Der falsche Luxus

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Wie Wirtschaft und Ethik zusammenpassen
Gute Geschäfte

 "400 PS blubbern in der S-Version dumpf im Heck, kurz zuvor mit einem Fauchen zum Leben erweckt … Dann hat der rechte Fuß das Sagen, sucht den Kontakt zum Bodenblech. Das Blubbern wird zum Getöse …" In dem Stil blubbert heute ein Kollege von mir in einer Regionalzeitung die Besprechung des neuen Porsche 911 herunter. Da darf dann der Vorstandschef im sonnigen Kalifornien sagen: "Zu den Ur-Genen des 911 gehört seine soziale Akzeptanz." Und damit die Akzeptanz noch größer wird, sagt er das "in gepflechtem Bayerisch". Und kommt zu der Aussage: "Und ein 350-PS-Auto, das nur 8,2 Liter … verbraucht, ist weithin akzeptiert." Der Auto-Journalist setzt hinzu, dass auch die die 400-PS-Version mit einem "Normverbrauch von 8,7 Litern kein unmäßiger Spritvernichter mehr" sei. Das alles unter der Überschrift "Ein evolutionäres Auto" – Evolution klingt ja immer gut (sorry Michael Blume :-))
Es liegt aber nicht nur den Herstellern und der ewig gleichen Reportertlyrik meiner Kollegen, dass die PS-Zahl häufig immer noch mehr zählt alles andere. Denn vor ein paar Monaten hieß es in derselben Zeitung: "Deutsche Autofahrer lieben Pferdestärken", mit der Unterzeile: "Neuwagen haben im Schnitt 134 PS – Anteil der Geländewagen steigt."
Im Grunde leben wir gerade in Deutschland doch mit einer kollektiven Verlogenheit. Wir beschließen den Atomausstieg und tun so, als ließe sich das mit alternativen Energien kompensieren. Wir pflanzen Solarzellen aufs Dach und Windspargel aufs Land oder mitten in die See – und was ist mit den Autos? Mein erster Wagen, ein Golf, hat zwischen 6 und 7 Litern Normalbenzin verbraucht, jedenfalls auf langen Strecken. Mein heutiger Wagen, ein Ford Fusion (Ich weiß, eigentich ein Rentner-Auto), braucht etwas weniger, dafür aber Superbenzin. Wo sind nahezu 30 Jahre Entwicklung geblieben? Zum Teil natürlich im höheren Gewicht der Autos, aber das ist nicht alles.
Was wir eigentlich bräuchten, ist eine neue Definition von Luxus. Also Autos, die sich aus der Masse abheben (und heute will sich ja fast jeder aus der Masse abheben), aber das auch ohne überflüssige PS-Stärken schaffen. Aber vor dieser Aufgabe haben die Hersteller – aber auch wir, die Kunden – bisher grandios versagt. Es gibt zwar die ersten Hybrid-Autos mit guten Verbrauchswerten, aber häufig sind die auch nicht sparsamer als etwas kleinere, ebenso alltagstaugliche Fahrzeuge mit konventionellem Antrieb. In dieser Richtung muss sich noch viel mehr tun! Wir brauchen eine neue Eleganz, die mehr ist als blubbernde Protzigkeit …

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Veröffentlicht von

Ich habe Betriebswirtschaft in München und Philosophie an der Fernuni Hagen studiert, früher bei einer großen Bank gearbeitet, und bin seit über 20 Jahren Journalist beim Handelsblatt mit Spezialisierung auf Finanzthemen, davon fünf Jahre in New York und seit November 2017 in Frankfurt. Im Jahr 2013 habe ich das Buch „Wie fair sind Apple & Co?“ veröffentlicht.

3 Kommentare

  1. Das falsche bessere Leben

    Das Protzen mit den PS’en und der rohen Kraftentfaltung richtet sich leider gar nicht an diejenigen, die sich diesen Luxus ohnehin schon leisten können, sondern wohl viel mehr an die Aufsteiger. Diejenigen, die ihrem Ford Fusion entwachsen wollen und das lahme Gefährt, das sie ihr eigen nennen, mit dem Zauberschlitten vergleichen, den die Werbung wie einen erotischen Wachtraum evoziert.

    Deshalb, weil in den letzten beiden Jahren die deutsche Wirtschaft und auch die Löhne deutlich gestiegen sind, haben Neuwagen im Durchschnitt 134 PS. Denn nun sind aus Aspiranten auf den Aufstieg wirkliche Aufsteiger geworden und die erfüllen sich nun die Träume, die ihnen von der Werbung eingeplanzt wurden.

    Es stimmt schon, dass ein Hybrid oder Geringverbraucher nicht den Sex-Appeal hat, auf den ein Mehrleister (so sieht sich der Aufsteiger selber) meint, Anspruch zu haben.

    Sehr geehrter Herr Dr. Ohndorf,
    der Beitrag von Prof. Nicolas Gruber CO?-Emissionen: immer höher… hat mich nun überzeugt davon, dass ihre Aussage (Zitat aus ihrem Beitrag)In einer idealen Modellwelt liesse sich mit einem CO2-Preis in der Tat ein optimaler Emissionspfad erreichen, der das Risiko grösserer Schäden aus dem Klimawandel minimiert. zutrifft. Emissionshandelssysteme elimieren zwar den CO2-Ausstoss nicht, sie verhindern aber ein katastrophales Szenario, in dem immer mehr emittiert wird. Selbst mit einem moderaten CO2-Preis würde eine 6°C-Zukunft ausgeschlossen, denn die exzessive Emission von CO2 wäre sehr teuer und Länder, die ihre Energieinfrastruktur gerade ausbauen – die Chinesen und Inder beispielsweise – würden Alternativen zu fossilen Energien viel stärker in Betracht ziehen.

    Doch diese starke Wirkung eines CO2-Preises verhindert wohl zugleich seine Akzeptanz bei den Nationen, die sehr grosse CO2-Mengen pro erzeugte Energieeinheit ausstossen, vor allem weil diese Länder im wirtschaftlichen Wettbewerb ins Hintertreffen geraten würden. In den USA beispielsweise mit ihren 19 Tonnen CO2 pro Einwohner würde ja nicht nur jeder US-Bürger durch den CO2-Preis in seinen Kaufentscheidungen beeinflusst, sondern der Export energieintensiver Güter würde erschwert und zugleich der Import CO2-arm hergestellter Güter erleichtert.

    Eine Lösung wäre eine schrittweise Erhöhung der CO2-Preise in Abhängigkeit vom jetztigen CO2-Ausstoss. Der CO2-Preis wäre erst im Jahr 2035 für alle gleich, vorher müssten CO2-Grossemittenten weniger bezahlen, was ihnen Zeit für Anpassungen gibt.

    So schnell werden sich die Präferenzen wohl nicht ändern und es bleibt noch lange beim Wunsch:
    Wir brauchen eine neue Eleganz, die mehr ist als blubbernde Protzigkeit …

  2. Sicherheitsaspekt

    Wenn man bedenkt, wofür das Auto täglich gebraucht wird, nämlich zur Fahrt zur Arbeit, zum Einkaufen usw. und wieder nach Hause, sind die meisten Kleinwagen mit 5-Sitzen eigentlich schon als sehr groß anzusehen. Außer dem Luxusaspekt spielt beim Autokauf aber wohl auch die Sicherheit eine große Rolle. Meine Theorie: Wenn bereits so viele große schwere Autos unterwegs sind, fürchten Menschen, dass sie in einem Kleinwagen beim Zusammenstoß mit einem großen Schiff den Kürzeren ziehen und neigen eher dazu, sich selbst auch ein großes Auto zu leisten. Dadurch dass dann noch mehr große Autos fahren, verschlimmert sich natürlich die Lage insgesamt und die Neigung zum großen Auto wird noch stärker.

  3. Kleinwagen…

    Also ich weis ja nicht genau, wie “Kleinwagen” von der Automobilindustrie definiert wird, aber für mich gehört ein Prosche 911 auch dazu. Allein schon deshalb, weil er nur 2 Sitze hat, und soweit ich weis keinen nennenswerten Kofferraum. Der Platz wird von dem überdimensionierten Motor eingenommen.
    Davon abgesehen ist das für mich ein reines Angebergefährt, das kleinen altagspraktischen Nutzen hat. Aber das ist meine persönliche Meinung. Man kann also zusammenfassend sagen: Ich stimme dem Beitrag zu.

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