Wenn Kriminelle es zu leicht haben

Gute Geschäfte für Kriminelle

Aus leidvoller Erfahrung bin ich auf eine Betrüger-Masche gestoßen, die nach Auskunft der betroffenen Firmen um sich zu greifen scheint. Man bestellt auf einen fremden Namen mit einer zugehörigen Adresse ein Paket. Wenn dieses Paket nicht zugestellt werden kann und bei einem Shop abgeholt werden soll, nimmt man es dort unter dem fremden Namen in Empfang.
Sehr einfach. Aus einem Grund: Die Identität des Bestellers wird von vielen Versandfirmen nicht geprüft. Die des Abholers offenbar auch nicht, obwohl es in diesen Shops vorgesehen ist, dass man den Ausweis vorzeigen muss.
Ein Punkt ist klar: Die Täter sind Kriminelle, daran gibt es nichts zu deuten. Die interessantere Frage lautet: Haben die Unternehmen eine Mitschuld? Wer Bestellungen annimmt, ohne zu prüfen, woher sie kommen, der handelt so ähnlich wie jemand, der nachts die Ladentür offenstehen lässt. Dabei wäre Prüfung recht einfach – wer nicht mit der Kreditkarte zahlen will, könnte zum Beispiel gebeten werden, Vorkasse zu leisten.
Bei den vorliegenden Fällen gibt es neben den Firmen noch mehr Geschädigte – diejenigen, deren Namen missbraucht wurden. Sie müssen die Vorfälle klären, eventuell auch bei der Polizei zur Anzeige bringen. Eine Mitschuld der Versandunternehmen an diesem Sekundärschaden würde ich auf jeden Fall bejahen. Aber kann es auch gegenüber dem Täter schuldhaft sein, ein Verbrechen so zu erleichtern, dass man geradezu einlädt dazu?
Strafrechtlich dürfte das keine Relevanz haben, so weit meine Kenntnisse als Nicht-Jurist reichen. Ethisch besehen ist es eine Frage, die wahrscheinlich kaum mit einem grundsätzlichen Ja oder Nein zu beantworten ist. Je nachdem, wie sehr jemand ein Verbrechen erleichtert, dürfte man ihm eine gewisse Mitschuld zuerkennen. Wenn das Erleichtern regelrecht in eine Verführung zum Verbrechen ausartet, noch mehr. Erschwerend wäre auch die Mitschuld, wenn die “eingeladenen” oder “verführten” Täter aus einer Notsituation heraus handeln.
Ich bin sicher, dass es gerade im Unternehmerischen Alltag noch andere Fälle gibt, wo das Fehlen jeglicher Kontrolle, etwa auch Mitarbeitern gegenüber, einer Einladung zu Fehlverhalten gleich kommt. Vor allem dann, wenn es auf der anderen Seite Anreize zu Fehlverhalten gibt. Ein Händler am Kapitalmarkt, der mit entsprechenden finanziellen Anreizen oder, bei Misserfolg, der Aussicht auf Verlust seines Jobs konfrontiert ist, wird möglicherweise zu hohe Risiken eingehen, wenn es keine Kontrollen dagegen gibt. Daraus entsteht unter Umständen nicht nur für den Arbeitgeber ein Schaden, sondern es wird auch die Karriere des Mitarbeiters zerstört.
Kontrolle ist manchmal nicht nur besser als Vertrauen, sondern im Grenzfall auch moralisch geboten. Aber sie kann natürlich die Eigenkontrolle niemals ersetzen und auch nicht als Entschuldigung für deren Fehlen dienen.

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

Ich habe Betriebswirtschaft in München und Philosophie an der Fernuni Hagen studiert, früher bei einer großen Bank gearbeitet, und bin seit über 20 Jahren Journalist beim Handelsblatt mit Spezialisierung auf Finanzthemen, davon fünf Jahre in New York und seit November 2017 in Frankfurt. Im Jahr 2013 habe ich das Buch „Wie fair sind Apple & Co?“ veröffentlicht.

15 Kommentare

  1. Für mich steht eigentlich nicht die Frage, wenn es Kriminelle zu leicht haben, sondern warum gibt es immer mehr Kriminelle ? In einer Gesellschaft, wo ich im TV-Abendprogramm beinahe auf allen Kanälen Menschen mit vorgehaltenen Pistolen und brutale Schlägereien sehe, wo es toll ist andere über den Tisch zu ziehen, scheint Moral und Recht nur störend. In diesem Klima zunehmender Verrohung der Werte zählt nur das schnelle Geld machen auf Kosten der Ausnutzung der Gutmütigkeit anderer Menschen. Wenn ich beobachte wie oft man allein mich mit den verschiedensten Methoden in letzter Zeit über den Tisch ziehen wollte, wie im unmittelbaren Umfeld bei den Nachbarn Einbrüche stattfanden, dann kann ich jedes Verstrauen in die Sicherheit dieser Gesellschaft verlieren und die Politiker nur noch als Heuchler sehen…

  2. Na, ob man das mit dem “keinen Ausweis zeigen müssen” wirklich generalisieren darf/kann?

    Zwar bin ich kein besonders emsiger Versandkäufer, aber mit den Jahren (vor-Amazon-Zeiten eingerechnet) sind es doch schon “etliche” geworden. Und im Single+Beruf-Status verpasst man sehr typischerweise die Zustellung. In all den Jahren habe ich selbst bei den kleinen Stationen in einem Lottoshop (oder dgl.) einen Ausweis zeigen müssen – von der Post mal ganz abgesehen. Und es waren mehrere Bundesländer (West) dabei und natürlich ganz verschiedene Kommunen. Selbst jetzt, lange schon im arbeitsfreien Lebensalter angekommen, hole ich jede zweite oder dritte Anlieferung bei einer Station ab (meist Post) – und darf immer brav den Ausweis zeigen. Darauf verlassen, dass der jeweilige Bearbeiter bei einer Station den Ausweis zwar verlangt, ihn auch in Händen hält, aber nicht wirklich betrachtet/liest, darauf würde ich mich wohl selbst dann, wenn ich mit einiger krimineller Energie ausgestattet wäre, ungern verlassen wollen. Es muss bei solchen Betrugsfällen noch irgendwas Zusätzliches mit im Spiel sein, dass ein Betrüger im vorhinein weiß, dass kein (oder nur geringes) Aufdeckungsrisiko besteht.

  3. @ajki
    Ich habe zu meinem Erstaunen in Paketshops nie den Ausweis zeigen müssen, auch nicht in jüngster Zeit (nachdem diese Art von Betrügerei ja offenbar um sich greift). Es gibt also mindestens Gegenbeispiele.

  4. Wizzy um 21:30;

    Ja sicher gibt es anscheinend Stationen, bei denen aus welchen Gründen auch immer kein Ausweis verlangt wird – sonst wäre der Blog-Autor ja auch nicht auf das Problem gestossen. Allerdings meinte ich, dass es sich nicht um den “Regelfall” handeln kann (also, einen Ausweis nicht zeigen zu müssen). Auch denke ich, dass wenn man die Stationsverantwortlichen fragen würde, bei denen man keinen Ausweis zeigen mußte, wie es denn bei denen um diese Pflicht bestellt ist, dann würde man mit hoher Wahrscheinlichkeit mit dem Ausdruck allergrößtem Erstaunens hören dürfen, dass “selbstverständlich” bei “jeder Abholung” die Personalie in ihrem Verantwortungsbereich “immer!” einwandfrei festgestellt würde (wie gesagt: unabhängig vom Wahrheitsgehalt). Das gehört nun mal zu den Vertragspflichten eines Unterauftragsnehmers im logistischen Distributionsprozess – wenn die jeweilige Station ihren Status behalten will, dann muss sie tunlichst dafür sorgen, dass Pflichtverletzungen nicht bekannt werden. Auch eine kurze Nachricht über das Versäumnis der Station an den Lieferungsverantwortlichen wird sicherlich zu einer deutlichen Ansage an die jeweilige Station führen, bei der der Ausweis bei Abholung nicht verlangt wurde. Und im Wiederholungsfall (bzw. wenn mehrere Leute sich über das Pflichtversäumnis bei einer Station beklagen) wird die Station ihren Status verlieren – Logistikdienstleister reagieren durchaus allergisch auf Kritik.

  5. ajki
    der Regelfall ist das nicht. Da haben Sie Recht.
    Mit etwas krimineller Phantasie kann man sich aber folgendes Szenario vorstellen. Der Lieferant, die Transportfirma, der Shop und der Abholer stecken unter einer Decke. Da geht es dann nicht mehr nur um ein ethisches Problem.

  6. »Die interessantere Frage lautet: Haben die Unternehmen eine Mitschuld?«

    .
    Nein!

    »Eine Mitschuld der Versandunternehmen an diesem Sekundärschaden würde ich auf jeden Fall bejahen. Aber kann es auch gegenüber dem Täter schuldhaft sein, ein Verbrechen so zu erleichtern, dass man geradezu einlädt dazu?«

    .
    Nochmals Nein!

    »Je nachdem, wie sehr jemand ein Verbrechen erleichtert, dürfte man ihm eine gewisse Mitschuld zuerkennen.«

    .
    Und wieder: Nein!

    Schuldig macht sich allein der, der anderen absichtlich und um des eigenen Vorteils willen einen Schaden zufügt.

    Wer sich arglos verhält, also die Ladentür offen lässt oder keinen Ausweis kontrolliert, der verhält sich leichtsinnig, weil es nun mal böswillige Menschen gibt, die argloses und vertrauensseliges Verhalten auszunutzen versuchen, aber schuldig machen sie sich mit ihrer Arglosigkeit nicht. Vertrauen ist kein Fehlverhalten.

  7. balanus
    wenn man eine Unterscheidung trifft von Schuld im moralischen Sinne und Schuld im rechtlichen Sinne, dann kommt man zu einer anderen Aussage.
    Herr Wiebe ging es auch um die moralische Seite.

  8. Ich kann Balanus nur zustimmen: Es ist aus meiner Sicht nicht unmoralisch (im Sinne einer moralischen Schuld) darauf zu vertrauen, dass die Menschen sich an Regeln des Zusammenlebens und die Gesetze halten.

  9. Joe Sachse
    Vertrauen ist gut . O.K. Wenn du den Schülern die Ausreden für nichtgemachte Hausaufgaben glaubst, dann bist du als Lehrer ungeignet. Die Hostessen können Bücher darüber schreiben, welche Ausreden für die Überschreitung der Parkzeit gemacht werden.
    Das ist alles menschlich, ja, es ist menschlich, wenn man die Zwecklüge mit ins Kalkül zieht.

    In einem System geht das nicht mehr. Da muss der eine darauf vertrauen können, dass kontrolliert wurde. Und in diesem Bereich kann Vertrauenseligkeit zu Pflichtvergessenheit werden. Dafür gibt es sogar eine Berufsgruppe, die Kontrolleure und Revisoren.

  10. Je nachdem, wie sehr jemand ein Verbrechen erleichtert, dürfte man ihm eine gewisse Mitschuld zuerkennen.

    Negativ.
    Die gesetzgeberische Maßgabe, die in Maßnahme, eben in Gesetzen mündet, muss ausreichend sein.

    Gute Frage natürlich, sofern es sich um eine Frage handelt, es scheint womöglich eher eine Art Zustimmung zu Gesetzesbrüchen vorzuliegen, wenn dem Gesetzesverstoß nicht von privater Seite besonders vorgearbeitet worden ist, also : schlechte Frage!

    In etwa so, wie eine womöglich leicht bekleidete Dame nicht zu ungesetzlicher Körperverletzungsmaßnahme anleitet, ein unbewachter Gegenstand nicht zum Diebstahl, unsorgsame Worte nicht zum (erfahrenen) Schlag in die Fresse (Webbaeren dürfen dies so schreiben), leitet Nachlässigkeit nicht strafmildernd Verbrechen an.

    Dr. W war mal Soldat und der Spind (das Wort müsste stimmen, gell?!, deutsch?) nicht zum sog. Kameradendiebstahl an, wenn er unverschlossen bleibt.


    Die Alternative wäre die Kultur des Misstrauens, die der ständigen möglichen sozusagen Feindobservierung, die letztlich auch der Schuldumkehr, die bundesdeutsch fürwahr im Kommen ist.

    Hierzu – ‘Ich bin sicher, dass es gerade im Unternehmerischen Alltag noch andere Fälle gibt, wo das Fehlen jeglicher Kontrolle, etwa auch Mitarbeitern gegenüber, einer Einladung zu Fehlverhalten gleich kommt.’ – merkt Dr. W insofern gerne an, dass die Hoffnung auf mögliches zukünftiges Unentdecktsein von Verbrechen tatsächlich wie beschrieben anleiten könnte, Einzelne, die dann, wenn sie dann aber doch der Strafverfolgung zugängig werden sollen, sich in keinem Fall darauf berufen können sollten, dass sie unzureichend überwacht worden wären und es ihnen unwahrscheinlich schien, dass ihnen jemand auf die Schliche kommt.

    MFG
    Dr. Webbaer (der an Hand Nachrichten dieser Art einen grundsätzlichen zivilisatorischen Mangel, auch in der BRD, zu erkennen glaubt – sogar der Meinung ist, dass Verbrechen, dem nicht sorgsam, präventiv entgegengearbeitet worden ist, von Opferseite, strenger (!) abgeurteilt werden sollte – dem kulturellen Bestand und freundlicher individueller Offenheit geschuldet)

  11. Na, auch die Versanddienstleister haben hier die Möglichkeit, Pakete verschwinden zu lassen.

    Wer, der zuweilen mal die Übergabe-Bestätigungen unterschreibt, kontrolliert die Auftragsnummern? Die Anzahl der Sendungen?

    Das ist gar nicht einfach auf den Geräten, weil die soviel Informationen gar nicht gut sichtbar präsentieren und den Raum für die Unterschrift dazu auch noch bieten müssen.

  12. @ Kommentatorenfreund ‘Adromed’ :

    Wie der Zufall so will, kennt sich Dr. W i.p. Annahme und Bestellung von Gut über Internet-Bestellung ein wenig aus, seinen Nachfolgenden geschuldet, die sich diesbezüglich womöglich ein wenig etwas angespart haben, lol, also es sieht so aus :

    1.) Es gibt sog. Pack-Stations https://de.wikipedia.org/wiki/Postident

    Ja, sowas funktioniert weder in der BRD noch im EU-Ausland zuverlässig.

    Der werte hiesige Inhaltegeber, Frank Wiebe sein Name, bleibt gebeten sich i,m sozusagen Gewöhnlichen zu fitten.
    So kann es ja nicht weiter gehen.

    MFG
    Dr. Webbaer (der, der sich auskennt, ja, auch im Bösen)

  13. WB
    Bei dem Spagat zwischen Verrtrauen und Mißtrauen setzt sich immer mehr der Sicherheitsaspekt durch.
    So ist es verboten , sein KFZ unverschlossen abzustellen. Es ist verboten, sogar in der Wohnung eine Waffe nicht im Waffenschrank aufzubewahren.
    Und Pakete auszuhändigen, ohne die Identität des Empfänges zu überprüfen ist grob fahrlässig.
    Es werden ja auch Waffen und andere Dinge versandt, die eine allgemeine Gefahrenquelle darstellen.

  14. Und Pakete auszuhändigen, ohne die Identität des Empfänge[r]s zu überprüfen ist grob fahrlässig. [Kommentatorenfreund ‘bote19’]

    Die Identität wird vom Lieferanten, von dem derart beauftragten Subunternehmen, durch Ablesen des Namens an der Türklingel “geprüft”, oder dadurch, dass jemand vor dem Haus steht und die Annahme einer Sendung erwartet, oder zu erwarten scheint, weitere Prüfung erfolgt nicht.
    Für Erstbestellung wird manchmal das bereits o.g. Postident-Verfahren genutzt.
    Der Lieferant ist ja kein Polizist, kein vom Staat Bevollmächtigter und darf, gesetzlich so vorgesehen in sog. gutem Glauben handeln, also liefern.

    Auch sog. Packstations sind derart “austricksbar”.

    I.p. Identitätsfeststellung hat man es, nicht nur in der BRD, so-o, die Alternative wäre allerdings eine Art Überwachungsstaat (der womöglich bei fortlaufender zivilisatorischer Entwicklung in der BRD auch kommen wird).
    I.p. Zivilisation hat es der kürzlich verstorbene Verfassungsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde in seinem bekanntesten Diktum mal wie folgt ausgedrückt ;

    Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.

    Kultur, auch i.p. individuellem Kooperationsverhalten, ist zivilisatorisch Voraussetzung für die liberale Demokratie, derart gemeinte Fragestellungen ziehen sich durch Nachrichten des hiesigen werten Inhaltegebers, Dr. W beantwortet diese Fragestellung so an dieser Stelle gerne komprimiert.
    Die liberale Demokratie kann nicht hinreichend sozusagen abgefeimt werden, wenn die Demokraten, das Staats- und Wahlvolk ist so adressiert, nicht mitziehen.
    So hat die BRD zurzeit zu lernen.

    MFG
    Dr. Webbaer

Schreibe einen Kommentar