Facebook, Post und das Recht auf Privatheit

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Wie Wirtschaft und Ethik zusammenpassen
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Zuerst Facebook, dann die Post. Der große US-Konzern hat, wahrscheinlich unbeabsichtigt aber fahrlässig, der Firma Cambridge Analytica Daten zu Verfügung gestellt, die diese wiederum eingesetzt hat, um Donald Trump im Wahlkampf zu helfen. Die Aufregung ist riesig groß, die Rechtslage, so weit ich verstanden habe, ziemlich unklar bis negativ für Facebook.
Dann wird bekannt, dass die Post ebenfalls Daten verkauft hat, die in Deutschland im Wahlkampf eingesetzt wurden. Offenbar waren die Daten anonymisiert und der Einsatz war legal.
Mir geht es nicht um Legalität, sondern um Ethik, was ja zwei verschiedene paar Schuhe sind, wenn auch mit zahlreichen Querverbindungen. Was ist an dem Verhalten der beiden Konzerne verwerflich?
Häufig ist von einem “Recht auf Privatheit” die Rede. Das kann beides sein: ein juristischer wie auch ein ethischer Begriff. Aber was genau ist damit gemeint? Letztlich findet ein großer Teil unseres Lebens öffentlich oder teil-öffentlich statt. Wenn wir in eine neue Stadt ziehen, müssen wir uns anmelden. Wenn wir zum Arzt gehen, geben wir jeweils auch Daten an, usw. Präziser wäre vielleicht von einem “Recht zur Kontrolle der eigenen Daten” (oder “Selbstbestimmung”) zu sprechen. Es geht also nicht darum, dass wir möglichst viele Daten für uns behalten. Sondern darum, dass wir kontrollieren, wer sie am Ende bekommt.
Meiner Ansicht nach gibt es hier einen großen Unterschied zwischen der Post und Facebook. Kaum jemand kommt daran vorbei, die Post zu nutzen. Aber es ist sehr wohl möglich, auf Facebook zu verzichten. Anders gesagt: Wer Geschäfte mit der Post macht, ist sich möglicherweise gar nicht bewusst, wie viele Daten er zur Verfügung stellt. Bei Facebook dagegen ist nicht zu übersehen, dass Daten veröffentlicht werden, das ist ja bis zu einem gewissen Grad sogar Sinn der Sache. Aus der Warte betrachtet ist das Verhalten der Post sogar problematischer als das von Facebook.
Der Post wird zu Gute gehalten, dass die Daten anonymisiert werden. Damit fällt ein gewisser Guckloch-Effekt weg: Der Empfänger der Daten bekommt keinen direkten Einblick in das jeweilige Privatleben. Aber ist das der entscheidende Unterschied? Häufig ist der Empfänger der Daten ohnehin nur ein Computer, der die Daten dann weiter verarbeitet, Schlussfolgerungen daraus zieht, ohne dass ein Mensch einen Blick darauf wirft. Natürlich KANN jederzeit ein Mensch einen Blick auf diese Daten werfen, aber häufig WIRD es niemand tun, allein schon aus Desinteresse oder wegen der Vielzahl der Daten.
Der Guckloch-Effekt ist nicht zu unterschätzen, aber seine Bedeutung in der Praxis schwer zu fassen.
Teil der Aufregung im Facebook-Skandal rührt sicher daher, wofür die Daten eingesetzt wurden: für Wahlkampf, und dann auch noch für Donald Trump, den, vorsichtig gesagt, nicht jeder mag. Schaut man auf diesen Aspekt, dann macht Anonymisierung aber keinen Unterschied. Sondern in jedem Fall, auch bei der Post, werden die Daten in einer Weise verwendet, über die der Einzelne keine Kontrolle hat. Definiert man sein Recht als das Recht zur Kontrolle der eigenen Daten (wie ich es oben versucht habe), dann ist das auch verletzt, wenn sie anonymisiert weiter gegeben werden.
Es gibt Leute, die würden bei allen diesen Fragen von “First-World-Problems” sprechen, nach dem Motto: Wenn ihr sonst keine Sorgen habt, dann seid froh. Ich neige persönlich auch nicht dazu, die Gefahr aus der Verwendung von persönlichen Daten zu dramatisieren. Aber es ist auch nicht kein Problem.
Auffällig ist aber: Viele Menschen machen sich Sorgen wegen Datenmissbrauchs, denken aber kaum darüber nach, was sie über Social Media preisgeben, nutzen auch keine Datenfilter wie Startpage, sondern verwenden direkt Google, vielleicht sogar deren E-Mail-Account, obwohl bekannt ist, dass auch dieser Konzern seine Milliarden mit Daten verdient. Wer über Datenmissbrauch klagt, dabei aber im Umgang mit den eigenen Daten keinerlei Sorgfalt zeigt, widerspricht mit seinem Handeln seinen geäußerten Überzeugungen (ein Punkt, den Philosophen manchmal “performativen Widerspruch” nennen).
Das gibt natürlich Unternehmen keinen Freibrief, Daten ohne Erlaubnis zu gebrauchen. Wahrscheinlich müssen wir alle in der schönen, neuen Datenwelt noch erwachsener werden und ohne Dramatik genauer überlegen, was wir tun und wofür wir verantwortlich sind.

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Ich habe Betriebswirtschaft in München und Philosophie an der Fernuni Hagen studiert, früher bei einer großen Bank gearbeitet, und bin seit über 20 Jahren Journalist beim Handelsblatt mit Spezialisierung auf Finanzthemen, davon fünf Jahre in New York und seit November 2017 in Frankfurt. Im Jahr 2013 habe ich das Buch „Wie fair sind Apple & Co?“ veröffentlicht.

7 Kommentare

  1. und dann auch noch für Donald Trump, den, vorsichtig gesagt, nicht jeder mag.

    Ja, das scheint mir ein großer Teil des Problems zu sein – Datenschutz wird nicht als Primär-, sondern als Sekundärtugend verstanden.

  2. “… was wir tun und wofür wir verantwortlich sind.”

    Genau das ist der Punkt: Wir sind ALLE verantwortlich für Das Geschäft als Sinn des Lebens, jedenfalls solange wir auch nur im Geringsten daran teilnehmen, jegliches Genörgel an den LOGISCHEN Symptomen, zumindest OHNE …, ist somit Heuchelei – der Dreck muss im Ganzen weg!!!

  3. Alles schlau angemerkt, Herr Wiebe (schön dass Sie mal bei den Scilogs wieder vorbeischauen, aktiv werden), hierzu noch kurz ergänzt :

    Meiner Ansicht nach gibt es hier einen großen Unterschied zwischen der Post und Facebook. Kaum jemand kommt daran vorbei, die Post zu nutzen. Aber es ist sehr wohl möglich, auf Facebook zu verzichten.

    Facebook oder FATNAG (Facebook, Apple, Twitter, Netflix, Amazon, Google) sind Unternehmen, die ihre Kunden, die meist kostenfrei gestellt werden, aushorchen, um so Identitäten zu bilden und in der Folge personenspezifisch werben, so, genau so, funktioniert deren Geschäftsmodell.

    Allerdings liegen (Fast-)Monopolisten vor, die global, globalistisch sozusagen, tätig sind, in Steuervermeidung (das ist legal, vs. Steuerhinterziehung) machen und, wie politisch links stehende Politiker vorschlugen, zerschlagen werden dürfen, wegen ihrer Marktmacht.
    Auch aus liberaler Sicht, vgl. mit Standard Oil seinerzeit.
    Eigenverantwortung darf vorliegen, kann aber in Anbetracht der Gemengelage i.p. Social Media nicht genügen.

    MFG
    Dr. Webbaer (der hoffentlich nicht radikal klang, denn dies ist er nicht)

  4. PS:

    Teil der Aufregung im Facebook-Skandal rührt sicher daher, wofür die Daten eingesetzt wurden: für Wahlkampf, und dann auch noch für Donald Trump, den, vorsichtig gesagt, nicht jeder mag.

    Zudem auch noch Steve Bannon, sloppy Steve sozusagen, hier seine Finger im Spiel hatte; sicherlich wird nun skandalisiert, weil der “falschen” Seite zugearbeitet worden sein könnte, derjenigen, die dezent formuliert, nicht jeder zuspricht, bei “Barry” wäre hier weniger zu hören gewesen, der als Community Organizer nicht anders vorging.

  5. Ich muss hier mal eine Lanze für die Post brechen:
    Der Vergleich mit dem Facebook-Skandal hinkt. Da wollte nur einer auf der Welle reiten und die Post anschwärzen. Warum hinkt der Vergleich?
    Nun die Daten sind in Menge, Granularität und Intimsphäre (Fotos, Freunde, Sexualitätsangaben, Gps-Daten) nicht zu vergleichen. Weiterhin ist das Geschäftsmodell der Post legal – nennt sich Direktmarketing – und wird zb. auch von allen großen Verlagshäusern angeboten. Die Daten der Post kommen nicht von Briefträgern, denn das ist verboten. Die guten Leute sind vereidigt auf das Briefgeheimnis. Die Daten sind zb. vom Meldeamt, Finanzamt, etc dazu gekauft. Und als letzter vielleicht wichtigster Punkt: Die Post benutzt ein statistisches Mittel von 6,6 Leuten, wogegen Facebook sich auf das Individuum bezieht (Stichwort Personenbezug)
    Diese Infos standen auch alle in der Presse. Das macht natürlich keinen Aufreger-Artikel aus. Aber seriöse Recherche.
    Der Aufreger wäre wenn, dann die Tatsache, dass öffentlIche Ämter Daten verkaufen.

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