.

    Gibt es Regeln, die unter das Recht fallen (sollen), die aber nicht “per Gericht durchsetzungsfähig” sind? Ich würde solchen Regeln, die Geltung absprechen und ihnen den Status, es handelt sich um Recht, daher versagen.

    Aber zurück zum Naturrecht: in engen Verständnis werden dadurch tatsächlich bindende Rechte definiert.

    Definieren ist eine Tätigkeit, die verstandes- und willensmäßig Vorgehen erfordert. Definitionen erfolgen weder durch die Natur* noch sind sie natürlich (also Naturprozess*). Eine “naturrechtliche” Regel (ein “Naturrecht”) wird nur dadurch und erst dann zum Recht, wenn die Regel den Status erlangt, vor Gericht “durchsetzungsfähig” zu sein. In diesem Sinne unterscheidet sie sich nicht von anderen Formen des Rechts.

    Das kann zum Beispiel dazu führen, dass schwere Verbrechen auch vor Gericht als Verbrechen gewertet werden, obwohl das positive Recht, das Gesetz, sie zur Tatzeit nicht so definiert hat. Diesen Fall hat man vor allem, wenn Diktaturen verschwinden und die Abrechnung kommt.

    Diese Behauptung würde ich gern mal an zwei oder drei konkreten Fällen diskutiert sehen.

    *”Natur” ist hier die Welt abzüglich der menschlichen Intentionalität.

  3. Diktaturen

    Ich schließe mich Kommentator “Ano Nym” an, was die Anmerkung zu den Diktaturen betrifft.
    Ein erklärendes Beispiel wäre zum Verständnis der Anmerkung:

    “Das kann zum Beispiel dazu führen, dass schwere Verbrechen auch vor Gericht als Verbrechen gewertet werden, obwohl das positive Recht, das Gesetz, sie zur Tatzeit nicht so definiert hat. Diesen Fall hat man vor allem, wenn Diktaturen verschwinden und die Abrechnung kommt.”

    sicherlich hilfreich.

  4. Gebot und Gesetz

    Stichwort Verrechtlichung unserer Gesellschaft…

    Neulich habe ich irgendwo eine Aussage gehört, die da aus bestimmten Blickwinkel erklärte, das eine Gesellschaft mit einer derart großen Menge an Gesetzen eigendlich einen eher desolaten und instabilen Faktor und Eindruck macht. Das ist ein wenig vereinfachend. Aber in diesem Sinne seien eben auch die “10 Gebote” durchaus ausreichend, um Gesellschaft zu organisieren. Problematisch sei dann immer nur die Ableitung vom Gebot auf die Begebenheit – und da will/kann man dem Individuum wohl nicht genügend Kompetenz zugestehen.

  5. Rechtssystem und Wertesystem

    Rechtssysteme orientieren sich am Wertesystem, “bei uns” sind hier von der Europäischen Aufklärung abgeleitete Systeme gemeint, das Rechtssystem inbegriffen.

    So ganz unterschiedlich scheinen Ethik und Recht diesem Schreiber somit nicht, er würde sogar davon ausgehen, dass beide Systeme Hand in Hand gehen, auch bei Änderungen.

    Die Gerechtigkeit meint Richtigkeit und diese Richtigkeit folgt der Ethik oder dem o.g. Wertesystem.

    Korrekt ist, dass es rechtlich keine Einzelfallgerechtigkeit geben kann, d.h. es gibt dann Ungerechtigkeit.

    Man versucht dann als Einzelner durch das Geben von Hinweisen oder durch politisches Handeln zu wirken.
    Manchmal geht auch das kaum.

    MFG
    Dr. Webbaer (der die Sache mit dem Naturrecht nicht so toll findet, die Natur kennt erst einmal keine Ethik)

  6. Vielen Dank für die Kommentar und die Kritik, die sehr hilfreich sind, zumal ich ja gerade kein Jurist bin. Meine Bemerkung, dass die Kunst der Juristen darin besteht, ihr persönliches Gerechtigkeitsempfinden juristisch zu begründen, ist natürlich eine inoffizielle Version, die ich, wie gesagt, aus Gesprächen mit Richtern bezogen habe. Vielleicht spielt sie auch nur hin und wieder eine Rolle, aber sie scheint doch jedenfalls nicht ausgeschlossen zu sein. Mir sagte zum Beispiel einer der beiden Richter, dass er Jugendliche aus reichen Elternhäusern, die mit guten Anwälten daherkommen, manchmal bewusst etwas härter anfasst um ihnen klar zu machen, dass das Recht auch für sie gilt. Ist das durch positives Recht gedeckt? Es scheint mir eher eine Art pädagogische Maßnahme zu sein, die aber auch in Verbindung mit dem Gerechtigkeitsempfinden steht.
    Das Thema Diktatur müsste ich in der Tat historisch genauer begründen, vielleicht ist meine Formulierung in dem Punkt auch unzutreffend. Im Hinterkopf hatte ich die Debatte der Nürnberger Prozesse, bei denen Völkerrecht als unmittelbar auch für Einzelpersonen geltend gemacht wurde, was zuvor wahrscheinlich nicht jedem klar war war – das liegt zugegebenermaßen nicht genau auf der Linie, die ich in meinem Beitrag angesprochen habe. Ein anderes Problem ist der Schießbefehl an der Mauer, der sicherlich von vielen Grenzsoldaten nicht als Unrecht angesehen wurde, weil eben von oben angeordnet war. Vielleicht müsste man also eher formulieren, dass sich nach dem Untergang von Diktaturen regelmäßig weit verbreitete Einstellungen dazu, was faktisch als “Recht” betrachtet wird, ändern.

  7. @Wiebe: Nuancierungsversuch

    Bei der Auslegung der inoffiziellen Juristenäußerungen gab es wohl einen Kommunikationsfehler – dort ging es sicher nicht um das persönliche, sondern das juristische Gerechtigkeitsempfinden, auch wenn das Mancher sicher nicht mehr so klar trennen kann/will. Man muss aber bedenken, dass Juristen fast ein Jahrzehnt lang an bestimmten Fällen und deren Wertungen ausgebildet werden. Und diese Ausbildung hinterlässt nicht nur bewusste Spuren – vielmehr bildet sich ein gewisses juristisches Gefühl aus. Aber selbst das muss man mit den konkret anwendbaren Normen überprüfen und ggf. korrigieren.
    Die konkrete Äußerung des von Ihnen Zitierten ist so nur schlecht einzuordnen, vermutlich war sie auch nicht dazu gedacht. Soziologisch wäre sie vertretbar, denn sie (über)kompensiert gewisse systemische Vorteile. Allerdings ist sie ohne die zum Glück nicht öffentlichen Details wie im Recht häufig nicht klar zu bewerten.

    Ihre Beispiele zu Diktaturen hatte ich ebenfalls assoziiert und darum die Nürnberg-Klausel zitiert. Mir scheint es zwischen diesen beiden deutschen Fällen aber einen Unterschied in der Intensität des Unrechts zu geben, der auch rechtlich hätte relevant werden müssen. Das NS-Unrecht war so gravierend, dass es jeder Soldat erkennen konnte. Während das nicht für die Mauerschützen der DDR galt – aus meiner Sicht zu Recht wurde daher auch vorgetragen, dass sich diese Schützen überwiegend in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befanden und damit freizusprechen waren. Die Verantwortlichen in den höheren Rängen hätte man darum trotzdem zur Verantwortung ziehen können, denn für diese war der Irttum vermeidbar. Damit hätte man auch dem Gefühl der Ostdeutschen entsprochen, die schnell kritisierten, dass man die Kleinen hänge, die Großen aber laufen lasse. Aber das war der Justiz wohl aus soziologischen Gründen nicht möglich…

  8. @Dr. Webbaer, @Chris: Teils, teils

    Die Systeme orientieren sich aneinander, ja sie sind wohl sogar miteinander verknüpft. Aber manch ethisch Unzulässiges ist durchaus rechtlich zulässig.

    Mit der immer wieder behaupteten Unmöglichkeit von ‘Einzelfallgerechtigkeit’ habe ich aber große Probleme. Natürlich ist Beliebigkeit nicht möglich – aber warum soll das Recht nicht in jedem Einzelfall richtig entscheiden können? Nur weil es das heute noch nicht kann? Möglicherweise gibt es ja eine andere Gestaltung von Recht, die ohne die von @Chris bemängelte Vielzahl von Regelungen doch jeden Fall richtig und gerecht bewerten kann? Und wenn man sich die Entwicklung der Rechte so anschaut, dann scheint es doch Wege zur ‘Ausdifferenzierung’ ohne Unübersichtlichkeit zu geben…

    Und vielleicht könnten dann auch mit @Chris 10 Gebote ausreichen – wenn die Regeln der Ableitung genauer bestimmt wären und eben nicht (wie heute) individuell nahezu willkürlich. Aber das braucht noch etwas Zeit.

  9. @Ano Nym: Familienrecht?

    Gibt es Regeln, die unter das Recht fallen (sollen), die aber nicht “per Gericht durchsetzungsfähig” sind? Ich würde solchen Regeln, die Geltung absprechen und ihnen den Status, es handelt sich um Recht, daher versagen.

    Dann sind für Sie gewisse familienrechtliche Pflichten kein Recht, da sie ja nicht vor Gericht durchsetzbar sind – ja teils nicht einmal diskutierbar?

  10. Einzelfallgerechtigkeit

    Natürlich ist Beliebigkeit nicht möglich – aber warum soll das Recht nicht in jedem Einzelfall richtig entscheiden können?

    Ischt ein Verwaltungsproblem, Gesetzesbücher sind endlich dick.

    Ansonsten, klar, die Richter haben einen Ermessungsspielraum, das war im Artikel auch angefragt, das ist gut, [1]
    MFG
    Dr. Webbaer

    [1] bzw. wäre gut, wenn dieser nicht in ein Gesinnungsrecht abdriftet, es gibt in D hier Probleme, Straftaten bspw. sollten schon grunsätzlich gleich bestraft werden

  11. @Dr. Webbaer: Einzelfallgerechtigkeit

    Alles nur eine Frage der Gestaltung: Auch Gedichtbände sind nur endlich dick, trotzdem kann man welche schreiben, die kein Individuum je komplett lesen kann – siehe Raymond Queneau: Hunderttausend Milliarden Gedichte (frz.: Cent Mille Milliards de Poèmes).

    Unabhängig von der Frage nach der zwingenden Notwendigkeit diese Postulates – zur Gleichheit der Strafe brauchten wir Computer, nicht Menschen. Es gibt Studien, dass Menschen die Strafzumessung (bei sonst gleichen Tatsachen) nach dem Verlauf des Leidens für das Opfer bestimmen und nicht nach der Gesamt-Intensität dieses Leidens.

  12. durchsetzbar?

    Wenn ich mich richtig erinnere, gibt es zum Beispiel bestimmte Veröffentlichungspflichten von Unternehmen im Handelsregister, die aber häufig einfach missachtet werden, weil sie nicht sanktioniert werden. Ich wüsste auch nicht, dass ein Außenstehender die Veröffentlichung erzwingen kann. Das wäre ein Beispiel für ein Gesetz, dass de facto nicht durchsetzbar ist – sicher ein Ausnahmefall.

  13. Vollziehbarkeit und Spezifizierung

    Allzu weit kann man da in den Gesetzestexten eben nicht gehen, die Rechtslage ist schlecht, wie auch die Demokratie >:->, aber man weiß es nicht besser.

    Noït Atiga, Sie sind ein Intellektueller, andere sind nur Praktiker.

    Inwieweit dieser bemerkenswerte Artikel jetzt Rückflucht sucht oder findet in einem Mobile-Kontrakt sei einmal dahingestellt, Achtung Kalauer: ‘Vor Gericht und auf hoher See sind wir in Gottes Hand.’

    MFG
    Dr. Webbaer

  14. Ethik und Recht

    Ethik ist ein Wertesystem, das jeder für sich alleine haben kann. Recht dagegen ein System aus Vereinbarungen zwischen Menschen, also etwas anderes.

    Praktisch ist es natürlich, wenn eine Gesellschaft ethische Vorstellungen teilt; andererseits kann sich die Gemeinschaft besser auf veränderte Situationen einstellen, wenn manche Mitglieder Alternativen anbieten können.

  15. @Dr. Webbaer: Praxis nicht unterschätzen

    Heute geht es nicht, das stimmt. Aber das kann sich ja entwickeln und dazu ist doch gerade die Forschung da. Sie muss Möglichkeiten insbesondere der Strukturierung vorarbeiten – aber die Praktiker sind auch dafür unabdinger, sie liefen Vorlagen und Material zur Theorienbildung und -prüfung.

    Das dürfte wohl auch für die Frage der Ethik gelten – wohl sogar in vielen Dimensionen. Ausbildung einer Ethik braucht praktische Beispiele – aber praktische Beispiele brauchen die Ethik. Recht braucht die Ethik – aber Ethik braucht das Recht.

    Diese Spirale zwischen Theorie und Praxis und ihre Bedeutung für die Geisteswissenschaften hat Harald Wohlrapp sehr schön dargelegt in: Der Begriff des Arguments. über die Beziehungen zwischen Wissen, Forschen, Glauben, Subjektivität und Vernunft. 2., um ein Sachverzeichnis erw. Aufl. – Würzburg, 2009.

  16. @Kai Hiltmann: “Vereinbarungen”?

    Recht dagegen ein System aus Vereinbarungen zwischen Menschen

    Sie können davon ausgehen, dass ich an keiner einzigen Gesetzesnorm, die hierzulande gilt, persönlich mitgewirkt habe. Deshalb liegt es gesundem Menschenverstand völlig fern, das Recht, dem wir alle (sic!) unterworfen sind, als “Vereinbarungen zwischen Menschen” zu bezeichnen.

    Praktisch ist es natürlich, wenn eine Gesellschaft ethische Vorstellungen teilt;

    Mit wem soll sie die Vorstellungen denn “teilen”?

  17. @Noït Atiga

    Dann sind für Sie gewisse familienrechtliche Pflichten kein Recht, da sie ja nicht vor Gericht durchsetzbar sind – ja teils nicht einmal diskutierbar?

    An welche Pflichten denken Sie da konkret? Ich hatte da eher an verfassungswidrige Normen, nicht-normative Gesetzesteile, nicht-verpflichtende Konventionen usw. gedacht.

    Es gibt auch sicherlich Grenzfälle, zum Beispiel die Anrechnung einer erhöhten Betriebsgefahr bei der nicht verbotenen Überschreitung der Richtgeschwindigkeit, wenn ein Unfall geschieht.

  18. @Ano Nym: Lebensgemeinschaft

    Insbesondere aus der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 I 1 BGB) resultieren zahlreiche Partnerschafts-Pflichten, die (fast) unumstritten Rechtspflichten sind – aber nicht von einem Partner einklagbar, oft nicht mal mehr verhandelbar.

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