Neuromodulation und Neuro-Enhancement: Verschmelzung, Türöffner und Auswirkungen

BLOG: Graue Substanz

Migräne aus der technischen Forschungsperspektive von Gehirnstimulatoren zu mobilen Gesundheitsdiensten.
Graue Substanz

Prolog

Hänschen war im Zoo. Heute muss er in der Klasse davon berichten. Über alle Tiere hätte Hänschen etwas lernen sollen. Allerdings interessierten ihn nur die süßen Mäuse. Über Mäuse weiß er nun alles. Die Lehrerin fragt ihn jedoch: „Hänschen, was weißt du über Elefanten?“ Hänschen stutzt kurz – und erzählt dann: „Elefanten haben Angst vor Mäusen. Mäuse sind viel kleiner als Elefanten und nur wenige Zentimeter groß. Mäuse sind mausgraue Nagetiere und leben bei den Menschen. Mäuse …“

Thema verfehlt, sechs – setzen! Oder nicht?

Unwahrscheinlich dass die Lehrerin zu Hänschen sagt: „Thema verfehlt, sechs – setzen!“ Sie wird die Dreistigkeit gegen sein Mäusewissen wohl abwägen. Nun bin ich eingeladen, einen Vortrag über Enhancement durch neurotechnologische Verfahren zu halten.

Der Vortrag könnte so beginnen: »Neuro-Enhancement umfasst alle Methoden, gezielt unsere Gehirnleistung über das normale Maß zu steigern. Nicht nur über, sondern auch auf das normale Maß lassen sich Gehirnfunktionen steigern, wenn sie vorher gestört waren. Unter den psychiatrischen Störungen und neurologischen Krankheiten kommt der Migräne aufgrund ihrer Häufigkeit eine besondere Bedeutung zu. Migräne … Migräne … Migräne …«

Hänschens Maus ist meine Migräne. Mein berufliches Leben habe ich fast ganz dieser Krankheit gewidmet, zum Glück ohne dass ich darunter leide. Wie Hänschen über sein Mäusewissen gerne spricht, so vermutet man vielleicht, halte ich meinen Vortrag über Migräne. Die Verbindung zum Thema kommt aber in der Tat über neurotechnologische Verfahren (Neuromodulation genannt) zur Kopfschmerzbehandlung.

Mein Thema ist also nicht verfehlt. Ich möchte das in dem Vortrag mit drei Thesen belegen.

  1. Verschmelzung: Neuro-Enhancement durch neurotechnologische Verfahren und medzinische Neuromodulation strikt trennen zu wollen, beruht letztlich auf einer unzulänglichen Unterscheidung. [Weiter zum Beitrag]
  2. Türföffner: Neuromodulation bei Kopfschmerzen ist der bei weitem größte Zukunftsmarkt aufgrund der hohen Prävalenz und diesem Bereich wird deswegen wahrscheinlich eine Türöffnerfunktion für die breite Anwendung zukommen, die auch den “Mißbrauch” in Form des Neuro-Enhancement zumindest nahelegt – und das Wort steht in Anführungszeichen, denn es können durchaus positive Nebenwirkungen damit gemeint sein.
  3. Auswirkungen: Die praktischen Möglichkeiten, Chancen und Risiken des neurotechnologischen Enhancements und der Neuromodulation müssen schon heute in der breiten Öffentlichkeit diskutiert werden, um zukünftige Regulierung zu gestalten.

Wissenschaftler stehen in der Verantwortung, so bin ich überzeugt, sich offen und allgemeinverständlich zu Wort zu melden. Als Gemeinschaft dürfen sie sich nicht wie Hänschen in ihr Fachgebiet zurückziehen. Denn nur sie können das technische und naturwissenschaftliche Fachwissen aufgearbeitet zusammentragen, so dass sie mit anderen gesellschaftlichen Gruppen die sozialen und sonstigen Entwicklungen der Technik verantwortungsvoll gestalten.

 

[Sobald die Thesen jeweils ausgearbeitet habe, werden sie als eigenen Beiträgen online gestellt und hier noch nachträglich verlinkt. Dieser Hinweis verschwindet dann.]

 

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Markus Dahlem forscht seit über 20 Jahren über Migräne, hat Gastpositionen an der HU Berlin und am Massachusetts General Hospital. Außerdem ist er Geschäftsführer und Mitgründer des Berliner eHealth-Startup Newsenselab, das die Migräne- und Kopfschmerz-App M-sense entwickelt.

5 Kommentare

  1. Neuromodulation als Türöffner für Neuro-Enhancement: Das deckt sich mit meiner Einschätzung wie Verbesserungen koginitivier Funktionen sich den Weg zu uns Normals bahnen werden. Was ich Einfallstor nenne wir hier mit dem positiven Begriff Türöffner benannt. Sprachregelungen sind vielleicht doch wichtiger als ich bis jetzt annahm.

    • Ist die medizinische Neuromodulation Türöffner für Neuro-Enhancement durch neurotechnologische Verfahren oder Einfallstor? Oder — wie gerade treffend auf twitter vorgeschlagen: Rabbit hole?

      Kommt sicher auf die Erwartungshaltung an. Zunächst geht es aber darum, überhaupt mal den Stand zusammen zu fassen. Das Neuromodulation bei Kopfschmerzen ein Thema ist, ist sicher kaum bekannt. Türöffner klingt da für mich erstmal neutral. Einfallstor bezieht schon Stellung. Rabbit hole bezeichnet dagegen die Ungewissheit. Ich werde vllt. im Vortrag alle drei Begriffe einbauen.

      • “Ist die medizinische Neuromodulation Türöffner für Neuro-Enhancement durch neurotechnologische Verfahren oder Einfallstor?”

        Natürlich Türöffner zum Einfallstor, schließlich zur erkenntnistheoretisch gerechtfertigten Raserei. Das sollten Sie eigentlich mittlerweile wissen.

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