#MeToo für Männer

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Kaum ein Thema hat in den letzten Monaten so viel Aufmerksamkeit erregt sie die MeToo-Debatte. Sie betrifft sehr stark auch die Welt der Unternehmen. Fassungslos vernimmt man, wie viele berühmte Männer sich offenbar widerwärtig verhalten haben. Ganz so, als sei ein großes Ego ein besonderer Risikofaktor für den moralischen Kompass.
Als Mann steht man der Debatte etwas zwiespältig gegenüber. Es sind ja in der Regel “wir”, die angeklagt werden. Zwei Reflexe löst das aus, die sich widersprechen. Einmal, sich dem überwältigenden Strom der Kritik anzuschließen, was aber auch wie purer Opportunismus wirken kann. Dann aber auch wieder, in die Defensive zu gehen, möglicherweise aus falsch verstandener Solidarität.
Auffällig ist, dass auch Frauen sich keineswegs einig sind, was tolerierbar ist. Was ist Missbrauch? Was ist eher harmlose Grenzüberschreitung? Was ist pures Ungeschick? Wo fängt die Prüderie an?
Bedenklich wird es, wenn selbst Gedichte und Gemälde plötzlich als sexistisch gelten und abmontiert werden. Die Freiheit der Kunst, auch die Freiheit, Anstoß zu erregen, sollte doch gewahrt bleiben. Der Gipfel der Absurdität war eine E-Mail, die ich vom Anbieter einer neuen App bekommen habe, mit der Paare vorab auf einer Blockchain vereinbaren können, dass sie Sex haben wollen, damit hinterher niemand was Gegenteiliges behaupten kann.
Es gab dann die Kritik vor allem französischer Frauen, allen voran Catherine Deneuve, an zumindest Teilen der Debatte. Vor einiger Zeit habe ich zudem ein Interview mit der Frauenrechtlerin Zana Ramadani gelesen, die versucht hat, Grenzlinien zu ziehen, etwa zwischen sexueller Gewalt und “hilflosen Komplimenten”.
Abgesehen von der Debatte auf Twitter und in anderen Medien stellt sich natürlich im beruflichen Alltag immer wieder die Frage: Wie gehen Männer und Frauen miteinander um? Wenn ich mit Frauen spreche, höre ich von sehr unterschiedlichen Erfahrungen. Negative Erlebnisse sind zu hören, aber zum Glück auch gar nicht so selten die Aussage, man habe persönlich eigentlich nie wirkliche Probleme gehabt.
Am Ende kommt es alles darauf an, ob es an Respekt fehlt oder nicht. Das gilt nicht nur zwischen Männern und Frauen, aber dort besonders. Manchmal verraten auch auf den ersten Blick “korrekte” Äußerungen Respektlosigkeit. Manchmal spricht aus einer unbedachten, ungeschickten Äußerung eben nur Ungeschick, und keine Respektlosigkeit. Ich glaube, das ist der entscheidende Punkt.

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Ich habe Betriebswirtschaft in München und Philosophie an der Fernuni Hagen studiert, früher bei einer großen Bank gearbeitet, und bin seit über 20 Jahren Journalist beim Handelsblatt mit Spezialisierung auf Finanzthemen, davon fünf Jahre in New York und seit November 2017 in Frankfurt. Im Jahr 2013 habe ich das Buch „Wie fair sind Apple & Co?“ veröffentlicht.

6 Kommentare

  1. “Fassungslos vernimmt man, wie viele berühmte Männer sich offenbar widerwärtig verhalten haben.”

    Das nehme ich Ihnen nicht ab. So naiv kann man einfach nicht sein.

    • War halt ein Man-Satz und als solcher war die Person des inhaltegebers aussen vor.
      Insofern lag keine Angriffsflaeche vor.
      Stellen Sie sich statt des Man-Satzes einfach eine Passiv-Konstruktion vor.

      HTH
      Dr. Webbaer (der den Text begruessenswert fand)

  2. …einer neuen App bekommen habe, mit der Paare vorab auf einer Blockchain vereinbaren können, dass sie Sex haben wollen, damit hinterher niemand was Gegenteiliges behaupten kann.

    Das ist ein interessanter Gedanke. Bloß verschafft das in der Praxis auch keine 100-prozentige Sicherheit:

    Weil man z.B. um 21:00 Uhr in Geschlechtsverkehr einwilligt, heißt das ja nicht automatisch, dass man den um 21:05… 21:10… 21:30… 22:00 Uhr usw. auch noch will.

    Das ist erst einmal formal korrekt und genau so wurde auch schon in feministischen Kreisen argumentiert, an denen ich mich beteiligt habe.

  3. #MeToo für Männer könnte doch auch die sexuelle Belästigung von Männern durch Frauen meinen. Doch das tut es nicht – offensichtlich weil so etwas praktisch nicht vorkommt. Frauen und Männer können sich noch so sehr angleichen, doch weibliche Harvey Weinsteins wird es wohl auch dann kaum geben.

    Statt dessen bedeutet #MeToo für Männer, dass diese sich selber hinterfragen und auf gewisse Ähnlichkeiten mit Harvey Weinstein abchecken. So wie das im New York Times – Artikel The #MeToo Moment: I’m a Straight Man. Now What? gemacht wird. Und klar gehört auch die männliche Angst dazu, falsch beschuldigt zu werden. Und tatsächlich berichtet einer der Männer, die an der New Yorker Gesprächsrunde “me as a man and #metoo” teilnahmen folgendes (übersetzt von DeepL): Ein Mann, ein ehemaliger Personalchef, sagte, er sei in den 90er Jahren wegen Belästigung angeklagt worden – zu Unrecht, glaubte er -, als er einer Kollegin sagte: “Du warst in meinem Traum letzte Nacht”. Er meinte es nicht sexuell, sagte er.

    Erstaunlich an dieser Aussage finde ich, dass das schon in den 1990er Jahren passierte. Doch in den USA ist das möglich, denn “Political Correctness” ist in den USA schon seit 20 bis 30 Jahren en vogue und es gibt eine Beziehung zwischen #MeToo und PC, ja man kann sagen, dass der Personalchef, der in den 1990er Jahren einer Kollegin sagte, sie sei in seinem Traum vorgekommen, in jedem Fall etwas politisch inkorrektes gesagt hat, denn Politische Korrektheit meint ja eine Sprachhygiene, die unter anderem auch Zweideutigkeiten vermeidet, weil Zweideutigkeiten bereits als Angriffe (Mikroagressionen) aufgefasst werden können.

    • Maenner werden von Maennern und Frauen belaestigt, eine gewisse Attraktivitaet vorausgesetzt.
      Hier ist die Rechtfertigung witzigerweise oft im verteidigenden Homophobie- und Sexismus (!)-Vorhalt gefunden.

      MFG
      Dr. Webbaer

  4. Es fehlt vor allem auch beim Weibsvolk heutzutage an Toleranz.
    Respekt will sich verdient, kann nicht eingefordert werden.
    Es ist bedauerlich, dass es aus feministisch-kulturmarxistischer Sicht gelang das Spiel der Geschlechter zu belagern.
    Das Strafrecht genuegt in der Regel, um einzuschraenken.

    MFG
    Dr. Webbaer

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