Was ist Schmerz? Wo kommt er her? Wo geht er lang?

BLOG: Graue Substanz

Migräne aus der technischen Forschungsperspektive von Gehirnstimulatoren zu mobilen Gesundheitsdiensten.
Graue Substanz

Unser Neuroanatom Helmut Wicht wurde schmerzlich vermisst. Aber dies ist nicht das Thema. An ihn richte ich jedoch die letzte dieser drei Fragen. Ein Beitrag zur Anatomie des Kopfschmerzes bei Migräne.

Bevor ich zum Kopfschmerz komme, frage ich allgemein: Was ist Schmerz? Eigentlich wurde ich dies gefragt und dabei erwartungsvoll angesehen.

IHC 2011 in Berlin.
Auch auf dem Kopfschmerzkongress werden neue Fragen gestellt.

Es war so: Ich setzte mich gerade wieder an den Tisch. An das Kopfende. Links von mir ein Philosoph, rechts ein theoretischer Physiker. Nicht irgend ein Philosoph, ein Neurophilosoph, Stephan Schleim von der Universität Groninge und auch Blogger (Menschen-Bilder). Auch der theoretischer Physiker ist Blogger (Die Natur der Naturwissenschaft) und durch zahlreiche Lehr- und andere Bücher bekannt. Es ist Josef Honerkamp von der Universität Freiburg (emeritiert seit 2006). Wir saßen beim Jahrestreffen in Deidesheim.

Als ich nach kurzer Abwesenheit also wieder an den Tisch kam, hörte ich nur “… ah, er muss es doch wissen …” und, als ich saß, dann die Frage:

Was ist Schmerz?

Erstmal einen kleinen Scherz machen. Zeit gewinnen. Und langsam ist alles wieder da. Schmerz sei ein Sinneserlebnis, letztlich nichts wesentlich anderes als Rot sehen, sagte ich (kurz zusammengefasst) und guckte auf Stephans roten Pullover. Josef war zufrieden, schien mir. In Wirklichkeit hatte ich in vielleicht knapp zwei Minuten meine Sicht erklärt. Also von Schmerzrezeptoren gesprochen, die am Anfang stehen, dann von der Schmerzleitung über die Zwischenstationen im Hirnstamm und Thalamus zum Cortex (Großhirnrinde), all dies ist Teil des Schmerzes, wie es bei anderen Sinneserlebnissen letztlich auch der Fall ist.* Stephan war wohl nur halb zufrieden mit meiner Rezeptor-Zwischenstationen-Cortex-Reduktion des Schmerzes. Er meinte wir sollten mal in seine Vorlesung kommen.**  Das muss warten.

Nun also zum Kopfschmerz. Wo im Kopf liegen die Schmerzrezeptoren? Es gibt nämlich keine direkt im Gehirn. Dieses Organ ist folglich völlig schmerzunemfindlich. Ein Chirurg kann in der grauen Substanz herum scheiden wie er will, weh tut das nicht. Wenn ich mich dagegen beim rasieren schneide, oder mir ein glühendes Bügeleisen gegen die Schläfe drücke, tut das schon weh. Nur macht letzteres niemand – und doch schmerzt der Kopf manchmal als ob es so wäre.

Das legt einen Verdacht nahe. Könnte es sein, dass zumindest bestimmte Kopfschmerzen nicht beim Rezeptor starten? Sondern innerhalb der Schmerzleitung etwas schiefgeht? Wir fühlen wie das Bügeleisen scheinbar den Kopf verbrutzelt, obwohl am Kopf selbst alles in bester Ordnung ist. Denn immerhin treten bei der Migräne ja auch Sehstörungen auf, ohne dass die Stäbchen und Zapfen in der Netzhaut je aktiviert wurden. Auch dort ist alles in bester Ordnung. Und Rot sehen ist wie Schmerz fühlen, behauptete ich ja oben.

Gewitter im Hirnstamm oder Cortex?

Sind die Kopfschmerzen bei Migräne eine Art sensorische Trugwahrnehmung wie die Migräneaura? Weniger schmerzlich wären sie dadurch nicht. Doch so einfach ist es nicht. Die Sehstörung, als Beispiel einer Migräneaura, ist in der Tat eine rein corticale Störungen, also eine Störung in der Endstation der sensorischen Leitung. Aber bei dem Migränekopfschmerz gehen viele Fachleute davon aus, dass es zu einem Gewitter im Hirnstamm, der Zwischenstation, kommt. Das heißt, sie gingen davon aus.

Forschungsergebnisse seit 2002 stützen nämlich die Möglichkeit einer vollständig intakten Schmerzleitung bei Migräne, die bei dem Rezeptor startet [1]. Eigentlich müssen wir dann aber fragen, wieso die Rezeptoren anspringen. Das ist die Frage nach dem Bügeleisen.

Heute werden die Hirnhäute gebügelt


Mir über die Schulter geschaut: Ein Tafelbild aus meinem Büro.

Das Bügeleisen, also der schmerzauslösende Prozess, ist – so wird vermutet – eine Folge der Spreading Depression (SD), im Tafelbild mit (1) gekennzeichnet. Dieser Prozess ist ebenso ein Gewitter im Gehirn, das sich wie eine Welle neuronale Übererregung im Cortex ausbreitet. Eine laufende SD-Welle verursacht zunächst die Aura und mit etwas Verzögerung reizt SD die Hirnhäute (2).

IHC 2011 in Berlin.Das ist, wie gesagt, bisher nur eine Vermutung. Auf dem 15ten Kongress der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft organisiere ich dazu ein Satelliten-Symposium “Migraine and Spreading Depression”. Dort werden die neusten Erkenntnisse und daraus folgende Therapieansätze besprochen. “Brigding the Wall of Pain“, das ist das Mottto dieses Kongresses in Berlin.

Langsam kommt Helmut ins Spiel. An ihn, den Neuroanatom und Blogger (Anatomisches Allerlei), hätte ich in Diedesheim eine Frage gehabt. Der Nervus trigeminus, der Drillingsnerv, innerviert neben anderem auch die Hirnhäute. Er ist der fünfte Hirnnerv und dreigeteilt, wie der Name schon sagt, deswegen die Kennzeichnung der Drillinge mit römisch fünf: V1, V2 und V3 in der Abbildung oben. Wie ist der räumliche Verlauf der Versorgungsgebiete des Nervus trigeminus in der Hirnhaut (Dura mater)? Ist dieser wie außerhalb des Schädels? Gibt es in der Dura mater analog zu den Sölder-Linien abgegrenzte Bereiche des Trigeminuskerns? Der Leser erlaube mir diese speziellen Frage. Als Blogger will auch ich von andern Bloggern lernen.

 

Nachtrag

Ähnliche Artikel:

Qualen, Qualia und Querelen

Physik des Schmerzes jenseits der Daumenschraube

 

Literatur

 

[1] Bolay H, Reuter U, Dunn AK, Huang Z, Boas DA, Moskowitz MA. Intrinsic brain activity triggers trigeminal meningeal afferents in a migraine model. Nat Med. 2002 8:136-142. Vgl. David W. Dodick und J. Jay Gargus, Migräne – leider keine Einbildung, Spektrum 2009. (kostenfreie Leseprobe) 

Fußnoten

*Es gibt nur eine Zwischenstation bei der Sinneswahrnehmung und die ist im Thalamus. Nur der Geruchssinn, unser Ursinn projiziert ohne Umwege direkt in den Cortex. Dieser wiederum wird hier als Endstation bezeichnet, allerdings sind es viele Areale im Cortex, die als Vereinfachung zusammengefasst werden.

** Bitte Stephans Kommentar unten beachten. Ich habe seine Bemerkung auch nie belehrend verstanden, aber eben doch so, dass wir noch mehr von einander lernen können, als wir in Deidesheim schafften abzuhandeln.

Nachtrag

Ich fasse hier einen Zwischenstand der bisherigen Diskussion zusammen. Die 44 Kommentare (Stand 26. März) gehen in teilweise sehr unterschieliche Richtungen und der lineare Ablauf macht es dem Leser nicht gerade leicht. Bitte die Diskussion hier weiter führen.

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Markus Dahlem forscht seit über 20 Jahren über Migräne, hat Gastpositionen an der HU Berlin und am Massachusetts General Hospital. Außerdem ist er Geschäftsführer und Mitgründer des Berliner eHealth-Startup Newsenselab, das die Migräne- und Kopfschmerz-App M-sense entwickelt.

82 Kommentare

  1. Corrigendum

    Schöner Beitrag, Markus!

    Den (zumindest modisch fragwürdigen) Bilderwitz verzeihe ich dir aber nur, wenn du meinen Vornamen richtig schreibst (dreimal). Den roten Pulli habe ich jedenfalls nicht mit einem hellblauen Hemd kombiniert. 😉

    Eine Richtigstellung: Das mit der Einladung in meine Vorlesung hört sich in diesem Kontext fast schon herablassend an. Tatsächlich lud ich euch aber ein, um dort einen Vortrag zu halten und nicht, um euch von mir belehren zu lassen! Der Kontext in Deidesheim war, dass ich eure kritische Haltung zum Realismus gut fand, auch wenn wir die Sache mit dem Naturalismus und “den rechten Dingen” (noch) nicht auflösen konnten. Dazu in Bälde sicher wieder mal ein Blog von mir.

    Ist das übrigens wirklich üblich, diesen Nerv mit V1…V3 zu kennzeichnen? Darüber bin ich zuerst gestolpert. Ich kenne das vor allem als primärer bis tertiärer visueller Kortex.

  2. Außerirdischer und Schmerz

    Noch zum Thema: So interessant sich das auch liest, stell dir vor, du würdest jemandem, der noch nie selbst Schmerz erfahren hat und auch vorher noch niemanden getroffen haben, der Schmerzen hatte, erklären wollen, was Schmerzen sind.

    Sagen wir, einer unserer Roboter würde plötzlich bewusst und finge damit an, sich für Menschen zu interessieren; oder eine außerirdische, auf Silizium basierende Lebensform käme auf unsere Welt. Wie würdest du denen erklären, was Schmerzen sind? Denkst du, sie würden es verstehen, wenn du ihnen eine vollständige Erklärung der neurophysiologischen Prozesse liefertest? Oder würde dann vielleicht noch etwas fehlen?

  3. Fußnote

    Ich habe gleich mal eine zweite Fußnote gesetzt. Denn ich habe Dich auch nicht so verstanden. Es war eine angenehme Diskussion, die eben noch Fragen offen ließ.

    Nach meinem letzten Modebeitrag habe ich das Thema nun für mich entdeckt und Dich mit einem Bildverarbeitungsprogramm umgekleidet. Ich arbeite dran.

    Ja, die Bezeichnung V1, V2 und V3 ist in der Sehrinde auch wieder üblich, wobei es nun also ein “V” für visuell ist.

    Helmut, römisch fünf ist sicher üblich, aber werden die Drillinge so nummeriert?

    Das Tafelbild ist geschätzt 5 Monate alt … Ich weiß nicht mehr, was damals Grundlage war.

  4. Der Roboter sieht rot ….

    Meine Antwort hat sich nun mit Deinem zweiten Teil überschnitten.

    Und wir sehen, es sind eben noch Fragen offen.

    Zunächst weiß ich auch nicht, was der Roboter bewusst sieht, wenn er Rot sieht. Die Frage nach der Qualia. Aber das ist nicht alles, vielleicht sogar unwesentlich.

    Habe ich den Roboter so programmiert, dass er selbstzerstörerisches Handeln sein lässt und zerstörerische Einflüsse meidet? Das Signal ist sein Schmerz.

    Habe ich ihn nicht so programmiert, erleidet er keinen Scherz. (Es gib Menschen mit fehlenden Schmerzempfinden, s. z.B. CIPA oder diese Arbeit Nature Genetics, 2009, 41:1179)

    Dann gibt es noch den Verlustschmerz. Den, den wir in Deidesheim hatten, weil Helmut fehlte 😉 Oder Angst und solche Gefühle. Diese halte ich für kritischer zu definieren.

  5. @ Schleim @ Dahlem

    Die Schreibweise V1,2,3 ist üblich, allerdings mit tiefgestellten Zahlen, die ich hier im Kommentarfeld nicht hinkriege.

    [Du nicht, aber ich schon, hehe. Huhni]

    Ja, die zur Schädelhöhle rückläufigen “Rami meningei” der drei Hauptäste des Drillingsnerven versorgen unterschiedliche Regionen der Dura mater. Wie gross/klein die “Überlappungszonen” sind, weiss ich nicht.

    V1 – Boden vordere Schädelgrube, aber auch Kleinhirnzelt und Falx

    V2/3 so ziemlich der ganze Rest (aber s.u.!), genaue Topographie (mir) unbekannt

    Nicht vergessen! Auch der Nervus vagus und die oberen Spinalnerven haben Rami meningei in der Dura, und zwar in der hinteren Schädelgrube, am Boden, in der Gegend des Foramen magnum.

    Hab’ ansonsten heut’ ‘nen freien Tag. Ich les’ den Aufsatz von Markus heut’ abend in Ruhe un seh’ mal, ob ich was dazu zu sagen habe.

  6. Innervation der Dura mater

    Eine erste Antwort, bis Helmut Wicht sie verbessert, aus Gray’s Anatomy (1995):

    “In the anterior cranial fossa there are meningeal branches of of the anterior and porsterior ethmoidal nerves (V1) and anterior filaments of the meningeal rami of the maxillary (V2; nervus meningeus medius) and mandibular (V3; nervus spinosus) trigeminal divisions.

    Nervi menineus medius and spinosus are, however, largely distributed to the dura of the middle cranial fossa, which also receives filaments from the trigeminal ganglion.

    A recurrent tentorial nerve (a branch of the ophthalmic division; V1) supplies the tenotrium cerebelli.

    The dura in the posterior cranial fossa is innervated by ascending meningeal branches of the upper cervical nerves which enter it through the anterior part of the foramen magnum (second and third cervical nerves) and through the hypoglossal canal and jugular foramen (first and second cervical nerves).

    Less well-established meningeal branches have been described arsising from the vagus and hypoglossal nerves and possibly from the facial and glossopharyngeal nerves.”

    Die Versorgungsgebiete sind also bei der Dura ähnlich wie wie bei der Kopfhaut, mit der auffälligsten Abweichung für das Tentorium cerebelli (V1).

  7. Geruchssinn

    Anmerkung:
    Bei mir kommt es zu Geruchswahrnehmungen während der Auraphase: Ich liebe Himbeeren, lach!
    Leider sind dann keine vorhanden.
    Es schwant was anderes.

  8. Bilder und Worte

    Gray’s Anatomy ist ja auch durch die schönen Bilder bekannt (und die großartige Cristina, aber halt das ist Grey’s anatomy) wie dies:

    Aber der Text oben von Jürgen Bolt sagt mir noch zu wenig und in diesem Bild ist nicht das gezeigt, was mich interessiert.

  9. @ Markus: Hirn, Verhalten, Gefühl

    Jetzt wissen wir also genau (hypothetisch, fürs Argument), 1was im Hirn beim Schmerz vorgeht und wir wissen ferner (ebenso hypothethisch), 2welches Verhalten mit Schmerz einhergeht. Wo bleibt dann bei dir das 3Schmerzgefühl?

    Würdest du zwei Roboter, die beide 1Schmerzaktivität und 2Schmerzverhalten zeigen, einer davon jedoch kein 3Schmerzgefühl, als identisch betrachten?

  10. Schmerzgefühl

    Mir fehlt ein gutes Verständnis für den Begriff Gefühl (meine Frau kann das sicher bestätigen).

    Ist es nicht in der Summe meiner Hirnaktivität enthalten?

    Ich fürchte anders als so kann ich nicht antworten. Im Zweifel lügt der eine Roboter und wird an die Sandleute verkauft. Sollen die sich damit plagen.

  11. @Markus: Gefühle

    “Mir fehlt ein gutes Verständnis für den Begriff Gefühl (meine Frau kann das sicher bestätigen).”

    Was von den Leuten, insbesondere von Frauen als “Gefühl” bezeichnet wird, ist etwas ganz anders, als die Erlebnisqualitäten, von denen Stephan spricht. Das Frauen-Gefühl bezeichnet nach meinem Verständnis, die Tatsache, daß man erleben kann, einen mentalen Zustand zu haben.

    Beispiel: Weiß ich, daß die Schlange zu meinen Füßen echt ist, so empfinde ich Furcht.

    Es gibt Autoren, die diesen Sachverhalt mit Wahrnehmungen in Zusammenhang bringen, wie z.B. Sabine Döring – freilich ohne das Wahrnehmungsorgan dafür nennen zu können.

    Der Schmerz hingegen scheint mir nicht mit dem Haben eines mentalen Zustandes zusammen zu hängen. Schmerzen hat man. Aber das ist kein Zustand, den man mental nennen könnte. Schmerz meint einfach, etwas zu erleben, dessen Variationen (hell, pochend, ziehend etc.) unterschieden werden können, ohne auf die Charakterisierung von etwas via Sätze zurückgreifen zu können.

  12. Ruf in Wichts Winkel

    Lieber Helmut,

    hier noch weiter gefragt:

    Wie steht es mit dem Nucleus tractus mesencephalicus nervi trigemini?

    Welches Gebiet in der Dura mater (wenn überhaupt eins) versorgt dieses in den Hirnstamm hineinverlagertes Ganglion?

    [Quelle: modifiziert nach dem Duus, also “Neurologisch-topische Diagnostik”]

  13. @ Markus: Schmerzen und Rot

    Ich schlage vor, dass wir nächstes Jahr eine Fallstudie machen, um den Unterschied zu eruieren. Ich schätze, ein Fall aus fünf Metern Höhe dürfte dafür schon reichen; und einen roten Pulli werde ich natürlich nicht vergessen; ein schöneres Rot als auf dem Foto da. 😉

    So, jetzt muss ich unseren Studenten erklären, warum sie mehr sind als nur komplexe Automaten. Jemand zufällig noch ein Argument parat?

    [Antwort:
    Der Pulli sieht so eingefärbt grausig aus. Das ist aber Methode. Zu meiner Ehrenrettung will ich aber gestehen, ich habe bei Richard Zinken nach einem Foto gefragt, er hatte aber keines vom zweiten Tag … ok, ich spring dann auch freiwillig.]

  14. automatische Automaten

    Automaten, da sage ganz automatisch: ich nicht.

    Die Rückkopplungsschleifen. Darüber sollen mal die Studenten nachdenken. Ich bin ja im Gegensatz zum Automat kein im Wesen geschlossenes System mit ein paar Eingängen und davon getrennten Ausgängen.

  15. @Markus: Bewußtsein

    “Was ist Schmerz für Dich und wie unterscheidet der sich von Rot.”

    Schmerz ist im Gegensatz zum Gesichtseindruck von Rot keine Wahrnehmung:

    i) Es gibt kein Wahrnehmungsorgan für Schmerz.

    ii) Schmerz informiert nicht über die Welt, da es Phantomschmerzen gibt.

    iii) Schmerz ist ein Bewußtseins- aber kein mentaler Zustand, da der Schmerz lokalisiert ist.

    iv) Schmerz ist aber auch nicht nur ein körperlicher Zustand. Narkotisierte Patienten haben keine Schmerzen.

    Gefühle i.o.g.S. sind mehr als Bewußtseinszustände. Jedenfalls ist das meine momentane Sprechweise.

    Hilft dir das weiter?

  16. Leider nein, Elmar

    i) Es gibt kein Wahrnehmungsorgan für Schmerz.

    Was ist das Wahrnehmungsorgan für Rot sehen? Die Netzhaut? Dann nenne ich dir die Nozizeptoren, die auch in einem Organ eingebettet sind, der Haut.

    ii) Schmerz informiert nicht über die Welt, da es Phantomschmerzen gibt.

    Es gibt auch Sehstörungen.

    iii) Schmerz ist ein Bewußtseins- aber kein mentaler Zustand, da der Schmerz lokalisiert ist.

    Mmmh?

    iv) Schmerz ist aber auch nicht nur ein körperlicher Zustand. Narkotisierte Patienten haben keine Schmerzen.

    Narkotisierte Patienten sehen auch nicht mehr, wenn die Dosis stimmt …

  17. @Stephan Schleim – Außerirdische

    “Wie würdest du denen erklären, was Schmerzen sind?”

    Zunächst würde ich Sie fragen, ob sie also unter ähnlich konkreten Bedingungen “wie wir” leiden, Schmerzen empfinden. Ob sie also die Maxime, “Was Du nicht willst, was man Dir tu, das füg’ auch keinem andern zu”, prinzipiell nachvollziehen können.

    Die Frage ist, muß man einem Lebewesen erklären, was Schmerzen sind? Schopenhauer würde das, auch für siliziumbasierte Aliens, verneinen. Alle Lebensformen leiden.

  18. Nucleus mesephalicus nervi trigemini

    Er erhält seine Afferenzen aus den Muskelspindeln der Kaumuskulatur. Er sendet seine Efferenzen zu motorischen Kern des Trigeminus, der die Kaumuskeln steuert.

    Also Eigenflex der Kaumuskeln. Langweilig, so langweilig, wie ein Patellarsehnenreflex.

    [Antwort:
    Danke. Ist aber schon ein Ding, was macht das Ganglion da? Ich misstraue ja solchen Sachen. Wenn das Gewitter im Hirnstamm tobt und dann Spinalganlienzellen, die eigentlich da nicht hingehören mitmischen …, aber ok nur Kaumuskulatur. Das ist in der Tat langweilig aus der Kopfschmerzperspektive. Andere Spinalganlienzellen, welche die Afferenzen aus der Dura mater enthalten, sind alle artig im Ganglion trigeminale, ja? ]

  19. Dukkha

    Leiden und Schmerz will ich unterscheiden. Und sei es, um erstmal abgegrenzte Begriffe zu haben.

    Wenn Stephan oben den roten Pullover sieht, dann leidet er.

    Das Leben ist letztlich leidvoll. Dies ist zu durchschauen, riet uns schon Buddha.

    Einfach mal das Bügeleisen nehmen. Oder halt sich ein Tattoo stechen lassen. Sschmeeeeerz. Den meine ich.

  20. Literatur

    im aktuellen GEO kompakt Nr. 26 (Die Signale unseres Körpers) ist ein umfangreicher Artikel zum Thema ´Schmerz´: ´Die Logik des Schmerzes´.

    Ausgehend von einer pakistanischen Familie in welcher Schmerzunempfindlichkeit gehäuft auftritt, wird beschrieben wie/warum Schmerz entsteht. Insbesondere ein spezielles Erbmerkmal (SCN9A) in Schmerzfühlern scheint eine wichtige Rolle zu spielen.
    Damit ist allerdings die zentrale Frage nicht beantwortet, was denn Schmerz überhaupt ist.

  21. Wundermaschine Mensch

    Vielen Dank für den Hinweis.

    Ich guckte gerade und sah, dass es für 15,90 Euro das Heft plus eine DVD “Wundermaschine Mensch” gibt.

    Werbetext dazu:

    Diese Dokumentation lädt auf eine spektakuläre Expedition ein: in die Innenwelt des Homo sapiens”

    Übrigens, in der Außenstelle der Grauen Substanz habe ich ein “The making of ‘Was ist Schmerz’ ” verfasst. Dort wird u.a. Stephana Modegeschmack wieder rehabilitiert.

    In Zukunft werde ich dort, in der Außenstelle der Grauen Substanz, kleine Beiträge posten, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht hier her passen.

    Leicht kann man über die facebook-Seite informiert bleiben.

  22. Roter Pullover hin oder her, die Spitzen des Hemdkragens gehören unter den Pullover (wenn man schon V-Ausschnitte mit Hemden kombinieren muss). Dass solche grundlegenden Stilelemente nicht beachtet werden, DAS ist schmerzhaft, eine echte Qual(ia).

  23. Mehr moderate Eleganz

    Eine gewisse legere Nachlässigkeit ist durchaus angebracht, sofern die Grundtendenz zu einer moderaten Eleganz nicht zu kurz kommt.*

    Ich mag auch in meiner Definition des Schmerzes als Rezeptor-Zwischenstationen-Cortex-Reduktion eine gewisse legere Nachlässigkeit an den Tag gelegt haben. Und auch die ist angebracht, da die Grundtendenz nicht zu kurz kommt.

    Alles andere ist Fashion.

    *Achtung Plagiat, müsst ihr aber selber googlen.

  24. Capsaicin

    Capsaicin wäre auch eine Möglichkeit, um sich dem Verständis von Schmerz zu nähern.
    Kommt es mit Rezeptoren im Mundbereich in Berührung so wird dies je nach Menge und Einwirkungsdauer als angenehmes Prikeln, als Schärfe bzw. als Schmerz empfunden – oder mehr oder minder ignoriert, wenn durch längerdauernde intensive Einwirkung die Capsaicin-Rezeptoren desensibilisiert wurden.

    Kommt Capsaicin aber in ausreichender Konzentration mit Rezeptoren auf der Haut in Berührung dann wird dies als angenehme Wärme empfunden (ABC-Pflaster).

    D.h. sowohl die Menge von aktivierten Rezeptoren, wie auch deren Lage im/am Körper, beeinflussen ob/wie man Schmerz empfindet.

  25. @ Stylefanowitsch

    Als Sprachwissenschaftler kennst du dich gut mit Idiosynkrasien aus. Was meinen Kleidungsstil betrifft, verlasse ich mich auf meinen Geschmack und die Meinung von Experten. Erfreulich häufig decken sich die beiden, auch wenn ich dann in einer Stadt wie Trier mal wegen der Kleidung, die ich in Berlin oder Amsterdam gefunden habe, komisch angeschaut werde.

    Mario Lasar über die prinzipielle Überlegenheit von V-Ausschnittpullovern in Kombination mit Oberhemden. … Ein runder Ausschnitt verstellt den Blick auf das darunter zu tragende Oberhemd zu sehr. (intro.de)

    Antwort von Le M.A.D.:
    Ah, da hat Stephan gleich meine Quelle offen gelegt.

  26. Dahlem – N.mes.V.

    (Rote Nachfrage): ja.

    N.mes.V. ist eigentlich nicht “seltsam”. Bei manchen Tieren (Lanzettfische, Neunaugen, larvale Knochenfische) sind INTRAspinale/cerebrale sensorische Zellen an vielen Orten im ZNS die Regel, nicht die Ausnahme. Also: “stammesgeschichtliches Relikt”.

    Man rät es nicht, aber es ist wahr: Sigmund Freud hat seine Doktorarbeit über solche Zellen im Hirnstamm von Neunaugen geschrieben.

    Reklame: Diese und andere irrelavante Einsichten kann man durch Lektüre meines Büchleins “Anatomsiche Anekdoten” gewinnen.

    Antwort:
    Danke!

    Als kleines Danke schön für all Deine Hinweise, hier das Buch verlink (Klick aufs Bild -> Science-Shop) oder bei Amazon


  27. Schmerz stinkt zwar nicht, doch …

    Ist aus Sicht des Anatoms der Schmerz eigentlich anders als andere Sinne? Ich denke nicht, oder Helmut?

    KRichard erwähnt Capsaicin als Schmerzauslöser. Das bringt mich auf diese Betrachtung:

    Ich wies in der Fußnote ja schon auf die Besonderheit des Geruchssinn hin. So ist auch die Schmerzleitung sicher nicht eins zu eins mit dem Sehsinn zu vergleichen. Aber das macht noch keinen prinzipiellen Unterschied.

    Geruch ist ein guter Vergleich. Auch er is komplexer als Sehen in einer Hinsicht, nämlich in der Zuordnung des Wahrgenommenen und seiner Entsprechung in der Außenwelt. Und doch ist es ein Sinneserlebnis und nichts weiter.

    Das Bild auch der Netzhaut ist offensichtlich schlicht Projektion. Aber auch Schmerz wird nur in uns hinein projiziert.

    Selbst die Tatsache, dass es viszerale Afferenzen gibt, also Fasern die uns über den Zustand in den Eingeweiden informieren, macht keinen Unterschied.

    Für mich. Gerne lasse ich mich aber vom Gegenteil überzeugen.

  28. Capsaicin II

    Nochmal zum Thema Capsaicin:
    Capsaicin großflächig(!) auf der Haut (ABC-Pflaster, Hitzesalbe) erzeugt ein Gefühl von Wärme.
    Hat man aber schon den umgekehrten Versuch gemacht und Capsaicin kleinflächig(!) auf die Haut aufgebracht?:
    In Form eines sehr sehr schmales Streifens – wie bei einem Schnitt.

    Wenn nicht, dann sollte man das mal ausprobieren.

    Warum das Ganze: Wenn jetzt das Capsaicin plötzlich einen Schmerz erzeugt (wenn es als schmaler Streifen aufgebracht wird), dann könnten sich daraus Hinweise ergeben, wie ein Schmerz entsteht.
    Das Gehirn vergleicht ein Eingangs-Muster von Sinnesreizen mit vorhandenem Wissen (Schnittverletzung) und danach/daraus entsteht der Schmerz?

  29. Substanz P

    Wie Schmerzrezptoren arbeiten ist ganz gut bekannt, auch wenn sicher nicht vollständig. Nicht graue sondern Substanz P, ein Neuropeptid als Botenstoff, ist hier das ein Stichwort.

    Um mal wieder zur Migräne zurückzukommen, hier sei auf Ref. [2] verwiesen. Daraus folgendes Bild (eigentlich eine Vortragsfolie):

    Mit dieser Bildbeschriftung (eigene Übersetzung):

    “Während einer Migräneattacke ist die Depolarisation
    von perivaskulären trigeminalen Axone begleitet
    von einer Freisetzung von vasoaktiven Neuropeptiden einschließlich
    CGRP und Substanz P. Diese Mediatoren produzieren eine
    Sensibilisierung der Nervenenden und
    Extravasation von Flüssigkeit in den perivaskulären Raum
    rund um die duralen Blutgefäße …”

    Die Depolarisation ist Folge der im Text erwähnten SD. Substanz P ist Thema eines neuen Beitrages. Irgend wann mal.

    Literatur

    [2] Moskowitz, M. A. , The 2006 Thomas Willis lecture: the adventures of a translational researcher in stroke and migraine, Stroke 38, 1645 (2007).

  30. Schmerz

    Der körperliche Schmerz ist aus Sicht der Anatomen insofern ein eigener “Sinn”, als er spezielle Rezeptoren (freie Nervenendigungen/Capsaicin etc.)und eigene Bahnsysteme/Verarbeitungsstationen im ZNS hat, ganz wie die anderen Sinne. Schmerz resultiert also NICHT, wie man auch mal meinte, einfach aus der massiven Übererregung eines sensorischen Systems, sondern ist mit der Aktivierung eines bestimmten, abgrenzbaren Sinnessystemes verbunden.

    Er ist also den anderen Sinnen insofern gleich, als er ein eigenständiges Sinnessystem darstellt, er ist von den anderen Sinnen unterschieden, indem sein spezifischer Reiz die Gewebe(zer)störung ist.

    Das Problem der “Qualia” (“wie es sich anfühlt, Qualen zu erleiden”) wird – da bin ich mir, denk’ ich, mit Stephan einig – dadurch freilich ebensowenig gelöst, wie die Empfindung der Röte der Rose durch die Entdeckung von Zapfen in der Retina erkärt wird, die auf langwelliges Licht reagieren.

    Was MICH immer sehr verwundert hat: wo kommt das “Nicht-Sein-Sollen” her, das das Schmerzgefühl begleitet? Fast alle anderen Sinneseindrücke kann ich mehr oder weniger einfach nur haben, konstatieren, positiv (“hübsch”) oder negativ (“mag ich nicht”) kritsich bewerten – der Schmerz aber hat diesen “Absolutheit” im Negativen. Er ist das, was nicht sein soll. Find’ ich bemerkenswert.

  31. Einig.

    Helmut, danke für die Klarstellung. Ich denke diese zunächst rein anatomische Sicht ist wichtig. Denn wir kennen diesen Sinn oft nicht. Die Netzhaut und den Sehnerv kennt wohl jeder.

    Du bist Dir übrigens ebenso auch mit mir (und Stephan) einig, was das Problem der “Qualia” betrifft.

    Aber ist das “Nicht-Sein-Sollen” wirklich so besonders? Wohl nur in seiner Absolutheit. Denn sonst sind wir wieder bei dem wenig geschmackvollen roten Pulli kombiniert mit blauem Hemd.

  32. … danke für die Info´s

    Hallo,

    … für die lehrreichen Info´s (…vor allem Helmut Wicht) ein dickes danke. Ich möchte anregen, dass Schmerz ein entwicklungsbiologisch sehr wichtigen „Sinn“ haben muss, sonst wäre er sicher längst „verschwunden“, … besser: „aufgegeben“ worden. Das Schmerz darüber hinaus, ich drücke mich laienhaft banal aus, erst einmal ein „eigenes System“ ist, … also als solcher durchaus auch eigenständig sein muss, sagt mir auch, das er wohl eine ganz besondere, extrem hilfreiche „Funktion“ besitzt. Und die sehe ich (in der weiten entwicklungsgeschichtlichen Vergangenheit) darin, dass es für das akute Überleben wichtig ist, zu wissen, wenn etwas physikalisch, biologisch etc. dem Organismus Schaden (akut) zufügt. Etwas untertrieben also so etwas wie eine biologische Alarmanlage!

    In der Regel ist Schmerz mit akuten lokalen Ereignissen (Einwirkungen) auf den Organismus als solchen verbunden. Vielleicht lagen die entwicklungsbiologischen Anfänge darin, mitzuteilen, dass „etwas“ (für den Organismus negatives, zerstörendes, … auf jeden Fall Schaden zufügendes) stattgefunden hat. Dieses Geschehen sagt mir dann aber auch, dass zum Schmerz zumindest auch ein Selbstmodel vom Organismus vorhanden sein muss, dass ihn verortet … ohne funktionierendes Selbstmodel gibt es wohl auch keinen Schmerz.

    Vielleicht waren die anfänglich ersten Schmerzen schlicht eine Reaktion auf ein Aufrechterhalten der gefährlichen äußeren Einwirkung (z. B: ein gefährlicher Druckanstieg auf die äußeren Zellstrukturen). Eine letzte Warnung „des Systems“: gleich geht etwas unwiderruflich „kaputt“ … reagiere also!

    Erst die weitere Entwicklungsgeschichte durch eine Art „organische Verknüpfung“ im Gehirn (mit all den anderen Modellen im „Kopf“) und die resultierende Entwicklung eines (Selbst-)Bewusstseins und die Folge, jedes Gefühl irgendwie auf sich selbst, eben sein eigenes Selbst(wert)gefühl zu beziehen führt zu den Problemen, die wir heute in Verbindung mit Schmerzen im wahrsten Sinn der Worte erleben (… müssen). Vor allem, was das Schmerz-gedächtnis betrifft.

    Ursprünglich macht es also durchaus Sinn, Schmerz immer mit den negativsten Gefühlen zu verknüpfen und vor allem alternativlos (… iiiih) negativ beladen zu erleben. Schmerz als solcher ist viel zu wichtig (… in welcher Gefahr leben all die Patienten, denen dieses Alarmsystem abhanden gekommen oder bei denen es „gestört“ ist?). Darüber hinaus zeigt sich hierin durchaus Sinn, daran zu forschen, wie z.B. mit Hilfe meditationserfahrener Menschen usw. oder auch mit Hilfe anderer psychischer wie physischer „Ausnahmezustände“ dem Schmerz ein anderer „Sinn“ gegeben werden kann, bzw. wie es ermöglicht werden kann, den Schmerz, wenn er denn wirklich fehl am Platze ist, „anders“ in unser Gefühlsgeschehen eingebettet werden könnte!

    Doch hier, wie Anfangs gesagt, meine Bitte an die Evolutionsbiologen: was sagt dieses Fach-gebiet zum Thema Schmerz.

    mfG

  33. Evolutiontheorie der Schmerzen

    Der Dank geht nun auch an Sie, lieber Herr Siegbert Müller. Schmerz ist ein großes Thema und Ihr Hinweis auf die Seite der Evolutionsbiologen ist spannend, wenn auch alles, was dort gesagt werden kann, wahrscheinlich sehr spekulativ ist.

    Die Dynamik der (patho)physiologischen Ereignisse und die Anatomie als deren Grundlage bei der Kopfschmerzerkrankung Migräne steht für mich als aktiver Forscher natürlich im Vordergrund. Hier wissen wir viel mehr, als so manche Webseite und Zeitschrift uns vorgaukelt. Da werden wild Dinge über Migräne spekuliert, nur weil dieses Thema nach ca. einem Jahr mal wieder dran ist.

    Ein Beitrag zur Evolutiontheorie der Schmerzen muss daher jemand anderes schreiben. Und er sollte Schmerz allgemein behandeln (so haben Sie es ja auch gemeint). Denn auch Migräne wurde schon als evolutionsbiologisch sinnvoll betrachtet. Da wird es schnell sehr unseriös.

    Dies als Warnung.

  34. Sinnesreiz abstrakt

    Betrachtet man Sinnesreize abstrakt, so ergibt sich folgende Ablauf-Struktur:

    1) Zu einem Input (aktueller Sinnesreiz) wird
    2) eine mit vergleichbarem Reizmuster abgespeicherte Erfahrung
    3) aus dem Gedächtnis aktiviert und
    4) als Re-experience dem bewussten Erleben zur Seite gestellt.
    5) dann erfolgt ein Abgleich (Vergleich) zwischen Input und Re-experience
    6) als Ergebnis verschmelzen beide zu einem neuen aktuellen bewussten Reiz (Input) und das ganze Spiel fängt wieder bei 1) an.

    Da Schmerzen auch nur das Ergebnis einer bestimmten Form von Reizen sind, ergibt sich, dass sie wie alle Reize von 2 Seiten hervorgerufen werden können:
    a) als aktueller Sinneseindruck und
    b) als re-experience
    bzw.
    c) als Verknüpfung von a) und b)

  35. @Helmut Wicht, Nicht-Sein-Sollen

    “Fast alle anderen Sinneseindrücke kann ich mehr oder weniger einfach nur haben, konstatieren, positiv (“hübsch”) oder negativ (“mag ich nicht”) kritsich bewerten – der Schmerz aber hat diesen “Absolutheit” im Negativen. Er ist das, was nicht sein soll. Find’ ich bemerkenswert.”

    Es ist hier vielleicht noch zu bemerken, daß auch andere Streßsituationen absolut unerträglich werden können, akuter Sauerstoffmangel z.B.; gleichwohl erscheint Sauerstoffmangel tatsächlich von anderer Qualität als physischer Schmerz. Sie sind also unterscheidbar.

    Interessant auch dabei, daß extremer physischer Schmerz nicht unbedingt bedeutet, daß der Körper zugrunde zu gehen droht, während akuter Sauerstoffmangel nicht lange toleriert werden kann.

  36. Die Zweit Arten des Nicht-Sein-Sollens.

    Es gibt sicher weitere Arten des Nicht-Sein-Sollens. Erlebnisse, welches ein psychisches Trauma hervorrufen, sind im Moment des Erlebens sicher von der Qualität des Nicht-Sein-Sollens und – das finde ich so bemerkenswert – können physisch verletzen, können “echten Schmerz” auslösen, oft erst mit Verspätung.

    Jörg, Du argumentiert also auch eher entgegen einer evolutiontheoretischen Erklärung, oder? Gerade mit deinem letzten Satz?

  37. @Markus Dahlem, Schmerz und Evolution

    “Jörg, Du argumentiert also auch eher entgegen einer evolutiontheoretischen Erklärung, oder? Gerade mit deinem letzten Satz?”

    Eine interessante Frage, und ich bin geneigt, dir zuzustimmen.

    Schmerz ist subjektiv von Nachteil, kann offenbar sinnlos (Phantomschmerz) sein, schwächt das Individuum und macht es anfällig gegenüber Freßfeinden oder konkurrierenden Spezies. Das macht in einer dynamischen Biosphäre natürlich Sinn, bzw. Offset.
    Schmerz hat wahrscheinlich (also doch?) evolutionstheoretisch eine Bedeutung, aber sicher anders als im Sinne von Mutation-Selektion.

  38. Indikator

    Schmerz ist ein Indikator, welcher anzeigt, dass irgendein durch Sinnesreize erfassbarer Körperzustand sich speziell verändert hat. Darauf wird die Aufmerksamkeit gelenkt.

    Allerdings gibt es viele Fälle, in denen Menschen trotz schwerster Verletzungen zunächst keine Schmerzen empfanden, weil andere Körperfunktionen wichtiger waren.

  39. der Berserker kennt keinen Schmerz

    Schmerz ist ein Indikator, welcher anzeigt, dass irgendein durch Sinnesreize erfassbarer Körperzustand sich speziell verändert hat.
    (von KRichard, s.o.)

    Wobei ich bei “durch Sinnesreize” nachhaken will. Schmerz ist
    ein eigenständiges Sinnessystem.
    Die Sinnesreize allerdings sind einerseits externe Signalgeber (z.B. Bügeleisen), die dann aber übersetzt werden in interne Botenstoffe.

    Dieses System ist nicht ein normaler Sinn, der überläuft, sich also “speziell verändert hat”, sprich: berserk läuft. Das las sich etwas missverständlich, war vielleicht aber gar nicht so gemeint.

    Danke für die vielen Beiträge, an KRichard und alle anderen.

  40. @KRichard, Aufmerksamkeit vs. Reflex

    “… Darauf wird die Aufmerksamkeit gelenkt.”

    Die primäre Reaktion auf z.B. ein akutes schmerzhaftes Ereignis ist von reflexartigem Charakter – wenn wir uns darauf einigen können. Die (komplexe) Aufmerksamkeit, das auslösende Geschehen betreffend – mithin die eigentliche Empirie (Lernen durch Beulen), folgt erst nach dem (einfachen) Reflex.

    Dann aber liegt man u.U. schon sprichwörtlich im Brunnen. Und kann, trotz Schmerzen, nichts weiter tun.

    Ich bin da ganz bei Markus Dahlem: “Schmerz ist ein eigenständiges Sinnessystem.” Mit den interessanten Fragen. Was, woher und: warum (was wird optimiert).

  41. Bruichladdich

    Guter Punkt! Denn ich erinnere mich, in Deidesheim und weiter oben ging es auch kurz darum um, wie ich was am Verhalten festmache. Sei das Verhalten, darüber zu reden, Aufmerksamkeit dahin steuern oder nur ein schmerzverzerrtes Gesicht zu ziehen.

    Allerdings ist auch Vorsicht beim Reflex
    geboten. Dieser kann subcortical ausgelöst sein und Bedarf nicht notwendigerweise der corticalen Wahrnehmung. Das ist hinsichtlich Reaktionsgeschwindigkeit sofort einsichtig. Dies ist auch für die Differentialdiagnose wichtig. Ist man durch Schmerz aufgewacht?

    Wenn Jörg Schütze nun ganz bei mir und meinen “Schmerz ist ein eigenständiges Sinnessystem.” ist, dann sollten wir zumindest formal den Cortex immer mitnehmen. Oder gibt es gute Gründe nur einen ersten Teil der Schmerzleitung zu betrachten?

    Zum Schmerz gehören auch Eigenschaften wie z.B. Dauer, Intensität, Lokalisation und Ausstrahlung.

    Diese werden durchaus durch Aufmerksamkeit verändert, aber das ist beim Geruch nicht anders. Da muss man nur mal einen Bruichladdich trinken. Was da passiert ist wirklich komplex.

    PS:
    Auf die Gefahr hin das Bruichladdich für ein Schmerzmittel gehalten wird, es ist auch ein Single Malt Scotch Whisky und nur in dieser Eigenschaft hier erwähnt

  42. Die Aura im Traum

    Das muss ich noch nachtragen! Ich kenne mehrere Fälle, in denen jemand von einer Migräne mit visueller Aura träumte, dabei aufwachte und diese Sehstörung dann nahtlos weiter ging. In einer Vorlesung berichtete mir dies eine Studentin und dies ist auch publiziert (man verzeih mir, dass ich nun keine Referenz heraus suche).

    Dies ist insofern spannend, da es sich bei der Aura um ein rein corticales Phänomen handelt. Es kommt nicht zu einer Durchleitung durch den Thalamus, dem Gatekeeper für sensorische Informationen beim Schlaf.

  43. Redder Still

    Ein Einwurf zu “Dauer des Schmerzes” (übrigens cortical, weil nach dem Ereignis, nach dem Reflex) – Wie groß muß die Veränderung des Schmerzes (dI/dt) sein, damit dieser als “abnehmend” empfunden wird? (das scheint doch qua subject das wesentliche Kriterium zu sein) – damit Schmerz schließlich nicht als von unbestimmbarer Dauer “erscheint”?

  44. Zenon überholt die Schildkröte

    Wir definieren einfach eine Schwelle und dann warten wir bis der Schmerz (l=Schmerz) kleiner als diese Schwelle ist. Da brauchen wir keine Betrachtung der Geschwindigkeit (dl/dt) um die Dauer zu bestimmen.

    Diesen Einwurf muss ich somit kurzum abbloggen, bevor noch Zenon die Schildkröte überholen kann.

    Nun hat Jörg Schütze aber immerhin noch versteckt die Frage beantwortet: Was ist Rot? Das:

    Dafür und für die schöne Diskussion, sei ihm gedankt.

  45. Migräne im Schlaf

    Diese Diskussion ist spannend, aber macht mich ganz wirr, bis gestern glaubte ich noch zu wissen was Schmerz ist…

    Bin ich zu naiv wenn ich bislang dachte Schmerz dient dem Leben, schützt und warnt uns, sichert das Überleben empfindlicher Körper, die so oft von unvernünftigen Köpfen gelenkt werden? Ich glaube das Leben wie wir es kennen ohne Schmerz nicht möglich wäre. Überleben, weiterleben um sich fortpflanzen zu können, dreht sich nicht seit Anbeginn der ersten Einzeller alles nur darum?

    “….(….)…die Frage: Kann man Schmerzen träumen? Einige Symptome einer Migräne, nämlich die Aura bestehen im Schlaf, der Kopfschmerz aber nicht.”

    Nicht? Ich hatte in den letzten Jahren außerhalb von Migräne keine schlimmen Schmerzen mehr, deswegen kann ich nur für Migräne sicher sagen, das ich auch im Schlaf Schmerzen habe, ich träume davon und mir wurde gesagt das ich im Schlaf oft *auauaua* jammere. Ein Segen das ich trotz der Schmerzen erstaunlicherweise ganz gut durchschlafen kann, geweckt werde ich eher durch die Übelkeit als durch den Schmerz.

  46. Schmerz im Traum

    Schmerz im Traum könnte sicher als Schmerzgedächtnis vorkommen, aber bei einer Migräneattacke, die im Schlaf beginnt, würde ich denken, dass diese bis zum Aufwachen unbemerkt bleibt.

    Das müsste ich nun aber nochmal nachforschen, wenn es überhaupt stichhaltige Befunde dazu gibt.

    Würdest Du denn sagen, dass die Migräne in den Traum einbricht und Du wach wirst, und diese (die Kopfschmerzen) dann in im wesentlichen gleicher Qualität weiter gehen. So dass Du sagen würdest, diese Kopfschmerzen waren letztlich eine reale Wahrnehmung, die sich Deinem Traum nur überlagert hat.

  47. Innervation der Dura mater

    Ich zitiere mal aus Gray Anatomie (mit Dank an meine Frau, machmal liegt die Antwort so nah … Und auch Jürgen Bolt hatte dieses Buch oben schon zitiert.):

    Innervation
    Die Innervation der Dura mater erfolgt über kleine meningeale Äste aller drei Anteile des Nervus trigeminus [V1, V2 und V3] und durch den ersten, zweiten und manchmal auch den dritten zervikalen Spinalnerv.

    Das hatten wir ja schon.
    Weiter:

    Der Boden sowie der vordere Teil der Falx cerebri der vorderen Schädelgrube werden durch meningeale Äste der Nervi ethmoidales – Äste des Nervus ophthalmicus [V1] – innerviert.
    Ferner biegt einer der meningealen Äste des Nervus ophthalmicus [V1] nach dorsal, um das Tentorium cerebelli und den hinteren Abschnitt der Falx cerebri zu innervieren.
    Die mittlere Schädelgrube wird medial durch meningeale Äste des Nervus maxillaris [V2] und lateral, im Versorgungsgebiet der Arteria meningea media, durch meningeale Äste des Nervus mandibularis [V3] innerviert.
    Die hintere Schädelgrube wird von meningealen Ästen des ersten, zweiten und manchmal auch des dritten Zervikalnervs innerviert. Die Äste gelangen durch das Foramen magnum, den Canalis nervi hypoglossi und das Foramen jugulare in die Schädelhöhle.

    Ich zeige nur ein Thumbnail aus Gray Anatmoie, da sonst das Copyright nicht beachtet würde.

    Gray’s Anatomie für Studenten
    Richard L. Drake, A. Wayne Vogl, Adam W.M. Mitchell, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH

  48. Im Traum

    Ich hole ein wenig weiter aus, bei mir verläuft es in der Regel folgendermaßen, ich wache morgens auf und habe entweder einen leisen Schmerz oder das Migränegefühl welches eine Attacke ankündigt, aber erst im laufe des Tages gewinnt die Migräne dann richtig an Schwung.

    Das bedeutet ich gehe mit Migräne schlafen oder versuche wegen der Schmerzen zu schlafen und wenn ich Pech habe, wache ich mit der gleichen Migräne auch wieder auf…

    Ich kann also trotz der Schmerzen schlafen, aber die Migräne bleibt mir erhalten, was auch immer ich träume, was auch immer ich im Traum tue, das tue ich im Traum mit Migräne, träume ich von einem Spaziergang, dann gehe ich mit Schmerzen spazieren.

    Insofern, ja, die Migräne bricht in meine Träume ein. Die Migräne betreffend bin ich also auch im Schlaf immer auf dem aktuellen Stand, wenn ich aufwache dann erlebe ich im Wachzustand Schmerzen in der geträumten Intensität.

    Warum kommt Dir das so erstaunlich vor?

  49. Thálamos das „Schlafgemach“

    “Warum kommt Dir das so erstaunlich vor?”

    Wenn Du oben auf das Tafelbild guckst, zum Thalamus (4), da muss das Schmerzsignal durch. Egal ob es nun im Hirnstamm seinen Ursprung hat (aktuelle Theorie) oder von der Dura mater kommt über eine spreading depression ausgelöst wurde (neuste Theorie).


    Life Science Databases (LSDB)
    CC-BY-SA-2.1-jp

    Durch den Thalamus geht die Schmerzleitung nun nicht einfach hindurch, sondern macht Zwischenstation, besser noch, es ist eine Umschaltstation.

    Dieses Umschalten dient weniger für eine Weiterverarbeitung des Schmerzes im Sinne einer Informationsgewinnung, sondern als Filter. Im Schlaf kann hier entschieden werden, was durch kommt. Die meisten sonsorischen Signale werden hier im Schlaf heraus gefiltert. So hat man seine Ruhe.

    Wenn Du also im Schlaf Kopfchmerzen hast, wäre die Frage, ob sich der Kopfschmerz hinter dem Thalamus also im Cortex (Hirnrinde) – in gewissen Sinne und mit etwas Vorsicht: im Gedächtnis – festgesetzt hat, oder ob er einfach vom Thalamus durchgelassen wird.

    Daher wäre es spannend zu wissen, ob der Schmerz auch mal Mitten im Traum beginnt, aber zuvor sich nicht ankündigte.

  50. Im Schlafgemach

    ah-jaaa… jetzt bin ich irritiert wie so oft wenn ich in diesem Blog lese 😉 aber ich verstehe nun den Mechanismus – sehr interessant, vielen Dank für die Erklärung.

    Wie lässt sich das klären? Ich kann nicht wissenschaftlich argumentieren dazu fehlt mir das Wissen, ich weiß auch die richtigen Fragen nicht, aber ich habe Migräne und kann aus meinen Erfahrungen berichten.

    – Ich hatte noch keine Migräne die ohne Ankündigung im Traum begonnen hat.

    – Manchmal gehe ich mit Migränevorboten (bisschen lichtempfindlich, bisschen Übelkeit) ins Bett und wache in der Nacht wegen der Schmerzen auf.

    – Mein Bett sieht aus wie ein Schlachtfeld, ich bin verschwitzt – die Indizien würden also dafür sprechen das ich schon eine Weile Schmerzen gehabt haben muss.

    – Migräne ist nicht wie andere Schmerzen, selbst die leichteste Migräne mit winziger Schmerzintensität bleibt immer im Vordergrund. Von anderen Schmerzen kann ich mich ablenken, von Migräne nie – selbst die kleinste Migräne verdirbt den Tag.

    Kann es denn sein das ich mich so täusche? Ja, könnte durchaus möglich sein 😉 Ich werde in meinem Freundeskreis mal herumfragen.

    Dir einen schönen Sonntag!

  51. Kein richtig oder falsch

    Liebe Alex,

    die Erfahrungen, die Du beisteuerst sind sehr interessant. Ich wünsche mir in der Tat viel mehr solche Kommentare in dem Blog. Danke dafür.

    Schmerzempfinden bis hin zu dem subjektiven Erlebnisgehalt dieses mentalen Zustandes ist nicht mit falsch oder richtig, täuschen oder nicht täuschen zu werten.

    Doch kann man durch genaue Selbstbeobachtung und Anleitung dazu einiges herausfinden. Letztlich führt dies aber weit in den klinischen Bereich, für den ich als Physiker nicht zuständig und auch nicht erfahren genug bin.

    Ich hoffe aber, dasss es hilft, wenn Du und andere Leser zumindest eine gewisse Vorstellung entwickeln, was im Gehirn falsch läuft.

    Auch Anregungen, welche Aspekte man in ein Schmerztagebuch eintragen kann, resultieren vielleicht aus diesen neuen Informationen.

  52. Nochmal zum Thema Capsaicin:
    Capsaicin großflächig(!) auf der Haut (ABC-Pflaster, Hitzesalbe) erzeugt ein Gefühl von Wärme.
    Hat man aber schon den umgekehrten Versuch gemacht und Capsaicin kleinflächig(!) auf die Haut aufgebracht?:
    In Form eines sehr sehr schmales Streifens – wie bei einem Schnitt.

    Wenn nicht, dann sollte man das mal ausprobieren.

    Warum das Ganze: Wenn jetzt das “Capsaicin plötzlich einen Schmerz erzeugt (wenn es als schmaler Streifen aufgebracht wird), dann könnten sich daraus Hinweise ergeben, wie ein Schmerz entsteht.
    Das Gehirn vergleicht ein Eingangs-Muster von Sinnesreizen mit vorhandenem Wissen (Schnittverletzung) und danach/daraus entsteht der Schmerz?“
    (KRichard, Kommentar vom 24.03.2011 | 09:52)

    Dann müsste man aber davon ausgehen, dass ein Kleinkind hier keinen Schmerz empfindet, da es noch keine Erinnerung an eine bisher nicht stattgefundene Schnittverletzung geben kann.

    Insgesamt ist es ja ziemlich klar, wie andere schon vermerkten, dass Schmerz zum Leben dazugehört und ohne Schmerz Leben gar nicht möglich wäre. Oder nur sehr eingeschränkt. Wir würden von einer Katastrophe in die nächste stürzen, da die schützende Warnfunktion fehlt. Siehe z.B. krankhafte Analgesie, oder auch schwere psychische Leiden, bei denen nur sehr eingeschränkt Schmerz empfunden wird.

    Wie Schmerz entsteht, haben die Wissenschaftler hier schon sehr anschaulich und spannend dargelegt und diskutiert.

    Was mich nun als Migränikerin besonders interessieren würde, warum der Migräneschmerz in Verbindung mit Übelkeit und Erbrechen ja offensichtlich biologisch ins Leere läuft. Dem Gehirn wird eine schwere bakterielle Entzündung suggeriert, die ja so nicht stattfindet und der Körper reagiert mit Übelkeit und Erbrechen, um die schädlichen Stoffe aus dem Körper zu transportieren. Eine lebenswichtige Reaktion des Körpers, würde es sich tatsächlich um eine Vergiftung handeln. Hier läuft aber etwas grundlegend falsch, da die Signale missinterpretiert werden.

    Warum ist das so und warum hat der Körper im Laufe der Zeit nicht gelernt, dass Übelkeit und Erbrechen in diesem Fall sinnlos sind und den Körper unnötig schwächen und ihm schaden?

    Auch beim Schmerzgedächtnis driftet einiges ziemlich ab. Was passiert hier? Warum werden nichtschmerzhafte Reize als schmerzhaft erlebt, oder Nervenzellen feuern weiter, obwohl die Schmerzquelle längst abgestellt ist? Basiert hier viel auf “Datenverarbeitungsfehlern” im Gehirn? Das Gehirn rechnet die Informationen aus dem Körper anscheinend falsch zusammen und daher wird ein nichtschmerzhafter Reiz als schmerzhafter interpretiert, die Informationen bleiben erhalten und der Schmerzreiz unterhält sich irgendwann selbst.

    So oder ähnlich 😉 hatte Prof. Göbel mal eine Erklärung versucht, da ja nach wie vor die Mechanismen noch nicht klar sind.

    Ich habe oft nächtliche Attacken und kurz vor dem Erwachen träume ich den Schmerz wohl auch schon. Scheint mir also ähnlich wie Alex zu gehen, nur dass ich den Schmerz nicht in jeden Traum lasse.

    Was ist das nur für eine Geschichte mit dem roten Pullover? 😉 Abgesehen davon, dass er gut aussieht – auch der Inhalt. 🙂

    Rot ist ja schon seit jeher Signalfarbe in der Tierwelt. Entweder, um zu imponieren bei den Weibchen, oder auch als Abschreckung der Fressfeinde.

    Antwort:
    Danke für Ihren Kommentar, Antwort in meinem nächsten. Hier nur der Vermerk, dass ich das Zitat oben besser kenntlich gemacht habe.

  53. Die Auflockerung der Tiefe

    Leider sind offensichtlich nicht alle Symptome von Krankheiten Schutzreaktionen des Körpers gegen die Krankheitsursachen.

    Schmerzen dienen sicher auch einer Funktion, aber da wir nun diesen Schmerzsinn haben, kann er eben auch aus dem Ruder laufen und falschen Alarm schlagen. Gleiches gilt für Übelkeit und Erbrechen.

    Wie Sie schon korrekt anmerken, liebe Frau Frank, sind “nach wie vor die Mechanismen noch nicht klar”.
    Um so mehr aber freie ich mich, dass Sie und andere Leser weit mit mir in die Tiefen der Forschung vordringen wollen und wir untereinander diskutieren.

    Nebenbei bemerkt, allein zur Auflockerung diente der rote Pullover. So wie ich den Beitrag einleite, fand das wirklich statt. Leider hatte ich kein Foto und musste so Stephan Schleim per Bildverarbeitungsprogramm “umziehen”.

    Ich hätte bei dem Gespräch auch sagen können: Schmerz sei nichts wesentlich anderes als Lärm hören oder Kaffee riechen. Aber der rote Pullover schien mir wahrscheinlich ob seiner Signalfarbe als bestes Beispiel.

  54. sinnvoll oder überflüssig?

    Aber sind wir uns denn wirklich sicher das die Migränesymptome wie Schmerz und Übelkeit “biologisch ins Leere” laufen?

    Falls das Ziel wäre absolute Ruhigstellung zu erzwingen, vielleicht um eine Heilung einzuleiten oder gar erst möglich zu machen, dann würde ich von einer gelungenen Notbremse reden.

    Wäre das nicht denkbar?

  55. @Bettina Frank

    Das angeregte Capsaicin-Experiment kann eine Schnaps-Idee sein – wissen wird man es erst, wenn man es ausprobiert.

    Und damit sind wir beim Thema. Je mehr man allgemein und im Detail über Migräne/Schmerz weiß, um so eher können Therapien entwickelt werden jedes Puzzle-Stück kann von Bedeutung sein.

    Bei mir ist es so, dass bestimmte Nahrungsmittel am nächsten Tag Migräne auslösen. (Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich deshalb die Entstehung von Migräne vermeiden kann.) Außerdem ist bei mir ein deutlicher zeitlicher Einfluss erkennbar: dann hört die Migräne innerhalb einer 1/2 Stunde von selbst auf – ganz egal wie schmerzhaft sie vorher war. Meine Migräne bekam ich ab einer Gehirnerschütterung, vorher hatte ich nie Probleme.

  56. @Bettina Frank, II.

    Ich hatte einmal massive Herzrhythmus-Störungen. Durch eine systematische Analyse konnte ich als Ursache eine einzige Substanz als Ursache ermitteln und damit weitere Herzprobleme vermeiden.
    Dieses Beispiel zeigt, dass es sich lohnt, auch Kleinigkeiten zu beachten, weil sie Rhythmen beeinflussen können.

  57. physiologische vs. psychologische Fragen

    Migräne eine Notbremse? Möglich. Aber warum brauchen manche Menschen diese Notbremse und andere nicht? Es scheint eine genetische Komponente zu geben, worauf ich im Beitrag “Genetik der Migräne” eingehe. Insofern ist Migräne eine Erkrankung und nicht einfach ein Überlastungszustand. Es bleibt selbstverständlich durchaus denkbar, dass Menschen, die erkrankt sind, diese Ruhepausen brauchen. Letztlich ist dies nicht mein Feld.

    Eine Frage, die wir uns in der physiologischen Forschung immer wieder stellen, ist, ob die SD einen physiologischen Zweck erfüllt. SD ist die Ursache der Aura und – wie in diesem Beitrag dargestellt sowie im Beitrag “Die unbemerkte Aura” – SD auch mag Ursache der Kopfschmerzen sein. Aber vielleicht verhindert eine SD noch schlimmeres?

    Viele Physiologen und Neurologen forschen darüber, ob SD eine epileptische Aktivität unterdrückt. Oder auch bei Schlaganfall eine Schutzwirkung für das Gewebe übernimmt.

    Wenn dies so wäre, würden wir SD in der klinischen Praxis gar nicht unterbinden wollen, sondern sollten nur deren mögliche Reizung der Hirnhaut (Dura mater) verhindern.

    Diese Gedanken mögen zunächst nicht minder spekulativ erscheinen als die nach der Bedeutung der Ruhepausen. Aber solche Hypothesen können wir in der physiologischen Forschung klar (wenn auch nicht leicht) beantworten.

    Während die nach dem evolutionsbiologischen Hintergrund mir schon schwieriger erscheint. Oder eben auch die Frage, was passieren würde, wenn ein Erkrankter im Falle einer Attacke sich die nötige Ruhe nicht gönnt.

    Die physiologischen und psychologischen Frage gehen in die gleiche Richtung. Was bedeutet die Migräne? Warum tritt sie auf?

    Aber was genau ist sich Ruhe gönnen etc? Dies sind auf dem Verhalten basierende Aussagen bzw. Thesen und machen eine Überprüfung schwierig. Oder besser: solche Thesen liegen schlicht hinter meinen Horizont. Ein Psychologe hat hier sicher einen Zugang. Mir scheint es ein Glücksfall, dass Prof. Hartmut Göbel zum Beispiel Neurologe und Psychologe ist. Er hat ein ganz anderes Verständnis für die klinische Sicht, die ich zu wenig kenne um mich qualifiziert zu diesem Themenkomplex äußern zu können.

    Puh. Das war jetzt ein langes: “möglich” als Antwort auf Alex Frage zwei Kommentare weiter oben.

  58. hab Dank

    Lieber Markus, wir halten Dich ganz schön auf Trab. Ich bin ein bisschen klüger geworden. Hab Dank für Deine Mühen alle Fragen zu beantworten!

    Ich finde es prima in den Kommentaren eines Wissenschaftsblogs auch mal über Spekulatives zu lesen. Warum nicht? So werden Ideen geboren, außerdem liest es sich spannend

    Grüße

    Antwort:
    Danke.
    Als Forscher will ich auf Trab gehalten werden. Es gibt unendlich viele Fragen, die Forscher sich vornehmen können. Meine Auswahl erfolgt nach dem, was ich als relevant erspüre. Dies wird nicht zuletzt durch das Schreiben darüber beeinflusst. Ohne Rückmeldung wäre das nur die halbe Geschichte.

  59. Interessante und wichtige Spekulationen

    @ KRichard: Wurde bei Ihnen denn eine Migräne diagnostiziert, oder haben Sie einen sekundären Kopfschmerz nach Gehirnerschütterung? Hier ist die Unterscheidung zwischen primärem und sekundärem Kopfschmerz sehr wichtig, da sich sowohl Attackenmedikation, als auch Prophylaxe unterscheiden.

    Scheint auch so, dass Sie auf Histamin empfindlich reagieren. In diesem Fall hat man natürlich sehr viel selbst in der Hand. Ich habe fast alle Trigger eines Migränikers, reagiere aber so gut wie nicht auf Lebensmittel. Einzig und allein Alkohol geht nur noch in Fingerhutmengen, Rotwein kein Tröpfchen.

    Dass es sich lohnt, auf Einzelheiten zu achten, sehe ich als essentiell an. Nur durch detektivische Kleinarbeit kommt man dem einen oder anderen Trigger auf die Schliche und kann versuchen, ihm aus dem Weg zu gehen.

    @ Markus Dahlem: Der Einwand von KRichard macht m.E. schon Sinn, da sich das Gehirn mit der Migräneattacke tatsächlich die benötigte Erholung erzwingt. Migräniker brauchen aufgrund ihrer Reizverarbeitungsstörung ganz dringend Pausen zwischendurch, die sie sich aber nicht eingestehen wollen. Das Gehirn ist immer in höchster Bereitschaft und fährt selbst bei “langweiligen” Reizen nicht runter. Daher auch die Überlastung und irgendwann bricht alles zusammen. Wie wir aus den neuen Forschungen inzwischen wissen, staut sich das Glutamat an den Synapsen und kann nicht schnell genug abgebaut werden. Dadurch auch die neurogene Entzündung im Anschluss. Bei Gesunden gibt es diesen Stau nicht, da das Gehirn adäquat reagiert auf Reize und entscheiden kann, welche sind interessant und wichtig, welchen wiederum brauche ich nicht so viel Aufmerksamkeit und Energie zu widmen. Das ist wahrscheinlich einer der wichtigen Unterschiede zwischen Migräniker und Nichtmigräniker. So ist zumindest mein Kenntnisstand.

    Übrigens gönnen sich die meisten während einer Attacke keine Ruhe. Menschen mit einer hohen Attackenfrequenz hätten ja sonst kein Leben mehr, sondern würden die meiste Zeit ruhen. 😉 Sie nehmen das Triptan und sobald der Schmerz nachlässt, setzt man die geplante Aktivität fort. Man vergisst dabei, dass die Migräne ja im Hintergrund weiterläuft. Das Gehirn erhält also die dringend benötigte Ruhe nicht, damit sich die leeren Speicher wieder füllen könnten. Das Problem wird vertagt. So lange, bis nichts mehr geht und der Status migraenosus einen in die Knie zwingt. Dann hilft nur noch eine Medikamentenpause um die körpereigene Schmerzabwehr wieder aufzubauen. So einfach und gleichzeitig so schwierig ist das!

    Wie das mit der SD abläuft, ist auch sehr spannend. Liegen nicht Epilepsie und Migräne mit Aura sehr nahe beisammen? Antiepikeptika helfen sowohl bei Epilepsie, als auch bei Migräne. Interessanter Gedanke, dass die SD vielleicht sogar einen epileptischen Anfall unterdrücken kann. Aber es gibt ja auch Epileptiker mit Migräne und Migräniker, die aufgrund der Aura einen Schlaganfall erleiden. Warum muss alles so kompliziert sein?

    Übrigens, die Frage nach dem roten Pullover war eine rhetorische. Hab zwar nicht alles so genau verfolgt um diese Geschichte, aber so in etwa hatte ich es schon mitbekommen. 😉

    Auch ich danke Ihnen für diesen interessanten Blog, in dem sogar gelegentlich Laien mitmischen können/dürfen.

  60. Atome auch im Gehirn

    Danke für Ihren ausführlichen Kommentar, liebe Frau Frank.

    Als erstes der Hinweis an alle Leser, dass in diesem Blog nicht nur gelegentlich sondern immer und gerne Laien mitmischen dürfen. Sei es mit einer kurzen Verständnisfrage (das ist ganz wichtig, damit ich die Leserschaft auch kennen lerne, falsche Leser gibt es ebenso wenig wie dumme Fragen). Sei es mit detaillierter Kritik und weiteren Anregungen. Oder auch eigenen Erlebnissen. Oder was eben auf dem Herzen liegt und zum Thema paßt.

    Dass Migräne, Epilepsie und Schlaganfall nahe beieinander liegen weiß der Leser dieses Blogs ja schon. Nicht umsonst habe ich z.B. diese Erkrankungen einmal im Googels Ngram miteinander verglichen.

    Ich will jetzt wieder nur auf der ebene der Physiologie dies kommentieren.

    Bei allen drei Konditionen spielt die Entladung der chemischen Batterien, über die unsere Nervenzellen verfügen, eine Rolle wesentliche Rolle.

    (Übrigens, ich empfehle in diesem Zusammenhang für Fachleute gerne das Buch: “Ions in the brain” von George Somjen. Dort heiß es im Untertitel “Normal Function, Seizures, and Stroke” (Normale Funktion, epileptischer Krampfanfall und Schlaganfall). Die Migräne fehlt noch. Aber George Somjen stimmt mit mir sicher weit überein, was die Physiologie der Migräne betrifft.)

    Die Verteilung der elektrisch geladene Atome (Ionen) in und außerhalb der Nervenzelle ist bei diesen drei Konditionen massiv gestört. Das hängt bei Migräne wohl mit dem Glutamt zusammen. Allerdings will ich zu diesem Zeitpunkt die neuliche Arbeit – ich berichte ja hier – nicht überbewerten. Es könnten zusätzlich auch weitere Faktoren eine wesentliche Rolle spielen.

    Damit komme ich dann zu Ihrem Anfang. Ich bin da ganz bei Ihnen und Alex: Ruhepausen sind sicher wichtig. Als nicht-Mediziner drücke ich mich nur immer sehr vorsichtig aus, sobald etwas vom Leser als Hinweis verstanden werden kann, wie er als Erkrankter mit seiner Krankheit umzugehen hat. Da muss jeder letztlich seinen Arzt fragen.

  61. @Bettina Frank

    Ich war beim Neurologen und bekam dort den Tipp, darauf zu achten, ob es Zusammenhänge zwischen Lebensgewohnheiten und dem Auftreten von Migräne gibt.
    Bei mir war das glücklicherweise der Fall.

  62. Neurotransmitter

    @ KRichard: Sie haben wirklich Glück gehabt mit diesen überschaubaren Triggern, die noch dazu gut von Ihnen selbst beeinflussbar sind. Ich wünsche Ihnen, dass das auch so bleibt.

    @ Markus Dahlem: Ging es in Ihrem Beitrag im Google Ngram nicht ausschließlich um die Worthäufigkeit? Aber wie auch immer, ist uns allen klar, dass diese Erkrankungen einen ähnlichen Ursprung haben.

    Die Rolle der Neurotransmitter an den Synapsen, immer noch wenig zu durchschauen (besonders von mir), scheint einen großen Stellenwert zu haben. Hier ein Artikel zum Thema: Regulator für Synapsen-Aktivität im Gehirn gefunden

    Bin nun gespannt, ob das Einbinden des Links geklappt hat. ;)Wen nicht, korrigieren Sie bitte.

    Danke für Ihre lieben Worte, Herr Dahlem. Ihr Blog ist auch für Laien unglaublich interessant, wenngleich manchmal von der Thematik her zu kompliziert und wissenschaftlich für mich. Da getraue ich mich dann gar nicht mehr, meinen “Senf” dazuzugeben. 😉

    Liebe Grüße
    Bettina Frank

  63. Neurologisch-topische Diagnostik

    Um nochmal auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Da es recht gut bekannte Zusammenhänge zwischen funktioneller und struktureller Organisation der Schmerzleitung gibt, wollte ich diesen Aspekt beleuchten.

    Wo schmerzt es? Kann ich aus dieser Information auf den Ort der Schädigung zurück schließen. Das ist was wir neurologisch-topische Diagnostik nennen.

    Hier eine Zeichnung, die mich fasziniert hat.

    Präzise Zeichnungen sind sehr wertvoll für den Neurologen. Solche Zeichnungen bereichern z.B. ein Kopfschmerztagebuch.

    Quelle: Migraine Aura Foundation

  64. Anschauliches Bild

    Das ist sehr interessant und ist sicher wichtig, das auch im Kopfschmerztagebuch zu vermerken. Meist sind die Schmerzen ja einseitig, um das Auge, die Schläfen – so wie im Bild gezeigt. Die Nackenschmerzen gehören übrigens schon zum Migränegeschehen dazu. Das wissen die meisten aber nicht und denken, dass sie durch die Nackenverspannungen die Migräne triggern. Kann natürlich gelegentlich auch mal vorkommen, aber in der Regel ist die Migräne schon “da”, wenn der Nacken schmerzt.

    Was kann man daraus schließen? Interessant ist auch das Wandern der Schmerzen. D.h. dass während der selben Attacke der Schmerz von links nach rechts wandern kann und umgekehrt.

  65. Bild

    Oh… jemand hat meinen Kopf während einer Migräne gezeichnet. Zutreffendes Bild!

    Passiert das was den Schmerz auslöst denn tatsächlich auch unter den gekennzeichneten Stellen?

    @Frau Frank: Auch meine Schmerzen wandern, während eines Anfalles sind mehrere Seitenwechsel möglich. Die Wanderung passiert schnell und oftmals bermerke ich den Wechsel nicht sofort.Irgendwie ist es ja auch wurscht auf welcher Seite der Schmerz gerade tobt. Aber ich meine “Heilung” einer Seite innerhalb von Sekunden? Ist das nicht eigentlich bemerkenswert?

  66. @ Alex: Es erstaunt mich auch immer wieder aufs Neue, dass die eben noch so extrem schmerzende Seite plötzlich schmerzfrei ist und das selbe Spiel “gegenüber” beginnt.

  67. Wenn der Schmerz die Seite wechselt

    Passiert das was den Schmerz auslöst denn tatsächlich auch unter den gekennzeichneten Stellen?

    Das ist die entscheidende Frage.

    Aber ich meine “Heilung” einer Seite innerhalb von Sekunden? Ist das nicht eigentlich bemerkenswert?

    gs_Std_BubbleNeutral2

    Das ist interessant. Wie plötzlich wechselt denn der Schmerz von einer auf die andere Seite.

  68. Wanderungen

    “Passiert das was den Schmerz auslöst denn tatsächlich auch unter den gekennzeichneten Stellen? “

    >>Das ist die entscheidende Frage.Das ist interessant. Wie plötzlich wechselt denn der Schmerz von einer auf die andere Seite.

  69. Seitenwechsel

    Der Seitenwechsel kann tatsächlich innerhalb von Sekunden stattfinden. Manchmal aber merke ich es auch nicht und wundere mich nur irgendwann darüber. Oft passiert es auch über Nacht. Während langer Attacken kann es sein, dass ich 3 Tage recht den Schmerz habe, am nächsten Tag ist er links, dann wieder rechts und dann geht er links zu Ende. Da gibt es keine Regel.

    Es ist eigentlich unglaublich. Man denkt gerade noch, dass einem gleich der Kopf platzt und alles im Gehirn wund ist, wie bei einer schweren Verletzung, im nächsten Augenblick ist die eben noch “verletzte” Seite heil.

    Vor meinem ersten Klinikaufenthalt vor mehr als 7 Jahren hatte ich meist rechts meine Attacken – mit eben erwähntem Seitenwechsel natürlich. Nach dem Klinikaufenthalt und mit Topamax war dann für viele Jahre fast nur die linke Seite betroffen – auch mit Seitenwechsel. In den letzten Jahren hält es sich die Waage, wobei die Attacken, die links beginnen, schlimmer zu ertragen sind. Früher war es umgekehrt.

    Blicken Sie noch irgenwie durch? 😉

  70. Wanderung

    so, jetzt aber der vollständige Text

    “Passiert das was den Schmerz auslöst denn tatsächlich auch unter den gekennzeichneten Stellen? “

    >>Das ist die entscheidende Frage.>Das ist interessant. Wie plötzlich wechselt denn der Schmerz von einer auf die andere Seite.

  71. Wanderung

    also ich versuche es jetzt so lange bis es klappt…

    “Passiert das was den Schmerz auslöst denn tatsächlich auch unter den gekennzeichneten Stellen? “

    >>Das ist die entscheidende Frage.

    Das ist die Frage weil das Gehirn selbst keinen Schmerz wahrnimmt? Aber die Innenseite des Schädels schon?

    “Aber ich meine, “Heilung” einer Seite innerhalb von Sekunden? Ist das nicht eigentlich bemerkenswert?”

    >>Das ist interessant. Wie plötzlich wechselt denn der Schmerz von einer auf die andere Seite.

    Sehr zügig, 10 – 15 Sekunden vielleicht, keinesfalls länger als 30 Sekunden bis zum vollständigen Wechsel, das passiert ohne Unterbrechung der Schmerzen. Ich empfinde es eher als Umbau denn als Wanderung. Ich suche noch nach einem passenden Vergleich.

    Sehr schönes Portrait :o)

  72. Seitenwechsel

    Ich muss über die raschen Seitenwechsel noch nachdenken. Dies wäre eventuell mal einen eigenen Beitrag wert.

    Das ist die Frage weil das Gehirn selbst keinen Schmerz wahrnimmt? Aber die Innenseite des Schädels schon?

    Dass das Gehirn “keinen Schmerz wahrnimmt” ist vielleicht missverständlich. Ich schrieb ja oben: “Dieses Organ ist folglich völlig schmerzunemfindlich.”

    Natürlich ist dieses Organ aber auch jenes, das Schmerz (wo immer er herkommt) wahrnimmt. Er kommt nur nie von ihm selbst, sondern als Kopfschmerz immer von den Hirnhäuten oder den Teilen außerhalb des Schädels.

    Schmerz kann aber auch unterwegs in der Schmerzleitung entstehen durch eine Fehlfunktion dort. Wahrgenommen würde er auch dann aber immer an den Startpunkt der betroffenen Schmerzleitung.

    Da nun die Nervenbündel, die den Schmerz vom Rezeptor über Zwischenstationen zur Großhirnrinde (Cortex) weiterleiten, sich auf ihre ganz eigene Art unterwegs vermischen, kann aus den Karten des Schmerzes (wie oben gezeigt) oft auf den Entstehungsort zurück geschlossen werden.

    Da stecken aber einige Annahmen dahinter. Und wie gesagt, dies gut zu erkläre bedarf sicher eines eigenes Beitrages und der ein oder anderen Analogie.

    • Ich finde das Thema Seitenwechsel bei Migräne immer noch spannend. Deshalb notiere ich seit einer Weile auf welcher Seite ich Migräne habe und ob Seitenwechsel stattgefunden haben. Ich stelle fest, das Seitenwechsel nichts besonders sind. Die Migräne gleitet, ohne irgendwie aus dem Tritt zu kommen von einer Seite auf die andere ohne das sich der Schmerz und die Übelkeit irgendwie verändert. Hinterlässt innerhalb von Augenblicken, die Seite die eben noch voller Schmerzen war als geheilt. Wie kann das sein? Wenn tatsächliche entzündliche Vorgänge für die Schmerzen verantwortlich sind, können die doch eigentlich nicht innerhalb von Sekunden abklingen, oder?

      • Schmerz wird nicht schlicht weitergeleitet. So ein Bild: man zieht an einer Leine (Entzündung) und am anderen Ende erklingt eine Glocke (Schmerzwahrnehmung), wäre zu einfach. Trotzdem bleibt der Wechsel seltsam. Warum ist das so?

        Eine gute Erklärung fällt mir dafür nicht ein.

        Allerdings können wir uns sicher erstmal davon verabschieden, dass Schmerz bei Kopfschmerzerkrankungen eine Warnfunktion hat. Wenn dem nicht so ist – und viel spricht dafür, dass dem nicht so ist – dann können schon mal mehr Erklärungen herhalten, da sie nicht noch zugleich in das Schema Warnfunktion passen müssen.

        • Du fragst “warum ist das so?” Vielleicht einfach nur weil sie es kann? 😉 Ich habe keine Ahnung. Ich versuche einfach nur bei Dingen die möglicherweise für viele Migräniker so selbstverständlich sind, dass niemand mehr darüber spricht, genauer hinzuschauen. Leute wie Dich drauf aufmerksam zu machen und zu hoffen dass es irgendwie hilft bei dem was Ihr tut.

  73. Seitenwechsel

    Vielen Dank für Dein Interesse und die ausführliche Antwort.

    Ich würde mich sehr freuen wenn Du uns irgendwann vom Ergebnis Deiner Überlegungen berichten würdest.

  74. Kopfschmerz ohne Schmerzsensorik…?

    Ich kenne Kopfschmerzen. Dabei gab es bei mir an Unterschiedlichen Stellen innerhalb des Gehirns für mich gut abgrenzbare Schmerzen in vielen bereichen. Auch der Schmerz war recht unterschiedlich – von kleinen Stichen über partieller Druckschmerz bis Kopfschmerz im ganzen Kopf. Auch Schmerzsymptome, die wie hunderte kleine Kurzschlüsse oder reißende Garnfäden sich anfühlten gab es bei mir. Dabei waren die Situationen immer irgendwie in einem Zusammenhang mit dem Schmerz – sonderbarerweise.

    Einen besonderen Schmerz habe ich über Monate gehabt. Und zwar etwa stechend und wanderte der von der Region Putamen und Palladium über die capsula interna runter bis zur Medulla. Dabei kommt es mir vor, als ob die Basalganglien weiter nach hinten reichten – in den Hinterkopf, denn da schmerzte es ebenso in gleicher Weise. Und alles auf der rechten Seite. Zudem habe ich das Gefühl und auch per Kontrolle durch die Hand an beiden Kopfhälften, dass dabei sich der Kopf erwärmt.D.h. die rechte Kopfhälfte ist wärmer als die linke. Zudem gab es einmal beim EEG einen besonders intensiven und starken Schmerz an etwa der Stelle der Basalganglien und gleiche Höhe weiter hinten. Danach hat mein ganzer Körper eine Zeit lang (Stunden) komplett andere Empfindungen signalisiert – ich war unsicher in meinen Bewegungen und fühlte mich aucuh verunsichert. Auch fühlte ich mich unwohl bis leichte Übelkeit. Wie gesagt: diese ganzen Schmerzsymptome nur in der rechten Kopfhälfte.

    Die Frage nach der Ursache von Kopfschmerz ist eine gute Frage und mir irgendwann besonders aufgestoßen. Denn wenn tatsächlich Operationen am offenen Gehirn schmerz- und Empfindungslos vorgenommen werden können, warum gibt es denn dann Kopfschmerzen und … natürlich auch die dazugehörigen Tabletten? Außerdem, gibt es auch noch viele andere Empfindungen im Kopf, wie etwa ein Dröhnen oder Rauschen, dass man etwa so identifiziert oder Empfindet? Der Tinitus scheint auch dabei eine Rolle zu spielen. Ich habe auch regelmässig ein Pfeifen im Gehör…aber vielleicht ist das eine Sinnestäuschung und das Pfeifen ist ein anderes Symptom mit der Ursache dem Schmerz gleich? Denn ich meine zu Empfinden, dass sich das Pfeifen über den ganzen Kopf erstreckt und nicht nur im Gehör stattfindet….

    Ich würde es begrüßen, dass sich bei der Suche nach den Ursachen und Funktionen der Kopfschmerzen endlich etwas tut in den Erkenntnissen der Wissenschaft und Medizin. Bisher sieht es dabei ziemlich schlecht aus. Ich habe aber keine Hoffnung.

  75. Ursache…vielleicht vergiftung….

    Im Oktober 2008 rauchte ich eine Zigarette und bekam innerhalb der darauf folgende Sekunde Herzrasen und einen erhöhten Kreislauf, der sich bis in den Kopf bemerkbar machte. Dabei fing es bei jeder Zigarette gleich an – nämlich mit einem Gefühl in der Schilddrüse. Dort fing es an zu kribbeln und wurde warm, breitete sich weiter über den Oberkörper aus und darauf folgte das Herzrasen.

    Die mich behandelnden Ärzte wollten davon nichts wissen und haben auch jeden Zusammenhang nicht wirklich geleugnet, sondern sich überhaupt nicht auf die Tatsachen eingelassen. Alle Fragen zu den Vorkommnissen wurden einfach stehen gelassen und ausgewichen. Endlich diagnostizierte man nur einen Wahnzustand und aufgrund der These mit den Tabak offensichtlich Wahnvorstellungen. Wie auch immer … ob nun meine Kopfschmerzen direkt darauf zurück zu führen sind, kann ich nicht sagen, denn immerhin fingen die Kopfschmerzen erst zwei Jahre später extrem und nahezu permanent an mich zu belasten. Vorher hatte ich nur seltenst Kopfschmerzen – aber gelegendlich eben auch und in bestimmte3n Situationen scheinbar reproduzierbar.

    Auf meine fast permanenten Kopfschmerzen reagieren die ärzte auch nur mit dem Ratschlag/Empfehlung … Schmerzmittel. besondere Ursachensuche findet nicht statt. Im Gegenteil, beim EEG war der Schmerz derart stark aufgetreten, dass ich mir daraufhin meine Gedanken machte.

    Mit den sich verändernden Kopfschmerzen (immer tiefer bis in die Medulla hinunter) veränderte sich auch mein Empfindungsvermögen. Ich denke nicht, dass dies eine Folge von der Belastung durch Schmerz sei, sondern ein paralleles Symptom der Ursache des Schmerzes. Meine Gefühle, Empfindungen und auch die sexuelle Motivierung sind mit dem Wandern der Schmerzen immer weniger geworden. Nebenbei bemerkt empfinde ich mich derzeit wieder so, wie es zu Zeiten meiner Kindheit und frühen Jugend war. Auch dieses mag irgend ein Indiz sein können, was denn die Ursache sei. Aber wie immer, es ist bei den Ärzten nicht von Interesse, wo doch schon meine Aussagen über mein Befinden kaum mehr von Relevanz zu sein scheint.

    Ich könnte nun noch ewig weiterschreiben und viele besondere Begebenheiten aufzählen, die mir während den vergangenen 3 Jahren aufgefallen sind und vielleicht eine Hilfe zur Aufklärung wären. Aber hier ist nicht genug platz dazu…

  76. In der TCM geht man davon aus – dass der Schmerz meist nicht an der Stelle ist –
    wo´s schmerzt… Wo wäre denn der Schmerz eigentlich, wenn man eine Zosterneuralgie hat – ?
    Schmerz ist generell nicht rot.

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